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Boca do Inferno (eBook)

Aleister Crowleys Verschwinden in Portugal

(Autor)

Steffen Dix (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
392 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401723-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
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September 1930. In Lissabon treffen sich zwei Persönlichkeiten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Der für sein kapriziöses Leben berüchtigte englische Okkultist, Magier, Visionär und Dichter Aleister Crowley, und der Dichter Fernando Pessoa. Die hitzige Freundschaft endet mit dem plötzlichen Verschwinden Crowleys. Ein mysteriöser Abschiedsbrief taucht auf, der die Vermutung schürt, Crowley könne sich in Cascais bei der Boca do Inferno umgebracht haben. Ein Leichnam wird nicht gefunden, die Polizei schaltet sich ein und das Ereignis wird in der internationalen Presse verhandelt. Selbstmord, Mord - oder eine der Possen Crowleys? Steffen Dix wird die Geschichte zum ersten Mal in Dokumenten mit erzählenden Überleitungen darstellen und viele Rätsel lösen, die ins Innerste von Pessoas Werk führen.

Fernando Pessoa (1888-1935), der bedeutendste moderne Dichter Portugals, ist auch bei uns mit dem »Buch der Unruhe« bekannt geworden. Einen Großteil seiner Jugend vebrachte er in Durban, Südafrika, bevor er 1905 nach Lissabon zurückkehrte, wo er als Handelskorrespondent arbeitete und sich nebenher dem Schreiben widmete. 1912 begann seine Tätigkeit als Literaturkritiker und Essayist. Er schuf nicht nur Gedichte und poetische Prosatexte verschiedenster, ja widersprüchlichster Art, sondern Verkörperungen der Gegenstände seines Denkens und Dichtens: seine Heteronyme, darunter Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos - und er schrieb eben auch als Pessoa, das im Portugiesischen so viel wie »Person, jemand« bedeutet.

Fernando Pessoa (1888-1935), der bedeutendste moderne Dichter Portugals, ist auch bei uns mit dem »Buch der Unruhe« bekannt geworden. Einen Großteil seiner Jugend vebrachte er in Durban, Südafrika, bevor er 1905 nach Lissabon zurückkehrte, wo er als Handelskorrespondent arbeitete und sich nebenher dem Schreiben widmete. 1912 begann seine Tätigkeit als Literaturkritiker und Essayist. Er schuf nicht nur Gedichte und poetische Prosatexte verschiedenster, ja widersprüchlichster Art, sondern Verkörperungen der Gegenstände seines Denkens und Dichtens: seine Heteronyme, darunter Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos – und er schrieb eben auch als Pessoa, das im Portugiesischen so viel wie »Person, jemand« bedeutet. Steffen Dix, 1968 geboren, studierte in Tübingen, Berlin und Lissabon Vergleichende Religionswissenschaft und Philosophie. Nach mehrjähriger Forschung am Nachlass Fernando Pessoas promovierte er zu dessen Neopaganismus und Heteronymie. Er übersetzte und edierte im deutschsprachigen Raum viele seiner wichtigsten theoretischen Werke. Neben zahlreichen Artikeln in internationalen Fachzeitschriften ist er (gemeinsam mit Jerónimo Pizarro) Herausgeber mehrerer Buchpublikationen zu Fernando Pessoa und allgemein zur portugiesischen Moderne. Zum ›Orpheu‹ kuratierte er 2015 in Lissabon eine aufsehenerregende Ausstellung. Zurzeit ist er Fellow am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Lissabon. Steffen Dix, 1968 geboren, studierte in Tübingen, Berlin und Lissabon Vergleichende Religionswissenschaft und Philosophie. Nach mehrjähriger Forschung am Nachlass Fernando Pessoas promovierte er zu dessen Neopaganismus und Heteronymie. Er übersetzte und edierte im deutschsprachigen Raum viele seiner wichtigsten theoretischen Werke. Neben zahlreichen Artikeln in internationalen Fachzeitschriften ist er (gemeinsam mit Jerónimo Pizarro) Herausgeber mehrerer Buchpublikationen zu Fernando Pessoa und allgemein zur portugiesischen Moderne. Zum ›Orpheu‹ kuratierte er 2015 in Lissabon eine aufsehenerregende Ausstellung. Zurzeit ist er Fellow am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Lissabon.

Steffen Dix als profunder Kenner der pessoanischen Gedankenwelt

von Steffen Dix vorbildlich kommentiert.

Mysterium


Wie wir bereits hörten, waren es in der Tat widrige Witterungsbedingungen vor der galizischen Küste, die dazu führten, dass die Alcantara einige Zeit aufgehalten wurde, den Hafen von Vigo nur unter ausgiebiger Benutzung des Nebelhorns verlassen konnte und mit einer kleinen Verspätung erst am 2. September, einem Dienstag, im Hafen von Lissabon einlief, wo Pessoa bereits pflichtbewusst am Kai auf den prominenten Magier aus England wartete und ihn mitsamt seiner jungen Begleitung willkommen hieß. In Crowleys Tagebuch heißt es zu diesem ersten Treffen kurz und bündig, Pessoa sei ein sehr netter Mann. Es wurden bisher leider keine Dokumente gefunden, die darüber Aufschluss geben könnten, welchen Eindruck das glamouröse wie exzentrische Paar auf Pessoa gemacht hatte. Auch die Informationen zu den Dingen, die in den nächsten Tagen geschahen, sind spärlich, bruchstückhaft und mitunter sehr zweideutig. Das Paar nahm sich zunächst ein Zimmer im erstklassigen Hotel de l’Europe unmittelbar neben dem Chiado, wo sich auch das Café A Brasileira befindet, eines der früheren Stammcafés Pessoas. Diese Gegend war schon damals mit der bescheidenen Eleganz der Rua Garrett, mit dem in der Nähe gelegenen und der Mailänder Scala nachempfundenen Opernhaus São Carlos, und mit ihren schönen Buchhandlungen der geistige und kulturelle Mittelpunkt Lissabons; er machte auf Crowley allerdings keinen großartigen Eindruck, er empfand ihn als eine sprichwörtliche Lärmhölle. Für den schlichten Glanz des Lissabonner Zentrums konnte er sich nicht erwärmen, die Stadt war für ihn verwahrlost, schlecht gepflastert, provinziell eng und langweilig, was nicht erstaunlich ist, schließlich hatte er die letzten Jahre vorwiegend in Paris, London oder Berlin verweilt. Zumindest hatte das Paar noch ein ganz zufriedenstellendes Abendessen im Hotel, eventuell sogar in Begleitung von Pessoa, es blieb aber nicht mehr lange in Lissabon und begab sich bereits am nächsten Tag ins nahe gelegene, aristokratische Estoril. Man wollte sich eher einem ungezwungenen Strandleben hingeben, als mühsam die steilen, heißen Straßen einer verschlafenen Provinzstadt hinaufzuklettern. Crowley hinterließ am darauffolgenden Mittwoch, dem Tag des Merkurs, vor seiner Abreise nach Estoril noch eine Nachricht an Pessoa und bat ihn darum, sich mit ihm in Verbindung zu setzten. Zu finden sei man in Estoril im Hotel Paris, das fast unmittelbar an einen für Crowley perfekten Strand grenzte.

Crowley an Pessoa (3091930)


Hotel Paris

Estoril

die ☿

Werter Bruder,

93.

Heute nachmittag ziehen wir um zur oben angegebenen Adresse. Wir hoffen, Sie können morgen hierherkommen und uns besuchen. Wenn Sie diesen Brief erhalten, telefonieren Sie uns, um ein Treffen zu vereinbaren; wir denken, den ganzen Tag am Meer zu sein, ungefähr vom Mittag an bis 14:00 Uhr werden Sie uns sicher im Hotel erreichen.

Unabhängig der Fragen zu den Übersetzungen und Editionen habe ich mit Ihnen einige Dinge zu besprechen. Speziell handelt es sich um das Schema, wie die Arbeit des Ordens auf die Basis einer weltweit engen Organisation gestellt werden kann. Nächste Woche muß ich in Lissabon sein, wenn das RMSP Schiff kommt, um einige Pakete in Empfang zu nehmen, und wir könnten auch Leal an diesem Tag treffen.

 

9393/93

 

Brüderlich, 666.

Es wäre bei Pessoas charakteristischer Zurückhaltung verwunderlich gewesen, hätte er sich unmittelbar nach diesem Brief ins sonnige Estoril begeben, um sich erneut mit dem Paar zu treffen. Ein unmittelbares Treffen hätte den beiden sicherlich auch nicht unbedingt gepasst, schließlich hatte sich Hanni Jaeger einstweilig einen ordentlichen Sonnenbrand geholt und war noch etwas weich in den Knien. Crowley begann unterdessen auch eine Abmagerungskur, um sich von einigen überflüssigen Hüftringen befreit in Strandform zu bringen, man hatte am 4. September sicherlich auch Hanni Jaegers 20. Geburtstag gefeiert, wobei aber zu dieser Feier keine Einzelheiten zu erfahren sind, sieht man einmal von einem kleinen sexuellen Opus ab. Mit Pessoa traf sich Crowley erst wieder am 7. September zu einem gemeinsamen Mittagessen, und da es sich um einen Sonntag handelte, nutzten beide noch den gesamten Nachmittag, um im schattigen Hotelgarten ausführlich über die Dinge zu sprechen, die Crowley in seinem Brief angedeutet hatte. Hanni ließ sich an diesem Nachmittag etwas hängen, sie hatte wahrscheinlich immer noch mit den Folgen ihres Sonnenbrands zu kämpfen, und erst nach dem Abendessen zeigte sie wieder etwas mehr Energie, für Crowley fast schon zu viel. Mit Sicherheit ging es in dem nachmittäglichen Gespräch zwischen dem Magier und dem Dichter um die Entfaltung des Ordens AA in Portugal oder um die eventuelle Gründung einer Art Niederlassung des Ordo Templi Orientis in Lissabon unter der Leitung Pessoas. Es gibt bis heute allerdings keinen einzigen stichhaltigen Beweis, ob diese Unternehmen je in die Praxis umgesetzt wurden. Allein nur die Erwähnung dieser Pläne liefert immer noch einen willkommenen Anlass für die tollkühnsten Spekulationen und muntersten Streitereien, in denen sich für gewöhnlich obskure Verteidiger und profane Spötter um höhere Einsichten balgen. Da aber aus den esoterischen Unterwelten bisher kein einziger gegenständlicher Nachweis für eine portugiesische Niederlassung des Ordo Templi Orientis unter Leitung Pessoas aufgetaucht ist, kann sie ebenso wenig belegt wie negiert werden, was freilich für das nun immer näher kommende Mysterium auch keine wesentliche Bedeutung hat. Wie aus Crowleys Brief ersichtlich wird, unterhielten sich beide an diesem Nachmittag auch über einige eventuelle Editionspläne portugiesischer Literatur bei der Mandrake Press, wobei Crowley in dieser Angelegenheit nicht mit offenen Karten spielte, da er bei vollem Wissen um die finanziell aussichtslose Lage des Verlags einige widersinnige Vorschläge machte, auf die Pessoa freimütig und unbedarft in den nächsten Tagen eingehen sollte. Darüber hinaus muss Crowley den Wunsch geäußert haben, mit Hilfe Pessoas einen oder mehrere würdige Gegner für einige seiner geliebten Schachpartien zu finden. Und letztlich vereinbarte man noch ein Treffen mit Raul Leal, der ja in einer etwas schleierhaften Korrespondenz mit Crowley seiner ungestümen Bewunderung für dessen höhere Persönlichkeit freien Lauf gelassen und ihn mit pompösen Worten explizit um eine Einweihung gebeten hatte. Diese wurde dann am 9. September vollzogen, als Crowley gemeinsam mit Hanni Jaeger in Lissabon weilte, um, wie er es in seiner letzten Nachricht angemerkt hatte, einige Postsendungen abzuholen. In seinen Tagebuchaufzeichnungen schrieb er von einem Mittagessen in Lissabon und einem Treffen mit Raul Leal, der ihm ganz offenkundig nicht zusagte. Obwohl an ihm definitiv irgendetwas merkwürdig sei, solle es in der Nacht eben die Einweihung geben, hieß es lapidar in dieser kurzen Notiz. Da in dem besagten Vermerk jedoch nicht von Pessoa die Rede ist, beginnen an dieser Stelle weitere Spekulationen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Pessoa bei dieser Einweihung anwesend war, was sich aus einer Aussage Raul Leals ableiten lässt, nach der Pessoa sich in dessen Wohnung ins Bairro Alto begeben habe, um das Treffen zu arrangieren. Allerdings bedeutet dies nicht notwendigerweise, er wäre auch dageblieben und hätte der gesamten Zeremonie beigewohnt oder sich ihr gar selbst unterzogen. Dies steht zwar unleugbar im Bereich der Möglichkeiten, aber nicht in dem der bewiesenen Realitäten. Wenn auch weniger wahrscheinlich, wäre es hypothetisch ebenso möglich, dass sich Pessoa während Leals Einweihung die Zeit nahm, um mit Hanni Jaeger einen Spaziergang durchs dämmernde Lissabon zu machen, um ihr die schönen Aussichtspunkte der Stadt zu zeigen und sie dabei näher kennenzulernen. Wie auch immer, wir können keine genaue Auskunft darüber geben, was an diesem Abend genau geschehen ist, nur ist es eine unumstößliche Tatsache, dass Pessoa am darauffolgenden Tag einige für ihn ungewöhnlich anreizende Verse niederschrieb, eigentlich sein einziges annähernd erotisches Gedicht (siehe S. 346f.).

Auf Pessoas vermeintliche esoterische Wahlverwandtschaft mit Crowley soll an späterer Stelle noch genauer eingegangen werden. Im Augenblick hat sie mit dem weiteren Verlauf der Dinge nichts zu tun. Crowley war in jenen Tagen vielmehr daran interessiert, repräsentative Gegner für seine mit leidenschaftlicher Meisterschaft gespielten Schachpartien zu finden. Eventuell hatte Crowley zunächst selbst einen Major Pellen und einen Herrn Machado ausfindig gemacht, oder er hatte ihre Namen schon zuvor von Pessoa erhalten und wollte nun gern eine Partie mit ihnen organisieren. Am 11. September, dem Tag des Jupiter, schrieb er an Pessoa mit der Bitte, ihm diese Treffen zu organisieren und, wenn möglich, seine Post zu holen. Er selbst könne in den nächsten Tagen nicht nach Lissabon kommen, dies würde seine »Heilung« stören. Deren genaue Natur hat er jedoch nicht näher beschrieben, nur wäre es nicht verwunderlich, wenn es sich dabei um eine finanzielle gehandelt hätte. Auf alle Fälle hatte er den Ausflug nach Lissabon als ermüdend empfunden, die nächsten Tage wurden bei kleinen Spaziergängen und Malerei geruhsam verbummelt, und erst an jenem Tag des Jupiter, also einem Donnerstag, raffte sich das Paar zu einem erneuten sexuellen Opus auf, bei dem es um eine kräftige Gesundheit und einen frischen...

Erscheint lt. Verlag 28.11.2012
Reihe/Serie Fernando Pessoa, Werkausgabe
Fernando Pessoa, Werkausgabe
Übersetzer Steffen Dix
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aleister Crowley • Anspruchsvolle Literatur • England • Homosexualität • Lissabon • London • Magie • Mandrake • Militärputsch • Mysterium • Portugal • Posse • Selbstmord
ISBN-10 3-10-401723-9 / 3104017239
ISBN-13 978-3-10-401723-5 / 9783104017235
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