Hab acht auf meine Schritte (eBook)

Roman

(Autor)

Claudia Alt (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
464 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-10077-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hab acht auf meine Schritte -  MARY HIGGINS CLARK
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Bei einem schrecklichen Unfall tötet die kleine Liza Barton aus Versehen ihre eigene Mutter. 24 Jahre später kehrt sie an den Ort des Geschehens zurück und erkennt langsam, dass hinter dem angeblichen Unfall von damals der perfide Plan eines Mörders steckte. Und plötzlich ist ihr eigenes Leben in Gefahr.

Mary Higgins Clark (1927-2020), geboren in New York, lebte und arbeitete in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren weltweit. Ihre große Stärke waren ausgefeilte und raffinierte Plots und die stimmige Psychologie ihrer Heldinnen. Mit ihren Büchern führte Mary Higgins Clark regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den begehrten Edgar Award. Zuletzt bei Heyne erschienen: »Denn du gehörst mir«.

1


Vierundzwanzig Jahre später


ES IST UNFASSBAR, ABER ich stehe genau auf demselben Fleck, auf dem ich damals stand, als ich meine Mutter erschossen habe. Ich frage mich, ob ich dies wirklich erlebe, oder ob es nur zu einem Albtraum gehört. In der ersten Zeit nach dieser furchtbaren Nacht hatte ich andauernd Albträume. Einen großen Teil meiner Kindheit habe ich damit verbracht, Bilder von diesen Träumen für Dr. Moran zu malen, einen Psychologen in Kalifornien, wo ich nach dem Prozess gelebt habe. Dieses Zimmer kam in vielen dieser Zeichnungen vor.

Der Spiegel über dem offenen Kamin ist noch derselbe, den ein Vater ausgesucht hat, als er das Haus einrichten ließ. Er wurde in die Wand eingelassen und mit einem Rahmen versehen. Ich erblicke mein Spiegelbild darin. Mein Gesicht ist leichenblass. Meine Augen wirken nicht mehr dunkelblau, sondern schwarz, in ihnen scheinen sich alle schrecklichen Visionen zu spiegeln, die aus meiner Erinnerung auftauchen.

Die Augenfarbe habe ich von meinem Vater geerbt. Die Augen meiner Mutter waren heller, saphirblau, sie passten perfekt zu ihren goldblonden Haaren. Ich selbst wäre aschblond, wenn meine Haare noch ihre natürliche Farbe hätten. Ich lasse sie jedoch dunkler färben, seitdem ich vor sechzehn Jahren an die Ostküste zurückgekehrt bin, um die Hochschule für Design in Manhattan zu besuchen. Außerdem bin ich zehn Zentimeter größer als meine Mutter. Trotzdem, mit zunehmendem Alter werde ich ihr äußerlich in vielerlei Hinsicht immer ähnlicher, und ich bemühe mich, diese Ähnlichkeit so weit wie möglich zu kaschieren. Ich habe immer mit der Angst gelebt, jemand könnte zu mir sagen: »Sie kommen mir irgendwie bekannt vor …« Damals war das Bild meiner Mutter durch alle Medien gegangen, und gelegentlich taucht es immer noch auf, wenn die Geschichte um ihren Tod wieder aufgewärmt wird. Wenn also jemand zu mir sagt, ich käme ihm bekannt vor, weiß ich, dass es ihr Bild ist, das er im Kopf hat. Ich dagegen, Celia Foster Nolan, ehemals Liza Barton, jenes Kind, das von der Boulevardpresse »Little Lizzie Borden« getauft wurde, würde wohl kaum als das pausbäckige Mädchen mit den goldenen Locken wiedererkannt werden, das damals von der Anklage des vorsätzlichen Mordes an seiner Mutter sowie des Mordversuchs an seinem Stiefvater freigesprochen – wenn auch nicht entlastet – worden war.

Mein zweiter Ehemann, Alex Nolan, und ich sind jetzt seit einem halben Jahr verheiratet. Wir wollten heute eigentlich mit meinem vierjährigen Sohn Jack zu einem Reitturnier in Peapack, einer vornehmen Ortschaft im Norden New Jerseys, aber auf einmal ist Alex Richtung Mendham gefahren, einer benachbarten Stadt. Erst dann hat er mir verraten, dass er eine wunderbare Überraschung zu meinem Geburtstag habe, und ist in die Straße eingebogen, die zu diesem Haus führt. Alex hat den Wagen geparkt, und wir sind eingetreten.

Jack zieht mich an der Hand, aber ich bleibe wie angewurzelt stehen. Er ist voller Tatendrang und möchte, wie die meisten Vierjährigen, alles erkunden. Ich lasse ihn los, und im Nu läuft er aus dem Zimmer und rennt den Flur entlang.

Alex steht hinter mir. Ohne ihn anzusehen, spüre ich seine Aufregung. Er glaubt, dass er ein wunderschönes Zuhause für uns gefunden hat, und seine Großzügigkeit geht so weit, dass er es allein auf meinen Namen überschrieben hat, es soll sein Geburtstagsgeschenk sein. »Ich kümmere mich um Jack, Schatz«, beruhigt er mich. »Sieh du dich in Ruhe um und mach dir schon mal Gedanken, wie du alles einrichten willst.«

Als er das Zimmer verlassen hat, höre ich ihn rufen: »Geh nicht die Treppe runter, Jack. Erst müssen wir Mommy das Haus zeigen.«

»Ihr Mann hat mir gesagt, dass Sie Innenarchitektin sind«, meldet sich jetzt Henry Paley, der Makler, zu Wort. »Dieses Haus ist immer in sehr gutem Zustand gehalten worden, aber natürlich hat jede Frau den Wunsch, ihrem Heim ihren eigenen Stempel aufzudrücken, umso mehr, wenn es ihr Beruf ist.«

Noch bringe ich es nicht über mich zu antworten und blicke ihn wortlos an. Ein eher schmächtiger Mann um die sechzig, mit ausgedünntem, grauem Haar, korrekt gekleidet in einem dunkelblauen Nadelstreifenanzug. Natürlich erwartet er, dass ich mich begeistert zeige über das wundervolle Geburtstagsgeschenk, das mir mein Mann gemacht hat.

»Wie Ihr Mann Ihnen vielleicht gesagt hat, war ich selbst nicht mit dem Verkauf befasst«, erklärt Paley. »Meine Chefin, Georgette Grove, war gerade dabei, Ihrem Mann verschiedene Objekte in der Umgebung zu zeigen, als er im Vorbeifahren das Schild ›Zu verkaufen‹ auf dem Rasen entdeckte. Offenbar hat er sich sofort in das Haus verliebt. Nun, es handelt sich ja auch um ein architektonisches Schmuckstück, und außerdem steht es auf vier Hektar Grund in bester Lage, in einer der gefragtesten Gemeinden.«

Ich weiß, dass es ein Schmuckstück ist. Mein Vater war der Architekt, nach dessen Plänen das baufällige Herrenhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert restauriert und in ein bezauberndes und geräumiges Wohnhaus verwandelt wurde. Mein Blick fällt an Paley vorbei auf den offenen Kamin. Mutter und Daddy haben die Einfassung in Frankreich gefunden, in einem Schloss, das abgerissen werden sollte. Daddy hat mir damals die Bedeutung der einzelnen Ornamente erklärt, all diese Putten und Pinienzapfen und Weintrauben …

Ted, er drückt Mutter gegen die Wand …

Mutter schluchzt …

Ich richte die Waffe auf ihn. Daddys Waffe …

Lass meine Mutter los …

Bitte sehr! …

Ted reißt Mutter herum und schleudert sie gegen mich …

Mutter schaut mich mit entsetzten Augen an …

Der Schuss löst sich …

Lizzie Borden mit dem Beile …

»Ist Ihnen nicht gut, Mrs. Nolan?«, fragt Henry Paley.

»Doch, doch, natürlich«, bringe ich mit Mühe heraus. Meine Zunge fühlt sich taub an, unfähig, die Worte zu bilden. Gedanken an Larry, meinen ersten Ehemann, schwirren mir durch den Kopf, der mich hoch und heilig hatte schwören lassen, keiner Menschenseele je die Wahrheit ber mich zu verraten, nicht einmal meinem zukünftigen Ehemann, falls ich noch einmal heiraten sollte. In diesem Augenblick nehme ich Larry übel, mir dieses Versprechen abgerungen zu haben. Er war so verständnisvoll, so einfühlsam gewesen, als ich ihm vor der Hochzeit die ganze Geschichte erzählt hatte, aber am Ende hat auch er mich enttäuscht. Er schämte sich meiner Vergangenheit, er befürchtete, dass sie eine Belastung für die Zukunft unseres Sohnes sein könnte. Diese Befürchtung hat dazu geführt, dass ich jetzt hier stehe.

Die Lüge hat bereits einen Keil zwischen Alex und mich getrieben. Wir spüren es beide. Er redet davon, bald Kinder haben zu wollen, und ich frage mich, was er davon halten würde, wenn er wüsste, dass Little Lizzie Borden ihre Mutter sein würde.

Es ist vierundzwanzig Jahre her, aber solche Erinnerungen verblassen kaum. Wird irgendwer in der Stadt mich wiedererkennen? Vermutlich nicht. Ich war zwar einverstanden, in diese Gegend zu ziehen, aber ich habe mich nicht einverstanden erklärt, in diese Stadt oder gar in dieses Haus zurückzukehren. Ich kann hier nicht wohnen. Ich kann es einfach nicht.

Um Paleys neugierigen Blicken zu entkommen, gehe ich auf den Kamin zu und tue so, als ob ich ihn genauer betrachtete.

»Wunderbare Arbeit, nicht wahr?«, bemerkt Paley. In seiner leicht fistelnden Stimme klingt die professionelle Begeisterung des Immobilienmaklers durch.

»Ja.«

»Das Schlafzimmer ist sehr geräumig, und es besitzt zwei getrennte, edel ausgestattete Badezimmer.« Er öffnet die Tür zum Schlafzimmer und schaut mich erwartungsvoll an. Widerwillig folge ich ihm.

Die Erinnerungen brechen über mich herein. Die Morgen an den Wochenenden in diesem Zimmer. Ich durfte zu Mutter und Daddy ins Bett schlüpfen. Daddy brachte Kaffee für Mutter und heiße Schokolade für mich ans Bett.

Ihr großes Bett mit dem plüschigen Kopfteil ist natürlich nicht mehr da. Die früher in pfirsichfarbenem Ton gehaltenen Wände sind jetzt dunkelgrün gestrichen. Als ich einen Blick aus dem Fenster werfe, sehe ich, dass der Fächerahorn, den Daddy vor langer Zeit gepflanzt hat, inzwischen zu einem üppigen und wunderschönen Baum herangewachsen ist.

Tränen steigen mir in die Augen. Ich möchte am liebsten davonrennen. Wenn es sein muss, werde ich mein Versprechen brechen und Alex die Wahrheit über mich erzählen. Ich bin nicht Celia Foster, geborene Kellogg, die Tochter von Kathleen und Martin Kellogg aus Santa Barbara in Kalifornien. Ich bin Liza Barton, geboren in dieser Stadt und als Kind von einem Richter widerstrebend freigesprochen von der Anklage des Mordes und versuchten Mordes.

»Mom, Mom!« Ich höre die Stimme meines Sohnes und seine Schritte, die auf dem teppichlosen Parkett hallen. Er stürmt ins Zimmer, ein Energiebündel, klein und kräftig und quicklebendig, und mein Herz macht einen Sprung. Nachts schleiche ich mich manchmal in sein Zimmer und lausche auf das Geräusch seiner gleichmäßigen Atemzüge. Er interessiert sich nicht für das, was vor langer Zeit geschehen ist. Es genügt ihm, wenn ich zur Stelle bin, wenn er nach mir ruft.

Er läuft auf mich zu, und ich beuge mich hinunter und fange ihn in meinen Armen auf. Jack hat die hellbraunen Haare und die hohe Stirn von Larry geerbt. Seine wunderschönen blauen Augen sind die meiner Mutter, obwohl Larry auch blaue Augen hatte. Ganz zum Schluss, kurz bevor er das Bewusstsein verlor, hatte Larry geflüstert, er wolle nicht, dass Jack mit den alten Geschichten über mich konfrontiert würde,...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2012
Mitarbeit Mitglied der Redaktion: Claudia Alt
Übersetzer Andreas Gressmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel No Place Like Home
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • Krimi • Mörder • Plan • Roman • Schuldgefühle • Spannung • Thriller • Unfall
ISBN-10 3-641-10077-1 / 3641100771
ISBN-13 978-3-641-10077-3 / 9783641100773
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
14,99
Roman. Aus den Memoiren der Herbjörg María Björnsson

von Hallgrímur Helgason

eBook Download (2011)
Tropen (Verlag)
9,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49