Mein ist die Stunde der Nacht (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-10076-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein ist die Stunde der Nacht -  MARY HIGGINS CLARK
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Ein Fluch scheint über der ehemaligen Schulklasse von Jean Sheridan zu liegen. Bereits fünf ihrer früheren Mitschülerinnen sind auf tragische Weise ums Leben gekommen. Noch ahnt niemand, dass ein wahnsinniger Serienkiller, der sich selbst »die Eule« nennt, dahinter steckt. Wird er sein mörderisches Werk bei dem bevorstehenden Klassentreffen vollenden?


Mary Higgins Clark (1927-2020), geboren in New York, lebte und arbeitete in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren weltweit. Ihre große Stärke waren ausgefeilte und raffinierte Plots und die stimmige Psychologie ihrer Heldinnen. Mit ihren Büchern führte Mary Higgins Clark regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den begehrten Edgar Award. Zuletzt bei Heyne erschienen: »Denn du gehörst mir«.

3


SIE HATTE FAST sieben Stunden für die Fahrt von Washington durch Maryland, Delaware und New Jersey nach Cornwall-on-Hudson gebraucht. Eine Reise, auf die sich Jean Sheridan nicht besonders gefreut hatte – nicht so sehr wegen der weiten Strecke, sondern weil für sie Cornwall, die Stadt, in der sie aufgewachsen war, mit schmerzvollen Erinnerungen verbunden war.

Was auch immer Jack Emerson – der Vorsitzende des Organisationskomitees für das zwanzigste Klassentreffen ihres Highschool-Jahrgangs – an Überzeugungskraft und Charme aufbieten mochte, sie hatte fest vorgehabt, ihre Teilnahme abzusagen. Arbeit, anderweitige Verpflichtungen, Krankheit – irgendetwas hatte sie vortäuschen wollen, um der Feier zu entgehen.

Sie hatte nicht den geringsten Wunsch, ihren Abschluss an der Stonecroft Academy vor zwanzig Jahren zu feiern, auch wenn sie durchaus dankbar war für das Wissen, das sie dort erworben hatte. Nicht einmal aus der Medaille für »herausragende ehemalige Schülerinnen und Schüler«, die sie bekommen sollte, machte sie sich etwas, ungeachtet der Tatsache, dass ihr Stipendium für Stonecroft eine wichtige erste Etappe auf dem Weg zum Stipendium für Bryn Mawr und zu der sich daran anschließenden Promotion in Princeton gewesen war.

Als aber eine Gedenkfeier für Alison in das Programm des Treffens eingefügt worden war, hatte sie unmöglich absagen können.

Alisons Tod hatte immer noch etwas so Unwirkliches, dass es Jean beinahe vorkam, als könne jederzeit das Telefon klingeln und sie die vertraute Stimme hören, die oft in atemberaubendem Tempo abgehackte Sätze hervorsprudelte, als ob alles in zehn Sekunden gesagt werden müsse: »Jeannie! Von dir hört man überhaupt nichts mehr. Du hast mich wohl vergessen. Ich hasse dich. Nein, tu ich nicht. Ich liebe dich. Ich bewundere dich. Du bist so verdammt klug. Nächste Woche ist eine Premiere in New York. Curt Ballard ist einer meiner Kunden. Ein absolut fürchterlicher Schauspieler, sieht aber dermaßen gut aus, dass es niemanden stört. Seine neueste Freundin kommt auch. Wenn ich dir den Namen verrate, fällst du in Ohnmacht. Also, was ist, kannst du am nächsten Dienstag kommen, Cocktails um sechs, dann der Film, danach privates Dinner mit zwanzig oder dreißig oder fünfzig Leuten?«

Alison hatte es immer geschafft, Botschaften dieser Art in nicht mehr als zehn Sekunden zu übermitteln, dachte Jean, und war jedes Mal schockiert gewesen, wenn Jean – in neunzig Prozent aller Fälle – nicht alles stehen und liegen lassen konnte, um nach New York zu eilen und sie zu treffen.

Fast einen Monat war Alison jetzt schon tot. Und so schwer das auch zu begreifen war, die Tatsache, dass sie möglicherweise ermordet worden war, schien geradezu unerträglich. Natürlich hatte sie sich im Laufe ihrer Karriere Feinde gemacht. Niemand gelangt an die Spitze einer der größten Agenturen für junge Talente im ganzen Land, ohne gehasst zu werden. Außerdem waren Alisons messerscharfer Verstand und ihr beißender Sarkasmus schon mit den gefürchteten Bemerkungen der legendären Dorothy Parker verglichen worden. Könnte jemand sie aus bloßer Rachsucht umgebracht haben, jemand, den sie lächerlich gemacht oder gefeuert hatte?

Mir wäre es lieber, wenn sie einen Schwächeanfall gehabt hätte, als sie in das Becken tauchte, dachte Jean. Der Gedanke, dass jemand sie unter Wasser gedrückt haben könnte, ist schwer zu ertragen.

Ihr Blick fiel auf ihre Tasche auf dem Beifahrersitz, und sofort begannen ihre Gedanken um den Briefumschlag zu kreisen, der sich darin befand. Was soll ich tun? Wer hat diesen Brief geschickt und warum? Wie kann jemand etwas von Lily erfahren haben? Steckt sie in Schwierigkeiten? O Gott, was soll ich nur tun? Was kann ich überhaupt tun?

Diese Fragen bereiteten ihr schon wochenlang schlaflose Nächte, seitdem sie den Laborbericht erhalten hatte.

Sie hatte jetzt die Stelle erreicht, an der die Straße nach Cornwall von der Route 9W abzweigt. Und in der Nähe von Cornwall befand sich West Point … Jean spürte, wie es ihr den Hals zusammenschnürte, und versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf den herrlichen Oktobernachmittag zu lenken. Die Bäume leuchteten in den schönsten Herbstfarben, gold, orange und glühend rot. Darüber erhoben sich die Berge und strahlten wie immer eine majestätische Ruhe aus. Die Hudson River Highlands. Ich hatte ganz vergessen, wie schön es hier ist, dachte sie.

Doch unweigerlich brachte dieser Gedanke die Erinnerung an die Sonntagnachmittage in West Point zurück, als sie häufig bei solchen Stimmungen wie der heutigen auf den Treppen des Denkmals gesessen hatte. Dort hatte sie ihr erstes Buch angefangen, eine Geschichte von West Point.

Zehn Jahre habe ich gebraucht, bis es abgeschlossen war, dachte sie, hauptsächlich deshalb, weil ich lange Zeit überhaupt nicht darüber schreiben konnte.

Kadett Carroll Reed Thornton jr. aus Maryland. Jetzt nicht an Reed denken, ermahnte sich Jean.

Das Abbiegen von der Route 9W in die Walnut Street geschah immer noch fast automatisch, ohne dass sie bewusst daran denken musste. Das Glen-Ridge House in Cornwall, benannt nach einem der großen Gasthäuser der Stadt aus dem neunzehnten Jahrhundert, war für das Klassentreffen ausgewählt worden. Neunzig Schüler hatten in ihrem Jahrgang den Abschluss gemacht. In der letzten Nachricht, die sie erhalten hatte, hieß es, zweiundvierzig von ihnen hätten ihr Kommen zugesagt, zuzüglich der Ehefrauen, Ehemänner oder Lebensabschnittspartner sowie der Kinder.

Was sie selbst betraf, bestand kein Bedarf an zusätzlichen Reservierungen.

Es war Jack Emersons Entscheidung gewesen, das Treffen erst im Oktober statt im Juni stattfinden zu lassen. Er hatte eine Umfrage unter den Klassenmitgliedern gestartet, die ergeben hatte, dass im Juni ihre eigenen Kinder den Abschluss von der Highschool oder von der Grundschule feierten, weshalb viele verhindert gewesen wären.

Mit der Post hatte Jean ihr Erkennungsschild erhalten, auf dem ihr Foto aus der Abschlussklasse und darunter ihr Name prangten. In derselben Sendung war auch der geplante Tagesablauf für das Wochenende mitgeteilt worden: Freitagabend Begrüßung mit Cocktailparty und kaltem Büfett. Samstag Frühstücksbüfett, Besichtigung von West Point, Footballspiel Army gegen Princeton und schließlich Cocktailparty und festliches Dinner. Am Sonntag hatte das Treffen ursprünglich mit einem Brunch in der Stonecroft Academy ausklingen sollen, aber nach Alisons Tod war beschlossen worden, eine Morgenandacht zu ihrem Andenken einzufügen. Sie war auf dem Friedhof neben der Schule beerdigt worden, und die Gedenkfeier sollte an ihrem Grab stattfinden.

In ihrem Testament hatte Alison dem Stipendienfonds von Stonecroft eine größere Summe hinterlassen – das war wohl der Hauptgrund dafür, dass man diese Zeremonie kurzfristig angesetzt hatte.

Viel hat sich nicht verändert, dachte Jean, als sie langsam durch die Straßen der Stadt fuhr. Es war schon viele Jahre her, seit sie zuletzt hier gewesen war. Im Sommer nach ihrem Abschluss in Stonecroft hatten sich ihre Eltern endlich getrennt, das Haus verkauft und waren ihre eigenen Wege gegangen. Ihr Vater war jetzt Manager eines Hotels auf Maui. Ihre Mutter war zurück nach Cleveland gezogen, wo sie aufgewachsen war, und hatte dort ihre große Highschool-Liebe geheiratet. »Mein größter Fehler war, dass ich Eric nicht schon vor dreißig Jahren geheiratet habe«, hatte sie bei der Hochzeit geschwärmt.

Und was wird aus mir? Das war der Gedanke, der Jean damals durch den Kopf geschossen war. Wenigstens hatte die Trennung zur Folge gehabt, dass ihr Leben in Cornwall ein gnädiges Ende fand.

Sie widerstand der Versuchung, einen Abstecher zur Mountain Road zu machen und an ihrem alten Haus vorbeizufahren. Nicht jetzt, dachte sie, vielleicht irgendwann später an diesem Wochenende. Kurz darauf bog sie in die Einfahrt des Glen-Ridge House ein. Vor dem Eingang öffnete der Portier mit einem professionellen Lächeln die Wagentür und sagte: »Willkommen daheim.« Jean drückte den Knopf der Kofferraumentriegelung und sah zu, wie ihr Kleidersack und ihr Koffer herausgehoben wurden.

»Gehen Sie ruhig zur Rezeption«, meinte der Portier diensteifrig. »Wir kümmern uns um Ihr Gepäck.«

Die Empfangshalle des Hotels strahlte mit ihrem weichen Teppichboden und den bequemen Sesselgruppen eine gemütliche Clubatmosphäre aus. Die Rezeption befand sich auf der linken Seite, schräg dahinter erblickte Jean die Bar, die sich bereits in Erwartung der Cocktailparty mit den ersten Gästen zu füllen begann.

Ein über der Rezeption aufgespanntes Spruchband hieß die Teilnehmer des Stonecroft-Klassentreffens willkommen.

»Willkommen daheim, Miss Sheridan«, sagte der etwa sechzigjährige Angestellte hinter der Theke. Seine schlecht getönten Haare waren farblich haargenau auf das Kirschholzfurnier der Theke abgestimmt. Als Jean ihm ihre Kreditkarte überreichte, überkam sie der merkwürdige Gedanke, dass er vielleicht ein Stückchen von der Theke als Vorlage für seinen Frisör abgesäbelt hatte.

Sie fühlte sich innerlich noch nicht bereit, sich mit irgendeinem ihrer früheren Klassengenossen abzugeben, und hoffte, dass sie es bis zum Aufzug schaffen würde, ohne aufgehalten zu werden. Sie wollte wenigstens eine halbe Stunde Ruhe für sich haben, sich duschen und umziehen. Danach würde sie ihr Erkennungsschild mit dem Foto des ängstlichen und vom Schicksal gebeutelten achtzehnjährigen Mädchens, das sie damals gewesen war, anstecken und sich auf der Cocktailparty zu ihren alten Klassenkameraden gesellen.

Als sie den...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2012
Übersetzer Andreas Gressmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Nighttime is My Time
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Bedrohung • eBooks • Frauenmörder • Klassentreffen • Mord • Psychothriller • Schicksal • Schulklasse • Serienkiller • Spannung • Thriller • Tod
ISBN-10 3-641-10076-3 / 3641100763
ISBN-13 978-3-641-10076-6 / 9783641100766
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