Ein Gesicht so schön und kalt (eBook)

Roman
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2012 | 1. Auflage
336 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-10073-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Gesicht so schön und kalt -  MARY HIGGINS CLARK
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Als die Staatsanwältin Kerry McGrath einigen Patientinnen des renommierten Schönheitschirurgen Dr. Smith begegnet, macht sie eine grausige Entdeckung: Ihre Gesichtszüge ähneln in verblüffender Weise denen der vor Jahren ermordeten Suzanne. Kerry McGrath nimmt die Nachforschungen wieder auf und begibt sich damit selbst in größte Gefahr.

«Einsame Klasse, Spannung bis zur letzten Seite.»
JOURNAL FüR DIE FRAU

Mary Higgins Clark (1927-2020), geboren in New York, lebte und arbeitete in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren weltweit. Ihre große Stärke waren ausgefeilte und raffinierte Plots und die stimmige Psychologie ihrer Heldinnen. Mit ihren Büchern führte Mary Higgins Clark regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den begehrten Edgar Award. Zuletzt bei Heyne erschienen: »Denn du gehörst mir«.

Montag, 23. Oktober

9


Fast zwei Wochen waren vergangen, und noch immer sonnte sich Kerry im Glanz ihrer Befriedigung über das mittlerweile abgeschlossene Verfahren. Sie hatte die Verurteilung wegen Mordes durchgesetzt. Wenigstens mußten die Söhne der getöteten Frau nicht in dem Bewußtsein aufwachsen, daß der Mörder ihrer Mutter in fünf oder sechs Jahren wieder frei herumlief. Genau das wäre geschehen, wenn die Geschworenen der Argumentation der Verteidigung auf Totschlag im Affekt Glauben geschenkt hätten. Mord bedeutete eine obligatorische Strafe von dreißig Jahren, ohne Chance auf Strafminderung wegen guter Führung.

Während sie jetzt erneut im Empfangsraum der Praxis von Dr. Smith saß, machte sie ihre Aktentasche auf, die sie überallhin mitnahm, und zog eine Zeitung heraus. Robin war zur zweiten Nachuntersuchung da, die sicher eher eine Routineangelegenheit war, also konnte Kerry sich entspannen. Außerdem brannte sie darauf, das Neueste über Jimmy Weeks’ Prozeß zu erfahren.

Wie Frank Green vorhergesagt hatte, war man allgemein der Ansicht, daß es für den Angeklagten nicht gut aussah. Frühere Ermittlungen in Sachen Bestechung, Insider-Geschäften sowie Geldwäsche waren wegen Mangels an ausreichenden Beweisen fallengelassen worden. Dieses Mal jedoch galt es als sicher, daß der Fall hieb- und stichfest war. Das hieß, falls er überhaupt in die Gänge kam. Die Auswahl der Jury dauerte nun schon mehrere Wochen an, und es war kein Ende in Sicht. Das wird Bartlett und Kinellen sicher freuen, dachte sie, daß sich all diese honorarträchtigen Stunden anhäufen.

Bob hatte Jimmy Weeks einmal Kerry vorgestellt, als sie den beiden in einem Restaurant über den Weg lief. Nun betrachtete sie das Foto von ihm, auf dem er neben ihrem ehemaligen Mann auf der Anklagebank saß. Denk dir den maßgeschneiderten Anzug weg und dieses aufgesetzte weltmännische Gehabe, und du hast einen Schurken vor dir, überlegte sie.

Auf der Abbildung war Bobs Arm schützend um die Lehne von Weeks’ Stuhl gelegt. Ihre Köpfe steckten nahe beieinander. Kerry mußte daran denken, wie Bob früher diese Geste einstudiert hatte.

Sie überflog den Artikel, ließ dann die Zeitung wieder in ihre Aktentasche plumpsen. Mit einem Kopfschütteln erinnerte sie sich an ihre Entrüstung, als Bob ihr kurz nach Robins Geburt mitgeteilt hatte, er habe eine Stelle bei Bartlett und Partner angenommen.

»All ihre Klienten stecken schon mit einem Fuß im Knast«, hatte sie protestiert. »Und der andere Fuß gehört ebenfalls dahin.«

»Und sie zahlen rechtzeitig ihre Rechnungen«, hatte Bob daraufhin erwidert. »Kerry, bleib du nur bei der Staatsanwaltschaft, wenn dir der Sinn danach steht. Ich hab’ andere Pläne.«

Ein Jahr später verkündete er, diese Pläne schlössen auch die Ehe mit Alice Bartlett ein.

Graue Vorzeit, sagte sich Kerry jetzt und sah sich im Wartezimmer um. Heute saßen hier noch ein athletisch aussehender Halbwüchsiger mit einem Verband auf der Nase und eine ältere Frau, deren viele Falten den Grund für ihre Anwesenheit ahnen ließen.

Kerry warf einen Blick auf ihre Uhr. Robin hatte ihr erzählt, daß sie in der Woche zuvor eine halbe Stunde lang im Sprechzimmer hatte warten müssen. »Ich hätte besser ein Buch dabeigehabt«, hatte sie gesagt. Diesmal hatte sie für Lektüre vorgesorgt.

Ich wünschte bei Gott, Dr. Smith würde realistische Termine machen, dachte Kerry gereizt, während sie in Richtung der Sprechzimmer schaute, wo gerade eine Tür aufging.

Sofort erstarrte Kerry und riß die Augen auf. Die junge Frau, die erschien, hatte ein von einer dunklen Haarpracht eingerahmtes Gesicht, eine gerade Nase, schmollend aufgeworfene Lippen, weit auseinanderliegende Augen und schwungvolle Augenbrauen. Kerry spürte, wie sich ihr die Kehle zusammenschnürte. Es war nicht dieselbe Frau, die sie letztes Mal gesehen hatte – aber sie sah genauso aus. Waren die beiden vielleicht miteinander verwandt? Falls sie Patientinnen waren, würde Dr. Smith doch gewiß nicht auf den Gedanken kommen, ihnen ein so ähnliches Aussehen zu verpassen, dachte sie.

Und weshalb erinnerte sie dieses Gesicht so stark an eine andere Frau, daß es einen Alptraum ausgelöst hatte? Sie schüttelte ratlos den Kopf.

Erneut warf sie einen Blick auf die anderen Anwesenden, die in dem winzigen Wartezimmer saßen. Der Junge hatte offenbar einen Unfall erlitten und sich wahrscheinlich die Nase gebrochen. Aber war die ältere Frau nur wegen eines ganz normalen Faceliftings hier, oder hoffte sie womöglich auf ein völlig neues Erscheinungsbild?

Wie fühlte man sich wohl, wenn man in den Spiegel schaute und feststellte, daß einem eine Fremde entgegenblickte? fragte sich Kerry. Kann man sich einfach sein neues Aussehen nach Belieben aussuchen? War die Sache so einfach?

»Ms. McGrath.«

Kerry wandte sich um und sah Mrs. Carpenter, die Schwester, gestikulieren, sie möge zu den Behandlungszimmern kommen.

Kerry beeilte sich, ihr zu folgen. Bei ihrem letzten Besuch hatte sie die Sprechstundenhilfe am Empfang über die Frau ausgefragt, die sie damals hier gesehen hatte, und zur Antwort erhalten, ihr Name sei Barbara Tompkins. Jetzt konnte sie die Krankenschwester nach dieser anderen Frau fragen. »Diese junge Frau, die soeben wegging, kam mir irgendwie vertraut vor«, fragte Kerry. »Wie heißt sie denn?«

»Pamela Worth«, antwortete Mrs. Carpenter knapp. »So, da wären wir.«

Sie entdeckte Robin, die dem Arzt gegenüber vor seinem Schreibtisch saß; sie saß ungewöhnlich gerade da und hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet. Kerry bemerkte den Ausdruck von Erleichterung in der Miene ihrer Tochter, als Robin sich umdrehte und ihre Blicke sich begegneten.

Der Chirurg nickte Kerry zu und bedeutete ihr mit einer Geste, sie möge sich auf den Sessel neben Robin setzen. »Ich habe mit Robin die Nachbehandlung besprochen, die ich für sie haben möchte, um sicherzugehen, daß nichts den Heilprozeß beeinträchtigt. Sie möchte wieder Fußball spielen, aber sie muß mir versprechen, daß sie für den Rest der Saison eine Gesichtsmaske trägt. Wir dürfen nicht das geringste Risiko eingehen, daß diese Schnittwunden wieder aufgerissen werden. Ich gehe davon aus, daß die Narben in einem halben Jahr nicht mehr sichtbar sind.«

Sein Gesicht nahm einen entschiedenen Ausdruck an. »Ich habe Robin bereits erklärt, daß mich viele Menschen mit dem Wunsch nach der Art von Schönheit aufsuchen, wie Robin sie freizügig geschenkt bekommen hat. Es ist ihre Pflicht, sie zu hegen und zu pflegen. Ich entnehme den Unterlagen, daß Sie geschieden sind. Robin hat mir gesagt, daß ihr Vater zum Zeitpunkt des Unfalls am Steuer saß. Ich rate Ihnen dringend, ihm einzuschärfen, sich in Zukunft besser um seine Tochter zu kümmern. Sie ist unersetzlich.«

 

Auf dem Heimweg kehrten sie auf Robins Wunsch bei Valentino’s in Park Ridge zum Abendessen ein. »Ich mag die Krabben hier«, verkündete Robin. Doch als sie sich gerade an einen Tisch gesetzt hatten, blickte Robin sich um und sagte: »Daddy ist einmal mit mir hierhergekommen. Er sagt, es ist das beste Lokal hier.« Ihre Stimme klang träumerisch.

Deshalb also wollte sie unbedingt in dieses Restaurant, dachte Kerry. Seit dem Unfall hatte Bob Robin nur einmal angerufen, und das war während der Schule. Seine Botschaft auf dem Anrufbeantworter lautete, er vermute, sie sei in der Schule, und das bedeute wohl, daß es ihr prima ginge. Es gab keine Bitte um Robins Rückruf. Jetzt sei fair, ermahnte Kerry sich. Immerhin hat er sich bei mir im Büro erkundigt, und er weiß, daß Dr. Smith gesagt hat, Robin werde wieder ganz in Ordnung kommen. Doch das war schon zwei Wochen her. Seither Schweigen.

Der Kellner erschien, um die Bestellung aufzunehmen. Als sie wieder allein waren, sagte Robin: »Mom, ich will nicht mehr zu Dr. Smith gehn. Er ist gruselig.«

Kerry war bestürzt. Das entsprach genau ihren eigenen Gedanken. Und als nächstes kam ihr in den Sinn, daß sie lediglich sein Wort dafür hatte, daß die schlimmen roten Striemen auf Robins Gesicht verschwinden würden. Ich muß sie unbedingt von einem anderen Arzt untersuchen lassen, nahm sie sich vor. Um einen sachlichen Ton bemüht, erklärte sie: »Oh, ich denke, Dr. Smith ist schon in Ordnung, auch wenn er soviel Charakter hat wie eine feuchte Nudel.« Sie wurde von Robins vergnügtem Grinsen belohnt.

»Wie auch immer«, fuhr sie fort, »er will dich erst wieder in einem Monat sehen, und danach vielleicht überhaupt nicht mehr. Also mach dir keine Sorgen. Er kann nichts dafür, daß er ohne Charme auf die Welt kam.«

»Vergiß den Charme. Er ist ein totaler Widerling.«

Als das Essen kam, probierten sie gegenseitig von ihren Gerichten und unterhielten sich angeregt dabei. Robin hatte ihre Leidenschaft fürs Fotografieren entdeckt und nahm an einem Anfangskurs in Fototechnik teil. Zur Zeit hatte sie die Aufgabe gestellt bekommen, Aufnahmen von Herbstblättern in den verschiedenen Stadien der Verfärbung zu machen. »Ich hab’ dir doch die tollen Bilder gezeigt, Mom, die ich geknipst hab’, als die Blätter grade anfingen, die Farbe zu ändern. Ich weiß, daß die Fotos, die ich diese Woche gemacht hab’, mit den Farben am Höhepunkt, bestimmt toll sind.«

»Bevor du sie überhaupt gesehn hast?« murmelte Kerry.

»Mm-hmmm. Jetzt kann ich’s gar nicht erwarten, bis die Blätter verwelken und dann ein anständiger Sturm alles durcheinanderfegt. Das wird doch bestimmt phantastisch, nicht?«

»Nichts geht über einen anständigen Sturm, der alles durcheinanderfegt«, stimmte Kerry zu.

Sie beschlossen, auf einen Nachtisch zu...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2012
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Bedrohung • Chirurgie • eBooks • Ermittlung • Gefahr • Mord • Nachforschung • Roman • Schönheit • Spannung • Thriller • USA • Verbrechen
ISBN-10 3-641-10073-9 / 3641100739
ISBN-13 978-3-641-10073-5 / 9783641100735
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