Die letzte Generation (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
288 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-10041-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die letzte Generation -  Arthur C. Clarke
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Wir sind nicht allein
Hundert Jahre ist es her, seit die Overlords, technisch hochentwickelte Aliens, Kontakt zu den Menschen aufgenommen haben. Sie verhalfen der Menschheit zu Weiterentwicklung, Fortschritt und Wohlstand. Selbst als sich herausstellte, dass die Overlords aussehen wie der Antichrist, nahmen das die mittlerweile sehr viel toleranteren Menschen hin. Jetzt offenbaren die Fremden ihre wahren Absichten: Sie sind gekommen, um die Kinder mitzunehmen ...

Arthur C. Clarke zählt neben Isaac Asimov und Robert A. Heinlein zu den größten SF-Autoren des 20. Jahrhunderts. Geboren 1917 in Minehead, Somerset, entdeckte er die Science-Fiction durch die Bücher von H. G. Wells und Olaf Stapledon. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als technischer Offizier der Royal Air Force diente, studierte er Physik und Mathematik am King's College in London. Gleichzeitig betätigte er sich als Autor: 1946 erschien seine erste Story im SF-Magazin Astounding, sein erster Roman zwei Jahre später. In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte er nicht nur weitere preisgekrönte Erzählungen und Romane, sondern auch etliche populärwissenschaftliche Artikel und Bücher, in denen er viele technische Entwicklungen vorwegnahm. Clarke starb im März 2008 in seiner Wahlheimat Sri Lanka.

3


Stormgren schlief meistens schlecht, was sonderbar war, da er die Bürde des Amtes bald für immer ablegen würde. Er hatte der Menschheit vierzig Jahre und den Overlords fünf Jahre lang gedient, und wenige Menschen konnten auf ein Leben zurückblicken, das ihnen die Erfüllung so vieler Wünsche beschert hatte. Vielleicht erfüllte es ihn mit Besorgnis, dass er in den Jahren des Ruhestands, die vor ihm lagen, keine Ziele mehr haben würde, die seinem Leben einen Reiz gaben. Nachdem seine Frau gestorben war und die Kinder eigene Familien gegründet hatten, schienen sich seine Bindungen an die Welt gelockert zu haben. Es mochte auch sein, dass er sich allmählich mit den Overlords identifizierte und sich von der Menschheit zu lösen begann.

Es war wieder eine jener ruhelosen Nächte, in denen seine Gedanken wie eine Maschine kreisten, deren Regler versagt hatten. Statt sich weiter um Schlaf zu bemühen, erhob er sich widerstrebend vom Bett. Er zog seinen Morgenmantel an und begab sich auf den Dachgarten seiner bescheidenen Wohnung. Seine unmittelbaren Untergebenen lebten in deutlich luxuriöseren Apartments, aber diese Unterkunft war für Stormgrens Bedürfnisse geräumig genug. In seiner Stellung konnten weder persönliche Besitztümer noch amtliche Zeremonien seinem Ansehen irgendetwas hinzufügen.

Die Nacht war warm, fast drückend, aber der Himmel war klar, und ein heller Mond hing tief im Südwesten. Zehn Kilometer entfernt glühten am Horizont die Lichter von New York wie eine Morgenröte, die im Anbruch gefroren war.

Stormgren hob den Blick von der schlafenden Stadt und ließ ihn wieder zu den Höhen emporschweifen, die er als Einziger von allen lebenden Menschen durchmessen hatte. Trotz der großen Entfernung konnte er den Rumpf von Karellens Schiff im Mondlicht schimmern sehen. Er fragte sich, was der Verwalter wohl gerade tun mochte, denn er glaubte nicht, dass die Overlords jemals schliefen.

Hoch oben warf ein Meteor einen hellen Speer über den Himmelsdom. Der leuchtende Schweif glühte eine Weile nach. Dann verging er und ließ nur die Sterne zurück.

Die unerbittliche Symbolik war klar: Noch in hundert Jahren würde Karellen die Menschheit dem Ziel zuführen, das er allein sehen konnte, aber in vier Monaten würde ein anderer Generalsekretär sein. Darüber war Stormgren gar nicht traurig, aber es bedeutete, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb, wenn er erfahren wollte, was sich hinter dem verdunkelten Bildschirm befand.

Erst in den letzten Tagen hatte er sich einzugestehen gewagt, dass die Heimlichtuerei der Overlords auch ihn quälte. Bis vor kurzem hatte ihn sein Vertrauen in Karellen vor Zweifeln bewahrt, doch inzwischen ließen ihn die Proteste der Freiheitsliga nicht mehr unberührt. Gewiss war das Gerede über die Versklavung der Menschheit nichts als Propaganda. Nur wenige Menschen sehnten sich wirklich nach einer Rückkehr der alten Zeiten. Sie hatten sich an Karellens unmerkliche Herrschaft gewöhnt, aber nun wollten sie wissen, wer sie regierte. Wie konnte man ihnen das zum Vorwurf machen?

Die Freiheitsliga war zwar die größte, aber nur eine von vielen Organisationen, die sich gegen Karellen auflehnten  – und folglich auch gegen die Menschen, die mit den Overlords zusammenarbeiteten. Die politischen Ziele dieser Gruppen waren äußerst unterschiedlich: Einige vertraten den religiösen Standpunkt, während andere nur einem Gefühl der Unterlegenheit Ausdruck gaben. Sie empfanden mit gutem Grund etwa das Gleiche, was ein kultivierter Inder im neunzehnten Jahrhundert angesichts der britischen Herrschaft empfunden haben mochte. Die Invasoren hatten der Erde Frieden und Wohlstand gebracht – aber wer wusste, welchen Preis die Menschen dafür zu zahlen hatten? Die geschichtlichen Vorbilder gaben Anlass zur Sorge; selbst die friedlichsten Beziehungen zwischen Völkern mit sehr unterschiedlichem kulturellen Niveau hatten oft zur Auslöschung der rückständigeren Gesellschaft geführt. Nationen wie auch Einzelpersonen verloren leicht den Mut, wenn Anforderungen an sie gestellt wurden, denen sie nicht gewachsen waren. Auch wenn die Zivilisation der Overlords in große Geheimnisse gehüllt war, stellte sie die größte Herausforderung dar, die der Mensch je erlebt hatte.

Das Faxgerät im Nebenzimmer gab ein leises Knacken von sich, als der stündliche Bericht von der Zentralen Nachrichtenstelle eintraf. Stormgren ging hinein und sah zerstreut die Blätter durch. Auf der anderen Seite der Erde hatte die Freiheitsliga Anlass zu einer nicht sehr originellen Schlagzeile gegeben. »WIRD DER MENSCH VON UNGEHEUERN REGIERT?«, fragte die Zeitung und zitierte dann: »Auf einer Versammlung in Madras sagte heute Dr. C. V. Krishnan, der Präsident der Ostabteilung der Freiheitsliga: ›Die Erklärung für das Verhalten der Overlords ist ganz einfach. Ihre körperliche Erscheinung ist so fremd und so abstoßend, dass sie sich der Menschheit nicht zu zeigen wagen. Ich fordere den Verwalter auf, dies abzustreiten, wenn er es kann.‹«

Stormgren warf das Blatt angewidert fort. Selbst wenn diese Behauptung zutraf, wäre es wirklich von Belang? Diese Idee war nicht neu, hatte ihn aber nie beunruhigt. Er glaubte nicht, dass es irgendeine biologische Form gab, an die er sich, so fremdartig sie auch sein mochte, nicht mit der Zeit gewöhnen würde, bis er sie vielleicht sogar als schön empfand. Auf den Geist, nicht auf den Körper kam es an. Wenn er Karellen endlich davon überzeugen könnte, würden die Overlords vielleicht ihre Politik ändern. Sie konnten auf keinen Fall so hässlich sein wie die fantasievollen Zeichnungen, die bald nach ihrem Auftauchen über der Erde die Zeitungen gefüllt hatten.

Doch Stormgren wusste, dass es nicht nur die Rücksicht auf seinen Nachfolger war, die in ihm das Verlangen weckte, diesem Zustand ein Ende bereiten zu wollen. Er konnte ehrlich zugeben, dass sein Hauptmotiv letztlich nur menschliche Neugier war. Er hatte Karellen als Persönlichkeit kennen gelernt, aber er würde sich erst dann zufrieden geben, wenn er erfahren hatte, was für eine Art Geschöpf er war.

 

Als Stormgren am nächsten Morgen nicht zur gewohnten Stunde erschien, war Pieter van Ryberg überrascht und etwas verärgert. Obwohl der Generalsekretär häufig verschiedene Besuche machte, bevor er in sein Büro kam, gab er doch immer Nachricht, wenn er es tat. An diesem Morgen waren obendrein mehrere dringende Nachrichten für Stormgren eingetroffen. Van Ryberg rief ein halbes Dutzend Abteilungen an, um ihn ausfindig zu machen, bis er es aufgab.

Gegen Mittag wurde er unruhig und schickte ein Auto zu Stormgrens Haus. Zehn Minuten später wurde er durch das Heulen einer Sirene erschreckt, und ein Streifenwagen der Polizei kam den Roosevelt Drive entlanggerast. Die Nachrichtenagenturen schienen sehr gute Beziehungen zur Polizei zu haben, denn während van Ryberg das herankommende Auto betrachtete, meldete der Rundfunk, dass van Ryberg nicht mehr Stellvertreter, sondern amtierender Generalsekretär der Vereinten Nationen war.

 

Hätte van Ryberg weniger zu tun gehabt, hätte er es sehr unterhaltsam gefunden, die Reaktion der Presse auf Stormgrens Verschwinden zu studieren. Während des vergangenen Monats hatten sich die Zeitungen der Welt in zwei scharf abgegrenzte Gruppen geteilt. Die westliche Presse billigte im Großen und Ganzen Karellens Plan, alle Menschen zu Weltbürgern zu machen. Die östlichen Länder dagegen durchlebten heftige, aber meist künstliche Anfälle von Nationalstolz. Einige von ihnen waren kaum länger als eine Generation unabhängig gewesen und glaubten um ihre Errungenschaften betrogen worden zu sein. Die Kritik an den Overlords war weit verbreitet und sehr energisch. Nach anfänglicher äußerster Vorsicht hatte die Presse schnell herausgefunden, dass sie gegen Karellen so grob auftreten konnte, wie sie wollte, ohne dass irgendetwas geschah. Jetzt übertraf sie sich selbst darin.

Die meisten Angriffe waren, obwohl sehr lautstark, nicht repräsentativ für die große Masse des Volkes. An den Grenzen, die bald für immer verschwinden sollten, waren die Posten verdoppelt worden, aber die Soldaten betrachteten sich mit unausgesprochener Freundlichkeit. Die Politiker und Generäle mochten rasen und toben, aber die schweigend wartenden Millionen spürten, dass nun endlich ein langes und blutiges Kapitel der Geschichte zum Abschluss kommen würde.

Und nun war Stormgren verschwunden, niemand wusste, wohin. Der Aufruhr legte sich plötzlich, als die Welt erkannte, dass sie den einzigen Menschen verloren hatte, durch den die Overlords zur Erde gesprochen hatten. Eine Lähmung schien die Presse- und Rundfunkkommentatoren zu befallen, aber in diesem Schweigen konnte man die Stimme der Freiheitsliga hören, die angstvoll ihre Unschuld beteuerte.

 

Es war völlig dunkel, als Stormgren erwachte. Im ersten Augenblick war er zu schläfrig, um sich bewusst zu machen, wie ungewöhnlich das war. Dann schüttelte er die Benommenheit ab, setzte sich mit einem Ruck auf und tastete unsicher nach dem Lichtschalter neben seinem Bett.

In der Dunkelheit stieß seine Hand gegen eine kahle Steinwand, die sich kalt anfühlte. Sofort erstarrte er, als Geist und Körper durch die Berührung mit dem Unerwarteten gelähmt wurden. Ungläubig kniete sich im Bett hin und tastete zögernd mit den Fingerspitzen die erschreckend unvertraute Wand ab.

Er hatte gerade erst damit begonnen, als plötzlich ein Klicken ertönte und ein Stück der Dunkelheit erhellt wurde. Er sah die Umrisse eines Menschen vor einem matt erleuchteten Hintergrund. Dann schloss sich die Tür wieder, und die Dunkelheit kehrte zurück. Alles geschah so schnell, dass er keine Möglichkeit hatte, etwas vom Raum zu sehen, in dem...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2012
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Aliens • Arthur C. Clarke • eBooks • Erstkontakt • Meisterwerke der Science Fiction • Near future • Overlords • Psi
ISBN-10 3-641-10041-0 / 3641100410
ISBN-13 978-3-641-10041-4 / 9783641100414
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