Die mittelalterliche Hanse -

Die mittelalterliche Hanse (eBook)

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2012 | 1. Auflage
144 Seiten
wbg Academic in der Verlag Herder GmbH
978-3-534-70590-0 (ISBN)
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Die Hanse ist einer der letzten ungetrübten deutschen Geschichtsmythen, die Verherrlichung vergangener Handelsherrlichkeit. Was aber war sie wirklich? Wann entstand sie und wie funktionierte sie? Stephan Selzer analysiert die Entstehung und den historischen Hintergrund der hansischen Gemeinschaft, ihre Konstruktion und Besonderheiten, die Verdichtung und die Auflösung der Hanse, die spätestens mit dem Dreißigjährigen Krieg ihren endgültigen Untergang fand. In den besten Zeiten nutzten Kaufleute aus bis zu 100 Städten die hansischen Privilegien und beherrschten den Handel im Ost- und Nordseeraum. Ihr Handelsverkehr reichte von Nowgorod über Bergen bis nach Brügge und London; von Danzig, Bremen und Hamburg bis nach Köln und Frankfurt am Main. An der Geschichte der Hanse lassen sich in seltener Deutlichkeit mittelalterliche Wirtschafts- wie Sozialgeschichte erklären, Aspekte der Seefahrt, des Piratenwesens wie auch die Auseinandersetzungen zwischen den Anrainerstaaten an Nord- und Ostsee.

Elke Goez, geb. 1963, studierte Mittelalterliche und Neuere Geschichte sowie Neuere deutsche Literaturwissenschaft. 2002 Habilitation und Privatdozentur für Mittelalterliche Geschichte, fränkische und bayerische Landesgeschichte an der Universität Passau, anschließend Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Bamberg, Tübingen und Düsseldorf sowie Gastprofessur an der Universität Erlangen. Seit März 2010 ist sie bei den Monumenta Germaniae Historica. Bei der WBG erschien von ihr 2009 'Papsttum und Kaisertum im Mittelalter', 2010 die 'Geschichte Italiens im Mittelalter'.Matthias Becher ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Bonn.Nikolas Jaspert, geb. 1962, studierte Geschichte, Kunstgeschichte, Hispanistik und Anglistik in Berlin und Madrid. Seit 2005 ist er Professor für die Geschichte des Mittelalters an der Ruhr-Universität Bochum und Direktor des Zentrums für Mittelmeerstudien. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Iberischen Halbinsel, der Kreuzzüge und der Ritterorden im Mittelalter.Gudrun Gleba, geb. 1960, ist außerplanmäßige Professorin an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. Zahlreiche Veröffentlichungen zur mittelalterlichen Stadt-, Kirchen- und Regionalgeschichte, 2004 erschien von ihr in der WBG das Buch 'Klosterleben im Mittelalter'.Martin Kaufhold, geb. 1963, studierte Geschichte und Germanistik in Heidelberg und an der University of Maryland, USA; Promotion 1993, Habilitation 2000. Er ist als Oberassistent für mittelalterliche Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg tätig. Veröffentlichungen u.a.: Deutsches Interregnum und europäische Politik. Politische Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230 - 1280 (2000); Europas Norden im Mittelalter. Die Integration Skandinaviens in das christliche Europa (9. - 13. Jh.) (bei der WBG erschienen 2001).Jörg Rogge, geb. 1962, habilitierte sich im Jahr 2000 und ist seitdem apl. Professor und Akademischer Oberrat für Geschichte des Mittelalters an der Universität Mainz.Kai Brodersen ist seit 2008 Professor für Antike Kultur an der Universität Erfurt und von 2008 bis 2014 deren Präsident.Martin Kintzinger ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster.

Elke Goez, geb. 1963, studierte Mittelalterliche und Neuere Geschichte sowie Neuere deutsche Literaturwissenschaft. 2002 Habilitation und Privatdozentur für Mittelalterliche Geschichte, fränkische und bayerische Landesgeschichte an der Universität Passau, anschließend Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Bamberg, Tübingen und Düsseldorf sowie Gastprofessur an der Universität Erlangen. Seit März 2010 ist sie bei den Monumenta Germaniae Historica. Bei der WBG erschien von ihr 2009 "Papsttum und Kaisertum im Mittelalter", 2010 die "Geschichte Italiens im Mittelalter". Walter Demel, geb. 1953, ist Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität der Bundeswehr in München. Matthias Becher ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Bonn. Nikolas Jaspert, geb. 1962, studierte Geschichte, Kunstgeschichte, Hispanistik und Anglistik in Berlin und Madrid. Nach Professur für die Geschichte des Mittelalters an der Ruhr-Universität Bochum und der Direktion des Zentrums für Mittelmeerstudien ist er seit 2013 Professor für Mittelalterliche Geschichte in Heidelberg. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Iberischen Halbinsel, der Kreuzzüge und der Ritterorden im Mittelalter. Gudrun Gleba, geb. 1960, ist außerplanmäßige Professorin an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg. Zahlreiche Veröffentlichungen zur mittelalterlichen Stadt-, Kirchen- und Regionalgeschichte, 2004 erschien von ihr in der WBG das Buch "Klosterleben im Mittelalter". Martin Kaufhold, geb. 1963, studierte Geschichte und Germanistik in Heidelberg und an der University of Maryland, USA; Promotion 1993, Habilitation 2000. Er ist als Oberassistent für mittelalterliche Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg tätig. Veröffentlichungen u.a.: Deutsches Interregnum und europäische Politik. Politische Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230 – 1280 (2000); Europas Norden im Mittelalter. Die Integration Skandinaviens in das christliche Europa (9. – 13. Jh.) (bei der WBG erschienen 2001). Jörg Rogge, geb. 1962, habilitierte sich im Jahr 2000 und ist seitdem apl. Professor und Akademischer Oberrat für Geschichte des Mittelalters an der Universität Mainz. Kai Brodersen ist Professor für Antike Kultur an der Universität Erfurt und Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur Antike bei der wbg und u.a. Herausgeber der Reihe ›Geschichte kompakt - Antike‹. Martin Kintzinger ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster.

II. Gilden und „Hansen“ vor der Hanse (1150 bis 1350)


 

1. Eine Europäisierung des Ostseeraums


793

Beginn der Wikingerzeit in Skandinavien

um 959–987

Harald Blauzahn eint und christianisiert Dänemark

966

Der Piastenfürst Mieszko nimmt das römische Christentum an

983

Liutizenaufstand. Zerstörung der ottonischen Herrschafts- und Kirchenorganisation bei den Slawen nordöstlich der Elbe

1000

Errichtung des Erzbistums Gnesen

1016–1035

Knut der Große: dänisches Nordseeimperium

1054

Morgenländische Schisma zwischen der lateinischen und griechischen Kirche

1066

Landungsversuch des norwegischen Königs Harald in England scheitert

1103/4

Erzbistum Lund

1107/8

Kreuzzugsaufruf der Magdeburger Kirche

um 1130–1195

Heinrich der Löwe

1134

(erschlossen) Privileg Lothars III. für die gutnischen Kaufleute

1143/1159

Gründung Lübecks

1147

Wendenkreuzzug

1153

Norwegisches Erzbistum in Nidaros/Trondheim

1161

Erwähnung einer Genossenschaft niederdeutscher Kaufleute in Gotland: Artlenburger Privileg

1164

Schwedisches Erzbistum in Uppsala

1168

Eroberung Rügens durch den dänischen König

1176

(nicht 1157) Privileg des englischen Königs Heinrich II. für Kölner Kaufleute

1201

Gründung von Riga

1219

Eroberung Estlands durch Dänemark

1230

Gründung von Reval/Tallinn

ab 1231

Eroberung Preußens durch den Deutschen Orden

1237

Gründung von Elbing

1255

Gründung von Königsberg

a) Religion, Herrschaft, Städtewesen

Wann beginnt hansische Geschichte?

Wenn in der Hanse vorrangig eine Personengemeinschaft erkannt wird, sind zwei Folgeprobleme aufgeworfen. Sie kamen in der Forschung, die von einem dauerhaften und geschlossenen Hansebund der Städte ausging, nicht zum Tragen. Neu stellen sich aber ein Kontinuitätsproblem und ein Kohärenzproblem. Die zweite Schwierigkeit macht es unmöglich, die Hanse als Kollektiv in Erscheinung treten zu lassen, das etwa Fisch handelte oder im Krieg gegen Dänemark siegte. Richtiger ist ein vorsichtigeres Verständnis, das die Hanse zunächst nur als Dach für unterschiedliche Interessengruppen versteht. Davon wird später ausführlicher die Rede sein. Die erste Kompliziertheit lässt es fraglich werden, vorbehaltlos von einer kontinuierlichen hansischen Geschichte vor dem ausgehenden 13. Jahrhundert oder vielleicht gar vor 1358 zu sprechen. Zumal wird man daran zweifeln, den Beginn hansischer Geschichte dann einsetzen zu lassen, als 1143/1159 die Stadt Lübeck gegründet wurde und weitere deutschrechtliche Städte im Zuge der Ostsiedlung im 13. Jahrhundert entstanden.

Warum aber datierte die ältere Hanseforschung den Beginn frühhansischer Geschichte so? Um darauf angemessen antworten zu können, muss man sich zunächst daran erinnern, dass eine Gründungsurkunde der Hanse niemals existiert hat. Jeder Forscher muss daher eine Entscheidung darüber treffen, wann er solche Elemente der späteren Hanse erstmals zu entdecken meint, die er für essenziell hält.

Die Datierung solcher Vorgeschichten ist stets an Werturteile gebunden, was man überprüfen mag, indem man sich beispielsweise fragt, wann eine Vorgeschichte der deutschen Wiedervereinigung zu beginnen hätte – 1871, 1945, 1953, 1961, 1968, 1980 oder 1989, wobei jede Antwort eine wertende Akzentsetzung beinhaltet. Auf die Frage nach dem Anfang der Hansegeschichte bezogen, bedeutet diese Problematik, dass es dann, wenn man sich die Hanse als einen Verbund von Städten vorstellt, durchaus naheliegend ist, die Gründung der späterhin führenden Hansestadt Lübeck als Anfang einer hansischen Geschichte zu nehmen. Diese Kontinuitätslinien werden allerdings unsichtbar, wenn man die Hanse als eine Zweckgemeinschaft von Fernhändlern zu verstehen sucht. Die Bezugnahme auf Lübeck wie sie auch die Titelvignette zu erzielen sucht – ist zudem nicht zwingend. Sie beruht darauf, dass Lübeck späterhin die wichtigste Hansestadt war. Ist aber daraus zu folgern konsequent, dass ohne diese Stadt keine Hansegeschichte möglich gewesen wäre? Wohl kaum, denn man kann Szenarien entwickeln, die im Erwartungshorizont des 12. Jahrhunderts recht nahelagen. So dürfte damals für die handelnden Zeitgenossen beispielsweise eine Hanse unter Kölner Führung und mit Schleswig als Transithandelsplatz zwischen Nord- und Ostsee eine recht naheliegende Vorstellung gewesen sein.

Dass solche Optionen nicht bloße Fantasiespiele sind, sondern plausible Entwicklungsalternativen darstellten, liegt daran, dass um 1150 die Entwicklungsrichtung im Nord- und Ostseeraum noch weitgehend offen war. Erst fundamentale Umgestaltungen der Jahrzehnte zwischen etwa 1150 und 1350 schufen kirchliche, politische, wirtschaftliche, verkehrstechnische, familiäre und kulturelle Strukturen, die uns selbstverständlich vorkommen, weil sie bis heute nachwirken. Diese Veränderungen werden oftmals einer frühhansischen Epoche zugeschlagen, obwohl sie von der Hanse nicht initiiert worden sind. Sie besitzen allerdings für das Verständnis des Fernhandels im Nord- und Ostseeraum vor Entstehung der Hanse große Wichtigkeit.

Gesamteuropäische Strukturen

Um die damalige Veränderungswirkung und -geschwindigkeit zu ermessen, die wohl erst wieder im 19. und 20. Jahrhundert erreicht worden ist, sei ein Gedankenexperiment erlaubt. Könnten wir uns ans Ende des 10. Jahrhunderts zurückversetzen und aus einem der Nachfolgestaaten des Karolingerreichs nach Norden blicken, dann erschiene uns der Ostseeraum als ein Grenzmeer, an dessen Küsten religiös, politisch und kulturell fremdartige Regionen lagen. 300 Jahre später hingegen erschiene einem Betrachter, von demselben Standpunkt aus, die Ostsee als ein europäisches Binnenmeer, dessen Küstenregionen allgemein typische kirchliche, herrschaftliche und ökonomische Grundstrukturen aufwiesen. Diese Strukturen bestanden im Frühmittelalter zunächst nur dort in Europa, wo antike und karolingische Prägungen fortwirkten. Im Hochmittelalter breiteten sie sich aus und begründeten im Spätmittelalter bei allen regionalen Unterschieden die Gemeinsamkeit des europäischen Kontinents. Zu ihnen sind mindestens drei Kernelemente zu rechnen: Es sind die christliche Religion in der Ausrichtung auf das römische Papsttum, eine monarchische Herrschaftsform, die sich auf adlige Eliten stützte, sowie ein autonomes Städtewesen.

Polen, Böhmen, Ungarn und Skandinavien

Wandlungen der kirchlichen und politischen Strukturen bedingten sich im mittelalterlichen Europa stets. Nach der fränkischen Expansion und der mit ihr einhergehenden Christianisierung beispielsweise der Sachsen integrierten sich um das Jahr 1000 Polen, Böhmen und Ungarn in das romchristlich-monarchische Europa. Sie fanden Aufnahme unter ihren einheimischen Herrschern, die das Christentum annahmen. Gleiches gilt für Skandinavien: Nach ergebnislosen Missionierungsversuchen im 9. Jahrhundert wurde von den skandinavischen Völkern zunächst Dänemark unter König Harald Blauzahn (um 959–987) christianisiert. Island folgte um 1000. In Schweden wurde König Olaf Schosskönig (ca. 980–1021/2) im Jahre 1008 getauft. In Norwegen war es der spätere heilige König Olaf Haraldsson (1015–1030), der für die Christianisierung sorgte. In allen diesen Reichen standen monarchischer Machtzuwachs und der Aufbau kirchlicher Strukturen in einer Wechselwirkung. Überall war die Missionierung nicht durch den tröpfchenweisen Übertritt einzelner Gläubiger flächendeckend erfolgreich, sondern sie stützte sich auf die Autorität überregional mächtiger Herrscher. Umgekehrt profitierten die skandinavischen Könige bei der Festigung und Verstetigung ihrer Herrschaftsposition von der kirchlichen Infrastruktur. Deren Aufbau erreichte überall einen Schlusspunkt mit der Gründung von eigenständigen Kirchenprovinzen. Dänische, norwegische und schwedische...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2012
Co-Autor Elke Goez, Walter Demel, Hans-Henning Kortüm, Merith Niehuss, Ulrich Meier, Matthias Becher, Nikolas Jaspert, Gudrun Gleba, Martin Kaufhold, Ludger Körntgen, Jörg Rogge
Zusatzinfo 1 s/w Karte, Bibliographie und Reg., pdf-Format
Verlagsort Darmstadt
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Mittelalter
Schlagworte Handel im Ost- und Nordseeraum • Hanse • Kaufmannsstädte • Mittelalter • Sozialgeschichte • Städtebund • Wirtschaftsgeschichte
ISBN-10 3-534-70590-4 / 3534705904
ISBN-13 978-3-534-70590-0 / 9783534705900
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