Knochenjagd (eBook)

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2012 | 1. Auflage
400 Seiten
Blessing (Verlag)
978-3-641-08373-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Knochenjagd -  Kathy Reichs
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Jeder Knochen erzählt eine Geschichte. Diese Frau kann sie hören. Ein neuer Fall für Tempe Brennan.
Ihr neuester Fall konfrontiert Tempe Brennan, forensische Anthropologin, mit einem albtraumhaften Szenario: In einer verlassenen Wohnung in Montreal findet sich, eingewickelt in ein Handtuch, versteckt unter einem Waschbecken, die Leiche eines Neugeborenen. Schlimmer noch: Neben diesem tauchen noch zwei weitere tote Babys auf. Die fieberhafte Suche nach der Mutter beginnt. Ist sie eine herzlose Mörderin, getrieben von ihren Dämonen? Auf der Flucht vor ihrem Zuhälter? Geriet sie zwischen die Fronten eines Drogenkriegs? Ihre Spur führt Tempe Brennan und ihren Kollegen Andrew Ryan tief in die kanadische Einöde - und in das Revier eines eiskalten Killers, der einen abgründigen, grausamen Plan verfolgt ...

Ein eiskalter Killer. Ein abgründiges Motiv. Die Jagd beginnt jetzt.

Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES - Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

1

Die Augen des Babys verblüfften mich. So rund und weiß und so pulsierend vor Bewegung.

Wie der winzige Mund und die Nasenöffnungen.

Ich ignorierte die Madenmassen, schob zwei behandschuhte Finger unter den kleinen Torso und zog sanft eine Schulter nach oben. Kinn und Glieder fest an die Brust gepresst, hob sich das Baby ein wenig.

Mit protestierendem Gesumme stoben Fliegen davon.

Ich prägte mir die Details ein. Zarte Augenbrauen, kaum zu erkennen auf einem Gesicht, das nur schwer als menschlich zu identifizieren war. Aufgeblähter Bauch. Durchscheinende Haut, die sich von perfekten, kleinen Fingern ablöste. Unter Kopf und Hintern lagen Pfützen von einer grün-braunen Flüssigkeit.

Das Baby steckte im Toilettentisch eines Badezimmers, eingeklemmt zwischen der Rückwand und einem verrosteten Abflussrohr, das gekrümmt vom Waschbecken herabführte. Es lag in fötaler Haltung, den Kopf verdreht, das Kinn nach oben ragend.

Es war ein Mädchen. Glänzend grüne Geschosse umschwirrten seinen Körper und alles in seiner Umgebung.

Einen Augenblick lang konnte ich es nur anstarren.

Die wabernd weißen Augen starrten zurück, wie verwirrt über die verzweifelte Notlage ihrer Besitzerin.

Meine Gedanken wanderten zu den letzten Augenblicken des Babys. War es bereits im dunklen Leib der Mutter gestorben, als Opfer einer herzlosen Verdrehung der Doppelhelix? Oder im Kampf ums Überleben, an die schluchzende Brust ihrer Mutter gedrückt? Oder kalt und allein, im Stich gelassen und unfähig, sich Gehör zu verschaffen?

Wie lange dauert es, bis ein Neugeborenes das Leben aufgibt?

Ein Sturzbach der Bilder rauschte durch mein Gehirn. Keuchender Mund. Zappelnde Glieder. Zitternde Händchen.

Zorn und Trauer ballten sich in meinen Eingeweiden zusammen.

Konzentrier dich, Brennan!

Behutsam legte ich die winzige Leiche wieder auf ihren Platz zurück und holte einmal tief Luft. Meine Knie knackten, als ich mich aufrichtete und ein Spiralnotizbuch aus meinem Rucksack zog.

Fakten. Konzentrier dich auf die Fakten.

Auf dem Toilettentisch lagen ein Seifenriegel, ein schmuddeliger Plastikbecher, ein stark angeschlagener Zahnbürstenhalter aus Keramik und eine tote Kakerlake. Das Medizinschränkchen enthielt eine Aspirinflasche mit zwei Tabletten, Wattestäbchen, Nasenspray, Tabletten gegen Verstopfung, Rasierklingen und eine Packung Hühneraugenpflaster. Kein einziges verschreibungspflichtiges Medikament.

Warme Luft, die durch das geöffnete Fenster wehte, ließ das neben der Kommode hängende Toilettenpapier flattern. Mein Blick bewegte sich in diese Richtung. Auf dem Spülkasten stand eine Schachtel mit Papiertüchern. In der Schüssel selbst war ein schleimiges, braunes Oval zu erkennen.

Ich ließ den Blick nach links wandern.

Schlaffe Stoffbahnen hingen am abblätternden Fensterrahmen, ein längst grau gewordener Blumendruck. Die Aussicht durch die schmutzverkrustete Scheibe zeigte eine Petro-Canada-Tankstelle und die Rückseite einer Autowerkstatt.

Seit ich die Wohnung betreten hatte, hatte mein Hirn immer wieder das Wort »gelb« gemeldet. Der schlammverspritzte Stuck auf der Fassade des Gebäudes? Die triste Senffarbe im Treppenhaus? Der abgenutzte maisfarbene Teppich?

Was auch immer. Die grauen Zellen säuselten weiter. Gelb.

Ich fächelte mir mit dem Notizbuch Luft zu. Schon jetzt waren meine Haare feucht.

Es war neun Uhr vormittags am Montag, den vierten Juni. Um sieben war ich von einem Anruf von Pierre LaManche geweckt worden, dem Chef der rechtsmedizinischen Abteilung des Laboratoire de sciences judiciaires et de médecine légale in Montreal. LaManche war von Jean-Claude Hubert aus dem Bett geholt worden, dem Chief Coroner der Provinz Quebec. Huberts Weckruf war von einem Beamten der SQ mit dem Namen Louis Bédard gekommen.

Laut LaManche hatte Caporal Bédard das Folgende berichtet:

Etwa gegen zwei Uhr vierzig morgens am Sonntag, den dritten Juni, hatte sich eine siebendundzwanzigjährige Frau namens Amy Roberts im Hôpital Honoré-Mercier vorgestellt und über exzessive Vaginalblutungen geklagt. Dem diensthabenden Notarzt Dr. Arash Kutchemeshgi fiel auf, dass Roberts desorientiert wirkte. Da er Reste der Plazenta und eine Vergrößerung des Uterus feststellte, vermutete er, dass die Frau vor Kurzem entbunden hatte. Als er sie nach einer Schwangerschaft, Geburtswehen oder einem Baby fragte, antwortete Roberts ausweichend. Sie hatte keine Ausweispapiere bei sich. Kutchemeshgi beschloss, das örtliche Revier der Sûreté du Québec anzurufen.

Etwa gegen drei Uhr zwanzig an diesem Morgen sorgte eine Karambolage von fünf Autos für sieben Krankenwägen vor der Notaufnahme des Hôpital Honoré-Mercier. Als man das Blut schließlich weggewischt hatte, war Kutchemeshgi zu erschöpft, um sich an die Patientin zu erinnern, die vermutlich kurz zuvor entbunden hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Patientin sowieso schon wieder verschwunden.

Gegen vierzehn Uhr fünfzehn an diesem Nachmittag erinnerte sich Kutchemeshgi, erfrischt nach vier Stunden Schlaf, dann doch an die Patientin und rief bei der SQ an.

Ungefähr um siebzehn Uhr zehn fuhr Caporal Bédard zu der Adresse, die Kutchemeshgi Roberts’ Aufnahmeformular entnommen hatte. Da auf sein Klopfen niemand reagierte, ging er wieder.

Gegen achtzehn Uhr zwanzig sprach Kutchemeshgi mit der Notaufnahmeschwester Rose Buchanan, die, wie der Arzt, eine Vierundzwanzig-Stunden-Schicht arbeitete und Roberts auch gesehen hatte. Buchanan erinnerte sich, dass Roberts einfach verschwunden war, ohne dem Personal Bescheid zu geben; außerdem meinte sie, sich an einen früheren Besuch Roberts’ erinnern zu können.

Etwa gegen zwanzig Uhr recherchierte Kutchemeshgi im Archiv und erfuhr so, dass Amy Roberts schon elf Monate zuvor wegen Vaginalblutungen ins Hôpital Honoré-Mercier gekommen war. Der untersuchende Beamte hatte in ihrem Krankenblatt die Möglichkeit einer kürzlichen Entbindung notiert, aber nichts weiter dazugeschrieben.

Da er befürchtete, dass ein Neugeborenes in Gefahr war, und ihn sein Gewissen plagte, weil er nicht sofort seine Absicht in die Tat umgesetzt und die Behörden informiert hatte, rief er nun noch einmal bei der SQ an.

Etwa gegen dreiundzwanzig Uhr fuhr Caporal Bédard noch einmal zu Roberts’ Wohnung. Die Fenster waren dunkel, und wie zuvor kam niemand an die Tür. Diesmal ging Bédard außen um das Gebäude herum. Als er einen Müllcontainer im Hinterhof durchsuchte, entdeckte er ein Knäuel blutiger Handtücher.

Bédard beantragte einen Durchsuchungsbeschluss und rief den Coroner. Sobald der Beschluss am Montagmorgen ausgegeben war, rief Hubert LaManche an. Da er die Auffindung verwester Überreste befürchtete, rief er mich an.

Und deshalb war ich jetzt hier.

An einem wunderschönen Junitag stand ich im Bad einer heruntergekommenen Wohnung im dritten Stock ohne Aufzug, die seit 1953 keinen Malerpinsel mehr gesehen hatte.

Hinter mir lag ein Schlafzimmer. Eine schartige und abgenutzte Frisierkommode stand an der südlichen Wand, ein kaputtes Bein gestützt von einer umgedrehten Bratpfanne. Die Schubladen waren offen und leer. Auf dem Boden lag ein Lattenrost mit Matratze, darum herum schmuddelige Bettwäsche. In einem kleinen Wandschrank befanden sich nur Kleiderbügel und alte Magazine.

Vom Schlafzimmer führte eine Doppelfalttür – der linke Flügel hing schief in seiner Führung – in ein Wohnzimmer, das im Heilsarmeeschick möbliert war. Ein mottenzerfressenes Sofa. Ein Couchtisch mit Brandlöchern von Zigaretten. Ein uralter Fernseher auf einem wackeligen Metalluntersatz. Tisch und Stühle aus Chrom und Resopal.

Die einzige Andeutung von architektonischem Charme verströmte ein flaches Erkerfenster, das auf die Straße hinausging. Eine eingebaute, dreiteilige Holzbank reichte vom Boden bis unter das Fensterbrett.

Eine schmale, billige Küche, die man vom Wohnzimmer aus betrat, teilte sich eine gemeinsame Wand mit dem Schlafzimmer. Als ich zuvor schon einmal kurz hineingeschaut hatte, hatte ich rundliche Küchengeräte gesehen, die mich an meine Kindheit erinnerten. Die Arbeitsflächen waren mit gerissenen Keramikkacheln gefliest, die Fugen geschwärzt von Jahren der Vernachlässigung. Das Spülbecken war tief und rechteckig, nach Art des Farmhausstils, der jetzt wieder in Mode war.

Eine Plastikschüssel auf dem Linoleum neben dem Kühlschrank enthielt eine kleine Menge Wasser. Ich dachte kurz an ein Haustier.

Die gesamte Wohnung hatte nur gut siebzig Quadratmeter. Ein widerlicher Geruch war allgegenwärtig, faulig und säuerlich, wie eine verschimmelnde Grapefruit. Der Großteil des Gestanks kam von dem verschütteten Unrat vor dem Küchenmülleimer. Ein anderer Teil kam aus dem Bad.

Ein Uniformierter bewachte die einzige Tür der Wohnung, die jetzt offen stand, orangefarbenes Absperrband mit dem SQ-Logo und der Beschriftung Accès interdit-Sûreté du Quebec. Info-Crime klebte kreuz und quer im Rahmen. Auf dem Namensschild des Beamten stand Tirone.

Tirone war Anfang dreißig, ein fett gewordener, muskulöser Kerl mit strohblonden Haaren, eisengrauen Augen und einer offensichtlich sehr empfindlichen Nase. Auf seiner Oberlippe glänzte Wick VapoRub.

LaManche stand neben dem Erkerfenster und unterhielt sich mit Gilles Pomier, einem Autopsietechniker des LSJML. Beide machten ein finsteres Gesicht und sprachen...

Erscheint lt. Verlag 19.11.2012
Reihe/Serie Die Tempe-Brennan-Romane
Übersetzer Klaus Berr
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bones • Deschanel • Die Knochenjägerin • eBooks • Forensik • Kanada • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Tempe Brennan • Thriller
ISBN-10 3-641-08373-7 / 3641083737
ISBN-13 978-3-641-08373-1 / 9783641083731
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