In Vino Veritas (eBook)

Kulinarischer Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2012 | 2. Auflage
206 Seiten
Emons Verlag
978-3-86358-196-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

In Vino Veritas -  Carsten Sebastian Henn
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Der berühmteste Winzer der Ahr wird tot in einem hölzernen Maischebottich aufgefunden. Motive für einen Anschlag auf das exzentrische und streitlustige Genie finden sich viele, und auch Julius Eichendorff, Koch und Besitzer des Renommierrestaurants 'Zur Eiche', gerät unter Verdacht. Er ist gezwungen, den Mörder zu suchen. Mit jeder kleinen unverfänglichen Plauderei kommt Julius näher an den Mörder heran - bis es auch für ihn heiß wird. Heißer sogar, als für ein englisch gebratenes Steak ratsam. Ein mit Witz erzählter, lukullischer Krimi, mit liebenswerten Charakteren und tiefen Einblicken in die Geheimnisse der Winzer von der Ahr - ein voller Genuss!

Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, lebt in Hürth. Er studierte Völkerkunde, Soziologie und Geographie und arbeitet als Autor und Weinjournalist für verschiedene nationale und internationale Fachmagazine.

Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, lebt in Hürth. Er studierte Völkerkunde, Soziologie und Geographie und arbeitet als Autor und Weinjournalist für verschiedene nationale und internationale Fachmagazine.

II

»Ordensmeister blau«

Die Restaurantbrigade stand so aufgeregt im Speisesaal wie kleine Kinder vor dem Eingang zur Achterbahn. Die Augen weit aufgerissen, unruhig das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagernd, beständig tuschelnd. Das Service-Team wollte endlich an die Tröge: Probeessen stand auf dem Terminplan! Franz-Xaver schob einen Menüwagen herein, gefolgt von Julius, der sich anschickte, die sechsköpfige Crew noch etwas zu quälen. Denn schließlich ging es nicht darum, die Mägen der Anvertrauten mit Feinstem aus der Küche zu füllen, sondern sie für den Abend zu informieren, was auf den Tellern prangte. Und zwar so exakt, dass keine Frage eines Gastes unbeantwortet bleiben würde. Franz-Xaver verteilte die zum Probieren nötigen kleinen Löffel, Gabeln und Messer, damit die Wartenden schon mal etwas hatten, woran sie sich festhalten konnten. Das durch die mit weißen Holzkreuzen verzierten Fenster hereinfallende Licht funkelte verheißungsvoll in den Saucen und gab ihnen den Glanz flüssiger Kunstwerke.

Julius nahm Positur an und hob die Stimme.

»Liebes Team, es ist wieder so weit! Der Herbst schreitet voran, der Warenkorb füllt sich mit anderen Spezereien, unser Menü hat Neuzugänge. Bei den Salaten habe ich im Sinne unseres Grundsatzes – der kulinarischen Vermählung regionaler und französischer Küche – eine saisonale Variation kreiert. Jetzt, wo es kälter wird, ist die Zeit für deftigere Genüsse gekommen. Deshalb«, er deutete auf den entsprechenden Teller, »ein ›Salat vom Kabeljau mit Puy-Linsen und Speck‹. Kurz zur Information: Linsen, übrigens Schmetterlingsblütler, sind die am besten verdaulichen Hülsenfrüchte und Nährstoffbomben. Puy-Linsen kommen aus Frankreich und sind fettärmer als die hiesigen. Der Speck stammt von besten Eifeler Schweinen und wird nur ganz kurz angebraten. Probieren!«

In einer Mischung aus Gier und Benimm stürzte sich die Restaurantbrigade auf den großen Teller. Jeder versuchte, sowohl Salat wie auch Speck, Kabeljau und Linsen auf die Gabel zu bekommen. Früher einmal hatte Julius jeden einzeln zum Verkosten vorgebeten, aber auf eine gewisse Art und Weise ergötzte er sich an dem unwürdigen Schauspiel. Es erfüllte ihn mit Stolz, denn der Salat schien zu schmecken. Blieb auch nur das kleinste Bisschen beim Probeessen auf dem Teller, überarbeitete er das Gericht. Doch das passierte so gut wie nie.

So auch heute. Die »Essenz von Baumpilzen mit gebackener Gänseleber«, der »Lammrücken mit Artischocken-Gröstl« und vor allem das »Tannenhonig-Parfait mit marinierten Beeren« fanden reißenden Absatz. Julius nahm sich seinen Sommelier zur Seite. Der wasserstoffblonde François van de Merwe stammte aus Südafrika, hatte in seinem bewegten Leben schon als Edelsmutje auf israelischen Charterjachten und als Garde Manger in australischen Crosscultural-Küchen gearbeitet – was über die Jahre bedauernswerterweise zu einer kosmopolitischen Hochnäsigkeit geführt hatte. Julius war immer noch unklar, wie es diesen Weltreisenden ins pittoreske und beschauliche Ahrtal verschlagen konnte.

»Dazu fällt dir bestimmt nichts ein!«

Julius liebte es, den aristokratisch wirkenden und ebenso hoch wie schlank gewachsenen Südafrikaner ein wenig zu foppen.

»Leicht ist es sicherlich nicht.« François nickte anerkennend. »Aber natürlich ist mir direkt etwas dazu eingefallen.«

»Soso, ist dir das? Du musst dir all der feinen Aromen bewusst sein! Mit Schnellschüssen ist es da nicht getan!«

Ein leicht beleidigter Blick von François zeigte Julius, dass sein Pfeil ins Ziel getroffen hatte.

»Zum Salat einen jungen Cabernet Franc von der Loire, zur Essenz einen – und das wird die Gäste ein wenig fordern – trockenen Gewürztraminer aus dem Elsass, zum Lammrücken – aber nur, weil du immer darauf bestehst, heimische Weine zu präsentieren – einen ›Balthasar B.‹ von der Porzermühle und zum Tannenhonig-Parfait eine Weißburgunder Beerenauslese. Frag mich jetzt bitte nicht nach Winzern und Jahrgängen, dafür muss ich das Kellerbuch nun doch erst mal anschauen.«

»Dann mach das.«

Julius winkte ihn theatralisch fort. Das begleitende Weinmenü würde genau die richtige Mischung aus harmonischen und fordernden Kombinationen bieten. Franz-Xaver, der während des Gesprächs neben Julius gestanden hatte, legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter.

»Ja, was hat er denn, der Großmeister? Warum hat er des Fischerl so rasch von der Angel gelassen?«

Julius verzog das Gesicht, als hätte ihn sein Maître d’hôtel an einen schmerzhaften Bandscheibenvorfall erinnert.

»Ich habe heute keine Nerven für dieses Spielchen. Auch wenn ich gern wollte …« Er setzte sich an einen der bereits eingedeckten Tische.

»Siggis Tod, net wahr?«, fragte Franz-Xaver, als er sich zu ihm setzte.

»Ja.«

Einerseits drängte es Julius, mit jemandem darüber zu reden, was Gisela ihm anvertraut hatte. Aber die Worte wollten ihm einfach nicht über die Zunge. Franz-Xaver faltete mit großer Geste die Hände.

»Was für eine makabere Todesart! Wer kommt bittschön auf die Idee, jemanden in einen Bottich zu schmeißen? Warum die Leich net einfach liegen lassen? Mit dem Mörder kann was net in Ordnung sein, wenn du mich fragst. Ich mein, mit Mördern ist sowieso was net in Ordnung, aber in diesem Fall … als wollt er ein Zeichen setzen.«

Die erlösenden Worte hatten sich nun so weit Julius’ Hals hinaufgearbeitet, dass er sie herauslassen konnte. Auch wenn es schmerzte.

»Es könnte aber auch jemand gewesen sein, der volltrunken war. So betrunken, dass er sich am nächsten Tag an nichts mehr erinnert. So betrunken, dass er nicht mehr weiß, warum das Nachthemd über und über voll mit Rotweinflecken ist.«

Franz-Xaver schaute ihn überrascht an. Noch bevor er zu einer Frage ansetzen konnte, gab Julius die Antwort.

»Ich hab gestern mit Gisela gesprochen. Sie hatte Streit mit Siggi, großen Streit, mal wieder. War ja kein Kostverächter, unser Siggi, wirklich nicht. Ein Genie, natürlich, aber halt auch eines, das meinte, es könne sich alles herausnehmen.«

»Die holde Weiblichkeit?«

Julius nickte matt.

»Dann werden die Herrschaften von der Polizei sie noch a weng länger in der Obhut behalten.«

»Die wissen von nichts, und so soll das auch bleiben. Gisela hat denen erzählt, sie hätte geschlafen und nichts mitbekommen. Ich muss ihr da schnell raushelfen.«

»Schau, Kamerad, ich glaub fast, du bist da in eine Sachen gestolpert, die weitaus weniger überschaubar ist als deine geliebte Küchen.«

Julius musste schmunzeln. Diesen Eindruck hatte er auch. Und eigentlich pflegte er eine natürliche Abneigung gegen alles, was ihn von seinem Herd fern hielt. François kam mit dringlichen Schritten herein.

»Ich habe gerade festgestellt, dass wir nicht mehr genug ›Balthasar B.‹ im Keller haben. Ich kann einen anderen Wein aussuchen oder noch mal kurz zur Porzermühle fahren.«

Julius erhob sich schwerfällig.

»Ist schon gut, ich muss mich sowieso mal wieder beim August blicken lassen. Da kann ich die Flaschen auch gleich mitbringen.«

Die Fahrt zur Porzermühle glich stets dem Übertritt in eine andere, bessere Welt. Alice im Wunderland gleich, die einen Zaubertrank einnahm und schrumpfte, um ins Märchenreich gelangen zu können, führte der Weg zu August Herolds imposantem Weingut, sobald man von der breiten B267 in den kleinen Ort Mayschoß abbog, durch enge Gässchen, auf denen gerade mal ein Wagen mit Müh und Not Platz fand. Es war, als würde die Welt um einen herum verhutzeln. Und die Winkel, in denen die Sträßchen aufeinander stießen, waren so surreal wie Bilder von M.C. Escher. Wie ein städteplanerisches Mikado fiel die eine auf die andere, und jederzeit drängte sich der Eindruck auf, alles könne in sich zusammenfallen, das Märchen könne enden.

Als Julius diesen ersten Teil der abenteuerlichen Reise hinter sich hatte, folgte das Mayschosser Äquivalent eines Tunnels, an dessen Ende ein helles Licht schien. Zwischen Weinbergen und Campingplatz führte ohne wirkliche Straßenbegrenzung ein Weg hindurch, und auf der anderen Seite wartete die Verheißung in Form des weiß getünchten Chateau Porzermühle. Julius parkte direkt neben dem gusseisernen Eingangstor und genoss die herrliche Aussicht auf den gut dreihundertfünfzig Meter hohen und mit unzähligen Reben bestockten Mönchsberg, zu dessen Füßen, einem antiken Amphitheater gleich, die Porzermühle lag. Etwas oberhalb des von der Sonne wie stets verwöhnten Kernstücks der imposanten Lage stach etwas farblich hervor. Julius sah genauer hin und machte einen roten Punkt aus, der sich bewegte. Dann blitzte es auf. Es war wie eine Reflexion, von einem Fernglas stammend.

Julius entschied, sich darüber keine Gedanken zu machen, davon hatte er bereits mehr als genug. Schon von weitem war zu erkennen, dass August Herold im prachtvollen Wintergarten, den er als Probierraum nutzte, eine seiner Grundsatzreden hielt. Die enthusiastische Körpersprache ließ gar keinen anderen Schluss zu. Julius machte sich am Eingang des gläsernen Verkostungstempels bemerkbar.

»Julius, grüß dich, komm rein! Kann ich dir was anbieten?«

Die richtige Antwort konnte nur lauten: »Aber immer!«

»Setz dich!«

Flugs war sein Glas mit einem Rosé gefüllt. Julius schnupperte daran. Kein Zweifel, ein ›Salm d’Ahr‹, der beste Rosé des Gebiets. Herold fuhr postwendend mit seiner kurzzeitig unterbrochenen Rede fort. Julius kannte sie zur Genüge, aber dank Augusts mitreißender Art...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2012
Reihe/Serie Julius Eichendorff
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ahrtal • Eifel • Wein
ISBN-10 3-86358-196-2 / 3863581962
ISBN-13 978-3-86358-196-1 / 9783863581961
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