Ich darf das, ich bin Jude (eBook)

(Autor)

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2012 | 1. Auflage
192 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30663-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich darf das, ich bin Jude -  Oliver Polak
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Mein Name ist Oliver Polak, ich bin dreißig Jahre alt - und ich bin Jude. Sie müssen trotzdem nur lachen, wenn es Ihnen gefällt.Aufgewachsen in der einzigen jüdischen Familie in Papenburg im Emsland, ist Oliver Polak nichts Komisches fremd. Jetzt ist er dreißig und blickt zum ersten Mal zurück: auf seine Jugend als Generation Eins nach der Stunde Null - irgendwo zwischen Thora und VIVA. Es geht um die beiden Freistunden während des Religionsunterrichts, die er mit den »beiden anderen Losern« (ein Moslem, ein Zeuge Jehovas) verbringt, um die gestrenge jüdische Lehre seiner herrischen Mutter und die daraus folgende Psychotherapie, seine doppelte Beschneidung, seine Jahre in einem orthodoxen jüdischen Internat in England, seinen überstandenen Hodentumor und darum, dass Juden und Jamaikaner eigentlich dasselbe sind.Oliver Polak erklärt, was er mit dem Papst und Alf gemeinsam hat, warum der Papenburger der Lachs unter den Emsländern ist, und ärgert sich, dass Hitler ausgerechnet nach Osnabrück keine Autobahn gebaut hat. Manchmal geht er dabei ein bisschen zu weit. Aber: Er darf das - er ist Jude!Der Autor hat übrigens eine Bitte: Lesen Sie dieses Buch nicht aus schlechtem Gewissen oder politischer Korrektheit. Kaufen Sie sich für diesen Zweck lieber ein zweites Exemplar.Darf man über so etwas lachen? Man muss! Denn Oliver Polak erzählt mit so viel Charme und Chuzpe von seinen ersten dreißig Jahren, dass man erfreut verkünden darf: Der jüdische Humor ist zurück in Deutschland.

Oliver Polak, geboren in Papenburg im Emsland, lebt als Stand-up-Comedian, Kolumnist und Autor in Berlin. Seit 2015 ist er zusammen mit Micky Beisenherz in der TV-Reihe »Das Lachen der anderen« zu sehen, für die sie 2017 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurden. Auch Oliver Polaks Late-Night-Show »Applaus und raus« (2016) erhielt mit dem Grimme-Preis eine besondere Ehrung. Gemeinsam mit Micky Beisenherz produziert er seit November 2017 den erfolgreichen wöchentlichen Podcast »Juwelen im Morast der Langeweile« bei Audible. Bei Kiepenheuer & Witsch erschienen 2008 und 2014 seine beiden Bestseller »Ich darf das, ich bin Jude« (KiWi 1070) und »Der jüdische Patient« (KiWi 1414). Seine neue Show, mit der er ab November 2018 auf Tour geht, heißt »Der Endgegner«.

Oliver Polak, geboren in Papenburg im Emsland, lebt als Stand-up-Comedian, Kolumnist und Autor in Berlin. Seit 2015 ist er zusammen mit Micky Beisenherz in der TV-Reihe »Das Lachen der anderen« zu sehen, für die sie 2017 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurden. Auch Oliver Polaks Late-Night-Show »Applaus und raus« (2016) erhielt mit dem Grimme-Preis eine besondere Ehrung. Gemeinsam mit Micky Beisenherz produziert er seit November 2017 den erfolgreichen wöchentlichen Podcast »Juwelen im Morast der Langeweile« bei Audible. Bei Kiepenheuer & Witsch erschienen 2008 und 2014 seine beiden Bestseller »Ich darf das, ich bin Jude« (KiWi 1070) und »Der jüdische Patient« (KiWi 1414). Seine neue Show, mit der er ab November 2018 auf Tour geht, heißt »Der Endgegner«.

Inhaltsverzeichnis

Papa


Ich habe über 25 Jahre gebraucht, um meinen Vater zu verstehen. Zum Beispiel seine Hygieneneurosen: Er bestellt jedes Essen »ohne Petersilie«. Sogar Nachtisch. Weil Petersilie von Hand auf den Teller gelegt wird. Da kann man noch so oft diskutieren und erklären, daß die restlichen Zutaten bestimmt auch nicht mit dem Chirurgenhandschuh angefaßt werden. Er stellt sich das so vor, daß Essen gebraten, gegrillt oder gekocht wird, die Petersilie aber zum Schluß roh und von Hand gezupft und auf seinem klinisch reinen Essen plaziert wird wie ein Mäuseköttel auf einem OP-Tisch.

Deshalb hatte er auch früher immer einen Autoschlüssel in der rechten Hand, damit er den Leuten beim Begrüßen nur einen Finger geben mußte. Ich glaube, er hat überhaupt nur deshalb den Führerschein gemacht. Daher zeichnete sich ein großes Fiasko ab, als meine Mutter ihn zwang, seinen Führerschein zurückzugeben. Und das war nicht mal aus dem klassischen Kontrollwahn einer jüdischen Ehefrau heraus, sie war es nur leid, anhand der Anrufe zuordnen zu können, wo er gerade mit dem Auto war: »Guten Tag Frau Polak, es tut mir leid, Sie schon wieder damit zu belästigen – aber Ihr Mann ist mir gerade beim Ausparken vor Lidl an die Tür geschrammt … ja, ich konnte ihn genau erkennen, ich war so nah dran, daß er mir über den Fuß gefahren ist, nein, diesmal auf der rechten Seite … die linke haben wir vorgestern machen lassen.«

Bevor uns seine Versicherung kündigen konnte, haben wir uns auf einen Kompromiß geeinigt: Papa gibt das Autofahren auf und darf dafür immer den Hausschlüssel nehmen.

Seine Hygieneneurose hat noch mehr Facetten: Er hat immer kleine Sagrotantücher in Einmalpackungen dabei. Manchmal kann ich, wie bei Hänsel und Gretel mit den Brotkrumen, seine Wege in Papenburg an den leeren Sagrotanhüllen nachvollziehen.

Ich kann mich noch erinnern, als er mir das erste Mal so ein Tuch in die Klokabine gereicht hat. Leider ohne zu sagen, daß ich damit vorher die Brille abputzen soll – nicht hinterher mich. Seitdem weiß ich, wie höllisch Sagrotan brennen kann.

Dann diese Hosenträger! Darf ein Mann mit über 80 Jahren Hosenträger mit Comic-Motiven tragen? Als ich in Köln mal mit schlimmen Schmerzen in eine Klinik kam und man mir in einer Blitz-OP den Blinddarm entfernen mußte, ließ es sich mein Vater nicht nehmen, sofort anzureisen und mir beizustehen. Das sah dann so aus, daß er mit Homer-Simpson-Hosenträgern an meinem Bett saß und ungewollt ein Programm abspulte, mit dem er auf jeder offenen Comedybühne der Abräumer des Abends gewesen wäre. Wer schon mal den Blinddarm rausgenommen bekommen hat, weiß, daß man eins danach nicht darf: lachen! Schluß war dann, als im Fernsehen »Star Wars« lief und mein Vater beim Anblick von Joda nur sagte: »Ach, Oliver, kuck mal: die Katze!«

Zwanzig Minuten später war ich wieder im OP, um die Nähte flicken zu lassen.

Darf ein Vater so was tun? Oder seinen Sohn ständig mit jiddischen Sprüchen nerven: »Schmus mit de Kuh, wenn se hängt« – was soll das heißen?

Oder diese zwanghafte Reimerei. Es gibt keine Situation, in der mein Vater nicht irgendeinen blöden Reim bringt. Meine erste Freundin hieß Katharina. Sie stand noch nicht bei uns im Flur, da sang mein Vater schon: »Katharina ist ein schönes Mädchen – so was gibt es nur im Aschendorfer Städtchen.«

Und das hat er bei jeder gemacht! Nun soll es ja bei Frauen sehr gut ankommen, wenn Männer ihnen Gedichte widmen. Aber für meine Sexualität war es sehr kontraproduktiv: In meinem Zimmer hat das erste Mal Petting stattgefunden, als mein Vater wegen einer Kehlkopfentzündung nicht sprechen konnte.

Da war ich 19.

Mein Vater, der emsländische Eminem. Er hat schon den Papenburger Kanal gebattled und seine Rhymes gesmashed, da sind die Amis noch zur Querflöte marschiert. Zum Beispiel mit Lines wie »Did you sleep well/in your klapprig Bettgestell?«.

Also, wenn das kein Hiphop ist!

Mein Vater mochte natürlich besonders meine Freundinnen, auf deren Namen man gut reimen konnte. Leider habe ich ihm in den wenigsten Fällen diesen Gefallen getan – und mich damit wahrscheinlich um ein paar begnadete Schüttelverse gebracht. Zum Beispiel »Ollis größter Wille – ein Kuß von Sybille«, oder »Es ist in aller Munde, der Charme von Kunigunde«. Nicht zu vergessen natürlich, was meiner Mutter auch sehr gut gefallen hätte: »Es kommen sich grad näher – Olli und Rabea«.

Statt dessen hatte ich oft Freundinnen mit reimfeindlichen und auch noch sehr ungewöhnlichen Namen. Zum Beispiel eine türkische Flamme, die meinen Vater aber dadurch entschädigte, daß sie sich nach und vor jedem Essen die Hände wusch. Und jedesmal, wenn sie einen unserer Hunde streichelte, und auch, nachdem sie meine Eltern begrüßt hatte. Eigentlich wusch sie sich die Hände immer, wenn sie irgend etwas angefaßt hatte. Und manchmal auch einfach nur so.

Das imponierte meinem Vater sehr, er war mit meiner Wahl äußerst zufrieden, denn so hatte er endlich mal eine Ansprechpartnerin mit gemeinsamen Interessen – und ich eine Freundin mit Waschzwang.

 

In Papenburg gab es vor dem Krieg 20 jüdische Familien, die mit emsländischer Gründlichkeit restlos deportiert wurden.

Nur einer kehrte zurück und blieb: mein Vater, das lebende Mahnmal. Irgendwann hat die Stadt am Platz der ehemaligen Synagoge eine Tafel für die Opfer des NS-Regimes aufstellen lassen. Graue Schrift auf grauem Stein, dazu eine Einfassung aus immergrünen Hecken, die den Stein leicht überragen. Kann man prima übersehen – meinen Vater nicht, der mit seinen quietschgelben Hosenträgern zweimal am Tag am Kanal spazierengeht. Das wandelnde schlechte Gewissen Papenburgs.

Und dann kam auch noch ich: »Mahnmal – the next Generation«. Ob ich wollte oder nicht.

Mitte der 50er Jahre wollte mein Vater Vorstandsmitglied des örtlichen Fußballclubs werden. Eigentlich hatte er ja Präsident von Werder Bremen werden wollen, aber ich vermute, meine Mutter hat ihm die Fahrtkosten vorgerechnet, und dann hat er es bleiben lassen und sich auf einen Posten bei »Germania Papenburg« beschränkt. Und man muß sagen, daß er einfach der beste Mann dafür war. Deshalb war es auch ein bißchen verwunderlich, wie lange die Diskussionen unter den Mitgliedern und im Vorstand hin und her gingen. Es wurde ein Faß nach dem anderen aufgemacht, zahllose und zahnlose Argumente gewälzt – bis in der Hitze eines Gefechtes dann endlich die magischen Worte fielen:

»Der kann doch nicht in den Vorstand! Der ist Jude!«

Was das eine mit dem anderen zu tun hatte, wurde gar nicht ausgeführt. Das einzige, was noch irrwitziger war, war der Satz, mit dem ein anderer Sportsfreund daraufhin meinem Vater beisprang:

»Horst, hör auf … der Krieg ist vorbei!«

Das Argument zog aber, und mein Vater wurde Sportwart. Und so endete, mit knapp zehn Jahren Verspätung, auch in Papenburg der Zweite Weltkrieg.

 

Mein Vater hat in seinem Leben alles verloren. Nur eines nie: seinen Humor. Und den hat er mir glücklicherweise vererbt – zusammen mit einer anderen Kleinigkeit, auf die er kurz nach meinem 14. Geburtstag zu sprechen kam.

Er nahm mich zur Seite und sagte: »Oliver, du bist jetzt alt genug … wir müssen reden.«

Und mir war klar: Okay – es geht um Geld.

Ging es aber nicht. »Paß auf, Oliver … es gibt da etwas … also, du wirst jetzt bald zum Mann … wie soll ich sagen: Du wirst dir viele Fragen stellen … bohrende Fragen … und da solltest du wissen, daß du nicht alleine bist. Dein Vater … also, es ist so …«

54 Minuten später kam er dann endlich auf den Punkt: »Oliver: Du hast einen kleinen Schmock. Das macht nichts, den habe ich auch – den hast du von mir!«

Ich sagte: »Und dafür brauchst du eine Stunde? Daß ich den nicht von Mama habe, war mir klar!«

Gut … letztlich ging es dann doch um Geld – mein Vater hatte so ein schlechtes Gewissen, daß er mir das Taschengeld um zehn Mark erhöhte. Und ganz ehrlich: Mit 14 Jahren sind zehn Mark im Monat wichtiger als ein großer Schmock.

Aber das war nur der letzte in einer Reihe von Versuchen, mir wichtige Erkenntnisse für das Leben mitzugeben. Einer der ersten Tips, die ich von meinem Vater bekommen habe, lautete: »Sohn, wenn du wissen willst, wie sauber die Küche ist: Schau dir die Toilette an.«

Und ich habe mich daran gehalten.

Zum Beispiel, als ich mit sieben Jahren bei so einem stinkfeinen Schulfreund zum Essen eingeladen war. Ich – rein in die Bude, und das Haus war an Bombastik nicht zu überbieten! Was man elektrisch betätigen konnte, wurde auch elektrisch bedient. Alles war entweder mit Leder oder Blattgold überzogen – der Rest mit Samt verhängt. Sie hatten sogar eine Fußbodenheizung, so etwas kannte ich noch gar nicht. Wenn man bei uns auf einer warmen Stelle stehen wollte, dann mußte man warten, bis der Hund aufstand.

Da ich mich aber von Äußerlichkeiten nicht blenden lasse, erinnerte ich mich an die Ratschläge meines Vaters und ging vor dem Essen erst mal zur Hygienekontrolle aufs Klo … und das war der Hammer! Der Vorraum mit Marmor gefliest und die Toilette selbst: Luxus pur! Das ganze Klo roch nach Kräutern, alles war mit hellem Holz verkleidet – und beheizt. Ein beheiztes Klo! Mir war es sogar fast eine Spur zu warm.

Also, bei denen hätte ich gern noch öfter gegessen! Aber als ich wieder zu Hause war, klingelte das Telefon, mein Vater ging ran,...

Erscheint lt. Verlag 8.11.2012
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Belletristik • Der jüdische Patient • Erlebnisse • Humor • Jude • Jüdisch • Jugend • Kiepenheuer & Witsch • Oliver Polak • Psychotherapie • Religion • VIVA-Moderator
ISBN-10 3-462-30663-4 / 3462306634
ISBN-13 978-3-462-30663-7 / 9783462306637
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