Kelwitts Stern (eBook)

Roman
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2012 | 1. Auflage
448 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-8387-1921-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kelwitts Stern -  Andreas Eschbach
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Auf dem Planeten Jombuur ist es üblich, jedem Neugeborenen einen Stern zu schenken. Später dann besucht der junge Jomburaaner diesen Stern, um dort wie von einem Orakel zu erfahren, was das Leben für ihn bereithält. Eines Tages bekommt auch der unbekümmerte Kelwitt seinen Planeten geschenkt: Die Erde, auf der er es prompt mit Geheimdiensten und neugierigen Wissenschaftlern zu tun bekommt.

1


Auf einem weit entfernten Planeten, irgendwo nahe des Zentrums unserer Milchstraße, herrscht der Brauch, jedem Neugeborenen einen eigenen Stern am Himmel zu schenken.

Nun ist die Zahl der am Nachthimmel mit bloßem Auge sichtbaren Sterne geradezu sprichwörtlich beeindruckend – und auf Planeten nahe des dichten Milchstraßenzentrums sogar noch weitaus beeindruckender, als wir das auf der Erde gewöhnt sind -, dennoch braucht eine derartige Sitte selbst diesen Vorrat rasch auf. Nicht rasch genug andererseits, als dass besagter Brauch nicht zur lieben Gewohnheit, zu einer geschätzten Tradition, mit anderen Worten, zu einem ehernen Bestandteil einer Kultur werden könnte. Und weil niemand ausgerechnet bei den eigenen Kindern mit Traditionen brechen will, erfanden die Bewohner des besagten Planeten notgedrungen das Teleskop. Die ersten Teleskope erschlossen eine Vielzahl weiter entfernte Sterne, ausreichend für Generationen, denen wiederum Zeit blieb, weitere, noch größere Teleskope zu entwickeln, und immer so fort. So kam es, dass die Bewohner des Planeten Jombuur nahe des Zentrums unserer Milchstraße die besten Astronomen des gesamten bekannten Universums wurden.

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis auch unsere eigene Sonne an einen neugeborenen Jombuuraner verschenkt wurde.

Um genau zu sein: das ist noch gar nicht so lange her.

Die bleigrauen Wellen manschten träge gegen die Liegefelsen, überspülten sie mit dünnen, schaumigen Strudeln und machten ein gurgelndes Geräusch, wenn sie wieder zurück ins Meer flossen. Ein Geräusch, das irgendwie unanständig nach Verdauung klang, fand Kelwitt. Er lag da, sah den silberglänzenden Strichwolken nach, die den Himmel wie geheimnisvolle Schriftzeichen überzogen, und dachte darüber nach, was ihm einer vom Nachbarschwarm heute Morgen in der Marktmulde erzählt hatte.

»Und?«, hörte er Parktat fragen. Parktat lag neben ihm. Vorhin hatte er angefangen, die vierzehnte Kontemplation Jamuunis über die Freude des Existierens zu rezitieren, in langen, melodischen Gesängen, und Kelwitt hatte die Ohrenfalten zugedrückt.

»Oh, ja«, beeilte er sich zu versichern und tat, als habe ihn das alles sehr ergriffen. Wie es ja von einem erwartet wurde, wenn Jamuuni rezitiert wurde. »Sehr beeindruckend.«

Parktat setzte sich auf. »Das ist keine Antwort.«

»Antwort?«

»Ich habe dich etwas gefragt.«

Oh. Erwischt. Das hatte er nicht mitbekommen. »Ach so. Hmm. Tut mir leid. Ich fürchte, ich war so entrückt von Jamuunis Worten, dass mir das völlig entgangen ist.«

Parktat ächzte nur. Er glaubte ihm kein Wort. »Ich habe dich gefragt, ob du endlich weißt, was du nach der Großjährigkeit machen willst.«

»Ach so, das.« Kelwitt machte die Geste des Überdrusses. »Nein, keine Ahnung.«

»Hast du über das Angebot nachgedacht, zu den Lederhäuten zu gehen?«

Kelwitt wandte den Kopf ab. »Nein.«

»Das solltest du aber. Ich an deiner Stelle …«

»Du bist aber nicht an meiner Stelle.«

»Kelwitt! Immerhin bin ich einer deiner Brüter. Da werde ich mir ein paar Gedanken über deine Zukunft machen dürfen. Und das Angebot der Lederhäute klingt nicht schlecht.«

»Zu den Lederhäuten? Nach zehn Sonnenumläufen eine Haut zu haben wie ein Greis? Nein danke. Und überhaupt, ich kann die Berge nicht ausstehen.«

Parktat stieß tadelnde Pfiffe aus. »Wenn du immerhin schon mal weißt, was du nicht willst, wäre das auch schon ein Fortschritt. Dann ist klar, dass du zu einem der Schwärme gehen musst, die an der Küste leben.«

»Hmm. Toll. Mein Leben lang Meergras ernten. Oder Grundschleimer fangen. Wirklich toll.«

»Oh, Jamuuni! Du weißt aber auch nicht, was du willst.«

»Nein, zum Dunkelgrund, ich weiß es nicht! Ich weiß nicht, was das Beste für mich ist! Woher denn auch?« Das abfließende Wasser gurgelte und röhrte besonders unanständig, während Kelwitt damit herausplatzte.

Eine Weile schwiegen sie. Kelwitt sah wieder den Wolken nach und wünschte sich, ihre Schrift entziffern zu können.

»Du könntest mit einem der Jungen von den Nachbarschwärmen tauschen«, schlug Parktat schließlich vor. »Das ist vielleicht das Beste für den Anfang. Die triffst du doch immer in der Marktmulde, da müsst ihr doch auch über dieses Thema sprechen, oder?«

Vielleicht war es das Beste, nicht lange mit dem herumzumachen, was ihn seit heute Morgen beschäftigte. »Ja«, sagte Kelwitt. »Tun wir.«

»Und? Was haben die anderen vor?«

»Sie machen die Orakelfahrt.«

Er konnte förmlich hören, wie Parktats Sprechritze erschlaffte. »Oh«, blubberte er undeutlich. »Dieser alte Aberglaube …«

»Es soll Glück bringen, seinen Stern zu besuchen.«

»Ja, ja.«

»Und man kann dabei erfahren, was für ein Leben man führen wird. N’etehu hat ein ganzes Buch darüber. Wenn der Stern sieben Planeten hat, dann wird das Leben nur kurz sein und unglücklich enden. Hat er neun Planeten, erlangt man Weisheit. Ein gelb leuchtender Planet mit zwei Monden bedeutet, dass man am Wasser leben soll. Ein schwarz glänzender Planet bedeutet, dass man unter geistigen Störungen leiden wird …«

»Dieser ganze unausrottbare Orakelfahrt-Humbug ist eine geistige Störung, wenn du mich fragst.«

Kelwitt setzte sich auf. »Aber so könnte ich erfahren, was für mich das Beste ist!«

»Dazu musst du nicht durch die halbe Galaxis fahren. Es würde reichen, wenn du einfach mal gründlich nachdächtest.«

»Hast du denn keine Orakelfahrt gemacht, ehe du großjährig wurdest?«

Parktat stieß einen schrillen Pfiff aus, verschränkte die Arme und sah hinaus aufs Meer. In einiger Entfernung glitt ein glitzernder Wassersegler mit aufgeblähten Trageblasen dahin, verfolgt von einem Schwarm schimmernder Symbionten. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich nach den Meergrassammlern sehe. Einer von ihnen hat gestern so seltsame Geräusche von sich gegeben. Wahrscheinlich ist wieder ein Lager kaputt.«

»Hast du keine Orakelfahrt gemacht?«

»Ach, hör mir mit dem Unsinn auf. Ich wollte ein ernsthaftes Gespräch mit dir über deine Zukunft führen, wozu ich als einer deiner Brüter ja wohl das Recht haben sollte. Und alles, was dir einfällt, ist das.«

»Entschuldige. Aber N’etehu sagt, die Orakelfahrt ist ein Brauch, der fast genauso alt ist wie der Brauch, zur Geburt einen Stern zu schenken.«

»Das ist ja wohl kaum möglich.«

»Naja, natürlich mussten erst Raumschiffe erfunden werden und all das. Aber das ist ja schließlich auch schon ewig her.«

»Und die Sternstraßen mussten entdeckt werden. Das ist zwar auch schon eine Weile her, aber ewig würde ich es nicht nennen.«

»Von mir aus. Aber N’etehu sagt, jeder Jombuuraner macht die Orakelfahrt.«

»N’etehu sagt, N’etehu sagt – redest du alles nach, was andere sagen?«

»Ich wollte bloß wissen, ob du damals deine Orakelfahrt gemacht hast oder nicht.«

Parktat wandte den Blick zum Himmel und stieß einen lang gezogenen, klagenden Laut aus. Dann meinte er dumpf: »Von mir aus -ja, habe ich.«

Kelwitt musste an sich halten, um nicht triumphierend aufzulachen.

Und das hatte ihm sein Brüter nie gesagt, ihn sogar im Unklaren gelassen darüber, dass es so etwas wie eine Orakelfahrt gab! »Wirklich?«, fragte er neugierig. »Du hast deinen Stern besucht? Erzähl -was hast du gefunden?«

»Parktats Stern hat drei Planeten. Einer davon leuchtete gelb und hatte zwei Monde.«

»Das bedeutet, dass du am Wasser leben sollst!«

»Ja. Deshalb bin ich hierhergekommen. Ich hatte damals auch ein Angebot eines Lederhaut-Schwarms, drüben in den Silberbergen, aber ich habe es ausgeschlagen und bin hierhergekommen.«

»Um am Wasser zu leben.«

»Und seither repariere ich alle Maschinen, die wir haben. Wenn ich zu den Lederhäuten gegangen wäre, würde ich wahrscheinlich welche erfinden!«

Kelwitt rückte näher an ihn heran. »Hilfst du mir, eine Passage zu bekommen?«

»Lass uns das heute Abend besprechen, wenn alle zusammen sind«, erwiderte Parktat und glitt vom Liegefelsen hinab ins Wasser. »Aber du könntest mir bei den Grassammlern helfen.«

Kelwitt zögerte. Das roch ziemlich nach Erpressung, und Parktat wusste genau, dass Kelwitt die Wartung von Robotern herzlich zuwider war. Aber wahrscheinlich tat er gut daran, ein paar Punkte zu sammeln. »In Ordnung«, meinte er also und folgte Parktat ins Meer.

Opnaah kratzte sich ausgiebig die schütteren Brustschuppen, während er nachdachte. Er war der Schwarmälteste, und ehe er nicht seine Stellungnahme zu Kelwitts Wunsch abgegeben hatte, geziemte es sich für die anderen nicht, zu sprechen.

Kelwitt hatte sein Möglichstes getan, um die Versammlung des Schwarms für sich einzunehmen. Er hatte den Versammlungsraum gewischt und hergerichtet, hatte die gläsernen Abdeckungen über den Feuerstellen gereinigt, frische Zierkorallen aufgestellt und die Ruhemulden der Ältesten mit Duftöl eingerieben. Nun saß er, was die anderen Kinder neidvoll kommentiert hatten, zum ersten Mal in der Runde der Erwachsenen und beobachtete Opnaahs Nachdenken genauso gespannt wie diese.

»Orakelfahrten«, ließ der Schwarmälteste sich schließlich vernehmen, »dauern von Generation zu Generation immer länger. Nicht wahr, die Grenze der Namenlosigkeit schiebt sich immer weiter hinaus, immer weiter von Jombuur weg, die Fahrt führt also über immer größere Distanzen. Eine ganz natürliche Entwicklung.«

Allgemeine Gesten der Zustimmung ringsum.

»Deswegen versucht man heutzutage, von dem Brauch der Orakelfahrten wegzukommen. Zumal außer Frage...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2012
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Apokalypse • Avatar • Baden-Württemberg • Big Bang Theory • Dystopie • Heliosphäre • heliosphere • High Tech • Phoenix-Viertel • Post Apokalypse • R2D2 • Raumschiff • Raumschiffe • Science Fantasy • Science Fiction Romane • Sci Fi • SciFi • Star Wars • Sternenschiff • Strohgäu • Technology • Timothy Zahn • Utopie • Weltall • Weltraumabenteuer • Zukunft • Zukunftsroman
ISBN-10 3-8387-1921-2 / 3838719212
ISBN-13 978-3-8387-1921-4 / 9783838719214
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