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Keine Zeit wie diese (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
512 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-7577-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
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Fast zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheid blickt Nadine Gordimer auf Möglichkeiten und vergebene Chancen der neuen Ära. Tief taucht sie ein in das Leben eines Paares, das, gerade noch als illegal geächtet, nun gefordert ist, das Land und sein Leben neu zu gestalten. Aus Revolutionären sind Bürger geworden. Jabulile und Steve, die sich im Untergrund kennenlernten, im Kampf gegen das Regime, das ihnen die Ehe und ein Leben miteinander verbot, stehen nun alle Wege offen. Von Glengrove Place, dem Ort, an dem sie geduldet wurden, ziehen sie in ein kleines Haus mit Garten, in eine Siedlung, in der sich die Genossen von einst sammeln. Der Vorort der Freiheit. Steve nimmt einen Job an der Uni an, Jabulile studiert Jura. Am Leben dieser beiden entfaltet sich ein Bild des neuen Südafrika, wie es eindringlicher nicht sein könnte. Nadine Gordimer hat sich nie als politische Autorin gesehen, doch mit Keine Zeit wie diese hat sie ihren größten und gewichtigsten politischen Roman geschrieben. Korruption, disparate Besitzverhältnisse, Studentenproteste, eine sich immer weiter öffnende Kluft zwischen Arm und Reich - die Nobelpreisträgerin benennt mit poetischer Präzision die ungelösten Probleme ihres Landes. Doch dagegen setzt sie das zärtliche Einverständnis zweier Menschen, deren Vertrauen ineinander und in die Zukunft ihres Landes nicht zu erschüttern ist.

Nadine Gordimer, geboren 1923 in dem Minenstädtchen Springs, Transvaal, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Jahrzehntelang schrieb sie gegen das Apartheidregime an und setzt sich bis heute mit dessen zerstörerischen Folgen für die schwarze und weiße Bevölkerung auseinander. 1991 wurde ihr der Nobelpreis für Literatur verliehen. Sie starb am 13. Juli 2014 in Johannesburg, Südafrika.

Nadine Gordimer, geboren 1923 in dem Minenstädtchen Springs, Transvaal, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Jahrzehntelang schrieb sie gegen das Apartheidregime an und setzt sich bis heute mit dessen zerstörerischen Folgen für die schwarze und weiße Bevölkerung auseinander. 1991 wurde ihr der Nobelpreis für Literatur verliehen. Sie starb am 13. Juli 2014 in Johannesburg, Südafrika.

Es gab ein Pleistozän, eine Bronzezeit, eine Eisenzeit.

Es schien, als sei ein Zeitalter zu Ende gegangen. Gewiss war es nichts Geringeres als eine neue Zeit, in der das Gesetz nicht nach Farbpigmenten gemacht wird und alle in einem Land, das gemeinhin ihres ist, überall leben, sich bewegen, arbeiten dürfen. Etwas mit dem konventionellen Titel »Verfassung« hat diese neue Zeit eingeläutet. Für die Millionen, denen kein einziges der mit dem Wort Freiheit verbundenen Rechte zuerkannt worden war, vermag nur ein bombastisches Vokabular die Bedeutung zu fassen.

Die Folgen für die Aspekte menschlicher Beziehungen, die früher per Dekret eingeschränkt waren, sind vielfältig. An den Briefkästen der Mieter stehen ein paar afrikanische Namen: ein Arzt, ein Dozent an der Universität und eine Frau, die sich beruflich etabliert, indem sie Geschäftschancen nutzt. Jabulile und Steve konnten miteinander ins Kino gehen, im Restaurant essen, im Hotel übernachten. Die gemeinsame Tochter brachte sie in einer Klinik zur Welt, die sie früher nicht aufgenommen hätte. Es ist kein Wunder, sondern normales Leben. Es ist das Ergebnis menschlichen Kampfes.

Er hatte sich von früher Kindheit an für Naturwissenschaften interessiert und technische Chemie studiert. Seine Eltern sahen darin zumindest die Hoffnung auf ein Gegengift, eine Versicherung für seine Zukunft, im Gegensatz zu den linken, regimefeindlichen Aktivitäten, die offensichtlich der Grund für sein zeitweiliges Verschwinden irgendwohin über die Grenze waren; er hätte immerhin einen anständigen Beruf. Wie nützlich seine Kenntnis der chemischen Elemente für die Gruppe war, die Sprengstoffe gegen Ziele wie Starkstromanlagen herzustellen lernte, erfuhren sie nie. Tatsächlich war die Stelle als Nachwuchswissenschaftler, die er nach seinem Studium bei einem großen Farbhersteller antrat, eine nützliche Tarnung für eine politisch und sexuell verdächtige Lebensweise.

Ambition. Es war nicht die Zeit, damals, in der man darüber nachdachte, was man mit seinem Leben eigentlich anfangen wollte. Der innere Kompass trieb die Nadel unbeirrbar zum einzigen Pol zurück solange die Entstellung menschlichen Lebens schlechthin anhielt, hatte persönliches Verdienst keine Bedeutung; auf den Mount Everest zu steigen oder reich zu werden, das waren alles Fluchten aus der Wirklichkeit, zwielichtige Anzeichen dafür, dass man auf der Seite derer stand, die keine Änderung wollten.

Nun gab es keinen Grund mehr, weshalb er weiterhin die Haltbarkeit von Anstrichen im Baugewerbe und für dekorative Zwecke, vom Dachziegel bis zur Jukebox, vom Schlafzimmer bis zum Sportcabrio, verbessern sollte. Wahrscheinlich hätte er sich noch einmal an einer Uni einschreiben können, um sein Wissen in anderen, nicht auf den äußeren Schein beschränkten Bereichen der Chemie und Physik zu erweitern. Aber da war ein Kind, dem sie beide ein Zuhause bieten mussten. Er machte seine Arbeit gut, auch ohne großes Interesse, aber es war keine Würze mehr darin wie damals, als er gewusst hatte, dass er Sprengstoffe herstellte, um das Regime in die Luft fliegen zu lassen, während er einer weißen Industrie den Schein wahrte (im wahrsten Sinn). Die Firma hatte landesweit mehrere Niederlassungen; im Firmenhauptsitz, in dem er angefangen hatte, war er ziemlich weit gekommen. Wenn er, obwohl er ständig darüber nachdachte, keine Entscheidung traf, der Reagenzglaschemie nicht den Rücken kehrte und auf die andere Seite wechselte, die zwischenmenschliche, nichtstaatliche, nichtprofitorientierte, so arbeitete er zumindest stundenweise ehrenamtlich in einer Kommission für Landrückgaben von Gemeinden, die unter dem früheren Regime enteignet worden waren. Sie machte ein Fernstudium, Wirtschaft und Recht, und war ehrenamtliche Sekretärin einer Frauen-Aktionsgruppe gegen Frauen- und Kindesmissbrauch. Ihre kleine Sindiswa war in einer Tagesbetreuung; die wenige Zeit, die noch blieb, verbrachten sie mit ihr.

Zwischen Wäschegestellen mit Kindersachen, die zum Trocknen aufgehängt waren, saßen sie auf ihrem Balkon in Glengrove Place. Ein Motorrad zerfetzte die Straße, wie wenn ein Blatt Papier jäh zerrissen wird.

Beide blickten aus kameradschaftlichem Schweigen auf; ihre Lippen aufeinandergepresst, der Bogen der gemalten Brauen auf ihrer glatten Stirn gehoben. Es war Zeit für die Nachrichten; das Radio lag neben seinem Bier auf dem Boden. Stattdessen sprach er.

– Wir sollten umziehen. Wie fändest du das. Ein Haus haben. –

– Was meinst du –

Er lächelt beinahe gönnerhaft. – Wie ich es sage. Ein Haus. –

– Wir haben doch kein Geld. –

– Ich rede nicht von kaufen. Sondern mieten, irgendwo. Ein Haus. –

Sie drehte den Kopf halb zu ihm und versuchte seinem Gedanken zu folgen.

– Eine der Vorstädte, aus denen die Weißen in die bewachten Anlagen weggezogen sind. Ein paar Genossen haben dort Häuser gefunden, die vermietet werden. –

– Wer? –

– Peter Mkize, glaube ich. Isa und Jake. –

– Warst du dort? –

– Natürlich nicht. Aber Jake sagte am Donnerstag in der Kommission, sie mieten sich was in der Nähe einer guten Schule, wo ihre Jungs hingehen können. –

– Sindiswa braucht keine Schule. – Sie lachte, und wie in spöttischem Einvernehmen bekam das keksknabbernde Kind einen Schluckauf.

– Die Straßen sind ganz ruhig, sagt er. –

Es war also das Motorrad, das den Gedanken aufgerissen hat.

– Viele alte Bäume. –

Man weiß nie, wann die Fallstricke eines überholten Lebens, die man abgeschüttelt glaubt, unbemerkt zurückkehren: Bestimmte Privilegien der weißen Vororte, in denen er aufgewachsen ist, holen ihn unversehens wieder ein. Er weiß nicht sie schon , dass auf dem Grund seines Bewusstseins das Reed-Haus steht, dessen Abschottung gegen die Realität er für immer hinter sich gelassen hat. Wie sollte sie es nicht verstehen: Gerade dort, mitten in der Umsetzung ihrer neuen, mit der Freiheit gewonnenen Unabhängigkeit, als einer ihrer Brüder, der ältere natürlich, ihre Meinung zu irgendeinem traditionsbestimmten Familienverhalten verwirft, stellt sie fest, dass eine, wie ihr Fernstudium das nennen würde, atavistische Stimme der Unterwerfung die Stimme in ihrer Kehle übertönt.

Während er Sindiswa auf dem Weg ins Bett hoch durch die Luft fliegen lässt (vom Vatersein hat die ältere Generation, ob weiß oder schwarz, sich abgesondert), sagt er: – Sie wird bald genug eine gute Schule in der Nähe brauchen. –

Man weiß auch nicht, was in den dunklen, abgeschiedenen Stunden der Stille, um zwei, drei Uhr morgens, im Geist des Menschen, der neben einem atmet, vor sich geht. Vielleicht schickte der Keim dieser Idee, der während eines Sonnenuntergangs vor einer Woche wenigen Tagen gepflanzt worden war, ein Echo durch das Unbewusste.

Jake Anderson ruft an und fragt, ob er und Isa in letzter Zeit eigentlich vergessen seien, ob die Genossen am Sonntag vorbeikommen wollten ob der Mann, der an sie geschmiegt schlief, dabei nachgeholfen hatte, erfuhr sie nicht. Es bedeutete jedenfalls, dass sie Sindiswa und ein paar Flaschen Wein ins Auto packten und an einer unvertrauten Ausfahrt den Freeway verließen. Sie gerieten in Straßen, über denen ausufernde, altersschlaffe Pfefferbäume brüteten und andere, Jacarandas vermutlich, allerdings nicht blühend, mit ihren Wurzeln das Straßenpflaster aufstemmten. Alle Häuser verrieten irgendwo zwischen den nachträglichen Verbesserungen ihren Ursprung: vorn die stoep, die Veranda, und zu beiden Seiten ein Zimmer unter das steife Blechdach geschoben; aber manche hatten Anbauten, verschiebbare, in den begrenzten Raum des schmalen Grundstücks zwischen den Mauern irgendwie eingefügte Glasfronten oder schlingpflanzenüberwucherte Zäune, die das Territorium absteckten. Steve, der offensichtlich Jakes Anweisungen folgte, bremste vor einem Gebäude ab, das eine die Nachbarhäuser überragende kleine Backsteinkirche zu sein schien, aber als er links abbog und daran vorbeifuhr, zeigte sich, dass dort, wo einst der Vorplatz der Kirche gewesen sein musste, jetzt ein Swimmingpool war und drei, vier junge, vielleicht auch ältere, aber beherzt um Jugendlichkeit bemühte Männer in Stringtangas zu lautem Reggae tanzten und im Wasser miteinander rangelten. Die umliegenden Gärten enthielten die erwartbaren Fahrräder, Gartenstühle, Grillsachen. Jakes Garten war einer davon. Hier war die übliche stoep um eine weinrankenüberdachte Pergola erweitert. Auf der Straße vor dem Tor standen ein Wagen und ein Motorrad; anscheinend eine Party. Nein, doch nicht, nur ein paar Genossen, denen eingefallen war, einander aus den unterschiedlichen Verläufen ihres Leben heraus wieder einmal zu treffen.

Sie sind alle jung, und doch ist es, als wären sie alte Männer, die in der Vergangenheit leben; dort ist alles passiert. Ihre Lebenserfahrung klar umrissen: Jetzt ist alles danach. Gefängniszellen, die Anekdoten aus dem Straflager in Angola, die schwierige Verständigung mit den Kubanern, die so entschlossen, so idealistisch tapfer kamen, um unter Einsatz ihres Lebens diesen Kampf mitzukämpfen, unvereinbare Persönlichkeiten, Marotten in der Isolation der Kader, alles getragen von der geteilten Gefahr, der Anwesenheit des Todes, der immer in der Nähe saß, in der Wüste, im Busch, und mithörte. Peter Mkize ist auch auf dieser sonntäglichen Zusammenkunft und wendet mit fachmännischer Hand Koteletts und Würste auf dem...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2012
Übersetzer Barbara Schaden
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alterswerk • Apartheid • Liebe • Nobelpreis • Paar • Politik • Selbstmord • Südafrika • Verlust
ISBN-10 3-8270-7577-7 / 3827075777
ISBN-13 978-3-8270-7577-2 / 9783827075772
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