Die Pestmagd (eBook)

Roman
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2012 | 1. Auflage
544 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-09842-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Pestmagd -  Brigitte Riebe
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Liebe, Verrat und der Kampf ums Überleben in Zeiten der Pest
Köln, 1540: Die junge Witwe Johanna Arnheim wird von ihrem eifersüchtigen Schwager verleumdet und landet wegen Gattenmordes im Frankenturm. Der Tod scheint ihr gewiss - doch der Arzt Vincent erwirkt einen Freispruch unter der Bedingung, dass sie sich als Magd im Pesthaus verdingt. Der 'Schwarze Tod' wütet unerbittlich in der Stadt, und so ist Johanna, die bereits die Beulenpest überlebt hat, eine große Hilfe. Bis ein düsteres Geheimnis ihrer Vergangenheit sie einholt und alles zu zerstören droht - auch ihre zarte Liebe zu Vincent.

'Mit der Neugierde einer Wissenschaftlerin erarbeitet Brigitte Riebe sich vergangene Zeiten, um sie möglichst lebendig wirken zu lassen. Und das gelingt ihr trefflich.' Offenbach Post



Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche historische Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte wieder lebendig werden lässt. Mit 'Marlenes Geheimnis' widmet sie sich nun der Kriegs-und Nachkriegszeit um 1945. Auch Riebes Familie mütterlicherseits stammt aus Nordböhmen, wo sie wie viele Sudetendeutsche nach dem Ende des Dritten Reichs das Schicksal von Vertreibung und Flucht erlitt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

EINS – KÖLN 1540

Sie hörte das Pfeifen des jungen Zimmermanns, der den Balken sinken ließ und ihr hinterherstarrte, und sie begann zu lächeln. Dass die Männer ihr nachschauten, daran war Johanna gewohnt. Angefangen hatte es in jenem Sommer, als ihre Brüste sprossen und der Oheim es so auffällig eilig gehabt hatte, die bucklige Gewandschneiderin ins Haus zu bestellen, um seinem Mündel gleich drei Kleider auf einmal nähen zu lassen. Die begehrlichen Blicke waren trotzdem nicht weniger geworden – ganz im Gegenteil.

Damals wie heute ruhten sie wohlgefällig auf der schlanken, hochgewachsenen Gestalt, wenngleich Johannas zum Zopf geflochtene Haare nach dem Abscheren nicht mehr flachsblond, sondern in einem dunkleren Honigton nachgewachsen waren. Die Zeit war gnädig mit ihr umgegangen, hatte ihre Haut bis auf ein paar Fältchen um die Augen glatt gelassen und die Lippen rosig. Seit sie vor einigen Wochen das düstere Witwenschwarz abgelegt hatte, fühlte sie sich an manchen Tagen fast wieder jung.

Nicht einmal das Halsband, ohne das sie nie das Haus verlassen hätte, änderte etwas daran. Inzwischen hatte sie sich so sehr daran gewöhnt, dass es ihr beinahe zur zweiten Haut geworden war. Nur manchmal, wenn sie es vor dem Schlafengehen löste und in die Lade zu den anderen legte, die sich dort im Lauf der Jahre angesammelt hatten, drohte die alte Furcht sie erneut zu überfallen.

Und jetzt gab es keinen Severin mehr, der diese Furcht in die Flucht hätte schlagen können.

Johanna würde den Verstorbenen niemals vergessen, dazu war der Glasmaler zu einzigartig gewesen. Ein liebevoller Ehemann, der der Fremden nicht nur seinen ehrlichen Namen geschenkt, sondern auch ihr Geheimnis wie einen Schatz gehütet hatte. Sein qualvolles Sterben, für das es keine Linderung gab, hatte sie im letzten Stadium ganz krank gemacht. Bei allem Schmerz, als er schließlich für immer die Augen schloss, verspürte die Trauernde auch tiefe Erleichterung, dass sein Leid endlich vorüber war.

Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war das Gewicht der Einsamkeit, das sie wie ein Bleilot traf. Die innere Unruhe, die Johanna schon von früher kannte, setzte ein, nachdem Begräbnis und Leichenschmaus vorüber waren und eine bislang ungewohnte Form von Alltag Einzug in das stattliche Haus in der Mühlengasse halten sollte. Anfangs ließ sich die Unruhe noch halbwegs übertünchen von zahlreichen Entscheidungen, die es zu treffen galt: den Verkauf der Werkstatt an den neuen Meister, die Entlohnung der Gesellen, das Eintreiben unbezahlter Forderungen.

Als schließlich alles abgewickelt war, staunte sie, wie wenig Bares sie in Händen hielt. Sei es, dass man die Witwe absichtlich übers Ohr gehauen hatte, sei es, dass Severin zu vertrauensvoll gegenüber Zulieferern und Kunden gewesen war, das erwartete Vermögen war jedenfalls zu einem verblüffend übersichtlichen Silberhaufen zusammengeschmolzen, den sie für Notzeiten in einer Geldkatze verwahrte.

Zum Glück war ihr wenigstens das Haus zur Lilie geblieben, wie alle in Köln es wegen der aufgemalten Blüte an der Frontseite nannten, mit dem stattlichen Giebel, vor allem jedoch dem geräumigen Kellergewölbe, in dem sie den Weinhandel fortsetzen konnte, den Severin vor einigen Jahren als Zubrot begonnen hatte. Damals hatte sie ihn noch geneckt wegen seiner Bemühungen, für alle Fälle vorzusorgen.

»Die Zukunft gehört uns nicht«, hatte sie gesagt. »Das hab ich am eigenen Leib erfahren müssen. Keiner weiß, was das Schicksal ihm bestimmt hat. Warum kümmerst du dich nicht lieber um deine Glasbilder, anstatt dich mit sperrigen Fudern und undichten Schläuchen herumzuplagen?«

»Weil die Kölner immer Wein trinken werden«, hatte seine trockene Antwort gelautet. »In guten Zeiten zum Feiern, in bösen zum Trost, während sie am Glas zu sparen beginnen, sobald es eng wird. Außerdem hab ich gute zehn Jahre mehr als du auf dem Buckel. Muss ich also vor dir gehen, so bleibt dir etwas, was niemand dir nehmen kann. Ebenso wie das Haus, das du nach meinem Ableben testamentarisch in den Schreinsbüchern umschreiben lässt.« Sein Blick war plötzlich ernst geworden. »Du hast das Schriftstück doch an einem sicheren Ort aufbewahrt?«

»Hab ich. Genauso wie du es mir empfohlen hast. Aber du darfst nicht sterben, Severin«, hatte sie protestiert. »Noch viele, viele Jahre nicht, das musst du mir bei der heiligen Ursula versprechen!«

»Hast du nicht eben selbst gesagt, dass keiner weiß, was ihn erwartet? Aber ich will ja leben, meine Schöne, leben mit dir – und gut sollen wir es dabei haben, wie im Paradies. An meiner Seite wirst du dich niemals sorgen müssen. Das hab ich dir damals in Freiburg versprochen, als du dich mir anvertraut hast, und das werde ich halten, bis über den Tod hinaus!« Sein Kuss hatte ihre Lippen verschlossen und weitere Einwände damit verhindert.

Warum kam ihr ausgerechnet jetzt diese Szene wieder in den Sinn? Den ganzen Morgen über hatte sie schon an Severin denken müssen. Innerlich bewegt, wäre Johanna beinahe der Korb aus der Hand geglitten, in den die dicke Händlerin am Fischmarkt den Salm gelegt hatte. Sie hatte ihn für Sabeth gekauft, weil die alte Dienerin so große Freude am Essen entwickelte, seitdem ihr Gedächtnis von Monat zu Monat immer löchriger wurde. Gedämpfter Lachs gehörte zu ihren Lieblingsspeisen. Kaum drang der verheißungsvolle Geruch in ihre Nase, wurden Sabeths Augen ganz blank vor Freude, und mit den blau geäderten Händen rieb sie sich erwartungsvoll den Bauch, wie es sonst nur kleine Kinder taten.

Angstvolles Fiepen holte Johanna in die Gegenwart zurück.

Zwei Hunde schossen an ihr vorbei, magere, braunfleckige Tiere, das eine betagt, das zweite kaum dem Welpenalter entwachsen, die offensichtlich um ihr Leben rannten. Dann hörte sie hinter sich das Knallen der nagelbesetzten Peitsche, das den Hundefänger ankündigte. Der klobige Joost, einer der Gehilfen des Scharfrichters und damit als Goldgräber für das Leeren der Latrinen in ihrem Viertel zuständig, war ihr von Herzen zuwider. Was nicht davon rührte, dass sie sich vor seiner Arbeit geekelt hätte, sondern weil ihr die Art und Weise missfiel, wie er sie ausführte – schlampig und prahlerisch.

Unwillkürlich beschleunigte sie ihre Schritte und hoffte, dass die beiden Hunde heil davonkommen würden. Sie hielt nichts von Leuten, die sich Handschuhe aus Hundeleder nähen ließen, weil diese angeblich besonders weich ausfielen. Ebenso wenig von solchen, die sich Katzenfelle über die Schultern warfen, um rheumatischen und anderen Beschwerden vorzubeugen. Seit einigen Wochen ließen sich kaum noch Samtpfoten auf den Gassen von St. Laurenz sehen, das war ihr aufgefallen. Inzwischen dämmerte kein Morgen, an dem Johanna nicht erleichtert aufgeatmet hätte, sobald Mieze, ihre schöne Weiße mit dem pechschwarzen Fleck neben dem Schnäuzchen, laut miauend ihre Milch einforderte.

Schweiß rann ihr den Rücken hinunter, als sie endlich die Haustür erreicht hatte. Dieser Sommer war mörderisch, versengte nach einem viel zu trockenen Frühjahr den Wald und hatte das Korn auf den Feldern vor der Zeit dürr werden lassen. Sogar der Rheinpegel stand ungewöhnlich tief, und in den städtischen Pützen sank das Wasser. Die ganze Stadt litt unter wachsender Gereiztheit, die bei der kleinsten Gelegenheit Funken schlagen konnte. Am liebsten wäre sie sofort zu Sabeth gelaufen, um ihr den Salm zu zeigen und sie zum Lächeln zu bringen, aber sie wurde bereits von zwei Männern erwartet, ihrem Schwager Hennes und Hermann Weinsberg, dem jungen Rektor der Kronenburse.

»Ich warte schon eine halbe Ewigkeit«, rief Hennes mürrisch. »Hast du deine alte Vettel angewiesen, mich nicht reinzulassen? Wie lausiges Bettlerpack musste ich draußen warten.«

Johanna mochte es nicht, wenn er so über Sabeth redete, die sein Klopfen womöglich nur überhört hatte, weil sie immer mehr in ihrer eigenen Welt lebte, und ließ den Vorwurf unkommentiert.

Stattdessen wandte sie sich lächelnd dem Rektor zu.

»Ich könnte ebenso gut später wiederkommen, falls es Euch jetzt nicht genehm sein sollte«, sagte Hermann Weinsberg, und sein rundliches Gesicht überzog sich mit zarter Röte, wie nahezu jedes Mal, wenn er sie ansprach. »Obwohl meine Herren Studenten schon sehr, sehr durstig sind.« Er deutete auf den Leiterwagen hinter sich. »Zehn Schläuche würde ich gerne mitnehmen. Aber natürlich nur, falls es keine zu großen Umstände macht.«

Zu Severins Lebzeiten hatte er stets einen Burschen zum Weinholen geschickt, doch nun, da er es ausschließlich mit ihr zu tun hatte, wollte er es sich offenbar nicht nehmen lassen, persönlich zu erscheinen. Sie musste die wenigen Vorteile genießen, die die Witwenschaft ihr bot. Nachteile brachte sie ohnehin mehr als genug.

Johanna nickte dem Rektor aufmunternd zu, schloss auf und ging in den Keller voran. Weinsberg und Hennes folgten ihr, der Schwager leise fluchend, weil ihm nun nichts anderes übrig blieb, als dem Rektor beim Tragen der Schläuche behilflich zu sein.

Unten war es trocken und wegen des dicken Mauerwerks angenehm kühl. Das Gewölbe war hoch genug, dass auch ein großer Mann bequem aufrecht stehen konnte und noch immer ausreichend Luft über sich hatte. Durch vier quadratische Öffnungen, die Severin eigens aus dem Stein hatte schlagen lassen, fiel von oben Tageslicht herein, was ein...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2012
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Badehaushure • Beulenpest • eBooks • Französische Krankheit • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Kölner Pest • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mittelalter-Seuche • Pesthaus • Schwarzer Tod
ISBN-10 3-641-09842-4 / 3641098424
ISBN-13 978-3-641-09842-1 / 9783641098421
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