Fischer, wie tief ist das Wasser (eBook)

Ostfrieslandkrimi | Für Krimi-Fans von Klaus-Peter Wolf und Eva Almstädt
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
256 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-47301-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fischer, wie tief ist das Wasser -  Sandra Lüpkes
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Voller Elan tritt das «Küstenkind» Okka Leverenz ihren neuen PR-Job bei der Stiftung Liekedeeler in Norden an. Dort sollen Kinder spielerisch und behutsam zu guten schulischen Leistungen gebracht werden. Durch einen tragischen Unfall beim Spiel stirbt die kleine Jolanda. Doch die Autopsie ergibt, dass sie an unerklärlichen Gehirnblutungen gestorben ist - die nicht vom Sturz stammen können. Als die Stiftungsleitung den Vorfall vertuschen will, macht sich Okka auf, die wahren Ursachen für den Tod des Mädchens herauszufinden, und gerät dabei selbst in Gefahr. «?Fischer, wie tief ist das Wasser? ist ein spannendes Buch, in einem Rutsch zu lesen. Eine gute Lektüre für den Urlaub, nicht nur an der Nordseeküste.» (Radio Bremen) «Ein schnörkellos spannend erzählter Krimi mit einem fulminanten Showdown. Nicht nur für Krimifans eine kurzweilige und niveauvolle Lektüre.» (Ostfriesland Magazin)

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.

1.


Machen wir uns nichts vor: Es gibt Bessere als mich. Mein Haar ist zu dunkel, um richtig blond zu sein, meine Figur zu kompakt, als dass ich eine zierliche Erscheinung abgeben könnte. Nichts Besonderes, nur die vielen Sommersprossen im Gesicht sind ein wenig spektakulär. Ich bin keine Frau, bei deren Geburtstag die halbe Stadt zu Gast ist und die massenhaft ihr mit eindeutiger Absicht zugesteckte Telefonnummern am Kühlschrank kleben hat.

Genau genommen hängen dort nur fünf Zettel. Zwei aus dem «Ostfriesischen Kurier» ausgerissene Geburtstagsanzeigen von ehemaligen Schulkameradinnen, die ebenfalls die dreißig erreichten, ohne verheiratet zu sein, die aber wenigstens über eine alberne Clique verfügten, die Geld in eine saumäßig gereimte Annonce investierten, um den Rest der Stadt über das Elend aufzuklären: «Kaum zu glauben, aber wahr, die Petra wird heut’ dreißig Jahr, sie ist noch ledig – ohne Mann, drum komm zur Fete, wer ein Kerl ist und kann.» Ich hatte die Feten nicht besucht, hatte es noch nicht einmal in Erwägung gezogen, dort hinzugehen. Keine Ahnung, warum die fast vergilbten Inserate immer noch in meiner Küche hingen. Manchmal stand ich davor und überlegte, ob wohl etwas los gewesen war auf diesen Partys.

Die anderen drei Zettel waren tatsächlich Telefonnummern. Unspektakuläre Telefonnummern. Bens Nummer, die er mir damals am Anfang unserer Beziehung auf einem Bierdeckel notiert hatte, dann die Nummer meines Pizzataxis in großen roten Ziffern auf der länglichen Speisekarte und die Handynummer meines Vaters, die ich nie auswendig wusste, weil ich sie auch noch nie gebraucht hatte.

Dort, wo er war, ging sein Handy meistens sowieso nicht, weil er sich als Reisejournalist immer in den entlegensten Winkeln der Erde aufhielt, und da auch Ostfriesland einer der entlegensten Winkel der Erde ist, kamen Telefonverbindungen zwischen ihm und mir höchst selten zustande.

Und was immer ich ihm bislang hatte sagen wollen, konnte warten. Nichts in meinem Leben war so dringend gewesen, als dass ich es nicht aufheben konnte, bis er wiederkam, bis er die Tür zu unserer Wohnung aufgeschlossen hatte, mir um den Hals gefallen war und bis er augenzwinkernd seinen Lieblingsspruch aufgesagt hatte: «Ich hatte ganz vergessen, wie groß du schon geworden bist!» Danach legte er mir immer ein kitschigexotisches Souvenir auf den Esstisch. Das war sein Ankunftsritual, das ich so sehr an ihm liebte. Erst danach war für mich die Zeit gewesen, ihm beispielsweise zu sagen, dass es geklappt hatte und ich mein Volontariat bei derselben Hamburger Zeitung machen würde wie er. Oder später: dass ich die Journalistenschule geschmissen hatte und nun in Oldenburg BWL studierte, dann, dass ich von der trockenen Wirtschaftskunde die Nase voll hatte und es einmal mit Psychologie versuchen wollte. Als ich ihm sagte, dass ich wieder in unsere Heimatstadt Norden zurückkehren würde, um dort bei einer Teeimportfirma zu arbeiten, da hat er sich richtig gefreut. «Klar ziehst du wieder bei mir ein!», hatte er damals vor knapp zwei Jahren gejubelt. Ich war ihm dankbar, dass er mir nie Halbherzigkeit und mangelndes Durchhaltevermögen vorgeworfen hat, ich habe es mir selbst oft genug vor Augen geführt, dass ich bislang noch keine wirklichen Erfolge vorzuweisen hatte. Schließlich war ich wieder hier, in Norden, der kleinen, etwas altmodischen Küstenstadt, die den Namen einer Himmelsrichtung trug und wirklich so etwas wie der Rand der Welt zu sein schien. Zwischen den verträumten Backsteinvillen und alten Gutshöfen verlief die einzige Bundesstraße in dieser Gegend und führte die Nordseetouristen auf ihre letzten fünf Kilometer bis zur Küste. Durchgangsverkehr, nur ich war hier hängen geblieben. Ich liebe es, mich selbst zu kritisieren. Oft stehe ich neben mir und ermahne mich mit dem gehobenen Zeigefinger einer aufmerksamen Tante.

Gerade aus diesem Grund dachte ich an diesem Tag, an einem wunderschön warmen Sommertag, als Vater mir die Notiz hingelegt hatte, bevor er wieder für einen Auftrag verschwand, die Welt hielte für einen kurzen Moment inne und unterbrach ihre ewige Drehung um sich selbst.

«Liekedeler» hat angerufen, du kriegst den Job. Peng! Große, lebensverändernde Dramatik in sieben Wörter verpackt, auf einen abgerissenen Zettel geschrieben und neben dem Frühstücksgeschirr auf den Küchentisch gelegt.

Unfähig, mich wenigstens ein paar Millimeter zu rühren, blieb ich regungslos am voll gestellten Spültisch stehen und hielt das Blatt Papier in meiner Hand, so behutsam, weil ich dachte, die Buchstaben könnten herunterfallen und auf dem ungefegten Boden zwischen den Krümeln der letzten Woche verloren gehen.

Ich dachte an das erhabene alte, rote Gebäude auf der samtigen Warft am Rand von Norden. Liekedeler.

Die Backsteine waren phantasievoll aufeinander gelegt worden und zeichneten wiederkehrende Muster in das Mauerwerk und ganz oben unter dem Giebel war ein kreisrundes Fenster. Efeu rankte an der rechten Seite empor und versteckte fast die mannshohen, dunklen Fenster, sodass das Haus auf den ersten Blick aussah wie ein verwegener Pirat mit Augenklappe.

Ja, ich konnte mir vorstellen, jeden Morgen mit meinem schwarzen, federnden Hollandrad dort vorzufahren, eine Mappe voller neuer Ideen auf dem Gepäckträger, die den bereits tadellosen Ruf der Firma weiterhin auf Hochglanz polieren sollten. Lachende Kinder spielten zwischen den Bäumen, die rund um das Haus herum standen, und über der einladenden Holztür stand «Liekedeler-Stiftung».

Die ewig feuchten Hände meines alten Chefs auf der Bluse hatten also doch irgendwie ihr Gutes: Ohne diese unerträglichen, stets als Zufall getarnten Berührungen wäre ich vielleicht noch bis ans Ende meiner Tage im Teeimport versauert.

«Liekedeler» ist da eine ganz andere Liga. Ich brauchte nun nicht lang zu suchen, bis ich die Broschüre wieder fand, in der ich mich schon vor meinem Bewerbungsgespräch über die Stiftung informiert hatte. Drei lachende, wilde und glückliche Kinder schienen aus der Titelseite herauslaufen zu wollen. «Wir sind bereit!», stand über ihren fliegenden Haaren. Mir gefiel dieses Bild, ich hatte gleich das Gefühl, mitrennen zu wollen.

«Wir von Liekedeler haben einen Weg gefunden, Ihr Kind zu motivieren. Abenteuer, Zusammenhalt und Spaß sind die Begleiter, wenn Ihr Kind mit uns geht. Gesteigerte schulische Leistungen sind unser Ziel, wir möchten engagierte und interessierte Schüler formen und somit Ihrem Kind die Chance geben, das Beste in sich zu entdecken.»

Klang doch gut, nicht wahr? Natürlich darf man Werbebroschüren nur die Hälfte glauben, jedes Kind weiß, dass solche Versprechungen immer übertrieben sind und man Abstriche machen muss. Wir tragen alle viel zu dick auf. Schade eigentlich. Aber selbst wenn nur die Hälfte bei Liekedeler stimmt, wäre das ein guter Schnitt.

«In vielen Familien geht es drunter und drüber, Eltern können nicht immer da sein, das verstehen wir. Die Kinder sind nach der Schule oft auf sich allein gestellt und geraten viel zu häufig an ‹automatische› Unterhaltung wie Fernsehen und Computerspiele. Gerade bei Kindern zwischen 8 und 13 Jahren ist eine solche Entwicklung gefährlich, denn in dieser Zeit sind wir am lernfähigsten. Bei eintöniger, passiver Berieselung dauert es nicht lang, und das Gehirn Ihres Kindes stumpft ab, wird nicht mehr aufnahmefähig. Es ist wie ein Schwamm, der danach dürstet, sich mit allem voll zu saugen, was er geboten bekommt. Doch wenn er nichts bekommt, dann trocknet er aus, wird spröde und brüchig.»

Kinder liegen mir, das wusste ich. Oft ertappte ich mich dabei, dass ich vor mich hin sang, mit meinem Fahrrad durch Pfützen fuhr oder vor Begeisterung in die Hände klatschte, weil ich selbst noch wie ein kleines Mädchen war. Manchmal. Natürlich nur, wenn ich mich unbeobachtet fühlte. War ich wirklich schon dreißig? Die Aussicht, in Zukunft mit fröhlichen, albernen, aktiven Kindern oder auch Erwachsenen zu arbeiten, statt für Teebeutel zu werben, war sehr verlockend.

«Wir bieten Kindern von den Klassen 1 bis 6 einen regelmäßigen Alltag, der sie nach der Schule erwartet: gemeinsamer Mittags- und Abendtisch mit ausgewogenen Speisen, Ausgleichsspiel mit den Schulkameraden und gezielte, individuelle Pädagogik. Die Schule verfügt über ein Team qualifizierter Lehrkräfte, die sich auf schulischen Gebieten wie Naturwissenschaften, Sprachen und Philosophie auskennen und Ihren Kindern erstklassige Hausaufgabenhilfe und Förderunterricht bieten. Doch zusätzlich, und dies ist das Einmalige an Liekedeler, nehmen wir Ihr Kind an die Hand, um ihm zu zeigen, wie aufregend das Leben sein kann: Experimente in der Natur, musikalische und künstlerische Intensivarbeit, Segelkurse und Wandertage, dies alles wird den Horizont Ihres Kindes erweitern.»

«Ich habe diese Zeilen geschrieben», sagte Dr. Veronika Schewe mit einer sanften, dunklen Stimme, als ich sie bei meinem Bewerbungsgespräch auf die Broschüre ansprach. «Ich erhoffe mir von unserer neuen PR-Frau natürlich etwas Pfiffigeres als dieses Faltblatt. Vor drei Jahren hat es noch genügt, doch nun eröffnen wir in Bremen unsere zwölfte Filiale, da wird es Zeit für qualifizierte Werbefachleute.»

«Und deshalb haben Sie die Anzeige aufgesetzt?»

«Ihre Bewerbung hat mir sehr gefallen. Ihr beruflicher Werdegang ist im Prinzip genau das, was wir suchen: ein wenig Journalismus, etwas Wirtschaftswissen und dann natürlich Psychologie. In unserem Fall ist Ihre Ausbildung ein Volltreffer, liebe Frau Leverenz.» Sie...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2012
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Eva Almstädt • Gehirnblutungen • Inselkrimi • Kinderheim • Klaus-Peter Wolf • Kriminalromane Nordsee • Norden • Norden Krimi • Nordsee Krimi • Öffentlichkeitsarbeit • Ostfriesengier • Ostfriesenkrimi • ostfriesensturm • Ostfriesland • Ostfriesland Krimis • Stiftung • Thomas Herzberg • Unfall • Vertuschungsversuch • Wunderkinder
ISBN-10 3-644-47301-3 / 3644473013
ISBN-13 978-3-644-47301-0 / 9783644473010
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