Tod in Kreuzberg (eBook)

Krimi
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
384 Seiten
carl’s books (Verlag)
978-3-641-09067-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tod in Kreuzberg -  Christian Ditfurth
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Platten-Rosi ist tot. Ihre Leiche lag auf der Admiralbrücke. Dort, wo Kreuzberg überlaufen wird von Touristen. Wo Immobilienspekulanten die Mieter verdrängen, um Luxuswohnungen für die Reichen zu bauen. Rosi war eine Freundin der Okerstraßen-WG gewesen. Von Matti, dem abgebrochenen Studenten und Taxifahrer. Von Dornröschen, hinter dessen Dauergähnen sich ein hellwacher Verstand verbirgt. Von Twiggy, der fast alles beschaffen kann und geheimnisvollen Geschäften nachgeht.

Die Polizei behauptet, den Mord aufgeklärt zu haben, und erschießt den Tatverdächtigen auf der Flucht. Doch Dornröschen weiß, dass Rosi Machenschaften der Kolding AG aufgedeckt hat, jenes Immobilienhais, der den halben Gräfekiez aufgekauft hat. Rosi führte in einer Bürgerinitiative den verlorenen Kampf gegen die »Aufwertung von Wohnraum«. Sie schreckte vor militanten Aktionen nicht zurück.

Die Okerstraßen-WG stößt auf einen Sumpf der Korruption. Spekulanten, Politiker und Bürokraten schieben sich die Beute zu. Als die WG dem Mörder nahekommt, schlägt er zurück. Brutal und gnadenlos.

Christian v. Ditfurth, geboren 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor in Berlin und in der Bretagne. Neben Sachbüchern und Thrillern wie »Der 21. Juli« und »Das Moskau-Spiel« hat er die Krimiserie um den Historiker Josef Maria Stachelmann und die Eugen-de-Bodt-Serie veröffentlicht. »Tanz mit dem Tod« ist der Auftakt einer historischen Krimiserie um den Polizeikommissar Karl Raben, die im Berlin der 1930er Jahre beginnt.

2: Speak To Me Someone

Ülcan saß hinter dem fleckigen Monsterschreibtisch in dem Kabuff, das er sein Büro nannte. Die Luft war voller Zigarettenqualm, vor sich hatte Mattis Chef die Sportseiten der Milliyet, und offenbar war der türkische Fußball in der Krise oder wenigstens Trabsonspor. Jedenfalls guckte Ülcan trübe aus seinen großen schwarzen Augen auf Matti, der pünktlich zur Tagesschicht erschienen war und das reinste aller Gewissen hatte. In den letzten Monaten hatte er funktioniert wie ein Uhrwerk, hatte tonnenweise Fahrgäste von hier nach dorthin gefahren, hatte sich das Gemecker über die Scheißregierung, Hertha BSC, die Kommunisten oder den Osten angehört, ohne ein einziges Mal deutlich zu werden, hatte es sogar hingenommen, dass ihm einer ins Auto kotzte, empfand sich auf der Straße als Ritter der Höflichkeit und lieferte das Geld rechtzeitig beim Taxibesitzer ab. Aber er hatte natürlich keine Sekunde erwartet, dass der es ihm dankte. Vielleicht sollte er es als Anerkennung betrachten, dass ihn Ülcan nicht mit einer Schimpfkanonade bombardierte, sondern ihm nur einen kurzen traurigen Blick zuwarf und irgendwas brummte, was Matti als Gutenmorgengruß verstand. Matti nahm den Schlüssel vom alten E-Klasse-Benz vom Brett und verließ das Büro. Er schloss die Tür, damit Ülcan seine Selbsträucherung fortsetzen konnte, und stieg ins Auto. 289 765 Kilometer stand auf dem Tacho. In der Ablage vor dem Automatikwahlhebel lag immer noch die gelbe Broschüre mit den Weisheiten des Konfuzius, aber Matti hatte schon ewig nicht mehr hineingeschaut. Vor einem Jahr hatte er täglich darin gelesen, aber es war eine Scheißzeit gewesen, und das Büchlein erinnerte ihn daran. Doch wegwerfen wollte er es auch nicht. Noch nicht. In der Ecke des Hinterhofs rostete immer noch das Kreidlermoped, dessen massenhafte Nutzung vor ein paar Jahrzehnten die demografischen Nöte Deutschlands um einige Promille vergrößert hatte, wobei der Schwund vor allem die Dorfjugend traf, was in Mattis Augen die Sache nicht unbedingt dramatisierte.

Er startete den Diesel und fuhr in Richtung Hermannplatz, als sein PDA piepte. Die Tour von der Lenaustraße 41 zur Oderstraße in Friedrichshain nahm er an, die alte Dame wartete schon vor der Tür. Sie trippelte mit Handtasche und Hut ins Taxi, überm Arm trug sie trotz der Augustwärme einen Mantel.

»Die Oderstraße kennen Sie doch wohl?«, fragte sie skeptisch, als sie auf der Rückbank saß.

»Ja«, sagte Matti trocken.

»Na, nicht jeder Taxifahrer im Westen kennt sich drüben aus«, sagte sie spitz.

»Am Traveplatz«, erwiderte Matti. Eine Tour, die sich nicht lohnte.

Die Dame schwieg.

Der Duft eines Parfüms zog unter Mattis Nase. Warum erinnerte er ihn an Lily? Sie hatte anders gerochen.

Sie fuhren über die Friedel-, Ohlauer und Wiener auf die Skalitzer Straße. Dann über die Oberbaumbrücke und die Gleise der S-Bahn in die Warschauer Straße, um rechts in die Boxhagener Straße hineinzufahren, und schon waren sie am Ziel. Auf dem Traveplatz spielten Kinder, auf Bänken saßen Mütter mit Kinderwagen und beobachteten das Treiben. Die Dame gab ihm sogar Trinkgeld und trippelte schweigend davon.

Der Tag blieb schön, und Matti fuhr viele Leute durch Berlin. Einen steifen Geschäftsmann nach Schönefeld, zwei missgelaunte junge Frauen zum Hauptbahnhof, schottische Touristen zum KaDeWe, ein Franzose zu Fuß fragte bei einem Ampelstopp auf dem Zebrastreifen nach dem Café Kranzler, das er nicht wiedererkannt hatte. Eine drittklassige Filmschauspielerin zeigte sich beleidigt, womöglich weil Matti sie nach fünf Minuten immer noch nicht gefragt hatte, ob sie nicht Darstellerin in der Serie Soundso sei, womit sie ihn dann jedenfalls mit piepsiger Stimme zutextete. Als er am Nachmittag einen großmäuligen Niederbayern vom Café Einstein in der Kurfürstenstraße zum Tempelhofer Ufer fahren musste, beschloss Matti, dass er genug gearbeitet hatte, und kehrte zurück zur Garage, deren Graffiti-verschmiertes Tor wie fast immer geschlossen war, weil Ülcan nicht aufpasste und seinen Hintern nicht hochbekam. Fuck you stand da in krakeliger Sprayschrift. Matti überhörte Ülcans Gemecker, knallte die Bürotür zu, schwang sich auf sein Damenfahrrad und radelte gemächlich los.

Am U-Bahnhof Boddinstraße kaufte er ein Sechserpack Astra Pils. Als er die Treppen in der Okerstraße 34c hochgestiegen war, ahnte er schon vor der Haustür die Vorzeichen der Katastrophe. Irgendetwas war anders. Er schloss die Tür auf und hörte nichts. Kein Geklapper in der Küche, kein Reden, kein Geräusch aus dem Badezimmer, nichts. Und doch wusste er, dass seine Freunde da waren. Dornröschen zieht aus, dachte Matti. Ihm wurde übel. Er blieb stehen und spürte, wie er zu schwitzen begann. Dann ein Rascheln in der Küche. Matti schlich sich fast an. Als er in die Küche kam, saßen Dornröschen und Twiggy am Tisch. Darauf lag aufgeschlagen ein Telefonbuch. Twiggy wendete sein Gesicht wie in Trance Matti zu. Dornröschen starrte irgendwohin.

»Robbi«, sagte Twiggy. »Robbi.«

Schlimme Gedanken schossen durch Mattis Hirn. Der Kater aus dem Fenster gestürzt, erstickt, in der Waschmaschine zu Tode geschleudert, in der Badewanne ertrunken, Nachhall von Twiggys Ermahnungen. Und bloß keine Fenster kippen, die Katzenfalle Nummer eins!

»Er verliert Haare«, sagte Twiggy.

Matti verstand erst nicht. Er blickte auf den Boden und sah schwarz-weiße Fellhaarbüschel. Er stellte den Sechserpack auf den Tisch. »Wo ist er?«

Twiggy deutete zu seinem Zimmer. Und vor Mattis innerem Auge erschien ein Bild: der Kater an Schläuchen im Krankenbett, Katzenschwestern in Weiß um ihn herum.

Matti ging in Twiggys Zimmer. Robbi lag zusammengekringelt auf dem Bett und öffnete ein Auge halb, als er Matti hörte. Das Auge war tranig und schloss sich gleich wieder. Matti betrachtete den Kater, dann streichelte er ihn und sah ausgedünnte Stellen im Fell. Zurück in der Küche, sagte er: »Wir müssen zu Dr. Schneider.«

»Dr. Schneider ist nicht mehr. Den hat die große schwarze Katze geholt«, erwiderte Twiggy. »Was glaubst du, warum das Branchentelefonbuch hier liegt?« Er deutete darauf.

Matti setzte sich an den Küchentisch. »Habt ihr schon einen gefunden?«

Twiggy schüttelte den Kopf. »Das sind bestimmt alles Giftmischer. Außerdem hat Robbi Angst vor jedem Tierarzt außer Dr. Schneider.« Den Doktortitel würde er in keinem anderen Fall über die Lippen kriegen, aber Dr. Schneider hatte Robbi schon mehrfach das Leben gerettet, jedenfalls wenn man wie Twiggy davon ausging, dass das geringste Unwohlsein lebensbedrohlich sein musste für den armen Kater. Dr. Schneider hatte ein Gespür für Katzen und vor allem für ihre Besitzer gehabt. Er behandelte eher den Katzenhalter als das Tier, wodurch in vielen Fällen auch das Tier wundersam gesundete.

»Na, man kann jetzt nicht sagen, dass Robbi freiwillig zu Schneider ging«, sagte Matti.

»Du hast doch die Protokolle mitgenommen?«, warf Dornröschen ein.

Matti stutzte und sagte: »Ja, klar. Liegen in meinem Zimmer, auf dem Schreibtisch.«

Twiggy blickte von einem zur anderen. »Hey!«

»Mann, Twiggy, Robbi hat die Mauser. Katzen verlieren Haare, wenn es warm wird«, sagte Matti.

»Aber Robbi verliert nicht nur Haare, er ist auch so … apathisch.«

Fast hätte Matti gesagt, dass der Kater immer apathisch sei, außer wenn er was fressen wollte, aber das traute er sich nicht.

»Sabine«, sagte Dornröschen nachdenklich. »Die hat auch eine Katze.«

»Die aus der Redaktion?«, fragte Matti.

Dornröschen nickte und gähnte.

Matti erinnerte sich, er hatte Sabine ein-, zweimal gesehen, eine lebhafte Kleine mit kurzen schwarzen Haaren.

Dornröschen wählte Sabines Nummer auf dem Handy.

»Du hast doch eine Katze. Zu welchem Tierarzt …?«

Sie hörte eine Weile zu und sagte dann: »Alles andere später, wir haben einen Notfall.« Ihr Blick fiel auf Twiggy.

Der Arzt hatte nicht mal einen Doktortitel, dafür lag seine Praxis in der Kienitzer Straße, neben dem Polnischen Schulverein. Twiggy hatte lange auf Robbi eingeredet, um ihn zu überzeugen, in den Katzentransportkorb zu steigen. Aber als der nach einer Viertelstunde die freundliche Einladung immer noch missachtete, setzte Matti ihn kurzerhand in den mobilen Katzenknast. Es ging so schnell, dass weder Robbi noch Twiggy einen Laut des Protests herausbekamen. Matti schloss den Deckel, und da erklang das erste Maunzen des Katers. Es ging allen durch Mark und Bein.

»So, jetzt schnell!« Für Dornröschen kam Widerspruch nicht infrage.

Twiggy nahm vorsichtig den Korb. »Ist gar nicht so schlimm«, sprach er hinein. Robby maulte nur umso lauter.

Im Wartezimmer ängstigten sich sieben Hunde, vier Katzen, ein Meerschweinchen und ein Kanarienvogel. Der Besitzer eines Schäferhunds und die am Hals tätowierte Halterin eines Bullterriers mit einem stählernen Maulkorb unterhielten sich lautstark über die Vorzüge verschiedener Hunderassen, um sich darauf zu einigen, dass neben Bullterriern und Schäferhunden womöglich Hirtenhunde oder Huskies bestehen könnten, dann aber lange nichts komme.

Dornröschen, Twiggy, Matti und Robbis Korb fanden in einer Ecke Platz. Robbi drängte sich in eine Ecke des Knasts und schwieg. Der Korb stand auf Twiggys Schoß, und der flüsterte fortlaufend etwas hinein. Er saß in der Mitte.

Matti beugte sich nach vorn: »Und was machen wir jetzt?«

»Wir gehen...

Erscheint lt. Verlag 3.9.2012
Reihe/Serie Die Dornröschen-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Berlin • Das Dornröschen-Projekt • eBooks • Ein Mörder kehrt heim • Heimatkrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Stachelmann
ISBN-10 3-641-09067-9 / 3641090679
ISBN-13 978-3-641-09067-8 / 9783641090678
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