Troja (eBook)

Roman
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2012 | 1. Auflage
528 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-07566-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Troja -  Gisbert Haefs
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Parallel zur 150-Millionen-Dollar-Kinoproduktion 'Troja' von Wolfgang Petersen ('Das Boot', 'Der Sturm') mit Brad Pitt, Eric Bana und Orlando Bloom in den Hauptrollen kommt auch Gisbert Haefs Roman-Klassiker vom tragischen Niedergang der berühmten Stadt in einer Neuausgabe. Haefs entwirft in seinem Roman ein farbenprächtiges Panorama der späten Bronzezeit.

Gisbert Haefs, 1950 in Wachtendonk am Niederrhein geboren, lebt und schreibt in Bonn. Als Übersetzer und Herausgeber ist er unter anderem für die neuen Werkausgaben von Ambrose Bierce, Rudyard Kipling, Jorge Luis Borges und zuletzt Bob Dylan zuständig. Zu schriftstellerischem Ruhm gelangte er nicht nur durch seine Kriminalromane, sondern auch durch seine farbenprächtigen historischen Werke Hannibal, Alexander und Troja. Im Heyne Verlag erschienen zuletzt Caesar, Die Mörder von Karthago und Die Dirnen von Karthago.

2. GESCHMEIDE FÜR HELENA


[1188 v. C.] Das Messer glitt in Awil-Ninurtas Oberschenkel. Der kühle Händlerblick des Assyrers bemerkte, daß die Klinge aus Eisen war, zu teuer für diese Wilden. Dann kam der heiße Schmerz, der alles überdeckte.

Sie hatten im Wald gelauert, abgezehrte struppige Männer und Frauen, die sich brüllend auf die Karawane stürzten. Treiber wehrten sich mit Knüppeln und Schwertern. Überall keilten Esel aus, flohen vom Weg zwischen die Bäume, streiften Körbe und Ballen an Stämmen ab oder blieben mit sperrigen Packen kreischend im Gesträuch stecken. Die Sklaven ließen ihre Lasten fallen und drängten sich zusammen; einige warfen sich auf den Boden. Licht und Schatten des Nachmittags, das Braungrün von Weg und Wald, die Menschen, alles zusammen wurde zum zuckenden Leib einer Riesenschlange, die nach Schweiß und Angst und Blut roch, aber auch nach säuerlichem Bier und schwerem süßen Sesamöl aus geborstenen Gefäßen.

Ninurta sah, ohne wahrzunehmen. Der Stich hatte seinem Bauch gegolten, aber dann scheute sein Pferd; der Lärm, die zufällige Bewegung retteten ihn. Es war, als flösse die Wildheit aus den Augen der Frau in sein Bein, um dort Schmerz zu werden. Jäh stieg, wie Wasser im Brunnen nach einem Regen, seltsam sanftes Staunen in die Augen: Die Spitze von Ninurtas Schwert traf die Kehle der Angreiferin und zertrennte die Halsader. Die Frau taumelte vornüber; ehe sie zusammenbrach und endlich das Messer losließ, riß die Klinge eine fast zwei Handbreit lange sengende Furche in seinen Unterleib.

Etwas wie ein Bann, eine Art Nachflackern des Wahns durchdringender Blicke lähmte ihn. Und der Schmerz. Jemand schrie »bel alaktim«: Frage? Aufforderung? »Herr der Karawane« – das war er, und er sagte sich, daß der Ruf ihn anging. Er holte tief Luft, krallte die Linke in die Mähne des Pferds und wartete darauf, daß die schwarzen Feuerräder in seinen Augen erloschen und stillstanden.

Vorn sah er Zaqarbal, der sein Pferd ins Getümmel trieb und mit dem Schwert um sich schlug. Irgendwo rechts hinter sich hörte er etwas wie Scherben, die auf unterhöhlten Boden prasseln: ein langer Fluch in der Sprache des Pyramidenlands, mit dem Djoser sämtliche Götter seiner Heimat lästerte. Dann, endlich, kamen die assyrischen Krieger, die am Ende des Zugs geritten waren. Sie sprangen von den Eseln, ließen die im Getümmel nutzlosen Bogen fallen und beendeten das Durcheinander mit roten Klingen. Awil-Ninurta rutschte von seinem Reittier, lehnte sich an einen Stamm und glitt zu Boden.

 

Es gab siebzehn Tote: ein Treiber, zwei Sklaven, vierzehn Angreifer. Drei von ihnen hatten noch gelebt und geschrien, bis die Krieger ihnen den Weg in die Unterwelt freigaben. Wie immer ihre Unterwelt aussehen mochte. Sie mußten von weither aus dem Norden gekommen sein, und zweifellos waren sie sehr hungrig und sehr verzweifelt. Ninurta hätte gern einen Lebenden befragt, gleich in welcher Sprache, aber es wäre sinnlos gewesen, die Fliehenden zu verfolgen. Irgendwo mußten ihre Alten und Kinder sein; dort würden Verfolger in einen Hinterhalt geraten. Der Wald bot zu viele Verstecke. Und zunächst war es wichtiger, die Esel wieder zusammenzutreiben.

Zaqarbal half ihm, die Wunde zu reinigen und zu verbinden. Der Sohn eines Purpurmachers aus der reichen Hafenstadt Sidunu tat dies schnell und geschickt, als habe er Übung darin. Aus dem tiefen Stich im Oberschenkel blutete es noch immer kräftig; die lange, eher oberflächliche Schramme im Unterleib war schon fast trocken.

»Nicht dein Kriegsgott, o Mann des Ninurta – das muß die holde Ishtar gewesen sein. Die Klinge ist knapp an deinen Bällen vorbeigegangen; nach geziemender Ruhe wirst du sie weiter sinnlos nutzen können.« Zaqarbal lachte, als ob er die Wunde, die Umstände und überhaupt die Welt witzig fände. Er kniete noch immer neben Ninurta; sein kurzer ärmelloser Rock war blutig, aber es mußte fremdes Blut sein. Aus dem Gürtel zog er etwas und reichte es dem Assyrer.

»Da. Fast vergessen. Falls du es als Andenken haben willst.«

Ninurta wog das Messer in der Hand. Die Eisenklinge war scharf, ebenso die Spitze – keine Scharten, keine Brüche. Der Griff bestand aus hellem Knochen, wahrscheinlich Wildrindbein, und zeigte grobe Schnitzereien.

»Danke, mein Freund. Schau es dir an. Eisen, und diese schäbige Schnitzarbeit. Hat sicher früher einen besseren Griff gehabt.«

Zaqarbal nickte; er ließ sich auf die Fersen nieder und fuhr sich durchs krause Haar. »Mag sein. Ich hab’ mir die Leichen angeschaut« – er wies mit dem Daumen hinter sich, dorthin, wo die Sklaven eine Grube ausgehoben hatten – »und nach Hinweisen gesucht. Nichts.«

»Norden«, sagte Ninurta. »Es muß da sehr wirr zugehen. Wie hätten sie sonst so weit nach Süden kommen können?«

»Wahrscheinlich sind alle Grenztruppen zwischen hier und Karkemish zu beschäftigt mit der Handelssperre gegen das böse Assyrien. Deshalb können sie nicht auf harmlose Wanderer achten.« Zaqarbal erhob sich; er grinste auf Ninurta hinab. »Brauchst du was? Ich muß mich ums Lager kümmern.«

»Geh nur. Ich werde ein wenig denken.«

»Blöde Ausrede. Ich hör’ dich schon schnarchen.«

Ninurta trank Wasser aus der Lederflasche, blickte angewidert auf die zerfetzten Reste des Leibschurzes und zog einen Zipfel des schweren Reisemantels, auf dem er lag, über den Bauch.

Sinnlos, so kurz vor Sonnenuntergang noch weiter zu reisen. Von der Wunde nicht zu reden … Er sah zu, wie Sklaven Erde auf die Leichengrube warfen. Andere halfen den Treibern, mit Riemen und Ästen eine Art Pferch zwischen den Bäumen zu bauen. Zwei der assyrischen Krieger waren fortgeritten, um Wasser zu suchen; die übrigen lichteten Unterholz und schleppten Gestrüpp herbei, für eine notdürftige Verschanzung.

Er dachte an die Wechselfälle des Reisens, die gefährliche Steppe und den sicheren Wald. In der Steppe schweiften die wilden Arami-Stämme, deren Ergötzen es war, Karawanen zu plündern und Händler zu metzeln. Vermutlich ergötzten sie sich zur Zeit anderswo; die assyrischen Krieger hatten nicht eingreifen müssen. Sie sollten den Zug bis zum Wald bringen, östlich des Flusses Arantu [Orontes] – ein ausgedehntes Stück Land, über dessen Abholzung sich die Fürsten der Mitanni und der Amurru nicht einigen konnten. Dort würde die Karawane in Sicherheit sein, dort könnten die Krieger umkehren.

Ninurta ächzte, als er sich auf die Seite legte und die Wunde widersprach. Einer der beiden Eselreiter kehrte ins Lager zurück, mit zwei gefüllten Ziegenbälgen. Offenbar hatten die Männer Wasser gefunden; mit vier anderen Kriegern ritt er wieder fort, um noch mehr zu holen. Aus der Steppe kam ein leichter Abendwind; die ersten Feuer flackerten auf. Über Ninurtas Kopf hatte sich irgendein Vogel niedergelassen, der mißtönend sang.

Etwas wollte aus seinen Erinnerungen ins Bewußtsein dringen, wie ein Nagetier, das sich mit Zähnen einen Weg aus der Gefangenschaft bahnt. Etwas, das mit Feuer und Klingen zu tun hatte, mit Augen und schwarzem Lodern. Er dachte an den Wahn, das Flimmern in den Augen der wilden Frau. Es war, als ob sie beide mit dem Blick innige Kenntnisse ausgetauscht hätten; durch den Augenblick erfuhr er von ihrer hügligen Heimat im Norden, von scharfem Wind und dem Duft der Berggräser, vom Schmerz des Gebärens zweier Kinder und von der Qual des Verlusts zweier Kinder, und vielleicht galt das seltsame Staunen in den Augen der sterbenden Frau nicht seinem Schwert, sondern einer geheimen Schmach oder einem Glanz in seinem Leben.

Ninurta begann unter dem Mantel zu schwitzen; sein Kopf, leicht wie ein feines Gefäß, schien über dem Körper zu schweben. Die Wunden waren eine glimmende Feuerspur, nicht zu sehen, nur zu fühlen; dennoch war er sicher, daß dieses Fieber nicht von den Wunden ausging. Der Vogel beendete sein Krächzen und flog ins Dunkel. Von einem der Feuer kam ein Hauch: harziges Holz, Fleisch und Wein. Der Geruch sprengte den Käfig; plötzlich war die nagende Erinnerung da.

 

Es war stickig im großen Raum des Obergeschosses. Tagsüber hatte die Frühsommersonne Dach und Mauern aufgeheizt; nun brannten Kienfackeln in Metallfäusten an den Wänden, mit Fell bespannte Holzrahmen steckten in den Fensteröffnungen, ein schwerer Vorhang schloß den Raum zur Treppe hin ab, und neben der Liege stand das Holzkohlebecken, glomm und stank. Der Mann auf der Liege war sehr alt und sehr reich, und er fror unter mehreren Decken.

Ninurta schwitzte, obwohl er über dem Leibschurz nur den hellen ärmellosen Rock trug. Aus dem umwickelten Krug goß er Wasser in seinen Wein, aber es war inzwischen bestenfalls noch lau. Er betrachtete Tashmetu, die auf einem dick ausgepolsterten Lederkissen neben der Liege saß und sich vorbeugte, um eine Handvoll Tempelharz über die Holzkohlen zu streuen. Sie warf ihm einen knappen Blick zu, fast ein Zwinkern.

Der Kopf des Hausherrn war kahl bis auf die Brauen, abgezehrt wie der übrige Körper, und die Nase hätte einen Habicht geziert, aber die Stimme war immer noch kraftvoll, tief, ein Brunnen der Macht. Ein Verlies der Macht? Ninurta erwog den Unterschied, während er in einen gerollten, mit gehacktem Fleisch gefüllten Fladen biß. Brunnen, sagte er sich, aber bald Verlies. Bald würde Kerets gewaltige Stimme nicht mehr durch den Schacht der Brust aufsteigen; Alter und Krankheit ätzten Risse in die Schachtwand. Und dann? Zerstreut lauschte er dem Gespräch, das sich um Geschäfte drehte – getane, erhoffte, mögliche. Djoser erzählte eben von neuen Goldfunden im Süden seiner Heimat, dort, wo das Pyramidenland Tameri ins »elende Kusch« überging, und Keret unterbrach, um – nur halb im...

Erscheint lt. Verlag 27.8.2012
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Antike • eBooks • Griechen • Griechenland • Historische Romane • HistorischerRoman • Intrigen • Katastrophe • Machtkampf • Märchenbuch • Mythos • Politik • Roman
ISBN-10 3-641-07566-1 / 3641075661
ISBN-13 978-3-641-07566-8 / 9783641075668
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