Erzählen über Liebe (eBook)
230 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-41285-6 (ISBN)
Alexandra Kofler, Dr. phil., erhielt für ihre Dissertation den Michael-Mitterauer-Preis für Gesellschafts-, Kultur und Wirtschaftsgeschichte. Sie lebt und arbeitet als freie Wissenschaftlerin in Wien.
Alexandra Kofler, Dr. phil., erhielt für ihre Dissertation den Michael-Mitterauer-Preis für Gesellschafts-, Kultur und Wirtschaftsgeschichte. Sie lebt und arbeitet als freie Wissenschaftlerin in Wien.
Inhalt 6
Einleitung 10
1. Identität: Ein uneindeutiges Konzept 16
1.1 (Personale) Identität und Individualität 22
1.2 Der sozialwissenschaftliche Identitätsbegriff 29
1.3 Identität als modernes Problem 34
1.4 Biografie als Lösung des Identitätsproblems? 37
2. Identität in Geschichten 42
2.1 Was ist eine Erzählung? 46
2.2 Narrativität und die Philosophie der Geschichten 51
2.3 Das Konzept der narrativen Identität 56
2.4 Autobiografisches Erzählen und die Konstruktion des Selbst 61
3. Selbsterzählungen über Liebe als Orte von Identitätskonstruktionen? 66
3.1 Liebe als Erzählung 66
3.2 Der Liebesdiskurs: Eine Skizze 70
3.3 Identität(en) in Bezogenheit? 76
4. Rekonstruktion narrativer Identität(en) 78
4.1 Das Design der Interviewstudie 78
4.2 Das narrative Interview 83
4.3 Materialanalyse und Auswertung 91
4.4 Fallstrukturen, Sampling und Fallvergleich 96
5. Geschichten von der Liebe 100
5.1 Fallgeschichte Andrea: True Romance – Eine Apologie der Liebe 101
(K)eine Liebe auf den ersten Blick 102
Eine geheime, verbotene Liebe 105
Glaubenskampf und Säkularisierungsprojekt 108
Apologie der Liebe 112
Eine ganz normale Beziehung? 113
Gegenwelten 115
5.2 Fallgeschichte Markus: Interkulturelle Liebe – Eine Aneignungsgeschichte 116
Herkunft und Aneignung 117
Eine interkulturelle Beziehung? 119
Ein typischer Asiate und narrativer Rollentausch 121
Romantische Liebe als Rettung des Selbst 125
Ernüchterung und virtuelle Liebe 126
5.3 Fallgeschichte Thomas: Zwischen Bindungsehnssucht und Wahlfreiheit – Ein (männlicher)Reifungsprozess 128
Männliche Lehrjahre und die Exploration des Weiblichen 130
Eine Beziehung zwischen Liebe und Kalkül 133
Tanja und die Anderen 135
Handlungspraxis und Gedankenspiele 137
5.4 Fallgeschichte Gisela: Liebe als Projekt – Eine biografische Konversionsgeschichte 139
Ehe: Automatismen und Sozialisationseffekte: Eine weibliche Normalbiografie? 141
Konversion: Von der Fremd- zur Selbstbestimmtheit 143
Riskante Freiheiten 144
Liebe, Familienleben und Karriere: Ein Spannungsfeld 145
Partnertausch und Liebe als Projekt 147
Eine biografische Erfolgsbilanz? 148
5.5 Fallgeschichte Michael: Zwischen Nähe und Autonomie – Eine Passionsgeschichte 149
Vorenthaltene Mutterliebe 151
Kampfzone der Geschlechter 152
Das Drama der Adoleszenz 154
Sexuelle Initiation und therapeutischer Wandel 157
Geschlechterkonstruktionen 161
5.6 Fallgeschichte Veronika: Ein ungleiches Paar? Oder: Die narrative De-Konstruktion von Beziehung 164
Das erste Treffen in zwei Versionen 166
Das Milieu 168
Zukunftspläne 171
Bildungsunterschiede 174
Resignation? 176
Eine negative Bilanz? 177
6. Schlussbetrachtung: Erzähle Identität(en)? 180
6.1 Identitätskonstruktionen zwischen Gleichheit und Wandelbarkeit 182
6.2 Biografische Schemata und kulturelle Narrative als Ressourcen der Identitätskonstruktion 186
6.3 Narrative Strategien im autobiografischen Erzählen 196
6.4 Identitäten in Bezogenheit? Zwischen Romantik und Ernüchterung 199
Nachwort 210
Literatur 212
Dank 230
In einer Aussendung des Centre interdisciplinaire d'études et de recherches sur l'Allemagne (CIERA) vom Juni 2009 wird von einem Wiederaufleben der Erzählung berichtet. Es ist die Rede vom Aufkommen eines 'postklassischen Erzählens', von einer 'Rückkehr der großen Erzählungen' und dem 'Eintritt in ein neues narratives Zeitalter'. Das Storytelling habe als zentrale Strategie in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Therapie und im Privaten einen Wechsel vom Begründen zum Erzählen herbeigeführt. Mehr als Fakten und Argumente zähle heute die gute Story, wenn es darum geht, Wahlerfolge zu erzielen oder Produktbindungen herzustellen. Tatsächlich legt schon ein kurzer Blick auf die gegenwärtige Bekenntnis- und Selbstinszenierungskultur (Burkart 2006) die Vermutung nahe, dass gerade heute mehr denn je erzählt wird. Das (außerliterarische) Erzählen bildet ein favorisiertes Mittel der Selbstdarstellung im Alltag. Überall wird erzählt, werden Selbsterzählungen geliefert - in Blogs, Talkshows, im psychotherapeutischen Kontext, in life-writing-workshops u.s.w. In gleicher Weise übersteigen auch im wissenschaftlichen Kontext die vielfältigen Bezugnahmen auf das Erzählen und die Erzählung mittlerweile den Rahmen der Darstellbarkeit.
Diese Neuentdeckung mag aber erstaunen, bedenkt man, dass es sich beim Erzählen um eine zentrale Praxis menschlichen Lebens handelt:
'Außerdem findet man die Erzählung in diesen nahezu unendlichen Formen zu allen Zeiten, an allen Orten und in allen Gesellschaften; die Erzählung beginnt mit der Geschichte der Menschheit; nirgends gibt und gab es jemals ein Volk ohne Erzählung; alle Klassen, alle menschlichen Gruppen besitzen ihre Erzählungen. [...] Die Erzählung schert sich nicht um gute oder schlechte Literatur: sie ist international, transhistorisch, transkulturell, und damit einfach da, so wie das Leben.' (Barthes 1988: 102)
Erzählen ist eine universelle Kulturpraxis, wie Roland Barthes deutlich macht. Sie beschränkt sich nicht auf den Bereich professionalisierten Erzählens, sondern sie findet sich in jedem Bereich des Lebens. Der enge Zusammenhang zwischen Kultur und Erzählen hat die Erzählung mitunter zu einem Gradmesser kultureller Einschätzungen gemacht: Die These vom Verlust des Erzählvermögens im Zeitalter der Massenmedien erscheint etwa bereits bei Walther Benjamin als Untergang der Kultur. Dennoch bildet das Erzählen nach wie vor ein zentrales Medium der Selbst- und Welterkenntnis. Vielmehr erlangt es angesichts erhöhter Anforderungen biografischer Sinnstiftung und Orientierung neuerliche Dringlichkeit. Das gegenwärtige Interesse am Erzählen lässt sich somit auch als ein Indiz für gesellschaftliche Veränderungen und Verluste verstehen. Vor allem sozialpsychologische Konzeptionen weisen dem Erzählen angesichts sozialer Differenzierung, Individualisierung und Fragmentierung die Funktion subjektiver Identitätsbildung zu: Nur die Erzählung vermöge jene Einheit wiederherzustellen, die gesellschaftlich bereits unmöglich geworden sei. Erzählen stiftet Identität und Zugehörigkeit - eine Funktion, die besonders in Zeiten biografischer Brüchigkeit an Bedeutung gewinnt.
Die vorliegende Untersuchung nimmt das autobiografische Erzählen als eine Praxis der Identitätskonstruktion in den Blick. Dies erfolgt in zweifacher Hinsicht: Im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit den gängigen Positionen der Identitätsdebatte wird eine narrative Konzeptualisierung des Identitätsbegriffs vorgeschlagen. Der Frage nach der identitätskonstitutiven Bedeutung des Erzählens wird in Form einer Analyse autobiografischer Selbsterzählungen zum Thema Liebe nachgegangen. Anhand von Interviews, in denen Personen von ihren Lebens- und Liebeserfahrungen berichten, soll gezeigt werden, inwiefern Identität weder ein stabiler Tatbestand, noch ein Besitz der Person ist, sondern sich vielmehr als eine immer wieder neu zu leistende narrative Aufgabe darstellt. Auf diese Weise verbindet die vorliegende Studie eine philosophisch-hermeneutische Theorie der narrativen Identität mit einem empirisch-biografischen Forschungsansatz.
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2012 |
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Zusatzinfo | 1 Abbildung |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
Schlagworte | autobiographische Interviews • Identität • Identitätsbegriff • Identitätskonstruktion • Liebe • Narrative Identität • Subjekt |
ISBN-10 | 3-593-41285-3 / 3593412853 |
ISBN-13 | 978-3-593-41285-6 / 9783593412856 |
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