Das Herz des Bösen (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
384 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-08046-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Herz des Bösen -  Joy Fielding
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Ziehen Sie sich warm an!
Valerie Rowe ist in keiner beneidenswerten Lage. Sie muss nicht nur der Tatsache ins Auge blicken, dass ihr Mann Evan sie wegen einer jüngeren Frau verlassen will. Eine Verkettung von Umständen führt auch noch dazu, dass sich Valerie plötzlich mit ihrer pubertierenden Tochter und ihrer verhassten Rivalin gemeinsam in einem entlegenen Luxushotel in den Bergen wiederfindet. Doch die Schönheit der Natur ist trügerisch, denn in der Weite der Wälder hat sich kurz vorher eine grausame Mordserie ereignet - und Valerie ahnt nicht, dass sie sich geradewegs auf einen mörderischen Abgrund zu bewegt ...

Joy Fielding gehört zu den großen Spitzenautorinnen Amerikas. Seit ihrem Psychothriller »Lauf, Jane, lauf« waren alle ihre Bücher internationale Bestseller. Joy Fielding hat zwei Töchter und lebt mit ihrem Mann in Toronto, Kanada, und in Palm Beach, Florida.

PROLOG

»Es war eine dunkle und stürmische Nacht«, zitierte Ellen den berüchtigten ersten Satz eines lange vergessenen Romans, der die zweifelhafte Ehre genoss, einmal zum schlechtesten Buchanfang aller Zeiten gewählt worden zu sein. So übel war er nun auch wieder nicht, fand Ellen und war sich ziemlich sicher, dass sie notfalls mit Schlimmerem aufwarten könnte, obwohl ihr früher erstaunliches Gedächtnis zugegebenermaßen auch nicht mehr das war, was es einmal gewesen war. Aber so ging es schließlich mit allem, dachte sie lachend.

Für eine Frau ihres Alters klang ihr Lachen erstaunlich jugendlich, eher ein teenagerhaftes Kichern als das einer Frau, die vor Kurzem ihren siebzigsten Geburtstag gefeiert hatte.

»Das kann man wohl sagen«, meinte Stuart Laufer, seit beinahe fünfzig Jahren ihr Ehemann. Er legte seine für einen fast Fünfundsiebzigjährigen erstaunlich muskulösen Arme um seine Frau, und gemeinsam starrten sie aus dem Fenster ihrer alten Blockhütte auf die Bäume, deren Äste von dem Furcht einflößenden Wind regelrecht zur Raserei gepeitscht wurden.

Seit fast fünf Stunden goss es in Strömen, kurz nach drei hatte der Dauerregen begonnen. Wie aus dem Nichts war eine bedrohliche Wand dunkler Wolken aufgezogen, die die blasse Sonne rasch verdeckt hatte. Beinahe unmittelbar danach waren große schwere Tropfen niedergeprasselt wie Kugeln aus einem himmlischen Maschinengewehr, bevor der Wind aufgefrischt war, begleitet von lautem Donner und wild zuckenden Blitzen, dann noch mehr Sturm, mehr Blitze, Kugelhagel. Wunderschön, hatte Ellen gestaunt, und gleichzeitig erschreckend, wie so häufig bei allem Schönen.

Ich war auch einmal schön, dachte sie.

»Das ist viel zu heftig, um lange zu dauern«, hatte Stuart sie beide zu beruhigen versucht. »Da hab ich mich wohl geirrt«, hatte er zugegeben, als der Nachmittag sich in den Abend gedehnt und von dem immer dunkler werdenden Himmel verschluckt worden war. Die Lampen in der kleinen Hütte begannen zu flackern und warfen unscharfe Schatten an die weißen Wände, wie huschende Tiere. »Ich zünde besser ein Feuer an, falls der Strom ausfällt«, sagte Stuart jetzt.

»Ich werde husten und prusten und dir dein Haus zusammenpusten«, flüsterte Ellen und erinnerte sich an das Märchen von den drei kleinen Schweinchen und dem großen bösen Wolf, das ihre Mutter ihr als Kind immer vorgelesen hatte. Unerwartet schossen Tränen in ihre tief liegenden blauen Augen. Erstaunlich, dachte sie, da weinte sie mit siebzig um die Mutter, die sie vor fast zwanzig Jahren verloren hatte. Als ob sie noch immer das kleine Mädchen wäre, das zusammengerollt im Schoß seiner Mutter lag, von ihren schützenden Armen umhüllt. Sie vermisste sie nach wie vor schmerzhaft, spürte ihre Abwesenheit beinahe so intensiv wie früher ihre Anwesenheit. Bis heute fühlte sie die weiche Berührung ihrer Lippen auf ihrer Stirn. Sie hatte noch den Blick vor Augen, mit dem ihre Mutter sie jedes Mal stolz angesehen hatte, den dramatischen Ton ihrer Stimme im Ohr, mit dem sie ihr die Märchen der Gebrüder Grimm vorgelesen hatte. Ellen war immer davon ausgegangen, dass sie dieselben Geschichten eines Tages ihren eigenen Kindern und danach ihren Enkeln vorlesen würde. Aber keiner ihrer Söhne hatte sich besonders für Märchen interessiert oder auch nur lange genug still gesessen, dass sie über das obligatorische »Es war einmal« hinausgekommen wäre. Sie hatten sich zappelnd aus ihrem Schoß gewunden und erst Modellflugzeuge spannender gefunden als Bücher und später dann Mädchen spannender als so ziemlich alles andere. Beide Jungen waren inzwischen erwachsene Männer von dreiundvierzig und vierzig Jahren, hatten Frauen geheiratet, die sie an der Uni kennengelernt hatten – Todd hatte in Berkeley studiert, Ben in Stanford –, und waren mit ihnen an der Westküste geblieben. Keine der beiden Ehen hatte mehr als ein paar Jahre gehalten, beide Männer hatten wieder geheiratet, Ben sogar mehrmals, zuletzt eine Pole-Dancerin aus Russland. Aus den diversen Ehen waren fünf Kinder hervorgegangen, drei Jungen und zwei Mädchen – Mason, Peyton, Carter, Willow und Saffron – woher hatten sie bloß diese Namen? Alle waren mittlerweile Teenager und hatten keinen Kontakt mehr zu ihren Großeltern väterlicherseits an der Ostküste. Ellen konnte sich nicht erinnern, wann sie einen von ihnen zum letzten Mal gesehen hatte. Jahrelang hatte sie zu Weihnachten und Geburtstagen Geld geschickt. Manchmal erhielt sie eine Dankeskarte, häufiger jedoch nicht. Sie hatte sich bei ihren Söhnen beklagt, aber die hatten ihr erklärt, sie seien machtlos. »Exfrauen«, hatte Ben achselzuckend gemeint, als ob das alles erklären würde. In letzter Zeit hatte Ellen versucht, per E-Mail mit ihren Enkeln zu kommunizieren, doch ihre kurzen Fragen nach Gesundheit und Wohlbefinden waren unbeantwortet geblieben. Sie bezweifelte, dass einer von ihnen sich die Mühe machen würde, zu der Goldenen Hochzeit zu kommen, die Stuart und sie im Herbst feiern wollten. »Und so lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage …« Was war nur daraus geworden, fragte sie sich.

Ellen hörte, wie Stuart sich ächzend und mit knackenden Kniegelenken bückte, um die Scheite in dem alten gemauerten Kamin aufzuschichten. Sie betrachtete sein wettergegerbtes, aber immer noch attraktives Gesicht. Seine sanften braunen Augen waren konzentriert zusammengekniffen, seine hohe Stirn gerunzelt, während er sich mit seinen arthritisch geschwollenen Fingern bemühte, ein langes Streichholz anzuzünden. Trotz seines Alters sah der Mann noch immer blendend aus. Selbst nach all der Zeit ließ er ihr Herz noch immer höher schlagen. Ellen staunte über ihr Glück und fühlte sich schuldig, weil sie nicht in der Lage gewesen war, dieses Glück an ihre Söhne weiterzugeben.

Nur dass eine Ehe ebenso sehr harte Arbeit wie Glücksache war. Auch für sie hatte der Himmel nicht immer nur voller Geigen gehangen, der Alltag war nicht auf Rosen gebettet, das Leben kein Zuckerschlecken gewesen. Es hatte Tage, manchmal sogar Wochen am Stück gegeben, in denen ihr der Gedanke mehr als nur flüchtig verlockend erschienen war, dass Stuart unter die Räder eines Busses geraten könnte. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sie daran gedacht hatte, ihn zu verlassen. Einmal hatte sie den Hörer sogar schon in der Hand gehabt, auf dem Küchentisch die aufgeschlagenen Gelben Seiten mit einer Liste prominenter New Yorker Scheidungsanwälte.

Aber dann hatte sie sich an einen Rat erinnert, den ihre Mutter ihr gegeben hatte: In schweren Zeiten solle sie sich an die Gründe erinnern, aus denen sie Stuart geheiratet hatte. Und sie hatte an sein süßes Lächeln, seinen verschmitzten Humor und die Art gedacht, wie seine goldgefleckten, braunen Augen jedes Mal aufleuchteten, wenn sie einen Raum betrat. Bald fielen ihr seine kleinen überraschenden Freundlichkeiten und aufmerksamen Gesten ein, seine stets sanften Berührungen, sein wacher Verstand und seine Duldsamkeit. Und kurz darauf waren die Gelben Seiten wieder in der Schublade verschwunden, und sie kochte ihm sein Lieblingsessen Maccaroni & Cheese. Denn das war noch etwas, was sie an ihm liebte – es war so leicht, ihm eine Freude zu machen.

Dass sie sich auch im Bett gut verstanden, schadete bestimmt auch nicht. Selbst in ihrem fortgeschrittenen Alter liebten sie sich immer noch oft und leidenschaftlich, vielleicht nicht mehr mit der Akrobatik der Jugend, doch darunter hatte ihre Gabe, einander Lust zu schenken, nicht gelitten. »Weißt du, welche Sexualpraktik unter Senioren am beliebtesten ist?«, hatte Stuart einmal gefragt und von seiner Zeitung aufgeblickt. »Oralsex«, hatte er seine eigene Frage augenzwinkernd beantwortet. »Sie reden darüber?«, hatte sie entgegnet. Und wie hatten sie gelacht.

Jetzt lachte sie wieder und wunderte sich, wie viele ihrer Freunde Sex mittlerweile ganz aufgegeben hatten, einige anscheinend ohne Bedauern. Nicht dass sie und Stuart abgesehen von Wayne und Fran McQuaker noch viele enge Freunde hatten, gestand sie sich traurig ein, und das Lachen erstarb in ihrer Kehle, als sie an die Freunde dachte, die an Krebs gestorben oder durch andere Schicksalsschläge aus ihrer Mitte gerissen worden waren.

Ihr Entschluss, das Stadtleben gegen die abgeschiedene Idylle einer Hütte einzutauschen, die sie Jahre zuvor als Investitionsobjekt gekauft hatten, war nicht unriskant gewesen. Ellen hatte sich immer als eine echte Großstadtpflanze gesehen und sich deswegen von vornherein gegen die Idee gesträubt. Aber nachdem ihre anfänglichen Befürchtungen bezüglich Insekten, wilder Tiere und der Einsamkeit zerstreut waren, stellte sie zu ihrer eigenen Verwunderung fest, dass sie den Frieden und die Stille der Natur in Wahrheit genoss. Sie liebte die malerischen Fahrten durch die Adirondack Mountains, die endlos gewundenen Straßen, gesäumt von hohen Bäumen, die sie schützend umfingen, den verklingenden Lärm der Stadt, bis er in den Bergen ganz verstummte und man nur noch den Gesang der Vögel und das Plätschern von kleinen Bächen in der Nähe hörte. Je mehr Zeit sie dort verbrachten, desto weniger verlockend wurde der Gedanke, die Hütte abzugeben, bis sie am Ende stattdessen das Haus in White Plains verkauft hatten und vor zwei Jahren ganz hierhergezogen waren. Ihr Sohn Ben hatte dringend davon abgeraten. Aber Ben, ein Anwalt, hatte seine zweite Frau, ebenfalls Anwältin, wegen einer russischen Pole-Dancerin verlassen, die er in einer Striptease-Bar namens Cheaters kennengelernt hatte, was nicht unbedingt für sein Urteilsvermögen sprach. »Was wollt ihr machen, wenn es einen Notfall gibt?«, hatte er gefragt.

»Wir haben ein Telefon und einen Computer«, hatte Ellen ihn erinnert. »Es ist...

Erscheint lt. Verlag 13.8.2012
Übersetzer Kristian Lutze
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Fielding Joy, First Thriller N.N. 1 (nach "Now you See Her)
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Adirondack Mountains • Berge • eBooks • Luxushotel • New York • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Thriller • Valerie Rowe
ISBN-10 3-641-08046-0 / 3641080460
ISBN-13 978-3-641-08046-4 / 9783641080464
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