Bis ans Ende der Meere (eBook)

Die Reise des Malers John Webber mit Captain Cook
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
496 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60016-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bis ans Ende der Meere -  Lukas Hartmann
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Im Juni 1776 schifft sich der junge Zeichner John Webber in Plymouth (England) zur dritten Weltumsegelung auf dem Dreimaster Resolution ein. Kapitän ist James Cook. Webber quartiert sich in der Kajüte ein, in der Georg Forster auf Cooks zweiter Weltumsegelung Tagebuch führte. Webber wird zum Vertrauten von Captain Cook, stirbt beinahe und begegnet seiner großen Liebe. Vier Jahre später kommt Webber zurück, gezeichnet von den Strapazen der Reise. Die Sehnsucht nach der Südsee wird ihn nie mehr loslassen. Captain Cook, der aufgebrochen war, um die Nordwestpassage durchs arktische Eis zu finden, kehrt nicht heim. Was war geschehen? Ein spannender historischer Roman um den rätselhaften Captain James Cook und zugleich die Entwicklungsgeschichte eines jungen englischen Malers mit Schweizer Wurzeln.'

Lukas Hartmann, geboren 1944 in Bern, studierte Germanistik und Psychologie. Er war Lehrer, Journalist und Medienberater. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Bern und schreibt Bücher für Erwachsene und für Kinder. Er ist einer der bekanntesten Autoren der Schweiz und steht mit seinen Romanen regelmäßig auf der Bestsellerliste.

Lukas Hartmann, geboren 1944 in Bern, studierte Germanistik und Psychologie. Er war Lehrer, Journalist und Medienberater. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Bern und schreibt Bücher für Erwachsene und für Kinder. Er ist einer der bekanntesten Autoren der Schweiz und steht mit seinen Romanen regelmäßig auf der Bestsellerliste.

[9] 1

London, Februar 1781

»Das ist nicht mein Mann!« Mrs Cook, ganz in Schwarz, schaute ungläubig aufs Bild, das John Webber, der Maler, eben enthüllt und vor sie hingestellt hatte.

Trotz der Glut, die im Kamin lag, schien es im Salon schlagartig kälter zu werden.

Webber unterdrückte das Zittern der Hand, mit der er den Rahmen festhielt. »Madam, Sie meinen…?«

Mrs Cook strich ihrem kleinen Sohn, der wie ein Wächter neben dem Sessel stand, durchs Haar; aber sie wandte ihren Blick nicht vom Bild ab. »Es tut mir leid, Mr Webber. Ich erkenne meinen Mann nicht. Ich sehe einen ganz anderen Menschen vor mir. Er wirkt so ernst, so verkniffen. Die Nase ist, mit Verlaub, zu lang, der Hals zu gedrungen. Und wer, um Gottes willen, hat Sie auf die Idee gebracht, ihn mit grauem oder bläulichem Haar zu malen?«

»Es war, Madam«, sagte Webber mit Mühe, »der Wunsch des Kapitäns, mit der gepuderten Perücke, die er bei Empfängen trug, dargestellt zu werden.«

Mrs Cook gab einen abwehrenden Laut von sich. »Aber doch nicht so.« Sie musterte Webber, als versuche sie, seinen wahren Wert abzuschätzen. »Stellen Sie das Bild an die Wand. [10] Vielleicht gewöhnen wir uns daran, nicht wahr, Hugh?« Wieder strich sie dem Sohn mechanisch durchs Haar.

Der Junge lehnte den Kopf an ihre Schulter und sagte, aufs Bild deutend: »Er hat eine rote Nase, siehst du?«

Mrs Cook lachte kurz und freudlos auf. »Nun ja, die hatte er wirklich. Die gibt es, wenn man bei Wind und Wetter auf Deck ist, das gerbt die Haut. Aber du hast ihn ja gar nicht richtig gekannt. Du warst gerade zwei Monate alt, als er wegfuhr.«

»Doch, ich habe ihn gekannt!«, widersprach der Junge und kletterte auf den Schoß der Mutter, von wo aus er den Besucher trotzig fixierte, als sei er es, der ihm nicht glaube.

Webber räusperte sich. »Möglicherweise haben wir hier drin nicht das allerbeste Licht… Wir können das Bild näher ans Fenster rücken…«

Mrs Cook schüttelte den Kopf. »Bleiben Sie, wo Sie sind, das Licht reicht aus.«

»Ich habe ihn mehrmals skizziert. Drinnen, in der Great Cabin. Ich musste mich beeilen, die Sitzungen dauerten nie lange, er wurde immer wieder weggerufen… Er verlangte aber, dass das ausgeführte Porträt ihn im Freien zeige, mit Klippen und Meer, unter einem weiten Himmel…«

»Der Himmel ist sehr blau«, sagte Mrs Cook, und Webber schien, darin liege ein Anflug von Ironie.

»Es ist der tropische Himmel, Madam, und Sie sehen an den Schatten, dass es gegen Abend geht, da nimmt der Himmel in der Tat ein unvergleichliches Blau an, dem ich mit meinen bescheidenen Mitteln nahezukommen versuchte, abgestuft natürlich zum kräftigeren Marineblau der Uniform…«

[11] Während er weiterredete und merkte, dass er sich in überflüssigen Rechtfertigungen verlor, war plötzlich das Hausmädchen, das ihn eingelassen hatte, mit dem Teetablett beim kleinen Tisch zwischen den Sesseln und schenkte, unter störendem Geklirre, Tee ein. Sie schien selbst auch mit schrägem Blick das Bild zu begutachten, warf Webber aber zwischendurch ein Lächeln zu. Er könne nur beifügen, sagte er, dem Stottern nahe, dass er für den König von Tonga ein sehr ähnliches Porträt angefertigt habe, das nicht nur durch die Ähnlichkeit, die jedermann bezeugt habe, sondern auch durch die Komposition Mr Cooks Beifall gefunden habe.

Das Mädchen hatte sich zurückgezogen, Mrs Cook rührte mit dem Löffelchen in ihrer Tasse. Sie hatte dem Jungen ein Stück Kuchen zugesteckt, das er bedachtsam aß. Nach jedem Bissen wischte er mit dem Handrücken die Krümel von den Lippen.

Mrs Cook schwieg, sie trank Tee und musterte abwechselnd den Maler und das Porträt. Ein Netz feiner Falten durchzog ihr Gesicht um die Augen herum; die schwarze Haube, die sie trug, ließ es noch blasser erscheinen, als es ohnehin war.

Webber wusste nicht, was er tun sollte. Die Herren der Admiralität hatten ihm vorausgesagt, die Witwe des Kapitäns werde ihn kühl, ja abweisend empfangen, sie habe sich abgekapselt in ihrem Schmerz, dulde nur wenige Besuche. Trotzdem hatte er darauf bestanden, ihr das Porträt, das ihn so viel Mühe gekostet hatte, persönlich zu überbringen. Jetzt lehnte das Bild mit der Rückseite gegen seinen Oberschenkel, aber er sah es innerlich genau vor sich. Er sah das Fernrohr in der Hand des Kapitäns, den ledernen Handschuh, [12] der die Narbe der rechten Hand verbarg, den angewinkelten Arm. Er sah den Ausdruck von Kühnheit und leiser Melancholie, den er endlich, bei der vierten oder fünften Übermalung, für Cooks Gesicht gefunden hatte. Warum wollte seine eigene Frau ihn so nicht erkennen?

Das Schweigen wurde unerträglich. »Madam«, sagte Webber stockend, »ich bedaure sehr, dass Ihnen das Bild missfällt.« Er räusperte sich und versuchte zu lächeln. »Sie haben bestimmt anderes zu tun. Ich möchte Sie nicht länger mit meiner Anwesenheit behelligen. Bitte erlauben Sie mir, mich von Ihnen zu verabschieden.«

»Seien Sie nicht beleidigt«, erwiderte sie überraschend sanft. »Ich bin in meinem Zustand ein wenig unberechenbar. Das Bild ist gut gemalt. Meine Kritik trifft nicht Ihre Kunst, sie misst sich an meiner Erinnerung. Bitte, setzen Sie sich!« Sie wies mit einer einladenden Geste auf den Sessel hinter ihm.

Webber stellte das Bild an die Wand, an der hoch oben ein düsteres Seestück hing. Er zögerte; dann setzte er sich und trank vom Tee, der, bereits mit Milch vermischt, die Hautfarbe der pazifischen Inselbewohner hatte, genau die Farbe, deren warmer Schimmer so schwer zu treffen war. »Ihr Mann«, setzte er an und hatte nun große Mühe, gegen seine Rührung anzukämpfen, »Ihr Mann, das sollen Sie wissen, war in vielen Dingen wie ein Vater zu mir.«

Mrs Cook nickte. »Danke, Mr Webber. Ich bin froh, dass dies für Sie gilt. Mein Mann lebte allerdings länger auf See als zu Hause. Seine leiblichen Söhne haben ihren Vater oft vermisst.«

»Aber gewiss ist er für sie ein leuchtendes Vorbild«, sagte [13] Webber und fügte, trotz der sich sträubenden Zunge, hinzu: »So wie für die ganze Nation. Es werden schon Denkmäler für ihn errichtet.«

Sie verzog abschätzig den Mund. »Denkmäler, Mr Webber? Sehr ehrenhaft. Nur lassen sie sich bekanntlich nicht zum Leben erwecken.«

Der Junge hatte sich vor dem Bild niedergekauert; doch er schaute nicht auf das Gesicht des Vaters, sondern auf die Stelle in der unteren Hälfte, links vom Uniformrock, wo das türkisblaue, von Wellen gerippte Meer sichtbar war. »Das sind hohe Wellen. So hoch wie Häuser sind sie. Darin kann man ertrinken.«

»Du darfst das Bild nicht berühren!« Mrs Cooks Stimme hatte plötzlich einen schärferen Klang. »Hörst du, komm zu mir!«

Der Junge gehorchte, und nun hob ihn die Mutter wieder auf die Knie. Sie begann ihn sachte zu schaukeln, und er schloss die Augen wie eine zufriedene Katze.

»Hugh ist mein Jüngster«, sagte sie, immer noch in ungewöhnlich heftigem Ton, was in merkwürdigem Widerspruch stand zum Wiegen des Kindes. »Ich versichere Ihnen: Er wird nicht zur See fahren! Ich habe in meinem Leben genügend Ängste um Seefahrer ausgestanden. Ich habe genug davon, verstehen Sie, ich habe endgültig genug!«

»Wer würde das, angesichts Ihres Leids, nicht verstehen, Madam?« Webber rieb sich verlegen mit zwei Fingern das Kinn. Er wusste ja, dass Mrs Cook nicht nur ihren Mann, sondern unlängst auch den zweitältesten Sohn verloren hatte. In einem Sturm vor der Küste Jamaikas war Nathaniel, Fähnrich und künftiger Offizier, mit der ganzen Schiffsbesatzung [14] ertrunken. Die Nachricht hatte die Witwe vor zwei Monaten erreicht. Über Cooks Tod dagegen wusste sie seit mehr als einem Jahr Bescheid; es hatte in einem Brief gestanden, der London auf dem Landweg über Sibirien, lange vor der Rückkehr der Schiffe, erreicht hatte. Zu beiden Todesfällen hatte Webber der Witwe schon bei der Begrüßung sein Beileid ausgedrückt, und ihre versteinerte Miene hatte ihm bedeutet, dass sie darauf nicht einzugehen wünsche.

»Es ist«, zwang er sich dennoch zu sagen, »ein furchtbares Unglück, in so kurzer Zeit so große Verluste hinnehmen zu müssen.«

»Das weiß ich«, sagte sie. »Sie können sich die Mühe sparen, mein Unglück beschreiben zu wollen.« Der Junge wippte auf ihren Knien immer schneller auf und ab. Sie hielt ihn an beiden Händen fest. Ihr Blick bekam plötzlich wieder einen insistierenden Ausdruck. »Sagen Sie mir eins: Haben Sie seinen Tod mit eigenen Augen gesehen? Waren Sie an Land?«

Webber stand ruckartig auf, als befolge er einen Befehl. »Madam, seien Sie versichert: Captain Cook starb als Held. Was die näheren Umstände betrifft, so wird alles genau untersucht, die Zeugenaussagen werden gegeneinander abgewogen, es wird einen offiziellen Bericht geben.«

»Waren Sie dabei? Hat man ihn wirklich bestattet, wie es sich gehört?« Sie schlang nun beide Arme um den Sohn. »Wissen Sie, Gerüchte gelangen auch zu mir.«

»Hören Sie nicht auf das Gerede!« Webber bemühte sich, im Stehen seinen Rücken durchzudrücken; es war eine Haltung, die Cook von allen auf Deck, auch von Webber, verlangt hatte. »Ich kann Ihnen nur sagen: Es war ein [15] schlimmes Durcheinander, bei dem niemand mehr wusste, was eigentlich geschah.«

Sie atmete mit scharfem Geräusch ein und aus. »Hat die Admiralität Sie zum Schweigen verknurrt? Auch mir gegenüber? Das ist doch lächerlich! Ich habe ein Recht auf die Wahrheit.«

Webber wurde es heiß und kalt...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2012
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 18. Jahrhundert • Abenteuer • achtzehntes Jahrhundert • Captain Cook • Cook • Cook, James • Historischer Roman • James • John • Liebesgeschichte • Maler • Meer • Reise • Schiff • Spannung • Südsee • Webber • Webber, John • Weltumseglung
ISBN-10 3-257-60016-X / 325760016X
ISBN-13 978-3-257-60016-2 / 9783257600162
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99