Mehr Bier (eBook)

Kayankayas zweiter Fall
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2012 | 2. Auflage
176 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60001-8 (ISBN)

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Mehr Bier -  Jakob Arjouni
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Vier Mitglieder der Ökologischen Front sind wegen Mordes an dem Vorstandsvorsitzenden der Rheinmainfarben-Werke angeklagt. Zwar geben die vier zu, in der fraglichen Nacht einen Sprengstoffanschlag verübt zu haben, bestreiten aber jede Verbindung mit dem Mord. Nach Zeugenaussagen waren an dem Anschlag fünf Personen beteiligt. Privatdetektiv Kemal Kayankaya soll den verschwundenen fünften Mann zu finden.

Jakob Arjouni, geboren 1964 in Frankfurt am Main, veröffentlichte Romane, Theaterstücke, Erzählungen und Hörspiele. Er war 21 Jahre alt, als sein Frankfurter Privatdetektiv Kemal Kayankaya in ?Happy birthday, Türke!? zum ersten Mal ermittelte. Es folgten vier weitere Fälle, für ?Ein Mann, ein Mord? erhielt Jakob Arjouni 1992 den Deutschen Krimipreis. Sein Werk ist in 23 Sprachen erschienen. Jakob Arjouni starb 2013 in Berlin.

Jakob Arjouni, geboren 1964 in Frankfurt am Main, veröffentlichte Romane, Theaterstücke, Erzählungen und Hörspiele. Er war 21 Jahre alt, als sein Frankfurter Privatdetektiv Kemal Kayankaya in ›Happy birthday, Türke!‹ zum ersten Mal ermittelte. Es folgten vier weitere Fälle, für ›Ein Mann, ein Mord‹ erhielt Jakob Arjouni 1992 den Deutschen Krimipreis. Sein Werk ist in 23 Sprachen erschienen. Jakob Arjouni starb 2013 in Berlin.

[70] Zweiter Tag

1

Eine riesige Ratte in Unterhosen saß auf der Bettkante und hielt eine flammende Rede über den deutschen Wald. Zwischendurch schnappte sie sich immer wieder einen meiner Füße und nagte dran herum. Ich hatte mindestens zehn. Irgendwann kroch ich dann auf Beinstümpfen durch einen endlosen Tunnel, entlang an Männern in weißen Kitteln, die johlend mit dem Finger auf mich zeigten. Vom Ausgang des Tunnels her kam mir eine dicke Frau entgegen, die in den Händen ein klingelndes Telefon hielt, sie stellte es vor mir ab, und ich nahm den Hörer und sagte »Hallo?«, niemand antwortete. Und immer weiter klingelte es und immer lauter. Und immer wieder hob ich den Hörer ab. Schließlich wachte ich in kaltem Schweiß gebadet auf. Jemand schellte wie verrückt an der Wohnungstür. Ich schlug die Bettdecke zurück und schleppte mich zum Kleiderschrank. Die Beretta lag angenehm in der Hand. Auf meiner Uhr war es zwanzig nach fünf. Wer zum Teufel konnte das sein? Ich betastete meinen linken Arm, er tat kaum noch weh. Wieder schellte es. Diesmal wurde gleichzeitig auf die Tür eingehämmert.

»Polizei! Aufmachen!«

Ich machte Licht, drehte den Schlüssel um, entsicherte die Beretta und zog die Tür auf. Es waren tatsächlich die Bullen. Zu viert bildeten sie einen Halbkreis um mich. [71] Einer tippte sich beiläufig an die Mütze und fragte »Sie sind Kemal Kayankaya?«

»Wenn’s an der Tür steht.«

»Kommen Sie mit.«

Ich steckte die Kanone in die Bademanteltasche und verriet ihm die Uhrzeit.

»Ich habe Befehl, sie vorläufig festzunehmen«, polterte er und wies ein Papier vor. »Wenn Sie sich weigern, laß ich Ihnen Handschellen anlegen.«

Die drei hinter ihm fingerten nervös an ihren Pistolentaschen herum. Ich gab auf, und eine halbe Stunde später waren wir auf der Wache.

Die Zelle maß etwa drei Quadratmeter, mit einer hellgrünen Plastiktoilette in der Ecke. Die Wände waren mit Schweinereien bemalt. Rechts über mir rauschte ein kleiner Ventilator. Fenster gab es nicht. Die Uhr zeigte kurz nach sieben, draußen mußte es schon hell sein.

Ich lag auf einem schmalen Bettgestell und summte Schlager. Vor einer halben Stunde hatten sie Licht gemacht. Grelles Licht, das durch die geschlossenen Augenlider drang. Einer hatte eine Kanne Leitungswasser hingestellt und bedeutet, der Kommissar habe noch zu tun. Das Licht wurde unerträglich, ich legte die graue Decke über meinen Kopf. Die Zigaretten waren im Mantel, und der Bulle, der von Zeit zu Zeit seinen Kopf durch die Tür steckte, weigerte sich, mir welche zu besorgen. Als mich einer der Idioten aus dem Wagen zerren wollte, hatte der Arm wieder angefangen zu bluten. Ich drehte mich zur Wand und versuchte zu schlafen. Es gelang nicht. Die Wunde pochte bis ins Hirn. Also stand ich auf und machte zwei Schritte vor und zwei zurück, hin und her, immer hin [72] und her. Dann fing ich an, auf der einen Seite gegen den Pißpott zu treten und auf der anderen gegen die Guckscheibe zu schlagen. Keine zwei Minuten, und der Kopf steckte im Rahmen.

»Was soll das?!«

»Ich gewöhn mir ’s Rauchen ab.«

»Wie bitte?«

»Sehn Sie vielleicht ’ne Zigarette?!«

Er zog die Scheibe zu, ich hörte nur noch »Willi, der Kanacke dreht durch.« Ich stieg auf den Klodeckel und hielt die Decke in den Ventilator. Der harte Stoff verfing sich sofort in den Flügeln. Wieder klopfte ich gegen die Scheibe. »Was ist denn jetzt schon wieder?«

Ich zeigte auf den Ventilator: »Ich ersticke.«

Er schob sich an mir vorbei und sah die Decke. »Hör mal, Schmutzfink, hinten sitzt eine Menge Kollegen, die verdammt nicht gut drauf sind, weil das eine verdammt lange Nacht war, und die hätten nichts dagegen, dir verdammt nochmal die Fresse zu polieren! Halt’s Maul und leg dich hin, und du wirst es nicht bereuen.«

»Ich möchte meinen Anwalt anrufen.«

Erst betrachtete er mich mitleidig. »Du verstehst mich nicht«, brüllte er dann los, »als ob du sowas überhaupt kennst, einen Anwalt. Eben noch die Höcker auf den Autodächern gesucht, aber jetzt will er einen Anwalt!«

Ich packte seinen grünen Kragen und drückte ihn gegen die Mauer. »Jetzt hörst du mal zu! Heute nacht um zwei werde ich aus dem Krankenhaus entlassen, und drei Stunden später holt ihr mich aus dem Bett, reißt mir den kaum geflickten Arm wieder auseinander und steckt mich in eine Zelle, in der jeder normale Mensch kotzen muß. Ich will meinen Anwalt anrufen!«

[73] Ich ließ ihn los und setzte mich aufs Bett. Er atmete tief durch.

»Na schön, Kanacke. Ich sag dem Kommissar, daß du zum Verhör bereit bist.« Er sah auf die Uhr. »Rollkommando spielen wir ein andermal. Jetzt ist Feierabend.«

Ich brummte was von wegen, sämtliche verdammten Bullen könnten was von mir in die Fresse haben, sie sollten nur vorbeikommen, samt Kommissar. Er war draußen. Ich riß die Decke aus dem Ventilator, und das Ding begann wieder zu flattern. Dann hörte ich Schritte, und die Tür wurde aufgestoßen. Sie kamen zu zweit, legten mir Handschellen an und führten mich ab. Es fiel kein Wort. Unsere Schritte hallten durch den langen Flur. Bei einer Holzbank hielten sie an, und ich mußte mich setzen. Es verging eine Ewigkeit von zehn Minuten, dann zogen sie mich zur gegenüberliegenden Tür ins Dienstzimmer.

Hinter dem Schreibtisch saß ein netter kleiner Mann mit großen Ohren, der mich ansah wie ein Luftballonverkäufer. Man setzte mich auf einen Stuhl ihm gegenüber. Die zwei Uniformierten gingen, und ich blieb mit dem netten kleinen Mann allein. Er blickte auf ein Papier vor sich und las: »Privatdetektiv Kayankaya. Geboren in der Türkei. Deutsche Staatsbürgerschaft.«

Ich nickte. Er legte das Papier weg und faltete die Hände.

»Vor vier Jahren war ich in Istanbul. Für eine Woche. Eine bezaubernde Stadt. Wirklich bezaubernd. Und die Architektur! Natürlich«, er hob bedauernd die Arme, »etwas verkommen. Aber, das ist ja bei uns nicht viel anders.«

Er musterte mich freundlich, blieb bei den Handschellen hängen und rief mit gespielter Empörung: »Diese [74] Beamten! Immer pflichtbewußt. Haben sie Ihnen doch tatsächlich Handschellen angelegt. Dabei habe ich ausdrücklich Zuvorkommenheit befohlen.« Er schüttelte den Kopf. »Haben Sie Nachsicht, Herr Kayankaya, meine Leute sind noch so unerfahren.«

Anstatt mir die Handschellen endlich abzunehmen, drehte er sich lächelnd zum Fenster.

»Ich höre, Sie haben sich über die Behandlung hier beschwert?«

»Ich wollte meinen Anwalt verständigen.«

»Sie haben einen Beamten bedroht, nicht wahr? Wissen Sie, daß man Sie dafür anzeigen könnte?« Als er sich mir wieder zuwandte, waren seine Augen kalt. »Es sind immer die ganz besonders Schlauen, die sofort nach dem Anwalt rufen. Sind Sie ein ganz besonders Schlauer?«

Er lehnte sich im Stuhl zurück und knetete eines seiner großen Ohren.

»Sie antworten nicht. Sind Sie vielleicht ganz besonders dumm?«

Er gluckste vergnügt. Um seine Augen bildeten sich Lachfältchen, aber die Augen selber blieben hart.

»Na, gut, lassen wir das. Sie beschäftigen sich zur Zeit mit der Angelegenheit Böllig. Das gefällt mir nicht. Ich möchte, daß Sie den Auftrag zurückgeben. Wenn Sie sich weigern, werde ich einen Haftbefehl wegen Begünstigung des Täters und Verdunkelungsgefahr beantragen. Ich habe keine Lust, mir von Ihnen in den Ermittlungen rumpfuschen zu lassen. Der Fall Böllig gibt uns Gelegenheit, bestimmte Zusammenhänge und Organisationen aufzudecken, über die wir bisher keine Kenntnisse besaßen. Sowas verlangt Fingerspitzengefühl und Zeit. Die Polizei besteht nicht nur aus Idioten. Wir haben ein feines Netz [75] gesponnen, und Sie machen sich daran, es an allen möglichen Stellen einzureißen.«

Ich klapperte mit den Handschellen.

»Schließen Sie mir die Dinger auf.«

Er stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und kam langsam um den Schreibtisch herum.

»Ich habe über Sie Informationen eingeholt, Kayankaya. Sie glauben, Sie sind ein harter Bursche, der, wie’s ihm paßt, seine Nase überall reinstecken kann.«

»Ist das alles, was Sie rausgekriegt haben?«

Er setzte sich auf die Tischkante und faltete die Hände über seinen Fußballbauch.

»Sie sind Trinker.«

»Macht Ihnen das Sorgen?«

Er nahm ein Metall-Lineal und zeigte damit in meine Richtung. »Was trinkt man bei Ihnen? Raki, nicht wahr? Wollen Sie einen Schluck?«

»Danke. Ich habe noch nicht gefrühstückt.«

»Zigarette?«

Ich antwortete nicht. Er lehnte sich nach hinten über den Schreibtisch und zog ein Päckchen Rothmanns aus der Schublade. Während er das Päckchen aufriß, fragte er: »Also? Werden Sie den Auftrag zurückgeben?«

»Ich glaube nicht.«

Wütend warf er die Zigaretten in den Papierkorb und kam auf mich zu. Mir wurde es zu dumm. Ich wollte aufstehen, aber er stieß mich zurück.

»Sie bleiben sitzen, bis die Sache geklärt ist«, stieß er messerscharf durch die Zähne. Dann wechselte er wieder zum Luftballonverkäufer, lächelte mich an und brummte, als wollte er mir die Vorteile eines Bausparvertrags erläutern: »Hören Sie zu, Kayankaya…«

[76] Er legte die Hände auf den Rücken und durchmaß mit bedächtigen Schritten den Raum.

»Ich kann Sie hier halb tot prügeln, und kein Schwein würde sich darum scheren. Vielleicht würde man mir sogar anerkennend auf die Schulter klopfen.«

Er...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2012
Reihe/Serie Kayankaya
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Attentat • Behörde • Bier • Chemie • Frankfurt • Kayankaya • Mord • Ökologie • Privatdetektiv • Umweltaktivist
ISBN-10 3-257-60001-1 / 3257600011
ISBN-13 978-3-257-60001-8 / 9783257600018
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