Die Wahlverwandtschaften (eBook)

Ein Roman
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2012 | 1. Auflage
313 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77560-7 (ISBN)

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Die Wahlverwandtschaften -  Johann Wolfgang Goethe
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Eduard und Charlotte sind glücklich und genießen ihr Leben zu zweit auf einem Gutshof auf dem Land. Diese Idylle wird gestört, als Eduard seinen Freund Otto einlädt und Charlotte ihre Ziehtochter Ottilie ins Haus holt: Während Charlotte sich zu Otto hingezogen fühlt, können sich auch Eduard und Ottilie nicht lange gegen die Kraft ihrer Gefühle wehren ...

<p>Johann Wolfgang Goethe, am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren, absolvierte ein Jurastudium und trat dann in den Regierungsdienst am Hof von Weimar ein. 1773 veröffentlichte er <em>Götz von Berlichingen</em> (anonym) und 1774 <em>Die Leiden des jungen Werthers</em>. Es folgte eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungen, zu den berühmtesten zählen <em>Italienische Reise</em> (1816/1817), <em>Wilhelm Meisters Lehrjahre</em> (1798) und <em>Faust </em>(1808). Johann Wolfgang Goethe starb am 22. März 1832 in Weimar.</p>

Cover 
1 
Informationen zum Buch oder Autor 
2 
Titel 
5 
Impressum 
6 
Erster Teil 7
Erstes Kapitel 9
Zweites Kapitel 17
Drittes Kapitel 28
Nachschrift der Vorsteherin 35
Beilage des Gehülfen 35
Viertes Kapitel 38
Fünftes Kapitel 51
Brief der Vorsteherin 51
Brief des Gehülfen 52
Sechstes Kapitel 56
Siebentes Kapitel 66
Achtes Kapitel 73
Neuntes Kapitel 77
Zehntes Kapitel 88
Elftes Kapitel 100
Zwölftes Kapitel 105
Dreizehntes Kapitel 111
Vierzehntes Kapitel 118
Funfzehntes Kapitel 121
Sechzehntes Kapitel 128
Eduard an Charlotten 132
Siebzehntes Kapitel 134
Achtzehntes Kapitel 142
Zweiter Teil 153
Erstes Kapitel 155
Zweites Kapitel 161
Aus Ottiliens Tagebuche 165
Drittes Kapitel 167
Aus Ottiliens Tagebuch 172
Viertes Kapitel 174
Aus Ottiliens Tagebuche 183
Fünftes Kapitel 185
Aus Ottiliens Tagebuche 198
Sechstes Kapitel 201
Siebentes Kapitel 210
Aus Ottiliens Tagebuche 221
Achtes Kapitel 223
Neuntes Kapitel 231
Aus Ottiliens Tagebuche 234
Zehntes Kapitel 236
Die wunderlichen Nachbarskinder 244
Novelle 244
Elftes Kapitel 254
Zwölftes Kapitel 258
Dreizehntes Kapitel 266
Vierzehntes Kapitel 273
Funfzehntes Kapitel 280
Sechzehntes Kapitel 288
Eduard an Ottilien 290
Siebzehntes Kapitel 293
Ottilie den Freunden 295
Achtzehntes Kapitel 299
Zu dieser Ausgabe 313

Zweiter Teil


 

Erstes Kapitel


Im gemeinen Leben begegnet uns oft was wir in der Epopöe als Kunstgriff des Dichters zu rühmen pflegen, daß nämlich wenn die Hauptfiguren sich entfernen, verbergen, sich der Untätigkeit hingeben, gleich sodann schon ein zweiter, dritter, bisher kaum Bemerkter den Platz füllt, und indem er seine ganze Tätigkeit äußert, uns gleichfalls der Aufmerksamkeit, der Teilnahme, ja des Lobes und Preises würdig erscheint.

So zeigte sich gleich nach der Entfernung des Hauptmanns und Eduards jener Architekt täglich bedeutender, von welchem die Anordnung und Ausführung so manches Unternehmens allein abhing, wobei er sich genau, verständig und tätig erwies, und zugleich den Damen auf mancherlei Art beistand und in stillen langwierigen Stunden sie zu unterhalten wußte. Schon sein Äußeres war von der Art, daß es Zutrauen einflößte und Neigung erweckte. Ein Jüngling im vollen Sinne des Worts, wohlgebaut, schlank, eher ein wenig zu groß, bescheiden ohne ängstlich, zutraulich ohne zudringend zu sein. Freudig übernahm er jede Sorge und Bemühung, und weil er mit großer Leichtigkeit rechnete, so war ihm bald das ganze Hauswesen kein Geheimnis, und überall hin verbreitete sich sein günstiger Einfluß. Die Fremden ließ man ihn gewöhnlich empfangen und er wußte einen unerwarteten Besuch entweder abzulehnen, oder die Frauen wenigstens dergestalt darauf vorzubereiten, daß ihnen keine Unbequemlichkeit daraus entsprang.

Unter andern gab ihm eines Tags ein junger Rechtsgelehrter viel zu schaffen, der von einem benachbarten Edelmann gesendet eine Sache zur Sprache brachte, die zwar von keiner sonderlichen Bedeutung Charlotten dennoch innig berührte. Wir müssen dieses Vorfalls gedenken, weil er verschiedenen Dingen einen Anstoß gab, die sonst vielleicht lange geruht hätten.

Wir erinnern uns jener Veränderung, welche Charlotte mit dem Kirchhofe vorgenommen hatte. Die sämtlichen Monumente waren von ihrer Stelle gerückt und hatten an der Mauer, an dem Sockel der Kirche Platz gefunden. Der übrige Raum war geebnet. Außer einem breiten Wege, der zur Kirche und an derselben vorbei zu dem jenseitigen Pförtchen führte, war das übrige alles mit verschiedenen Arten Klee besät, der auf das schönste grünte und blühte. Nach einer gewissen Ordnung sollten vom Ende heran die neuen Gräber bestellt, doch der Platz jederzeit wieder verglichen und ebenfalls besät werden. Niemand konnte leugnen, daß diese Anstalt beim sonn- und festtägigen Kirchgang eine heitere und würdige Ansicht gewährte. Sogar der betagte und an alten Gewohnheiten haftende Geistliche, der anfänglich mit der Einrichtung nicht sonderlich zufrieden gewesen, hatte nunmehr seine Freude daran, wenn er unter den alten Linden, gleich Philemon, mit seiner Baucis vor der Hintertüre ruhend, statt der holprigen Grabstätten einen schönen, bunten Teppich vor sich sah, der noch überdies seinem Haushalt zu Gute kommen sollte, indem Charlotte die Nutzung dieses Fleckes der Pfarre zusichern lassen.

Allein demungeachtet hatten schon manche Gemeindeglieder früher gemißbilligt, daß man die Bezeichnung der Stelle wo ihre Vorfahren ruhten, aufgehoben und das Andenken dadurch gleichsam ausgelöscht: denn die wohlerhaltenen Monumente zeigten zwar an, wer begraben sei, aber nicht wo er begraben sei, und auf das Wo komme es eigentlich an, wie Viele behaupteten.

Von eben solcher Gesinnung war eine benachbarte Familie, die sich und den Ihrigen einen Raum auf dieser allgemeinen Ruhestätte vor mehreren Jahren ausbedungen und dafür der Kirche eine kleine Stiftung zugewendet hatte. Nun war der junge Rechtsgelehrte abgesendet, um die Stiftung zu widerrufen und anzuzeigen, daß man nicht weiter zahlen werde, weil die Bedingung unter welcher dieses bisher geschehen, einseitig aufgehoben und auf alle Vorstellungen und Widerreden nicht geachtet worden. Charlotte, die Urheberin dieser Veränderung, wollte den jungen Mann selbst sprechen, der zwar lebhaft, aber nicht allzu vorlaut, seine und seines Prinzipals Gründe darlegte und der Gesellschaft manches zu denken gab.

Sie sehen, sprach er, nach einem kurzen Eingang, in welchem er seine Zudringlichkeit zu rechtfertigen wußte: Sie sehen daß dem Geringsten wie dem Höchsten daran gelegen ist, den Ort zu bezeichnen der die Seinigen aufbewahrt. Dem ärmsten Landmann, der ein Kind begräbt, ist es eine Art von Trost, ein schwaches hölzernes Kreuz auf das Grab zu stellen, es mit einem Kranze zu zieren, um wenigstens das Andenken so lange zu erhalten als der Schmerz währt, wenn auch ein solches Merkzeichen, wie die Trauer selbst, durch die Zeit aufgehoben wird. Wohlhabende verwandeln diese Kreuze in eiserne, befestigen und schützen sie auf mancherlei Weise, und hier ist schon Dauer für mehrere Jahre. Doch weil auch diese endlich sinken und unscheinbar werden; so haben Begüterte nichts Angelegneres, als einen Stein aufzurichten, der für mehrere Generationen zu dauern verspricht und von den Nachkommen erneut und aufgefrischt werden kann. Aber dieser Stein ist es nicht, der uns anzieht, sondern das darunter Enthaltene, das daneben der Erde Vertraute. Es ist nicht sowohl vom Andenken die Rede, als von der Person selbst, nicht von der Erinnerung, sondern von der Gegenwart. Ein geliebtes Abgeschiedenes umarme ich weit eher und inniger im Grabhügel als im Denkmal: denn dieses ist für sich eigentlich nur wenig; aber um dasselbe her sollen sich, wie um einen Markstein, Gatten, Verwandte, Freunde, selbst nach ihrem Hinscheiden noch versammeln, und der Lebende soll das Recht behalten, Fremde und Mißwollende auch von der Seite seiner geliebten Ruhenden abzuweisen und zu entfernen.

Ich halte deswegen dafür, daß mein Prinzipal völlig Recht habe, die Stiftung zurückzunehmen; und dies ist noch billig genug, denn die Glieder der Familie sind auf eine Weise verletzt, wofür gar kein Ersatz zu denken ist. Sie sollen das schmerzlich süße Gefühl entbehren, ihren Geliebten ein Totenopfer zu bringen, die tröstliche Hoffnung dereinst unmittelbar neben ihnen zu ruhen.

Die Sache ist nicht von der Bedeutung, versetzte Charlotte, daß man sich deshalb durch einen Rechtshandel beunruhigen sollte. Meine Anstalt reut mich so wenig, daß ich die Kirche gern, wegen dessen was ihr entgeht, entschädigen will. Nur muß ich Ihnen aufrichtig gestehen, Ihre Argumente haben mich nicht überzeugt. Das reine Gefühl einer endlichen allgemeinen Gleichheit, wenigstens nach dem Tode, scheint mir beruhigender als dieses eigensinnige starre Fortsetzen unserer Persönlichkeiten, Anhänglichkeiten und Lebensverhältnisse. Und was sagen Sie hierzu? richtete sie ihre Frage an den Architekten.

Ich möchte, versetzte dieser, in einer solchen Sache weder streiten, noch den Ausschlag geben. Lassen Sie mich das, was meiner Kunst, meiner Denkweise am nächsten liegt, bescheidentlich äußern. Seitdem wir nicht mehr so glücklich sind, die Reste eines geliebten Gegenstandes eingeurnt an unsere Brust zu drücken; da wir weder reich noch heiter genug sind, sie unversehrt in großen wohl ausgezierten Sarkophagen zu verwahren; ja da wir nicht einmal in den Kirchen mehr Platz für uns und für die Unsrigen finden, sondern hinaus ins Freie gewiesen sind: so haben wir alle Ursache, die Art und Weise die Sie, meine gnädige Frau, eingeleitet haben, zu billigen. Wenn die Glieder einer Gemeinde reihenweise neben einander liegen, so ruhen sie bei und unter den Ihrigen; und wenn die Erde uns einmal aufnehmen soll, so finde ich nichts natürlicher und reinlicher, als daß man die zufällig entstandenen nach und nach zusammensinkenden Hügel ungesäumt vergleiche, und so die Decke, indem alle sie tragen, einem Jeden leichter gemacht werde.

Und ohne irgend ein Zeichen des Andenkens, ohne irgend etwas das der Erinnerung entgegen käme, sollte das alles so vorübergehen? versetzte Ottilie.

Keineswegs! fuhr der Architekt fort: nicht vom Andenken, nur vom Platze soll man sich lossagen. Der Baukünstler, der Bildhauer sind höchlich interessiert, daß der Mensch von ihnen, von ihrer Kunst, von ihrer Hand eine Dauer seines Daseins erwarte; und deswegen wünschte ich gut gedachte, gut ausgeführte Monumente, nicht einzeln und zufällig ausgesät, sondern an einem Orte aufgestellt, wo sie sich Dauer versprechen können. Da selbst die Frommen und Hohen auf das Vorrecht Verzicht tun, in den Kirchen persönlich zu ruhen, so stelle man wenigstens dort, oder in schönen Hallen um die Begräbnisplätze, Denkzeichen, Denkschriften auf. Es gibt tausenderlei Formen die man ihnen vorschreiben, tausenderlei Zieraten womit man sie ausschmücken kann.

Wenn die Künstler so reich sind, versetzte Charlotte, so sagen Sie mir doch: wie kann man sich niemals aus der Form eines kleinlichen Obelisken, einer abgestutzten Säule und eines Aschenkrugs herausfinden? Anstatt der tausend Erfindungen, deren Sie sich rühmen, habe ich nur immer tausend Wiederholungen gesehen.

Das ist wohl bei uns so, entgegnete ihr der Architekt, aber nicht überall. Und überhaupt mag es mit der Erfindung und der schicklichen Anwendung eine eigne Sache sein. Besonders hat es in diesem Falle manche Schwierigkeit, einen ernsten Gegenstand zu erheitern und bei einem unerfreulichen nicht ins Unerfreuliche zu geraten. Was Entwürfe zu Monumenten aller Art betrifft, deren habe ich viele gesammelt und zeige sie gelegentlich; doch bleibt immer das schönste Denkmal des Menschen eigenes Bildnis. Dieses gibt mehr als irgend etwas anders einen Begriff von dem was er war; es ist der beste Text zu vielen oder wenigen Noten: nur müßte es aber auch in seiner besten Zeit gemacht sein, welches gewöhnlich versäumt wird. Niemand denkt daran...

Erscheint lt. Verlag 18.6.2012
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Deutschland • Goethe • insel taschenbuch 4522 • IT 4522 • IT4522 • Johann Wolfgang Goethe • Klassiker • Leidenschaft • Liebe • Roman • Vernunft • Wahlverwandtschaften • Weltliteratur
ISBN-10 3-458-77560-9 / 3458775609
ISBN-13 978-3-458-77560-7 / 9783458775607
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