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Leviathan (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01921-8 (ISBN)
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Der Schriftsteller Peter Aaron setzt sich hin, um die Lebensgeschichte seines Freundes Ben Sachs aufzuschreiben. Aber wo anfangen? Er könnte mit dem Mord beginnen. Oder besser damit, dass ein Terrorist Anschläge auf Freiheitsstatuen überall im Land verübt? Dass eine Frau ein Adressbuch findet und sich eine neue Identität zulegt? Egal: Aaron will die Wahrheit ans Licht bringen, bevor das FBI seine eigenen Schlüsse zieht. «Sie können den Auster aufschlagen, wo Sie wollen, und er ist immer interessant. Ein geistreicher Schriftsteller, der mit großem Können erzählt.» (Marcel Reich-Ranicki) «So ein wunderbar geschriebenes Buch, so eine Mischung aus Thriller, Unterhaltung und Nachdenklichkeit findet man in unseren Breiten nur äußerst selten.» (Spiegel special)

Paul Auster wurde 1947 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University und verbrachte nach dem Studium einige Jahre in Frankreich. International bekannt wurde er mit seinen Romanen Im Land der letzten Dinge und der New-York-Trilogie. Sein umfangreiches, vielfach preisgekröntes Werk umfasst neben zahlreichen Romanen auch Essays und Gedichte sowie Übersetzungen zeitgenössischer Lyrik. Am 30. April 2024 ist Paul Auster im Alter von 77 Jahren gestorben.

Paul Auster wurde 1947 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University und verbrachte nach dem Studium einige Jahre in Frankreich. International bekannt wurde er mit seinen Romanen Im Land der letzten Dinge und der New-York-Trilogie. Sein umfangreiches, vielfach preisgekröntes Werk umfasst neben zahlreichen Romanen auch Essays und Gedichte sowie Übersetzungen zeitgenössischer Lyrik. Am 30. April 2024 ist Paul Auster im Alter von 77 Jahren gestorben. Werner Schmitz ist seit 1981 als Übersetzer tätig, u. a. von Malcolm Lowry, John le Carré, Ernest Hemingway, Philip Roth und Paul Auster. 2011 erhielt er den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis. Er lebt in der Lüneburger Heide.

Zwei


Die erste Phase unserer Freundschaft dauerte ungefähr anderthalb Jahre. Dann zogen wir beide innerhalb weniger Monate von der Upper West Side fort, und es begann das nächste Kapitel. Fanny und Ben gingen als Erste und bezogen eine Wohnung im Park-Slope-Bezirk von Brooklyn. Das neue Domizil war geräumiger und gemütlicher als Fannys alte Studentenbude im Univiertel, und sie konnte von dort zu Fuß zur Arbeit im Museum gehen. Das war im Herbst 1976. Während die beiden mit den Umzugsvorbereitungen beschäftigt waren, merkte Delia, meine Frau, dass sie schwanger war. Fast augenblicklich begannen auch wir Umzugspläne zu schmieden. Unsere Wohnung am Riverside Drive war zu eng für ein Kind, und da es in unserer Beziehung schon zu kriseln begann, glaubten wir eine bessere Chance zu haben, wenn wir gleich ganz aus der Stadt fortzögen. Inzwischen war ich hauptberuflicher Übersetzer, und was meine Arbeit betraf, war es gleichgültig, wo wir lebten.

Ich kann nicht behaupten, dass ich jetzt den Wunsch verspüre, von meiner ersten Ehe zu berichten. Soweit sie jedoch mit Sachs’ Geschichte zu tun hat, darf ich mich wohl kaum davor drücken. Eins führt zum anderen, und ob es mir passt oder nicht, ich habe ebenso viel Anteil an den Ereignissen wie jeder andere. Wäre meine Ehe mit Delia Bond nicht in die Brüche gegangen, hätte ich Maria Turner nie kennengelernt, und hätte ich Maria Turner nicht kennengelernt, würde ich nie von Lillian Stern erfahren haben, und hätte ich nicht von Lillian Stern erfahren, säße ich jetzt nicht hier an diesem Buch. Jeder von uns ist auf irgendeine Weise mit Sachs’ Tod verknüpft, und ich kann seine Geschichte unmöglich erzählen, ohne zugleich die Geschichte jedes Einzelnen von uns zu erzählen. Alles ist mit allem anderen verknüpft, jede Geschichte überlappt sich mit jeder anderen Geschichte. So schrecklich es auch für mich ist, das auszusprechen: Ich begreife jetzt, dass ich es bin, der uns alle zusammengebracht hat. Das Ganze hat ebenso mit mir wie mit Sachs angefangen.

Der Ablauf stellt sich folgendermaßen dar: Ich bin Delia, mit Unterbrechungen, sieben Jahre lang nachgelaufen (19671974); ich habe sie überredet, mich zu heiraten (1975); wir sind aufs Land gezogen (März 1977); unser Sohn David ist auf die Welt gekommen (Juni 1977); wir haben uns getrennt (November 1978). Während der achtzehn Monate, die ich von New York weg war, hielt ich zwar weiterhin enge Verbindung mit Sachs, doch sahen wir uns seltener als zuvor. Postkarten und Briefe traten an die Stelle unserer nächtlichen Kneipengespräche, und unsere Kontakte waren zwangsläufig eingeschränkter und förmlicher. Gelegentlich kamen Fanny und Ben für ein Wochenende zu uns aufs Land, und Delia und ich besuchten die beiden einmal für ein paar Sommertage in ihrem Haus in Vermont; doch diesen Zusammenkünften fehlte das Anarchische und Improvisierte unserer früheren Begegnungen. Unsere Freundschaft hat aber keineswegs darunter gelitten. Ich musste öfters geschäftlich nach New York: Manuskripte abliefern, Verträge unterschreiben, neue Arbeit abholen, mit Lektoren Projekte besprechen. Das kam zwei- bis dreimal im Monat vor, und wann immer ich dort war, verbrachte ich die Nacht bei Fanny und Ben in Brooklyn. Die Stabilität ihrer Ehe übte auf mich eine beruhigende Wirkung aus, und dass ich in dieser Zeit halbwegs bei Verstand geblieben bin, dürfte ich zumindest teilweise ihnen zu verdanken haben. Manchmal fiel es mir jedoch schwer, am nächsten Morgen zu Delia zurückzufahren. Das häusliche Glück, dessen ich bei Fanny und Ben stets Zeuge wurde, ließ mich erkennen, wie sehr ich selbst die Sache verpfuscht hatte. Ich bekam Angst, mich wieder ins Getümmel zu stürzen, in das tiefe Dickicht, das über mir zusammengewuchert war.

Ich will jetzt nicht darüber spekulieren, was uns auseinandergebracht hat. Während unserer letzten zwei Jahre hatten wir ständig Geldsorgen, aber das möchte ich nicht als direkte Ursache anführen. Eine gute Ehe kann jedem Druck von außen standhalten, eine schlechte zerbricht. In unserem Fall begann der Albtraum nur wenige Stunden nachdem wir die Stadt verlassen hatten, und welches schwache Band uns bis dahin auch immer zusammengehalten haben mochte, nun löste es sich endgültig.

Angesichts unserer Geldsorgen hatten wir ursprünglich sehr vorsichtig geplant: irgendwo ein Haus mieten und ausprobieren, ob das Leben auf dem Land uns gefiele oder nicht. Falls ja, wollten wir bleiben; falls nein, wollten wir nach Ablauf des Mietvertrags nach New York zurück. Aber dann schaltete sich Delias Vater ein und bot uns einen Kredit von zehntausend Dollar an, mit dem wir ein eigenes Haus anzahlen konnten. Wenn man bedenkt, dass Landhäuser damals schon für dreißig- oder vierzigtausend zu haben waren, bedeutete dieser Betrag viel mehr als heute. Das war schon sehr großzügig von Mr. Bond, aber am Ende wirkte es sich negativ für uns aus, indem es uns in eine Lage zwang, der wir beide nicht gewachsen waren. Nach zwei Monaten Suche fanden wir ein preiswertes Haus in Dutchess County, ein altes, ein wenig baufälliges Gebäude mit viel Raum im Innern und einer prächtigen Fliederhecke im Garten. Am Tag nach unserem Einzug fegte ein heftiges Gewitter durch den Ort. Ein Blitz schlug in den Ast eines Baumes unmittelbar neben dem Haus, der Ast fing Feuer, das Feuer erfasste eine durch den Baum verlegte Elektrizitätsleitung, und wir hatten keinen Strom mehr. Damit stellte die Abwasserpumpe ihre Tätigkeit ein, und in weniger als einer Stunde war der Keller überflutet. Ich verbrachte den größten Teil der Nacht knietief im kalten Wasser und schöpfte es beim Schein einer Taschenlampe mit Eimern aus. Als am folgenden Nachmittag der Elektriker kam, um den Schaden zu beheben, erfuhren wir, dass das ganze Stromleitungssystem erneuert werden musste. Das kostete mehrere hundert Dollar, und als einen Monat später der Klärbehälter kaputtging, mussten wir über tausend Dollar zahlen, um den Kotgeruch aus unserem Garten loszuwerden. Keine dieser Reparaturen konnten wir uns leisten, und die Plünderung unserer Finanzen ließ Böses erahnen. Ich steigerte das Tempo meiner Übersetzungen, nahm jedes x-beliebige Angebot an, und im Frühjahr hatte ich den Roman, an dem ich in den letzten drei Jahren geschrieben hatte, praktisch aufgegeben. Delia war inzwischen hochschwanger, rackerte sich aber weiter mit ihrer Arbeit (als Außenlektorin) ab, und noch in der letzten Woche vor dem Eintritt der Wehen saß sie von frühmorgens bis tief in die Nacht an ihrem Schreibtisch, um ein Manuskript von über neunhundert Seiten zu redigieren.

Nach Davids Geburt wurde alles noch schlimmer. Jetzt war ich nur noch aufs Geldverdienen aus und verbrachte das ganze nächste Jahr in einem Zustand permanenter Panik. Da Delia nun nicht mehr viel zu unseren Einkünften beitragen konnte, sanken sie genau in dem Augenblick, in dem unsere Ausgaben zu steigen begannen. Ich nahm meine Vaterpflichten ernst, und der Gedanke, Frau und Kind nicht ausreichend versorgen zu können, erfüllte mich mit Scham. Einmal, als ein Verleger sich mit der Bezahlung einer abgelieferten Arbeit ein wenig Zeit ließ, fuhr ich nach New York, stürmte in sein Büro und drohte ihm Prügel an, falls er mir nicht auf der Stelle einen Scheck gäbe. Ich habe ihn tatsächlich beim Kragen gepackt und an die Wand gedrückt. Ein solches Verhalten war vollkommen untypisch für mich, ein Verrat an all meinen Überzeugungen. Seit meiner Kindheit hatte ich mich mit niemandem mehr geschlagen, und wenn mir im Büro dieses Mannes die Gefühle durchgingen, beweist das nur, wie sehr ich damals mit den Nerven am Ende war. Ich schrieb so viele Artikel, wie ich konnte, ich nahm jeden Übersetzungsauftrag an, aber das war alles noch nicht genug. Überzeugt, dass mein Roman gestorben und mein Traum von einem Schriftstellerleben beendet war, begab ich mich auf die Suche nach einer festen Anstellung. Aber die Zeiten waren schlecht damals, und auf dem Land gab es nur wenig Möglichkeiten. Sogar das örtliche Gemeinde-College, das per Anzeige jemanden gesucht hatte, der für lumpige achttausend Dollar im Jahr die Einführungskurse im Aufsatzschreiben abhalten sollte, bekam über dreihundert Bewerbungen für diesen Posten. Da ich keinerlei Erfahrung im Lehrberuf aufzuweisen hatte, lud man mich nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch ein. Danach versuchte ich bei mehreren Zeitschriften unterzukommen, für die ich geschrieben hatte, wobei mir vorschwebte, notfalls eben zur Arbeit in die Stadt zu pendeln, aber die Redakteure lachten mich nur aus und betrachteten meine Briefe als Witz. Das ist kein Job für einen Schriftsteller, schrieben sie zurück, hier würden Sie nur Ihre Zeit verschwenden. Aber ich war kein Schriftsteller mehr, ich war ein Ertrinkender. Ich war mit meinem Latein am Ende.

Delia und ich waren beide ausgelaugt, und im Lauf der Zeit wurden unsere Streitereien zu etwas Mechanischem, einem Reflex, den keiner von uns unterdrücken konnte. Sie meckerte, ich schmollte; sie zeterte, ich grübelte; tagelang brachten wir nicht den Mut auf, miteinander zu reden. David war das Einzige, was uns noch Freude zu machen schien, und wir sprachen von ihm, als ob es gar keine anderen Themen mehr gäbe, und achteten genau darauf, die Grenzen dieser neutralen Zone nicht zu übertreten. Sobald wir das taten, sprangen die Heckenschützen in ihre Gräben zurück, es kam zu Schusswechseln, und der Zermürbungskrieg begann von neuem. Das Ganze schien endlos, ein subtiler Konflikt ohne erkennbares Ziel, ausgetragen mit Schweigen, Missverständnissen und gekränkten Blicken. Trotz alledem glaube ich nicht, dass einer von uns zur Kapitulation bereit gewesen wäre....

Erscheint lt. Verlag 1.6.2012
Übersetzer Werner Schmitz
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1960er Jahre • 1970er • 1980er • Amerikanisches Leben • Bombe • Erinnerungen • Geheimnisvolle Geschichten • Geschichte 1960-1980 • Gesellschaftskritik • Identitätsverlust • Kunst • Männerfreundschaft • New York • Schriftsteller • Terrorismus • Tod • Vermont
ISBN-10 3-644-01921-5 / 3644019215
ISBN-13 978-3-644-01921-8 / 9783644019218
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