Jeder Augenblick ist ewig (eBook)

Die Gedichte
eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
208 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-41496-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jeder Augenblick ist ewig -  Konstantin Wecker
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Gedichte aus fünf Jahrzehnten Konstantin Weckers Lieder haben Epoche gemacht und seine Gedichte ebenso. Von den frühesten Gedichten, die er als Sechzehnjähriger schrieb, bis hin zu neuen, bislang unveröffentlichten Texten versammelt dieser Band die Gedichte Konstantin Weckers. »Meine Gedichte«, so schrieb Wecker einmal, sind Versuche, »sich dem einzigen, wirklich eigenen Gedicht anzunähern, das zu schreiben mir bestimmt ist«. Immer wieder beeindruckt Konstantin Weckers großes Vertrauen in die Kraft der Poesie und der Liebe, sein leidenschaftliches Bekenntnis zu einem intensiv gelebten Leben und der Glaube an die Veränderbarkeit der Welt.  Mit bislang unveröffentlichten Gedichten. 

Konstantin Wecker, geboren 1947 in München, studierte Musik, Philosophie und Psychologie. 1977 machte ihn die Plattenveröffentlichung »Genug ist nicht genug« mit der Ballade vom »Willy« bekannt. Ungezählte Tourneen und Konzerte, Filmrollen, Filmmusiken und Musicals folgten. Er veröffentlichte u.a. die Bücher >Uferlos<, >Der Klang der ungespielten Töne< und die Autobiografie >Die Kunst des Scheiterns.< Konstantin Wecker lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in München.

Konstantin Wecker, geboren 1947 in München, studierte Musik, Philosophie und Psychologie. 1977 machte ihn die Plattenveröffentlichung »Genug ist nicht genug« mit der Ballade vom »Willy« bekannt. Ungezählte Tourneen und Konzerte, Filmrollen, Filmmusiken und Musicals folgten. Er veröffentlichte u.a. die Bücher ›Uferlos‹, ›Der Klang der ungespielten Töne‹ und die Autobiografie ›Die Kunst des Scheiterns.‹ Konstantin Wecker lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in München.

 

Kaum dass ich mir bewusst war,

dein Haar zu halten

und das Licht auf deiner Haut zu fangen

und das Pflaster leuchtete wieder

schön,

wie die Mauer Schatten gab

und das Haus im Tierkreiszeichen stand,

abbrüchig,

aber mit tausend Kellern,

kaum dass ich mir bewusst war,

dass du im Licht standst

und in der Stunde,

kaum dass ich mir bewusst war 

begann ich schon

unseren leis atmenden Fluchtversuch zu bemerken.

Kinderlied

Komm mit zu den Kieseln, Kind,

wir wollen sie ins Wasser werfen,

wir wollen sie rollen lassen,

die bunten Kiesel,

Kind.

Ich will mit dir spielen

im Sand,

ich will deine Augen haben,

ich will dein Finger sein,

ich bin der Kiesel,

rund,

bunt an den Ufern, Kind,

da wollen wir spielen

und:

Komm mit zu den Kieseln,

Kind.

 

 

…wenn ein Baum hier wäre

oder ein Blatt

oder nur der Geruch eines Baums

oder die Farbe eines Blatts,

wenn der Tau hier wäre,

der das Blatt nicht freigibt,

oder eine Nase voll Rinde

oder ein Tropfen Grün,

wenn ein Baum hier wäre

oder ein Blatt 

 

 

Die in Bahnhöfen das Glück suchen

sind wartesaalblau,

singen Schienensang,

die in Bahnhöfen das Glück suchen,

träumen Zeitungstraum.

 

Und wenn sie aufstehen

von den harten Begebenheiten,

die in Bahnhöfen das Glück suchen,

gehen sie alle unter die Räder.

Noch im Liegen denken sie an Bettzeug

und erlaubten Schlaf.

 

 

Und das Wasser

hat einen Mann,

der treibt es.

 

Klein sitzt er

am Grund. Macht

Welle um Welle.

Die Käfer

Käfer laufen

Käfer surren

Käfer zirpen

Käfer schwirren

 

Käfer auf Erde

Käfer auf Tau

Käfer braungold

Käfer grünblau

 

Käfer schwebt

in singender Luft

Käfer krabbelt

in Blütenduft

 

Käfer in Rinde

vom Himmelbaum

Käfer träumt

Wurm-Traum

 

Käfer möchte

auf hohe Wipfel

Käfer kann nicht

kommt nie auf den Gipfel

 

Käfer mordet

Engerlingkind

Käfer frisst

Kind geschwind

 

Käfer schießt

Engerling tot

Erde wird

blutrot

 

Käfer bist du,

Engerling er

Krieg haut zu

Mensch ist nicht mehr

 

 

Musst

von den Pflastern

die Ritzen

meiden,

Seevogel,

sollst

meine Erde nicht

umpflügen

 

Bin ein Kieselschiff,

darfst mich

ich

nennen

 

 

Es stürzen die Windgesichter,

halt fest:

die Zäune sind umgefallen,

entzähmt

die kaum riechbare Haut der

Mädchen,

die untastbare Welt ihrer

Wortwahl,

wieder prangt der Galgen

und der Stimmbruch

einer Generation

lastet im Fleisch mir

 

 

Komm mit zu den feuchten Wurzeln,

satt trink dich,

nimm eine Handvoll Erde,

du,

die Steine am Fluss

schimmern rötlich,

pass auf:

ich zeichne ein Loch in die Luft,

reite fort,

reite fort,

zögere nicht,

es schwindet so rasch

 

 

Aus den Sümpfen

sie blickte den Mohn

pflückte einer

und die Farnmähne

viel Ungebornes

der Moorbrüder

und die Mantelnacht

entdeckte sie

wer weiß

 

 

Ohne zu wissen

fiel ein sehr kleiner Mond

in deine biegsame Hand

wir waren’s:

unsere Wundergestalten

zauderten nicht

 

 

Der Wind

malt eine Fahne ins Wasser,

so tief

träumen die Freunde

und einen silbernen Pinsel,

hingegossen ans Ufer

 

schau,

der deine Hand hält,

ist dein Traumgefährte,

webt Bilder und Wunderflüche

und sein Atem ist der

schweigsame Regen der Nacht

 

 

Bohr ein Loch in den Sand,

sprich ein Wort hinein,

sei leise,

vielleicht

wächst dein kleines Vertrauen

irgendwann

groß in die Sonne

 

 

Bist ein seltner Fisch

wieder

hat sich mein Netz

in dir

verfangen

 

 

Nach abgestandnem Männerfleisch

schmeckt diese Luft,

nachts im Asyl

der Obdachlosen.

 

Und Bett an Bett

und Welt an Welt,

ein gleicher Atemzug,

der sich in allen wiederholt.

 

Einstimmig

ist der Gesang,

nachts

im Asyl der Obdachlosen.

 

 

Zellen

die Quadrate erwachsen

sehr

drüberhingleiten:

ich fehle nicht

 

unter den Händen

die Hornsohle,

festgeschnallt ans Haar,

zählen:

ein Tausendstel zu früh

 

ein Tausendstel zu spät

schon:

ich würde entarten

 

so

zieht sich’s dahin.

 

 

Wieder dort sein

still liegen,

den Regen riechen,

rasseln lassen,

pitschnass sein,

ganz still liegen,

die Hand

weiß

in den Sand wühlen

 

 

Du aber geh in den Wind

denke an zarte Begebenheiten,

deinen Vermutungen gib dich

und abends

wenn du Hoffnung löffelst,

lass dich fortweben

mit dem Wort an der Leine

Anfang

Anfang.

Du hast lange geschwiegen,

dann,

der Schrei

(jener weltberühmte

oft zitierte Schrei),

die Bäume,

die Gesichter,

du wirst ein guter Junge genannt werden,

du wirst ein fleißiges Mädchen genannt werden,

der Pfarrer,

die Tanten

mit ihren triefenden Stirnen,

mit ihrem Gespür für das, was immer war

und wem er jedenfalls sehr ähnlich sieht,

du spürst ihren Sahnetortenatem,

du lernst,

dich vor den Menschen zu ekeln.

Anfang.

Da ist ein großer Himmel,

da sind Hund und Katze,

Vogel und Auto,

Kühlschrank und Vater

und Regen,

ein manchmal harter,

ein manchmal schmiegsamer Regen,

da sind

die Ahnen,

die Gebote,

die Verbote

die Zeigefinger,

du wirst ein widerspenstiger Junge genannt werden,

du wirst ein unmoralisches Mädchen genannt werden,

die Moralisten werden dich Hurenbock heißen,

die Nymphomaninnen werden dich Hure nennen,

du versuchst,

Wälder schön zu finden,

Zärtlichkeit vor den Verstand zu stellen,

ahnst,

der Geruch von frischer Erde ist wichtig,

dann wird es dir verschlossen,

dich zu öffnen.

 

Anfang.

So viele fremde Freunde

mit ihren schönen Nasen,

mit ihren weichen Mündern,

sie brauchen dich,

sie sprechen zu dir

mit ihren spitzen Nasen,

mit ihren klobigen Mündern,

tuscheln und zischen,

jetzt eine Höhle bauen,

sich schwarz färben,

Pfeil und Bogen und Asche im Gesicht

und dann los:

den Vätern in den Hintern treten,

Gedichte schreiben,

Reden halten,

tun,

du wirst ein zerstörerischer Mann genannt werden,

du wirst eine ungetreue Frau genannt werden.

 

Anfang.

Noch weißt du nichts

von den kleinen klebrigen Hotels,

von den Wohnküchen,

von denen,

die ihr Leben aus dem Rinnstein saufen,

von den verderblichen Lichtern

über den Eismeeren,

von den süßlichen Gerüchen in den Lazaretten,

weißt noch nichts

von den Gebeten in den Gefängnissen,

von den Briefen der Töchter an ihre

verschollenen Väter,

von all diesen Nächten und Tagen,

von alledem

weißt du noch nichts.

Ich hab geträumt

Heut hab ich geträumt, am 15.10.

beginnt der Krieg. Der Himmel ist rot.

Aus den Flüssen steigen mannsgroße Frösche

und die Ratten programmieren den Tod.

 

Die Bürger pressen die Aktentaschen

pflichtbewusst an die Köpfe. Die Nacht,

der Pilz und das kreischende Licht

haben mich um meinen Schlaf gebracht.

 

Aufstehen. Müde. Etwas verbraucht 

war das nun Prophetie?

Ein Blick aus dem Fenster: Alles wie sonst.

Passieren kann so was ja nie.

Zueignung

Geboren in zwar knappen Zeiten,

aber keine Komplikationen im

Mutterleib.

Kein Kaiserschnitt,

nichts, was den Ausgang versperrt hätte,

nichts Aufregendes, diese Geburt:

farblose Laken und eine Hebamme mit

Raucherbein.

Wär gerne am Amazonas zwischen zwei Regenzeiten

in die Welt geglitten

oder in einer Waschküche

heimlich als

Makel einer zwölfjährigen Mutter

oder in einem Luftschutzkeller

unter den Trompetensalven der Bomben 

hätte gern mehr Action gehabt bei meiner Geburt.

Versuche dies nachzuholen:

Gedichte schreiben,

endlose Triller am Klavier

zu häufiges Lächeln, wenn Mädchen den Raum betreten,

anstatt

sich einfach unter die warm und weich tropfende Sonne zu legen

und die Menschwerdung endlich einmal zu

vergessen.

Venedig

Als ob an ihren angefressnen Pfählen

die Stadt mit letzter Kraft sich stützen wollte,

so taumeln die Paläste mit den Säulen

aus feuchtem Marmor steil zum Meer. Als rollte

 

ein großer Donner aus dem Grund der...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2012
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte Anthologie • eBook • Gedichte • Liedertexte • Literatur • Lyrik
ISBN-10 3-423-41496-0 / 3423414960
ISBN-13 978-3-423-41496-8 / 9783423414968
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 203 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Deutsche Gedichte aus zwölf Jahrhunderten

von Dirk Petersdorff

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
21,99
Deutsche Gedichte aus zwölf Jahrhunderten

von Dirk Petersdorff

eBook Download (2023)
C.H.Beck (Verlag)
21,99