Barins Dreieck (eBook)

Roman
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2012 | 1. Auflage
512 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-09043-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Barins Dreieck -  Håkan Nesser
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Drei Männer, drei Morde, drei tödliche Verbindungen ...
Drei Männer werden plötzlich und unerwartet mit drei Morden konfrontiert: ein verwitweter Übersetzer, ein verunsicherter Psychotherapeut und ein Lehrer kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Was verbindet die drei? Bilden sie sich die Morde etwa nur ein? 'Barins Dreieck' ist ein Buch, das einem den Schauer über den Rücken jagt. Ein ungewöhnlicher Kriminalroman, der Nervenkitzel und Spannung bietet bis zum Schluss.

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt abwechselnd in Stockholm und auf Gotland.

II


Am dritten Tag in Folge wache ich sehr früh auf. Stehe in den Morgenstunden auf meinem Balkon und schaue zu, wie Herrn Kazantsakis beiden kräftigen Söhne sich auf das vollkommen ruhig glänzende Wasser begeben, um zu fischen.

Es ist kaum mehr als ein Ritual, genau wie viele andere Arbeiten in diesen Breiten. Sie sind meist so drei, vier Stunden draußen, kommen dann kurz vor Mittag zurück und präsentieren unter Äußerungen des Bedauerns und Achselzucken den Touristen ihren mageren Fang. Normalerweise ein Dutzend kleine, rötliche Fische, die man später im Restaurant zum Mittagessen bekam. Gebraten, wie sie waren, mit Haut und Gräten und ohne Salz, Kräuter oder besonders viel Phantasie.

Thalatta, denke ich und kehre zurück ins Dunkel des Zimmers. Suche Schreibheft und Stift, Zigaretten und Wasserflasche. Gehe wieder hinaus. Setze mich auf dem Plastikstuhl zurecht, um mit dem Schreiben anzufangen. Es ist erst zwanzig nach sechs. Die Kühle der Nacht hängt noch in der Luft und wird es noch eineinhalb Stunden tun. Der Balkon liegt im Schatten, eigentlich ist das jetzt der einzig nutzbare Teil der Wohnung während der hellen Stunden des Tages.

Die Insel ist so verdammt schön. Nicht zuletzt deshalb hoffe ich, dass ich mich auf Henderson verlassen kann und dass ich wirklich den richtigen Platz gefunden habe. Auf jeden Fall gedenke ich, den Monat noch hier zu bleiben und nichts dem Zufall zu überlassen.

Ich denke auch an diesem Morgen eine Weile an Henderson und seine unscharfen Fotos. Und an das Meer, die Berge und die Olivenhaine. Dann zünde ich mir eine Zigarette an und fange an zu schreiben.

 

Es war am 3. April, als Mariam Kadhar und Otto Gerlach verhaftet wurden. Ich hörte es in den Rundfunknachrichten, hatte sie gerade eingeschaltet, während ich in der engen Küche stand und meinen Morgenkaffee zubereitete.

Ich hatte davon natürlich gewusst, aber es so aus dem Mund des Nachrichtensprechers zu hören, ließ mich doch zusammenzucken. Als würde es erst jetzt Wirklichkeit werden, und irgendwie war dem ja auch so. Bis zu diesem Morgen war nichts an die Medien durchgesickert – mehr als zwei Wochen lang hatte die Polizei in absoluter Verschwiegenheit gearbeitet. Ich weiß nicht, ob das nur ein Zufall war oder ob sie wirklich alles daransetzten, die Diskretion zu wahren.

Jetzt war es plötzlich eine öffentliche Sache. Schon als ich mich eine Stunde später auf dem Hauptbahnhof befand, um den Pendelzug hinaus nach Wassingen zu nehmen, hatte ich das Gefühl, als würde sich alles um die Neuigkeit drehen. Fotos von allen dreien – von Rein, Mariam Kadhar und Otto Gerlach – waren auf den Aushängern und den Titelseiten der Morgenzeitungen zu sehen, und ich erinnere mich, dass ich den Eindruck eines Films hatte, bei dem der Regisseur ohne jede Vorwarnung beschlossen hatte, seinen Zuschauern selbst den Dolchstoß zu versetzen: in dieser alles entscheidenden Szene, in der das Ganze plötzlich umkippt, wenn alle alten, finsteren Andeutungen deutlich werden und man in ein neues Tempo geworfen wird.

Genau in so einem Augenblick also, in dem man sich oft entscheidet, ob man nun den Saal verlässt oder ob es sich doch lohnen könnte, sitzen zu bleiben und die Geschichte bis zum Ende zu verfolgen.

Als ich meinen Zug bestiegen hatte und dieser losgefahren war, empfand ich tatsächlich ein gewisses Gefühl der Befreiung, weil ich aus der Stadt fuhr.

 

Das war also mein erstes Wiedersehen mit Wassingen, an dem Tag, als M und G am Schandpfahl der Öffentlichkeit zur Schau gestellt wurden, und es war mehr als ein Monat seit letztem Mal vergangen. Nachdem ich Reins Manuskript aus den Händen gelegt hatte, hatte ich ein paar ziemlich lustlose Abende in der Nieuwe Halle und im Concertgebouw verbracht, aber natürlich nicht den Schatten von Ewa entdeckt. Es war mir auch nicht gelungen, irgendwelche besonders attraktiven Pläne hervorzuzaubern, während ich im Vlissingen oder in einigen anderen Bars bei Bier und Zigaretten saß. Vielleicht hatte ich eine Weile mit dem Gedanken gespielt, sie einfach nicht mehr weiter zu suchen, aber im nüchternen Morgenlicht hatte ich natürlich alle derartigen Ideen wieder beiseite geschoben.

Schließlich entschied ich mich also zu einem weiteren Versuch in Wassingen. Wieweit ich mir tatsächlich einbildete, dass es etwas bringen könnte, das ist im Nachhinein schwer zu sagen. Ehrlich gesagt glaubte ich nicht besonders daran, dass es wirklich Ewa gewesen war, die einer von Maertens’ Leuten dort draußen Ende Februar gesehen hatte. Wahrscheinlich war mir der Gedanke, dass es überhaupt keinen derartigen Beobachter gegeben hatte, sondern dass Maertens das Ganze sich nur ausgedacht hatte, um den Anschein zu erwecken, dass er zumindest auf irgendetwas gestoßen war, auch nicht sehr fremd. Wie auch immer, ich war mir darüber klar, dass die Wassingen-Spur nicht mehr als ein Strohhalm war, aber mangels anderer Möglichkeiten musste ich mich an diesen klammern.

Außerdem war ich während des Monatswechsels März – April an einen Punkt gelangt, an dem ich die Suche nach Ewa als ein Ziel in sich selbst ansah. In gewissen klaren Momenten ahnte ich zwar, dass ich sie nie wiederfinden würde, aber weiterzuleben, ohne alles getan zu haben, was in meiner Macht stand, um sie zu finden, das erschien mir kaum möglich.

Zumindest erschien es mir damals nicht möglich.

Außerdem hatte ich Zeit. Bis Mitte Juni war mein Auskommen gesichert. Ich hatte keine Arbeit und keine Geschäfte, die ich zu erledigen hatte. Jeder Tag war eine leere Seite.

Warum also nicht suchen?

 

Der gleiche unbezwingbare Bodybuilder stand in der Bar und servierte meinen Whisky mit dem gleichen unbezähmbaren Oststaatencharme. Ich leerte das Glas in einem Zug und trat hinaus auf den Markt. Die Windstärke war ungefähr die gleiche wie letztes Mal, aber es war deutlich wärmer. Draußen vor der pseudo-italienischen Eisdiele hatte man sogar schon weiße Plastikstühle und den einen oder anderen Tisch hingestellt, obwohl man sicher noch mindestens einen Monat würde warten müssen, bevor jemand auf den Gedanken kam, sich hier niederzulassen.

Überhaupt war es spärlich mit Leuten bestückt. Noch war es früher Nachmittag, und auch wenn es sicher ein ziemlich großes Kader von Arbeitslosen und Langzeitkrankgeschriebenen in einer Gegend wie dieser hier gab, war klar, dass es wohl noch ein paar Stunden dauern würde, bis der richtige Verkehr zwischen den Geschäften einsetzte.

Ich durchschritt die kurze Arkade und kam vor Nummer 36 wieder heraus, Ewas Haus.

Ewas Haus? Ich zündete mir eine Zigarette an und starrte es eine Weile an. Sechzehn Stockwerke hoch. Graubraune Fassade mit ein paar nassen Flecken. Unendliche Reihen von kahlen Fenstern und eingefassten, winzigen Balkons.

Ich zog seufzend an der Zigarette. Ein Gefühl von hilfloser Sinnlosigkeit – vielleicht noch gewürzt mit einer Prise Absurdität  – legte sich über mich, aber dann brach plötzlich die Sonne hinter einer Wolke hervor und blendete mich, sodass ich für einen Moment fast das Gleichgewicht verlor. Ich schloss die Augen und fasste mich. Dachte wieder an Beethovens Violinkonzert und an das Husten und an die Reihe der Ereignisse, die mich dazu gebracht hatten, vor diesem Mietshaus in einem Vorort von A. zu stehen, und ich spürte sogleich, dass es genau diese Art von Gedanken war, die ich von mir fernhalten sollte, wenn ich überhaupt weiterkommen wollte.

Folglich drückte ich die Zigarette aus und trat ein. Stellte mich vor die Namenstafel der Mieter und schrieb alle zweiundsiebzig Namen in mein Notizbuch. Das dauerte natürlich ein paar Minuten, und zwei Frauen – beide Immigrantinnen und mit schmuddeligen Kleinkindern im Schlepptau – warfen mir misstrauische Blicke zu, als sie an mir vorbeigingen.

Ich kehrte ins Zentrum zurück und richtete meine Schritte auf das Café, in dem ich schon das letzte Mal gesessen hatte. Zeigte dem Mädchen an der Kasse ein paar Fotos; sie war wirklich sehr entgegenkommend und studierte sie lange und gründlich, konnte aber schließlich doch nur bedauernd den Kopf schütteln.

Ich bedankte mich und kaufte eine Tasse Kaffee. Im Laufe der folgenden Stunden zeigte ich meine Fotos noch weiteren gut zwanzig Personen – sowohl im Zentrum als auch vor dem Eingang zu Ewas Haus, aber das Ergebnis war genauso niederschmetternd, wie ich es eigentlich hätte befürchten müssen.

Null und nichtig.

Ich hatte insgesamt zehn Arbeitstage in Wassingen geplant, nicht mehr und nicht weniger, und um nicht gleich am ersten Tag alle Möglichkeiten auszuschöpfen, gab ich mich zufrieden und nahm den Zug, der um 16.28 Uhr nach A. zurückfuhr.

Am Hauptbahnhof kaufte ich drei Tageszeitungen, mit ihnen bewaffnet, ließ ich mich etwas später im Planner’s nieder, um dort zu essen und über den Mord an Germund Rein zu lesen.

 

Die Neuigkeit war eine Bombe, da gab es keinen Zweifel, und offenbar wusste man nicht so recht, wie man damit umgehen sollte. Die Polizei hatte ein kleines Kommuniqué herausgegeben, aber allem Anschein nach war es ziemlich inhaltslos, und irgendwelche anderen Äußerungen hatte es nicht gegeben. Was man in Journalistenkreisen wusste, war, dass Mariam Kadhar und Otto Gerlach verhaftet worden waren wegen des dringenden Verdachts, Germund Rein getötet zu haben. Das war alles.

Der Rest war reine Spekulation.

Und Liebesgeschichte. Ein Dreiecksdrama, wie jemand es nannte. Spekulationen darüber, was an diesem schicksalsschweren Tag im November draußen im Kirschgartenhof passiert war. Über den Abschiedsbrief.

Darüber, was die Polizei wohl auf die Spur gebracht hatte.

Letzteres war ein...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2012
Übersetzer Christel Hildebrandt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Barins Triangel
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte eBooks • Erzählungen • Gesellschaft • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Kurzromane • Seele • Spannung • Unterhaltung
ISBN-10 3-641-09043-1 / 3641090431
ISBN-13 978-3-641-09043-2 / 9783641090432
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