Zärtlich ist die Nacht (eBook)

Roman
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2011 | 1. Auflage
528 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-40986-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zärtlich ist die Nacht -  F. Scott Fitzgerald
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»F. Scott Fitzgerald war der Größte unter uns allen.« Ernest Hemingway An der französischen Riviera pflegen der angesehene Psychiater Dick Diver und seine Frau Nicole einen glamourösen Lebensstil. Als die junge Rosemary Hoyt, eine berühmte Schauspielerin, zu dem illustren Kreis um das Ehepaar stößt, beginnen stürmische Zeiten. Der autobiografisch gefärbte Roman erzählt vom Ringen eines Mannes, der zwischen Liebe und Leidenschaft, zwischen Verantwortung und Glück wählen muss. Die stilistisch facettenreiche Dreiecksgeschichte wurde - wie bereits >Der große Gatsby< - von Lutz-W. Wolff neu übersetzt. 

F. Scott Fitzgerald, geboren am 24. September 1896 in St. Paul, Minnesota, studierte an der Princeton University Literatur, brach das Studium aufgrund seiner Leidenschaft für das Schreiben jedoch bald ab. 1920 erschien sein erster Roman 'Diesseits vom Paradies'. Während seiner Reisen nach Frankreich lernte er in Paris Ernest Hemingway kennen und vollendete dort 1925 sein berühmtestes Werk 'Der große Gatsby', das sich zu Lebzeiten allerdings nicht gut verkaufte. Auch seine späteren Werke waren finanzielle Misserfolge, Fitzgerald verfiel dem Alkohol und hatte Depressionen. Ab 1937 arbeitete er als Drehbuchschreiber in Hollywood, wo er am 21. Dezember 1940 starb.

F. Scott Fitzgerald, geboren am 24. September 1896 in St. Paul, Minnesota, studierte an der Princeton University Literatur, brach das Studium aufgrund seiner Leidenschaft für das Schreiben jedoch bald ab. 1920 erschien sein erster Roman 'Diesseits vom Paradies'. Während seiner Reisen nach Frankreich lernte er in Paris Ernest Hemingway kennen und vollendete dort 1925 sein berühmtestes Werk 'Der große Gatsby', das sich zu Lebzeiten allerdings nicht gut verkaufte. Auch seine späteren Werke waren finanzielle Misserfolge, Fitzgerald verfiel dem Alkohol und hatte Depressionen. Ab 1937 arbeitete er als Drehbuchschreiber in Hollywood, wo er am 21. Dezember 1940 starb.

1


Am freundlichen Ufer der französischen Riviera, ungefähr auf halbem Weg zwischen Marseille und der italienischen Grenze, steht ein großes, stolzes, rosenfarbenes Hotel1*. Höfliche Palmen kühlen die errötende Fassade, vor der ein kurzer, leuchtender Strand liegt. Vor zehn Jahren blieb es meist völlig verlassen zurück, wenn im April die englische Kundschaft wieder nach Norden zog; erst neuerdings ist es zur Sommerfrische der Schickeria geworden. Zahllose Sommerhäuser umgeben es heute, aber zu dem Zeitpunkt, an dem diese Geschichte beginnt, dösten zwischen dem ›Hôtel des Étrangers‹ von M. Gausse und dem fünf Meilen entfernten Cannes nur ein Dutzend alte Villen im Pinienmeer, deren halb verfallene Kuppeln wie Seerosen zwischen den Bäumen herausragten.

Das Hotel und sein sonnengebräunter, heller Gebetsteppichstrand bildeten immer schon eine Einheit. Am frühen Morgen strahlte die weit entfernte Ansicht von Cannes mit ihren alten, gelb-rosa Festungsanlagen und den violetten Bergen im Hintergrund über die Bucht und spiegelte sich zitternd in den kleinen Wellen und Blasen, welche die Wasserpflanzen an seichten Stellen heraufschickten. Noch vor acht kam ein Mann in einem blauen Bademantel herunter und paddelte – nach ausgiebiger Befeuchtung seiner Person mit dem etwas zu kalten Wasser – unter reichlichem Grunzen und Keuchen etwa eine Minute lang in den Fluten. Als er wieder weg war, hatten Bucht und Strand eine Stunde lang Ruhe. Frachtschiffe krochen zum westlichen Horizont, Hotelbedienstete schrien über den Hof, und der Tau verdunstete in den Pinien. Eine Stunde später tönten die ersten Autohupen von der gewundenen Straße auf der Hügelkette herunter, welche die Küste von der eigentlichen Provence trennt.

Eine Meile vom Meer entfernt, wo staubige Pappeln an die Stelle der Pinien treten, gibt es eine abgelegene Bahnstation, von der an einem Junimorgen des Jahres 1925 eine leichte Kutsche eine Frau mit ihrer Tochter zum »Hotel Gausse« brachte. Das Gesicht der Mutter war von einer verblassenden Hübschheit, die bald von geplatzten Äderchen gerötet sein würde; ihre Züge waren ebenso angenehm ruhig wie wachsam. Aber man sah ohnehin rasch zu ihrer Tochter hinüber, die magische Kräfte in ihren rosigen Händen hielt und deren Wangen zu einer schönen Flamme erblühten wie die Haut der Kinder nach kalten Bädern am Abend. Ihre Stirn wölbte sich wie ein Wappenschild sanft bis zum Haar, das ihr Gesicht in goldenen und aschblonden Locken und Wellen umspielte. Ihre hellen, großen Augen waren leuchtend und klar, und die Farbe ihrer von der starken, jungen Pumpe ihres Herzens durchbluteten Wangen war echt. Ihr Körper schwebte sachte über der letzten Klippe der Kindheit – sie war beinahe achtzehn, fast schon vollkommen, aber der Tau noch so frisch.

Als Meer und Himmel als dünner, heißer Horizont unter ihnen erschienen, sagte die Mutter: »Irgendetwas sagt mir, dass es uns hier nicht gefallen wird.«

»Ich will ja sowieso nach Hause«, sagte das Mädchen.

Die Äußerungen der beiden klangen vergnügt, aber sie waren offenbar richtungslos und eben davon gelangweilt – denn irgendeine beliebige Richtung hätte ihnen gar nicht genügt. Sie wollten echte Aufregungen, nicht weil ihre übersättigten Nerven gereizt werden mussten, sondern weil sie so lebensgierig wie Schulkinder waren, die sich ihre Ferien mit guten Noten verdient hatten.

»Wir bleiben drei Tage, und dann geht’s nach Hause. Ich werde die Passage gleich telegrafisch buchen.«

Die Reservierung im Hotel absolvierte das Mädchen in flüssigem, etwas plattem Französisch, so als müsste sie sich daran erinnern. Als sie ihre Erdgeschosszimmer bezogen hatten, trat sie ins helle Licht der Verandatüren und dann ein paar Schritte auf die Terrasse hinaus, die das Hotel umgab. Ihre Haltung war die einer Tänzerin, ihr Körper lastete nicht auf den Hüften, sondern schien aus der Taille nach oben gezogen zu werden. Im heißen Licht da draußen warf sie nur einen kurzen Schatten, und so zog sie sich wieder zurück – es war zu hell, um etwas zu sehen. Kaum fünfzig Meter entfernt gab das Mittelmeer dem brutalen Sonnenglanz Augenblick für Augenblick seine Farbkörper hin; unter der Balustrade kochte ein ausgebleichter Buick in der Einfahrt.

In der gesamten Umgebung herrschte nur am Strand etwas Leben. Drei englische Kindermädchen strickten bedächtig die seit den Vierziger-, Sechziger- und Achtzigerjahren unveränderten Muster des viktorianischen England in Pullis und Socken und leierten dazu wie Klageweiber ihren alten Klatsch herunter, während es sich unter den gestreiften Sonnenschirmen weiter unten am Wasser ein Dutzend Leute bequem gemacht hatten, deren Kinder weitestgehend unbeeindruckte Fische im seichten Wasser jagten oder nackt und glänzend vor Kokosöl in der Sonne herumlagen.

Als Rosemary an den Strand kam, rannte ein etwa zwölfjähriger Junge an ihr vorbei und stürzte sich mit begeisterten Schreien ins Wasser. Im Bewusstsein der prüfenden Blicke aus fremden Gesichtern streifte sie ihren Bademantel ab und folgte dem Beispiel des Jungen. Ein paar Meter ließ sie sich mit dem Gesicht nach unten im Wasser treiben, und als sie merkte, wie flach es war, stellte sie sich auf die Füße und watete vorwärts, wobei sie ihre schlanken Beine wie Hanteln gegen den Widerstand stemmte. Als das Wasser ihr bis zur Brust stand, warf sie einen Blick zum Ufer zurück: Ein kahlköpfiger Mann mit Monokel und langem Badeanzug, der seine behaarte Brust kräftig aufgeblasen und seinen dreisten Nabel eingezogen hatte, sah ihr aufmerksam zu. Als sie seinen Blick erwiderte, ließ er sein Monokel in seine markanten, gekräuselten Brusthaare fallen und goss sich ein Glas aus der Flasche ein2*, die er in der Hand hielt.

Rosemary legte das Gesicht aufs Wasser und kraulte in einem unregelmäßigen Viertakt zum Floß hinaus. Das Wasser griff nach ihr, zog sie zart aus der Hitze herunter, drang in ihre Haare und alle Winkel des Körpers. Sie umarmte es, drehte und rollte sich darin herum. Als sie das Floß erreichte, war Rosemary außer Atem, aber als dann eine gebräunte Frau mit sehr weißen Zähnen zu ihr hinunterschaute, wurde sie sich ihres eigenen grell weißen Körpers bewusst, drehte sich auf den Rücken und ließ sich zum Ufer zurücktreiben. Der haarige Mann mit der Flasche sprach sie an, als sie aus dem Wasser kam.

»Hören Sie – hinter dem Floß da draußen gibt’s Haifische.« Er war von unbestimmter Nationalität, aber sein Englisch wies einen schleppenden Oxford-Akzent auf. »Gestern haben sie zwei britische Matrosen von der Flotte in Golfe Juan aufgefressen.«

»Du meine Güte!«, rief Rosemary.

»Sie kommen wegen des Abfalls der Schiffe.«

Um anzudeuten, dass er sie lediglich hatte warnen wollen, ließ er einen dünnen Schleier über seine Augen sinken, trat zwei Schritte zurück und goss sich einen weiteren Drink ein. Während des kurzen Gesprächs hatte es eine leichte Verlagerung der Aufmerksamkeit in ihre Richtung gegeben, und mit einer durchaus zufriedenen Schüchternheit suchte Rosemary nach einem Platz, um sich hinzusetzen. Offensichtlich gehörte jeder Familie der Streifen Sand vor ihrem Sonnenschirm; außerdem gab es Besuche und rege Gespräche – es herrschte die Atmosphäre einer Gemeinschaft, in die man sich nur mit erheblicher Dreistigkeit hätte hineindrängen können. Weiter oben dagegen, wo der Strand mit Steinen und trockenem Seetang bedeckt war, saß eine Gruppe von Leuten, deren Fleisch noch so weiß wie ihr eigenes war. Sie lagen unter kleinen Handsonnenschirmen anstelle der großen Strandschirme und waren ganz offenbar weniger einheimisch. Rosemary suchte sich einen Platz zwischen den Hell- und den Dunkelhäutigen und breitete ihren Bademantel im Sand aus.

Während sie so dalag, hörte sie zunächst nur die Stimmen und spürte, wie Füße an ihrem Körper vorbeigingen. Gelegentlich trat jemand zwischen sie und die Sonne, und einmal blies ein neugieriger Hund ihr seinen heißen, nervösen Atem ins Genick. Sie spürte, wie ihre Haut sich in der Hitze ein wenig zu kräuseln begann, und hörte das leise, erschöpfte Plätschern der Wellen. Allmählich unterschied ihr Ohr auch die einzelnen Stimmen und sie erfuhr, dass jemand, der mit einer gewissen Verachtung »dieser North« genannt wurde, gestern Abend einen Kellner aus einem Café in Cannes entführt hatte, um ihn in zwei Teile zu sägen. Vorgetragen wurde diese Geschichte von einer weißhaarigen Frau in einem Abendkleid, das offensichtlich auch von letzter Nacht stammte, denn an ihrem Kopf hing noch ein Diadem und an ihrer Schulter verwelkte eine mutlose Orchidee. Rosemary entwickelte eine unbestimmte Abneigung gegen sie und ihre Gefährten und wandte sich ab.

Auf der anderen Seite war eine junge Frau ihr am nächsten. Sie hockte unter einem Dach von Sonnenschirmen und machte anhand eines aufgeschlagenen Buches, das vor ihr im Sand lag, eine Liste verschiedener Dinge. Sie hatte sich den Badeanzug von den Schultern gezogen und ihr Rücken, dessen kräftiges, rötliches Braun von einer hellen Perlenkette3* akzentuiert wurde, schimmerte in der Sonne. Ihr Gesicht war anmutig, mitleiderregend und hart. Ihre Augen trafen auf Rosemarys Blick, schienen sie aber nicht wahrzunehmen. Hinter ihr saß ein gut aussehender Mann mit einer Jockeymütze und rot gestreiftem Badeanzug. Dann kam die Frau, die Rosemary auf dem Floß gesehen hatte und die jetzt auch wieder zurückschaute; dann ein Mann mit einem langen Gesicht und einer goldenen Löwenmähne, der einen blauen...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2011
Übersetzer Lutz-W. Wolff
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alkoholismus • Amerikanische Literatur • Belletristik • Cote d'Azur • Dick Diver • Dreiecksgeschichte • eBook • Eifersucht • Exilamerikaner • Expats • Französische Riviera • Klassiker • Liebesgeschichte • Neuübersetzung • Paris • Rom • Schizophrenie • Scott • Verfilmte Bücher • Zürich
ISBN-10 3-423-40986-X / 342340986X
ISBN-13 978-3-423-40986-5 / 9783423409865
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