Agnes Grey (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
304 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-41320-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Agnes Grey -  Anne Brontë
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Die brillante Neuübersetzung - erstmals bei dtv  Agnes Grey, Tochter eines Pfarrers, lebt abgeschieden mit ihren Eltern und Geschwistern in Nordengland. Als ihre Familie alle finanziellen Mittel verliert, entschließt sich Agnes, als Gouvernante zu arbeiten. Die verwöhnten Kinder reicher Eltern machen es der jungen Frau nicht leicht, in der neuen Umgebung Fuß zu fassen. Und auch die zarten Liebesbande mit Edward Weston stehen unter keinem guten Stern ... Anne Brontës erster Roman weist zahlreiche Parallelen zum Leben der Autorin auf. Die sehr persönlichen Bezüge verleihen ihrem Romandebüt Tiefe, Leidenschaft und Gefühl.

Anne Brontë, geboren am 17. Januar 1820 in Thornton, Yorkshire, ist die jüngste der drei weltberühmten Schwestern. Die Pfarrerstochter arbeitete einige Jahre als Gouvernante, widmete sich aber ab 1845 ausschließlich dem Schreiben. Unter dem Pseudonym Acton Bell veröffentlichte sie neben >Agnes Grey< auch ihren zweiten Roman >The Tenant of Wildfell Hall< sowie einige Gedichte. Am 28. Mai 1849 starb sie in Scarborough, Yorkshire, infolge einer Tuberkuloseerkrankung. Ein Jahr später enthüllte ihre Schwester Charlotte die wahre Identität der Autorin. 

Anne Brontë, geboren am 17. Januar 1820 in Thornton, Yorkshire, ist die jüngste der drei weltberühmten Schwestern. Die Pfarrerstochter arbeitete einige Jahre als Gouvernante, widmete sich aber ab 1845 ausschließlich dem Schreiben. Unter dem Pseudonym Acton Bell veröffentlichte sie neben ›Agnes Grey‹ auch ihren zweiten Roman ›The Tenant of Wildfell Hall‹ sowie einige Gedichte. Am 28. Mai 1849 starb sie in Scarborough, Yorkshire, infolge einer Tuberkuloseerkrankung. Ein Jahr später enthüllte ihre Schwester Charlotte die wahre Identität der Autorin. 

Kapitel 1

Das Pfarrhaus


In allen wahren Geschichten steckt eine Lehre; in einigen mag der Schatz allerdings schwer zu finden sein, und hat man ihn denn gefunden, ist er mitunter so erbärmlich klein, dass der dürre, verhutzelte Kern die Mühe des Nussknackens kaum lohnt. Ob dies auch auf meine Geschichte zutrifft, vermag ich nur schwer zu beurteilen. Bisweilen denke ich, sie könnte für den einen nützlich, und für wieder andere unterhaltsam sein, doch das mögen die Leser selbst beurteilen. Dank des schützenden Umstandes, dass niemand mich kennt, etliche Jahre vergangen sind und ich ein paar Namen erfunden habe, scheue ich nicht das Wagnis, der Öffentlichkeit freimütig zu unterbreiten, was ich meinem engsten Freund nicht verraten würde1.

Mein Vater war Geistlicher in Nordengland, genoss die verdiente Achtung aller, die ihn kannten, und hatte in jüngeren Jahren durch die doppelten Einkünfte aus einer mageren Pfarrpfründe2 und einem eigenen hübschen kleinen Anwesen ein recht angenehmes Auskommen. Meine Mutter, die ihn gegen den Willen ihrer Familie heiratete, war die Tochter eines Gutsherrn und eine charakterstarke Frau. Vergeblich führte man ihr vor Augen, als arme Pfarrersfrau müsse sie auf Kutschwagen und Zofe verzichten und auf all den Luxus und die Eleganz der Wohlhabenden, die sie geradezu für lebensnotwendig hielt. Eine Kutsche und eine Zofe seien große Annehmlichkeiten, aber, dem Himmel sei Dank, habe sie Füße, die sie trügen, und Hände, mit denen sie für ihre eigenen Bedürfnisse sorgen könne. Ein vornehmes Haus und weitläufige Außenanlagen seien gewiss nicht zu verachten, dennoch wolle sie lieber mit Richard Grey in einer Hütte leben, als mit irgendeinem anderen Mann auf der Welt in einem Palast.

Als er sah, dass keines seiner Argumente sie überzeugen konnte, sagte ihr Vater den Liebenden schließlich, sie könnten schon heiraten, falls sie das wünschten, aber seine Tochter werde damit ihr gesamtes Vermögen in all seinen Teilen einbüßen. Er dachte, dies werde ihr Verlangen abkühlen, doch da irrte er. Mein Vater kannte die überragenden Vorzüge meiner Mutter sehr wohl, und wusste genau, dass sie selbst ein kostbarer Besitz war, und wäre sie bereit, sein schlichtes Heim zu verschönern, dann würde er sie um jeden Preis heiraten, sie dagegen wollte lieber von der eigenen Hände Arbeit leben, als von dem Mann getrennt zu sein, den sie liebte, den sie so gern glücklich machen wollte, und mit dem sie bereits ein Herz und eine Seele war. So sollte ihr Reichtum denn den Beutel einer klügeren Schwester schwellen lassen, die einen reichen Nabob3 geehelicht hatte, und sie vergrub sich zum Erstaunen und tiefen Bedauern all derer, die sie kannten, in der bescheidenen Dorfpfarrei in den Hügeln von … Und doch bin ich mir sicher, dass sich, trotz des Übermuts meiner Mutter und der Marotten meines Vaters, in ganz England kein glücklicheres Paar hätte finden lassen.

Von sechs Kindern4 waren meine Schwester Mary und ich die einzigen beiden, die die Gefahren des Säuglingsalters und der frühen Kindheit überlebten. Da ich fünf oder sechs Jahre jünger war als sie, wurde ich immer als das Kind angesehen und war der Liebling der ganzen Familie. Vater, Mutter und Schwester verhätschelten mich allesamt – nicht etwa durch dumme Nachsicht, die mich aufsässig und unbezähmbar gemacht hätte, sondern durch fortwährende Freundlichkeit, die mich hilflos und abhängig machte, ganz und gar unfähig, den Sorgen und Wirren des Lebens zu trotzen.

Mary und ich wuchsen in vollkommener Isolation auf. Meine Mutter, die zugleich viele Talente und eine hervorragende Ausbildung hatte und sich gerne beschäftigte, nahm unsere Erziehung vollkommen selbst in die Hand, nur den Lateinunterricht nicht – den erteilte mein Vater –, sodass wir nie zur Schule gingen5. Und da wir keinen Umgang mit der Nachbarschaft hatten, fand unsere einzige Berührung mit der Welt beim Besuch einer gelegentlich stattfindenden vornehmen Teegesellschaft mit den wichtigsten Gutsherren und Kaufleuten statt, zu der wir nur erschienen, damit man uns nicht des Hochmuts bezichtigte, wir würden unsere Nachbarn schmähen, sowie einem jährlichen Besuch im Hause unseres Großvaters väterlicherseits, wo er selbst, unsere liebe Großmutter, eine unverheiratete Tante und zwei oder drei ältliche Damen und Herren die einzigen Menschen waren, die wir je zu Gesicht bekamen. Manchmal heiterte unsere Mutter uns mit Geschichten und Anekdoten aus ihrer Jugend auf, die uns nicht nur vortrefflich unterhielten, sondern auch – zumindest in mir – den unbestimmten und geheimen Wunsch weckten, etwas mehr von der Welt zu sehen.

Ich glaube, sie ist sehr glücklich gewesen, aber der Vergangenheit schien sie nie nachzutrauern. Mein Vater dagegen, der weder ein ausgeglichenes noch heiteres Gemüt hatte, war oftmals zutiefst betrübt über die Opfer, die seine liebe Frau für ihn gebracht hatte, und wälzte in seinem Kopf endlose Pläne, wie er, zu ihrem und unserem Nutz und Frommen, sein kleines Vermögen mehren könnte. Vergebens versicherte ihm meine Mutter, sie sei vollauf zufrieden, und wenn er nur ein wenig für die Kinder auf die hohe Kante legen würde, hätten sie doch alle genug, jetzt und in kommenden Tagen – aber Sparen war nicht die starke Seite meines Vaters. Er machte keine Schulden (zumindest hatte meine Mutter ein Auge darauf, dass er das nicht tat), aber hatte er Geld, so gab er es auch aus. Er hatte es im Hause gerne gemütlich und wollte seine Frau und seine Töchter gut gekleidet und betreut sehen; außerdem war er ein freigebiger Mensch und half gerne den Armen, je nach seinen Mitteln oder, wie manche urteilten, auch darüber hinaus.

Doch schließlich machte ihm ein guter Freund einen Vorschlag, wie er sein Privatvermögen auf einen Schlag verdoppeln und anschließend bis zu einem nicht genannten Betrag vermehren könnte. Dieser Freund war Kaufmann, ein Mann mit Unternehmergeist und von unbestrittenem Talent, dessen kaufmännischer Ehrgeiz vom Kapitalmangel ein wenig gezügelt wurde, der jedoch meinem Vater großzügig einen fairen Gewinnanteil anbot, falls dieser ihm so viel gab, wie er entbehren konnte; er glaubte ihm sicher versprechen zu können, es werde ihm, ganz gleich, welche Summe mein Vater ihm anvertrauen wollte, hundert Prozent Gewinn einbringen. Das kleine Erbteil wurde flugs verkauft und der gesamte Erlös in die Hände dieses freundlichen Kaufmanns gelegt, der ebenso geschwind seine Ware verschiffte und Reisevorbereitungen traf.

Mein Vater war, wie wir alle, entzückt über diese glänzenden Aussichten. Zwar waren wir fürs Erste auf die spärlichen Einkünfte aus der Pfarrei angewiesen, aber mein Vater dachte offenbar, es bestünde keine Notwendigkeit, unsere Ausgaben an diese anzupassen, sodass wir mit einer laufenden Rechnung bei Mr. Jackson, einer weiteren bei Smith und einer dritten bei Hobson sogar ein angenehmeres Auskommen hatten als zuvor, obwohl meine Mutter meinte, wir sollten uns besser einschränken, schließlich seien unsere Aussichten auf Reichtum noch ungewiss, und wenn mein Vater nur alles in ihre Hände legen würde, werde er auch nicht den Eindruck bekommen, wir müssten knausern, aber in diesem Punkt war nicht mit ihm zu reden.

Wie viele glückliche Stunden saßen Mary und ich mit unserer Handarbeit am Feuer oder wanderten über die heidebewachsenen Hügel oder lagen müßig unter der Trauerbirke (dem einzigen größeren Baum in unserem Garten), sprachen über das Glück, das uns und unsere Eltern erwartete, darüber, was wir tun und sehen und besitzen wollten; und dabei stand unsere prächtige Konstruktion auf keinen solideren Fundamenten als den Reichtümern, die uns, so erwarteten wir es, aus den erfolgreichen Spekulationen des biederen Kaufmanns zufließen sollten. Unser Vater war fast genauso unvernünftig wie wir, nur tat er so, als sei es ihm nicht recht ernst damit, indem er seine strahlenden Hoffnungen und zuversichtlichen Erwartungen in Späße und Scherze verpackte, die mir immer überaus witzig und erheiternd vorkamen. Unsere Mutter lachte vor Freude, ihn so zuversichtlich und glücklich zu sehen; und doch fürchtete sie, er nehme die Sache ein wenig zu ernst, und eines Tages hörte ich, wie sie aus dem Zimmer ging und dabei flüsterte:

»Gebe Gott, dass er nicht enttäuscht wird! Ich weiß nicht, wie er das überstehen würde.«

Enttäuscht wurde er, und zwar bitterlich. Wir waren alle wie vom Donner gerührt: Das Schiff, das unser Vermögen mit sich führte, erlitt Schiffbruch, sank mit der ganzen Ladung auf den Grund, zusammen mit einem Teil der Mannschaft und dem glücklosen Kaufmann selbst. Ich grämte mich seinetwegen; ich grämte mich, weil all unsere Luftschlösser eingestürzt waren. Aber mit der Spannkraft der Jugend erholte ich mich bald von dieser Erschütterung.

Reichtum war zwar anziehend, aber Armut barg keinen Schrecken für ein so unerfahrenes Mädchen wie mich. Um die Wahrheit zu sagen, die Vorstellung, in die Enge getrieben zu sein und selbst einen Ausweg finden zu müssen, hatte sogar etwas Beschwingendes für mich. Ich wünschte nur, Papa, Mama und Mary würden das genauso sehen wie ich; dann könnten wir, statt über vergangenes Unheil zu klagen, uns fröhlich ans Werk machen und Abhilfe schaffen. Je größer die Schwierigkeiten, je härter unsere Entbehrungen, desto größer sollte unsere Freude sein, Letztere zu ertragen, und unsere Kraft, gegen Erstere anzukämpfen.

Mary jammerte nicht, aber sie brütete beständig über dieses Unglück und versank in solcher Niedergeschlagenheit, dass keine meiner...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2012
Übersetzer Michaela Meßner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • berührende Geschichte • Demütigungen • eBook • Englische Literatur • Familienleben • Finanzielle Not • Frauenroman • Gouvernante • Gouvernantenroman • heimliche Gefühle • Hilfspfarrer Edward Weston • Historischer Liebesroman • Klassik • Klassiker • Liebe • Liebesroman • Neuübersetzung • Nordengland • Pfarrerstochter Agnes Grey • Schicksal • Soziale Ungerechtigkeiten • Viktorianischer Roman
ISBN-10 3-423-41320-4 / 3423413204
ISBN-13 978-3-423-41320-6 / 9783423413206
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 546 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Iris Wolff

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
18,99