Kühlfach 4 (eBook)

Roman
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2009 | 1. Auflage
256 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-40122-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kühlfach 4 -  Jutta Profijt
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Halt die Klappe, du bist tot! »Wer bist du?«, fragte er flüsternd. »Ich bin Pascha, der Kerl aus dem Kühlfach vier.« »Aber du bist tot, du kannst nicht mit mir sprechen«, wandte er ein. »Hast du noch nie was von Nahtod gehört? Die Seele verlässt dem Körper und macht sich dann irgendwann auf den Weg durch den Tunnel. Aber hier ist kein Tunnel, ich weiß nicht, wo ich hin soll.«  Dr. Martin Gänsewein trägt Dufflecoat, fährt Ente und sammelt Stadtpläne. Außerdem hat er täglich mit Leichen zu tun, denn er ist Rechtsmediziner - und zwar ein gewissenhafter. Wo die Seelen der Verstorbenen bleiben, überlässt er den Glaubenseinrichtungen der Angehörigen. Bis die Seele eines kleinkriminellen Prolls sich im Institut einnistet und behauptet, ermordet worden zu sein. Pascha verlangt von Gänsewein die Aufnahme der Ermittlungen ...   

Jutta Profijt wurde gegen Ende des Babybooms in eine weitgehend konfliktfreie Familie hineingeboren. Nach einer kurzen Flucht ins Ausland kehrte sie ins Rheinland zurück und arbeitete im  Projektmanagement. Heute schreibt sie sehr erfolgreich Bücher und lebt mit ihrem Mann und diversen Kleintieren auf dem Land.

Jutta Profijt wurde gegen Ende des Babybooms in eine weitgehend konfliktfreie Familie hineingeboren. Nach einer kurzen Flucht ins Ausland kehrte sie ins Rheinland zurück und arbeitete im  Projektmanagement. Heute schreibt sie sehr erfolgreich Bücher und lebt mit ihrem Mann und diversen Kleintieren auf dem Land.

EINS


Der Tag, an dem, wie ich heute weiß, alles anfing, begann übel, sozusagen auf dem untersten Level, ich hätte also gewarnt sein müssen. Allerdings, und das muss ich zu meiner Entschuldigung sagen, fingen die meisten Tage so an. Sowieso nie vor Mittag und mit einem widerlichen Geschmack im Mund, einem dicken, flusigen Otterpelz auf der Zunge, einem quälenden Heimwerkerwetthämmern im Kopf und dem üblichen Schmacht nach einer Zigarette, einem Bier und einer Frau.

Bier war keins da, für die Zigarette musste ich aufstehen und eine Frau hatte ich schon länger nicht mehr gehabt. Während ich noch ein bisschen im Restschlaf vor mich hin dämmerte, fiel es mir plötzlich ein: Ich war verdammt spät dran. Das war an den meisten Tagen kein Problem, aber an diesem Tag hatte ich einen wichtigen Termin. Einen Auftrag. Einen wichtigen Auftrag von einem wichtigen Mann. Und ich wollte alles richtig machen und hatte schon verpennt! Ich konnte von Glück sagen, dass der Druck in meinem Ablassrohr meinen seligen Schlaf unterbrochen hatte. Natürlich war es nicht der Druck im Rohr, sondern in der Blase, würde Martin jetzt sagen, denn Martin ist gern präzise. Aber damals kannte ich ihn noch gar nicht. Ich sollte ihn erst ein paar Tage später unter für mich ausgesprochen unerfreulichen Umständen kennenlernen und formulierte daher biologische Gesetzmäßigkeiten noch reichlich laienhaft und somit unpräzise.

Hätte ich geahnt, dass an diesem Tag die Weichen für den Rest meines Lebens gestellt wurden, wäre ich natürlich liegen geblieben. Aber ich hatte keine Ahnung, sehe auch jetzt im Rückblick keine Anzeichen, die auf die kommende Katastrophe hingedeutet hätten. Ich stand also auf und genauso blind, wie ich ins Bad schlurfte, lief ich in mein Verderben.

Normalerweise riskiere ich um diese Uhrzeit noch keinen Blick in den Spiegel, aber da ich schließlich noch etwas vorhatte, unterzog ich meine Erscheinung einer kritischen Inspektion. Nicht dass Sie jetzt meinen, ich würde kurz nach dem Aufwachen schon in Worten wie »kritisch« und »Inspektion« denken, auch diese Worte habe ich erst durch Martin wieder in meinen aktiven Wortschatz zurückgeholt. Ich denke kurz vor dem Duschen überhaupt nicht viel und wenn, dann nur in einsilbigen Grunz- und Brummlauten.

Ich blinzelte also einfach so lange mit den verklebten Augen, bis ich erstens erkennen konnte, wo der Spiegel hing, und zweitens einen mittleren Schock erlitt, als die Visage, die mich anstarrte, klarer wurde.

Mit dem schärferen Blick kam die Erinnerung an Bennies neues Messer zurück. Er hatte mit dem Ding herumgefuchtelt und etwas gesucht, das er zerschneiden konnte, um zu beweisen, wie scharf die Klinge ist. Seine suchenden Augen fanden – mich. Ich stand in Reichweite, er griff mit der linken Hand in meine Haare, und mit einem blitzschnellen Schnitt hatte er mir eine neue Frisur verpasst. Weil ich zuckte, und nur deshalb, betonte Bennie später, schlitzte die Klinge im Anschluss an den Haarschnitt auch noch meine linke Augenbraue auf. Eine dünne Spur getrockneten Blutes zog sich also auf dem Gesicht im Spiegel von der Augenbraue bis zum Kinn, und bei der Erkenntnis, dass diese hässliche Fratze dort meine eigene war, erschrak ich wirklich sehr.

Ich verplanschte eine Menge warmes Wasser, bis ich wieder einigermaßen zivilisiert aussah, wobei ich die letzten Jahre darauf verwendet hatte, mir genau diese, aus meinem Elternhaus stammende Zivilisation abzutrainieren. Aber mein wichtiger Auftrag erforderte ein unauffälliges Äußeres, und daher wählte ich nach der Dusche eine blaue Jeans, eine dunkle Jacke und eine Dachpappe, die das Ergebnis der Messerstecherei auf meinem Kopf einigermaßen verbarg. Ein prüfender Blick in den staubigen Spiegel meines wackeligen Kleiderschranks zeigte das Bild, für das ich mir solche Mühe gegeben hatte: Einen mittelgroßen, unauffälligen, etwas dürren Typen mit halblangen Haaren, die ich auch noch unter die Mütze steckte. Straßenköterblond mit unauffälligem Profil, gerader Nase, schwach ausgeprägtem Kinn und hängenden Schultern. Ein Allerweltstyp, den auch die neugierigsten Augenzeugen nicht konkret würden beschreiben können. So wollte ich aussehen, weil ich dachte, dass mir das irgendwie helfen würde. Alles Blödsinn!

 

Ich machte mich zu Fuß auf den Weg zum Parkplatz des »Congress-Centrum Coeln«, wie das auf Neudeutsch heißt. Wenn man ein Auto klauen will, ist es nicht ratsam, mit dem eigenen Wagen hin- und mit dem geklauten Auto wegzufahren. Die Bullen sind nicht so doof, wie manche Leute meinen. Die kommen schnell auf die Idee, die in der Nähe des Tatortes abgestellten Karren zu überprüfen, und dann kriegen sie dich schneller, als du gucken kannst. Sollten Sie sich merken, ist ein guter Rat vom Fachmann.

Öffentliche Verkehrsmittel sind vollkommen unerträglich. Deshalb ging ich ging zu Fuß, lief mir die Gehwerkzeuge platt und bekam langsam Blasen an den Fersen, weil ich das Herumpudeln nicht gewöhnt bin. Wofür hat der liebe Herrgott schließlich die Autos erfunden? Endlich kam ich also zu dem genannten Parkplatz und tatsächlich stand der voll mit den schärfsten Orgeln, die die Schwaben oder die Bayern oder welche Trachtenjodler auch immer in ihren schicken High-Tech-Fabriken zusammenschrauben. Ein Ding dicker als das nächste, tiefer, schneller, geiler. Sonderausstattungen, limitierte Editionen und Einzelmodelle nach Kundenwunsch. Fünfzig feuchte Träume auf einem halböffentlichen Parkplatz ohne nennenswerte Bewachung. Ein Parkplatz, dessen Qualifikation nicht die Sicherheit ist, sondern die Nähe zum Haupteingang. Ein Parkplatz, dessen Benutzung nur den VIP-Gästen offensteht. Ein Parkplatz mit einem einzigen Videoauge für mehrere Hundert Quadratmeter, einer Schranke, die jeder halbwegs clevere Primelkopf mit Mamis Super-Fitness-Kundenkarte öffnen kann, also die typisch deutsche Sicherheitskatastrophe. Kein Problembewusstsein, obwohl jedes Jahr in Deutschland über fünfzigtausend Autos geklaut werden. Vor Einführung der Wegfahrsperre waren es übrigens fast doppelt so viele. Und ich gehöre zu denen, die auch die kniffligen Fälle erledigen.

 

Ich ging also in der einsetzenden Abenddämmerung in meinem unauffälligen Outfit mit unauffälligem Schritt möglichst unauffällig über den Parkplatz und blickte mich um – natürlich unauffällig. Und tatsächlich, da war er. Bis zu diesem Moment hätte ich nicht geglaubt, dass es wirklich Menschen gibt, die so durch und durch unterirdisch dämlich sind. Menschen, die einen Mercedes SLR auf dem unbewachten Parkplatz vor einem Kongresszentrum abstellen und sich einbilden, dass ihre Karre noch da steht, wenn sie ihre Mister-Wichtig-Convention abgenudelt haben und vor die Tür treten, um sich in ihre Halbe-Million-Euro-Schüssel zu klemmen und nach Hause zu Mutti zu gondeln. Aber tatsächlich, zwischen den dicken Daimlern, Jaguars, BMWs und sogar einem Bentley stand er, der SLR, von dem der Auftraggeber mir berichtet hatte. Den wollte Olli haben.

 

Olli ist ein Autoschieber. Natürlich steht er nicht in den Gelben Seiten unter dem Eintrag »Autoschieber«. Er steht unter »Kfz-Werkstatt, An- und Verkauf«, und das ist im Prinzip auch richtig. Nur vertickt er weitaus mehr Autos als er ankauft, weil die Beschaffung der Differenz ohne Kaufvertrag und ähnlich lästigem Papierkram vonstatten – geht. Olli ist eine ganz große Nummer mit Kontakten in den Osten. Bestimmt denken Sie jetzt sofort an Russland oder Polen, aber das sind nicht seine Abnehmerländer. Jede Putzfrau macht inzwischen Geschäfte mit den Russen und den Polen, die sind so etabliert, dass sie schon wieder spießig sind. Olli macht Geschäfte mit einer Gang aus einem der kleinen Länder, ich kenne mich in der Ecke nicht so gut aus, den Namen habe ich mir nicht gemerkt. Ist ja auch egal. Jedenfalls kennt Olli die gesamte Nord-Süd-Ost-West-Autoschieber-Szene wie seine eigene Gesäßtasche. Mich kennt er auch gut, ich habe nämlich mal für ihn gearbeitet, bis wir wegen einer dummen Sache aneinandergeraten sind. Normalerweise wäre es weit unter seiner Würde, meine Existenz jemals wieder zur Kenntnis zu nehmen, aber gestern Abend hat er mir einen seiner Handlanger vorbeigeschickt. Der gab mir den Auftrag, in dessen Ausführung ich mich gerade befand.

 

Ich will keine Details verraten, denn einen SLR zu klauen ist eine heikle Kiste, und ich bilde mir etwas darauf ein, als einer der wenigen die notwendigen Tricks und Kniffe zu kennen. Deshalb verrate ich sie auch nicht weiter, obwohl mir das Wissen ja nun leider nichts mehr nützen wird. Aber um die Sache kurz zu machen: Ich hab das Ding vom Parkplatz weggeklaut. Leider war es durch meinen gesegneten Schlaf und den langen Fußweg inzwischen schon etwas später als geplant und die Geldsäcke, deren fahrbare Untersätze auf dem Parkplatz standen, traten gerade in Zinnsoldatenmanier und dreiteiliger Einheitskleidung vor die Tür, als ich den Motor startete. Nun ist der Sound, den ein SLR macht, nicht mit dem eines beliebigen Zweit- oder Drittwagens zu verwechseln, also drehten sich fünfzig Köpfe zu mir um, als ich die Kiste aus der Parkbucht jagte. Im Rückspiegel konnte ich noch eine angedeutete La-Ola-Welle erkennen, als neunundvierzig Arme in meine Richtung zeigten und eine Hand in die Jacketttasche fuhr, vermutlich um ein Handy rauszuholen und die Bullen zu rufen. Aber dann verlor ich das Interesse an der Szene hinter mir und konzentrierte mich darauf, mein neues Gefährt zügig, aber nicht zu schnell durch die dunkle Innenstadt Richtung Autobahnauffahrt zu lenken. In der Rushhour an einem Winterabend bei Dunkelheit und eisigem Nieselregen verschwindet selbst ein Vierzigtonner...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2009
Reihe/Serie Pascha & Martin Gänsewein
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Achtsam morden • Autoknacker • Autoschieber • Band 1 • Belletristik • Bjarne Mädel • Bones • Der Tatortreiniger • Deutschsprachige Krimis • Die Knochenjägerin • eBook • Ermittler • Forensik • Geist Pascha • günstige ebooks • günstige krimis • Hans Rath • humorvoller Krimi • Jetzt ist Sense • Karsten Dusse • Köln • Krischan Koch • Martin Gänsewein • Martin Gänsewein • Michael Tsokos • Pathologe • preiswerte ebooks • Rechtsmediziner • Regionalkrimi Köln • Rotlichtmilieu • witzige krimis
ISBN-10 3-423-40122-2 / 3423401222
ISBN-13 978-3-423-40122-7 / 9783423401227
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