Geteilte Moral (eBook)

Die westliche Wertegemeinschaft und der Streit um den Dritten Golfkrieg
eBook Download: PDF
2012 | 1. Auflage
376 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-41705-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geteilte Moral -  Andreas Göttlich
Systemvoraussetzungen
41,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der Angriff der 'Koalition der Willigen' auf den Irak im Jahr 2003 warf einmal mehr die Frage nach der Legitimität des Krieges als Mittel der Politik auf. Andreas Göttlich untersucht die Debatte aus wissenssoziologischer Sicht und deutet dabei den Dissens in der moralischen Beurteilung des Dritten Golfkriegs als Ausdruck der pluralistischen Verfasstheit der modernen Gesellschaft.

Andreas Göttlich, Dr. rer. soc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Soziologie der Universität Konstanz.

Andreas Göttlich, Dr. rer. soc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Soziologie der Universität Konstanz.

Inhalt 6
Dank 10
Einleitung 12
1. Forschungsdesign 16
1.1 Das empirische Feld 16
1.1.1 Die Irak-Debatte und ihr Gegenstand 16
1.1.2 Forschungsinteresse und Feldzuschnitt 19
1.1.3 Öffentlichkeit und moralische Selbstinszenierung 23
1.2 Erklärungsansatz 26
1.2.1 Erklärungsvarianten 27
1.2.2 Der wissenssoziologische Erklärungsansatz 32
1.3 Forschungsstand 35
1.3.1 Ideologiekritische Ansätze 36
1.3.2 Irrtumsunterstellungen 38
1.3.3 Exkurs: Die These vom westlichen Wertekonsens 40
1.3.4 Die Annahme eines Wertedissenses 42
1.3.5 Forschungsbedarf 45
1.4 Theoretische Rahmung 46
1.4.1 Realismus und Konstruktivismus: Der Ansatz der Situationsanalyse 47
1.4.2 Kollektive Sinnzuschreibungen: Das Konzept des Deutungsmusters 51
1.4.3 Moralisches Urteil und Kognition 54
1.5 Struktur und Beschaffenheit des Datenmaterials 59
1.6 Methodik 64
1.7 Aufbau der Studie 71
2. Relevanzanalysen 74
2.1 Die Relevanztheorie von Schütz und Luckmann 76
2.2 Relevanzanalyse US-Regierung 82
2.2.1 Thematische Relevanzen 84
2.2.2 Auslegungsrelevanzen 85
2.2.3 Motivationsrelevanzen 95
2.2.4 Zusammenführung 99
2.3 Relevanzanalyse Britische Regierung 101
2.3.1 Thematische Relevanzen 102
2.3.2 Auslegungsrelevanzen 102
2.3.3 Motivationsrelevanzen 111
2.3.4 Zusammenführung 114
2.4 Relevanzanalyse Katholische Kirche 115
2.4.1 Thematische Relevanzen 116
2.4.2 Auslegungsrelevanzen 117
2.4.3 Motivationsrelevanzen 125
2.4.4 Zusammenführung 129
2.5 Relevanzanalyse Evangelische Kirche 130
2.5.1 Thematische Relevanzen 131
2.5.2 Auslegungsrelevanzen 131
2.5.3 Motivationsrelevanzen 142
2.5.4 Zusammenführung 143
2.6 Kontrastierung der Relevanzstrukturen 144
2.6.1 Allgemeine Rahmung des Auslegungsprozesses 145
2.6.2 Thematische Relevanzen 147
2.6.3 Auslegungsrelevanzen 147
2.6.4 Motivationsrelevanzen 157
2.6.5 Das moralische Urteil 159
2.7 Resümee 161
2.7.1 Zwischenbetrachtung: Die Relevanztheorie als Analyseinstrument 161
2.7.2 Fazit und Ausblick 164
3. Hermeneutische Analysen 168
3.1 Argumentationsstrategien der US-Regierung 170
3.1.1 Kritik der theoretischen Kritik: Das Primat der Praxis 170
3.1.2 Die Fügung in den Weltenlauf: Die Zeugengemeinschaft 177
3.1.3 Die Adressierung zweier Publika: Split Audience 181
3.1.4 Fazit 185
3.2 Argumentationsstrategien der Britischen Regierung 186
3.2.1 Kairos: Aufgeklärtes Selbstinteresse und die Gunst der Stunde 186
3.2.2 Die Vermessung der Moral: Die Reduktion von phronesis auf episteme 190
3.2.3 Das Scheitern der Perspektivenübernahme: Die Irreziprozität der Perspektiven 195
3.2.4 Fazit 200
3.3 Argumentationsstrategien der Katholischen Kirche 201
3.3.1 Die Aufhebung der Perspektiven im Willen Gottes: Der Mensch als Gottes Geschöpf 201
3.3.2 Moralische Deduktion: Von der Regel zum Einzelfall 208
3.3.3 Religiöses Gefühl und Humanismus: Universale Werte 213
3.3.4 Fazit 220
3.4 Argumentationsstrategien der Evangelischen Kirche 221
3.4.1 Jenseits der Politik: Der Rückzug in die Innerlichkeit 221
3.4.2 Immanenz und Transzendenz: Von der Theozentrik zur Anthropozentrik 227
3.4.3 »Gott ist den Leidenden nahe«: Die Erhöhung der Opferperspektive 232
3.4.4 Fazit 240
3.5 Fazit und Ausblick 241
4. Theoriebildung 248
4.1 Theoretische Verdichtung 249
4.1.1 Das Handlungsproblem revisited: Kontingenz und Evidenz 249
4.1.2 Lösungsstrategien: Gewusstes oder Fakten? 254
4.2 Diskurs und sozialer Standort 263
4.2.1 Der Standort der Politik 264
4.2.2 Der Standort der Kirchen 289
4.2.3 Fazit 309
4.3 Perspektivengebundenheit und Universalisierungsgebot 318
4.3.1 Der Ansatz: Protosoziologie 319
4.3.2 Das Grundproblem: Perspektivengebundenheit und Perspektivenwechsel 323
4.3.3 Der empirische Fall: Die Irak-Debatte 327
4.3.4 Die Alternative: Eine freischwebende Moral? 337
4.3.5 Eine offene Frage: Formaler oder materialer Wertedissens? 340
4.3.6 Konkreter und verallgemeinerter Anderer 343
Schlussbetrachtung 348
Datenkorpus 358
Literatur 360

Am 20. März 2003 begann mit dem Angriff alliierter Truppen auf den Irak der Dritte Golfkrieg - ein Ereignis von geopolitischer Bedeutung, dessen Nachwirkungen bis zum heutigen Tag andauern. Der militärische Konflikt war Folge einer politischen Auseinandersetzung, die sich an der vermuteten Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak entzündet hatte, mit denen der dortige Machthaber Saddam Hussein seine Nachbarstaaten hätte bedrohen können. War diese Angelegenheit über mehrere Jahre Gegenstand zahlreicher Debatten im UN-Sicherheitsrat, so ging die Initiative zu einem militärischen Vorgehen gegen den Irak von der damaligen US-Regierung unter Präsident George W. Bush aus, die von einer Gefährdung der eigenen Nation beziehungsweise des Westens im Gesamten ausging, insofern nachrichtendienstliche Informationen angeblich auf eine Verbindung hinwiesen zwischen der Hussein-Regierung und islamistischen Terrorgruppen, die in den Jahren zuvor verschiedentlich US-amerikanische Ziele attackiert hatten. Der Krieg endete nach nur wenigen Wochen mit einer Niederlage des Irak, Saddam Hussein wurde gestürzt und an seiner Stelle eine Übergangsregierung installiert. Diese wurde zu Beginn des Jahres 2005 von einer vom irakischen Volk gewählten Regierung abgelöst, später im gleichen Jahr erhielt das Land eine demokratische Verfassung. Die Besatzung gilt seit Juni 2004 offiziell als beendet; die letzten US-Kampftruppen verließen indes erst Ende des Jahres 2012 den Irak.

Aufgrund seiner Bedeutung bleibt der Dritte Golfkrieg auch Jahre nach seiner Beendigung Gegenstand öffentlicher Debatten, vor allen Dingen im Bereich der Politik. In der jüngeren Vergangenheit boten etwa der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf (2008) oder der deutsche Bundestagswahlkampf (2009) Anlässe zur Thematisierung seiner Folgen. Doch auch in der wissenschaftlichen Diskussion war und ist der Irak-Krieg Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, fächerübergreifend über verschiedene Disziplinen hinweg. Dementsprechend facettenreich gestaltet sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema, zu der die vorliegende Studie ihren Beitrag leisten möchte.

Angesichts dieser bereits bestehenden Forschungsarbeiten mag der Leser fragen: Weshalb eine weitere Untersuchung des Dritten Golfkrieges? Die Antwort liegt im spezifischen Erkenntnisinteresse, das mit einem bestimmten Erklärungsansatz verknüpft ist. Die Studie beschäftigt sich nicht mit dem Krieg als solchem, sondern mit dem im Westen geführten Diskurs über den Militäreinsatz, und sie greift hierbei ein einzelnes Moment heraus: die Frage nach der moralischen Legitimität. Die entsprechende Debatte fand in den Wochen und Monaten vor Kriegsbeginn beziehungsweise in der Zeit kurz danach ihren Höhepunkt und bleibt bis heute unentschieden. Zwischen den westlichen Nationen, aber auch innerhalb derselben besteht nach wie vor kein Konsens über die Frage, ob der Angriff auf den Irak moralisch gerechtfertigt war oder nicht. Dies ist insofern bemerkenswert, als sich 'der Westen' vor allem anderen als eine Wertegemeinschaft versteht, insofern er also seine Zusammengehörigkeit von einer geteilten Menge von Wertvorstellungen herleitet. Wie ist es angesichts dessen zu erklären, dass innerhalb der sogenannten 'westlichen Wertegemeinschaft' ein und dasselbe Ereignis mit Bezug auf seine moralische Dimension diametral entgegengesetzt beurteilt wurde?

Das Forschungsziel besteht darin, eine Erklärung für den anhaltenden Widerspruch zwischen Befürwortern und Gegnern des Irak-Krieges zu finden. Hierbei setzt sich die Studie in zweierlei Hinsicht von der Mehrzahl der bestehenden Arbeiten ab: Sie intendiert erstens keine eigene Antwort auf die Frage, ob der militärische Einsatz im Irak moralisch legitim war oder nicht, sondern sie will die Antworten, die in der politischen Realität gegeben wurden, deskriptiv erfassen sowie wissenschaftlich erklären. Im Hinblick auf letzteren Anspruch ist die Grundannahme forschungsleitend, dass der Gegensatz zwischen den kontroversen Beurteilungen auf soziale Faktoren zurückzuführen ist, welche zwischen Kriegsgegnern und -befürwortern differieren und die Urteilsfindung maßgeblich beeinflussten. Somit nimmt die Arbeit zweitens einen spezifisch wissenssoziologischen Blickwinkel ein, indem sie die im Zuge der Legitimationsdebatte angeführten Argumentationen und Sichtweisen in Abhängigkeit vom sozialen Standort ihrer Träger untersucht. Hiermit verbindet sich die zusätzliche Annahme, dass moralische Urteile in der sozialen Praxis stets mit nichtmoralischen Momenten verknüpft sind und nur in dieser Verflochtenheit angemessen erklärt werden können. In der Kombination setzen der ausdrückliche Verzicht auf eine wertende Stellungnahme sowie der wissenssoziologische Erklärungsansatz die vorliegende Studie vom Mainstream der vorhandenen Literatur zum Thema ab.

Erscheint lt. Verlag 12.3.2012
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Diskursanalyse • Irakkrieg • Krieg • Legitimität • Moral • Pluralistische Gesellschaft • Wissenssoziologie
ISBN-10 3-593-41705-7 / 3593417057
ISBN-13 978-3-593-41705-9 / 9783593417059
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
PDFPDF (Wasserzeichen)
Größe: 2,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: PDF (Portable Document Format)
Mit einem festen Seiten­layout eignet sich die PDF besonders für Fach­bücher mit Spalten, Tabellen und Abbild­ungen. Eine PDF kann auf fast allen Geräten ange­zeigt werden, ist aber für kleine Displays (Smart­phone, eReader) nur einge­schränkt geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. den Adobe Reader oder Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. die kostenlose Adobe Digital Editions-App.

Zusätzliches Feature: Online Lesen
Dieses eBook können Sie zusätzlich zum Download auch online im Webbrowser lesen.

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die römische Villa als Chance für das Bauen heute

von Martin Düchs; Andreas Grüner; Christian Illies …

eBook Download (2023)
Springer VS (Verlag)
59,99
Über das Zusammenleben in einer gespaltenen Welt

von Farhan Samanani

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99