Schwanensterben (eBook)
428 Seiten
Gmeiner-Verlag
978-3-8392-3791-5 (ISBN)
Dr. Liliane Skalecki, geboren 1958 in Saarlouis, lebt seit 2001 mit ihrer Familie in Bremen und veröffentlichte bisher Sachbücher und Fachartikel sowie Chroniken und Unternehmensdarstellungen. Biggi Rist wurde 1964 in Reutlingen geboren. Nach mehreren Jahren in Australien lebt und arbeitet sie heute in Lilienthal bei Bremen.
Dr. Liliane Skalecki, geboren 1958 in Saarlouis, lebt seit 2001 mit ihrer Familie in Bremen und veröffentlichte bisher Sachbücher und Fachartikel sowie Chroniken und Unternehmensdarstellungen. Biggi Rist wurde 1964 in Reutlingen geboren. Nach mehreren Jahren in Australien lebt und arbeitet sie heute in Lilienthal bei Bremen.
Olga. Sommer 1943 8
November 2008 12
Sonja, Frühling 2006 20
November 2008 25
Sonja, Frühling 2006 59
November 2008 63
Sonja, Frühling 2006 84
Olga. Sommer 1943 89
November 2008 94
Sonja, Frühling 2006 130
November 2008 136
Olga. Sommer 1943 147
November 2008 150
Olga. Sommer 1943 166
November 2008 170
Sonja, Frühling 2007 185
November 2008 191
Sonja, Sommer 2007 214
November 2008 219
Sonja, Sommer 2007 224
November 2008 228
Olga. Sommer 1943 231
November 2008 235
Olga. Herbst 1943 249
November 2008 253
Sonja, Herbst 2007 288
November 2008 292
Sonja, Herbst 2007 298
November 2008 306
Olga. Herbst 1943 339
November 2008 342
Olga. Frühling 1945 345
Olga und Sonja. Sommer 2006 347
Sonja, Herbst 2007 351
November 2008 371
Sonja, Oktober 2008 385
November 2008 394
Sonja, Anfang November 2008 398
November 2008 405
Epilog 416
U-Boot Bunker Valentin 422
November 2008
Heute ließ einen das Wetter das trübe Grau der vergangenen Woche vergessen. Die Sonne strahlte von einem klaren, hellblauen Himmel und ein leichtes Lüftchen ließ die letzten an den Bäumen verbliebenen braunen Blätter schaukeln. Bereits zu Boden gefallenes Herbstlaub sammelte sich dort, wo der Wind es zusammengetrieben hatte. Wie jeden Tag herrschte reges Treiben auf dem Markt. Die Händler boten ihre Waren feil: Blumen auf dem Liebfrauenkirchhof, Blumen, Obst und Gemüse, Käse und Wurstwaren. Süßigkeiten, Gewürze und Tees, geflochtene Einkaufskörbe, sogar handgestrickte Socken und andere Kleidungsstücke auf dem Domshof. Um den Neptunbrunnen hatte sich eine Gruppe Jugendlicher geschart, die zum Leidwesen der Marktbesucher lautstark einen aktuellen Hit mitgrölten, der aus einer mitgebrachten Musikanlage erschallte.
Manche der Cafés entlang der Einkaufsmeile hatten nochmals Tische und Stühle ins Freie gestellt und die Gäste genossen die wohl letzte Gelegenheit in diesem Jahr draußen sitzen zu können. Auch rund um den schönen Marktplatz, der guten Stube Bremens, mit seinem herrlichen Rathaus saßen Einheimische und Touristen und gönnten sich einen dampfenden Cappuccino oder eine leckere, heiße Schokolade. Wer die Nähe zum Wasser suchte, schlenderte vom Marktplatz aus durch die Böttcherstraße mit ihren kleinen Geschäften, die Kunsthandwerk und Maritimes anboten, vorbei, um sich dann in einem der zahlreichen Biergärten entlang der Weserpromenade, der ›Schlachte‹, ein Beck’s im Sonnenschein zu gönnen.
›Wie schön kann das Leben sein. Bei diesem Wetter macht Einkaufen doppelt so viel Spaß‹, dachte sie und marschierte frohen Mutes durch die lichtdurchflutete Domshofpassage mit ihren edlen Geschäften. Bereits nach knapp drei Stunden trug sie mehrere bunte Tüten, gefüllt mit neuen Kleidern, Blusen, Schuhen und Hosen, sowie ein paar hübschen Dessous. Eine neue Handtasche befand sich natürlich auch unter ihren Einkäufen und hing lässig über ihrer rechten Schulter. Sicher darin verwahrt hatte sie neben ihrem Portemonnaie sogar ein kleines Schmuckkästchen; an dem wunderbar gearbeiteten Miniaturfabergéei, das an einer filigranen Goldkette schaukelte, war sie einfach nicht vorbeigekommen.
In der Mitte des Eis zog sich rund herum ein Goldband mit kleinen eingearbeiteten Blättchen aus grüner Emaille. Auf der oberen Hälfte tummelten sich zwei winzige Delphine aus Lapislazuli auf der opalisierenden Auster-Emaille, und in der unteren Hälfte waren kleine ineinander verschlungene Rosenzweige aus Mehrfarbgold zu sehen. Ihre russische Seele hatte gejauchzt, als sie dieses besondere Schmuckstück entdeckt hatte. Heute konnte sie nach Herzenslust shoppen, ohne ständig Preise vergleichen zu müssen und sich zu überlegen, ob sie sich das eine oder andere Stück leisten konnte. Kein Suchen an Wühltischen, kein Gedränge wie bei den einschlägigen Billigketten. Herrlich! Vor einem herbstlich dekorierten Schaufenster blieb sie stehen. Kastanien und künstliches Laub, das in poppigen Farben leuchtete, boten den Rahmen für vier Schaufensterpuppen, die in kostbare Pelze gehüllt waren. Pelz-Gravenhorst verzichtete auf die Preisauszeichnung, wer hier einkaufte, hatte Geld genug im Portemonnaie.
Eine Pelzjacke in einer der Auslagen fiel ihr ins Auge. Das war genau das was sie noch brauchte! Einen echten Pelz für den bevorstehenden Winter! Beim Betreten des Ladens klingelte eine sanfte Glocke, und die Verkäuferin hatte sie bereits im Visier, wie die hübsche, blonde, junge Frau bemerkte.
»Guten Tag, darf ich Ihnen behilflich sein?«, fragte die Verkäuferin, die schon auf sie zusteuerte.
»Danke, aber ich möchte mich zuerst kurz umsehen.«
»Aber sicher. Wenn Sie Hilfe brauchen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung«, gab die Verkäuferin, deren Namensschild sie als Frau Knecht auswies, dienstbeflissen zurück.
›Der Name scheint Programm zu sein‹, grinste die Blonde in sich hinein. Sie wandte sich den Kleiderstangen zu, an denen eine Vielzahl von verschiedenen Pelzjacken hing. Nach kurzem Durchsehen griff sie zielstrebig nach einer schneeweißen Kurzjacke aus Nerz, deren Reißverschluss mit Swarowskisteinchen besetzt war. Sie stellte ihre Tüten ab, schlüpfte aus ihrem Mantel und zog die Pelzjacke über. Ein Blick in den Spiegel genügte, um ihr zu bestätigen, dass diese Jacke wie für sie gemacht war. Sie sah fantastisch aus. Und sie konnte auch im Spiegel die Blicke Frau Knechts sehen. Offensichtlich dachte diese, sie könne sich die Jacke nicht leisten, so wie die Verkäuferin ihr zugegebenermaßen preiswertes Outfit verstohlen musterte. Die junge Frau drehte sich zu Frau Knecht um.
»Die nehm ich. Sie ist einfach himmlisch.«
»Ja, ein sehr schönes Modell. Kam erst Anfang der Woche in den Laden.« Frau Knecht machte eine kurze Pause und fuhr dann etwas verzagt fort, »ich könnte Ihnen aber auch noch ein paar andere Modelle zeigen, die, äh, preislich, äh, etwas günstiger sind …«
»Nicht nötig. Wo sind Ihre Umkleidekabinen, bitte?«
Fragend blickte Frau Knecht die blonde Frau an. Wozu brauchte die jetzt eine Kabine? Sie hatte die Jacke doch bereits an und in diesem Geschäft gab es nur Mäntel und Jacken, also bestand kein Grund Umkleidekabinen einzurichten. So ganz wohl war Frau Knecht nicht bei der ganzen Geschichte. Auch der russische Akzent der Kundin war ihr aufgefallen. Und man hörte ja allerhand von der russischen Mafia. Instinktiv zog sich Frau Knecht etwas hinter einen hohen Spiegel zurück. Die junge Frau konnte offenbar Gedanken lesen und schenkte ihr ein bittendes Lächeln.
»Na ja, ich würde gerne jetzt gleich meine neuen Sachen anziehen, die ich heute erstanden habe«, sie deutete auf die Einkaufstaschen, »und mich der Kleidung, die ich trage, entledigen. Bitte!« Die großen, stahlblauen Augen hatten etwas Unwiderstehliches an sich.
Frau Knecht warf ihre Mafiatheorie über den Haufen! So ein nettes und charmantes junges Ding konnte nichts Böses im Schilde führen. Sie lächelte verständnisvoll und nickte mit dem Kopf. »Ja, das kann ich verstehen. Kommen Sie, wir haben im hinteren Teil des Ladens einen kleinen Aufenthaltsraum, dort können Sie sich umziehen. Es ist eigentlich privat, aber ich will mal nicht so sein.«
»Sie sind ein Schatz«, strahlte die Blonde sie an.
Innerhalb kurzer Zeit war sie umgezogen, hatte ihre alten Sachen in zwei der mittlerweile leeren Tüten gestopft und begab sich zur Kasse.
»Das macht dann dreitausendfünfhundertneunundfünfzig Euro, bitte«, sagte Frau Knecht, als sie den Betrag in die Kasse getippt hatte. So ganz sicher war sie sich immer noch nicht, ob die junge Frau das bezahlen konnte, obwohl sie sah, dass die Kleider, die die Frau nun trug, nicht in irgendwelchen Billigläden gekauft worden waren. Aber, sie hatte sich getäuscht. Zwar hatte sie durchaus bereits beim Eintreten der jungen Frau die Tüten der Nobelboutiquen registriert, jedoch wusste sie aus Erfahrung, dass in den edlen Tüten oftmals Kleidung von C&A oder H&M transportiert wurde. Lächelnd zog die Blonde ein prall gefülltes Portemonnaie aus ihrer Handtasche, die auch brandneu aussah wie Frau Knecht bemerkte, und blätterte dreitausendfünfhundertsechzig Euro hin.
»Den einen Euro können Sie behalten. Für’s Umziehen!« Die Russin zwinkerte ihr zu.
Frau Knecht war sprachlos, scannte aber die Scheine über ein spezielles Lesegerät, das falsche Scheine erkennen konnte. Alle waren echt.
»Vielen Dank, und viel Vergnügen mit der Jacke«, wünschte Frau Knecht und sah der jungen Frau versonnen nach. Komisch war das ja schon. ›Die sah nicht nach Geld aus als sie reinkam. Aber was kümmert’s mich. Sie hat ja bezahlt‹, dachte die Verkäuferin bei sich.
Die junge Frau fühlte sich wie neugeboren, als sie aus dem Laden trat. Sie setzte sich ihre Dolce & Gabbana Sonnenbrille auf und genoss vergnügt, wie einige der Männer, die vorübergingen, sich nach ihr umsahen. Dann verließ sie die Passage und warf die Tüten, die ihre alten Sachen enthielten, in die nächstbeste Mülltonne. Es war wie eine Befreiung. Nun fehlte nur noch der letzte Schritt und ihre Zukunft war endgültig gesichert und ihr altes Leben vorbei.
Beschwingt überquerte sie den Domshof und wäre dabei fast mit einem jungen Mann kollidiert, der mit eiligen Schritten Richtung Bischofsnadel unterwegs war. Wie bei einem Touristen hing um seinen Hals eine Kamera mit riesigem Objektiv. Er rempelte leicht gegen ihre Einkaufstüten und setzte seinen Weg ohne ein Wort der Entschuldigung fort. Die junge Frau schmunzelte. Er hatte sie nicht erkannt. Es war einer ihrer Schüler aus dem Russischkurs, eine, wenn auch im negativen Sinne, auffallende Erscheinung mit dem ewig fettigen Haar und dem von Pickeln übersäten Gesicht. Nichtsdestotrotz hielt er sich für umwerfend, nannte sich hochtrabend Journalist einer führenden Bremer Tageszeitung und hatte sie unzählige Male, natürlich erfolglos, zu einer Verabredung drängen wollen. Als sie ihm ihre letzte Abfuhr erteilt hatte, hatte er ihr mit hasserfülltem Blick ›Du eingebildete Russenschlampe!‹ an den Kopf geworfen. Und nun, obwohl er nach wie vor keinen Blick von ihr lassen konnte, war er heute an ihr vorbeigerannt, als wäre sie eine gänzlich Fremde. Genau das hatte sie gewollt. Aus dem unbedeutenden Entlein war bewunderungswürdiger Schwan geworden.
Am Fußgängerüberweg Richtung Bischofsnadel musste der junge Mann anhalten, die Linie 4 durchfuhr eben die Straße mit lautem Gerumpel und die Fußgängerampel zeigte das rote Stehmännchen....
Erscheint lt. Verlag | 13.2.2012 |
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Reihe/Serie | Kommissar Heiner Hölzle | Kriminalromane im GMEINER-Verlag |
Verlagsort | Meßkirch |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 1943 • 20. Jahrhundert • 70er Jahre • Bremen • Bremenkrimi • Bremen, Kriminalroman, Zwangsarbeit, Pferde, • Dunkle Vergangenheit • Geheimnisse • heiße spur • Kriegsjah • Kriminalroman • Mordfall • Pferde • Pferde, • Pferdepfleger • Reitanlage • Reiten • Reiter • Reiterhof • Reitsport • Routine • Verdächtiger • Vergangenheit • Zwangsarbeit |
ISBN-10 | 3-8392-3791-2 / 3839237912 |
ISBN-13 | 978-3-8392-3791-5 / 9783839237915 |
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