Meine erste Ampel (eBook)
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-45691-4 (ISBN)
Matthias Jung, Jahrgang 1978, lebt mit seiner Familie in Mainz. Nach seinem Pädagogikstudium arbeitete er als Comedy-Autor u.a. für «7 Tage 7 Köpfe» und tritt als Comedian und Kabarettist in ganz Deutschland auf. Zurzeit ist er mit seinem neuen Programm «Jung, komm bald wieder» auf Tour und gibt rund 150 Vorstellungen pro Jahr - u.a. für den «Quatsch Comedy Club», «Nigthwash» und das Clubschiff «AIDA». Mehr über den Autor erfahren Sie unter: www.jungmatthias.de.
Matthias Jung, Jahrgang 1978, lebt mit seiner Familie in Mainz. Nach seinem Pädagogikstudium arbeitete er als Comedy-Autor u.a. für «7 Tage 7 Köpfe» und tritt als Comedian und Kabarettist in ganz Deutschland auf. Zurzeit ist er mit seinem neuen Programm «Jung, komm bald wieder» auf Tour und gibt rund 150 Vorstellungen pro Jahr - u.a. für den «Quatsch Comedy Club», «Nigthwash» und das Clubschiff «AIDA». Mehr über den Autor erfahren Sie unter: www.jungmatthias.de. Matthias Jung, Jahrgang 1978, lebt mit seiner Familie in Mainz. Nach seinem Pädagogikstudium arbeitete er als Comedy-Autor u.a. für «7 Tage 7 Köpfe» und tritt als Comedian und Kabarettist in ganz Deutschland auf. Zurzeit ist er mit seinem neuen Programm «Jung, komm bald wieder» auf Tour und gibt rund 150 Vorstellungen pro Jahr - u.a. für den «Quatsch Comedy Club», «Nigthwash» und das Clubschiff «AIDA». Mehr über den Autor erfahren Sie unter: www.jungmatthias.de.
1. KAPITEL: Die neue Welt
Eines Tages kam meine Mutter mit ernster Miene zu mir und sagte: «Bub, es wird Zeit für eine eigene Wohnung!» Ich erschrak und stammelte: «Okay, meinetwegen, ich komm mit Vater schon allein klar. Ich wünsch dir alles Gute!»
Aber natürlich hatte sie meinen Auszug im Sinn. Sie erklärte mir, dass Kinder irgendwann mal das Nest verlassen müssen, draußen den Ernst des Lebens kennenlernen und Erfahrungen sammeln sollen, die für die Zukunft und die eigene Entwicklung wichtig sein können. In Wirklichkeit brauchte sie mein Zimmer als Lager für ihren neuen Staubsauger «Vorwerk 3000»! Den Text vorher hatte sie sich in der Telenovela Sturm der Liebe abgeschaut.
Da ich stark mit dem Landleben verbunden war und die Leute sehr mochte, konnte ich mir einen Auszug aus unserem Dorf lange nicht vorstellen. Doch dann entschied ich mich, etwas zu erleben und endlich mit Menschen Bekanntschaft zu machen, deren Lebensläufe meine Mutter nicht en détail kennt.
Ein paar Monate später war es schließlich so weit, und nicht meine Mutter, sondern ich zog in die Stadt – nach Köln. Es kommt ja durchaus häufiger vor, dass Menschen dem Land den Rücken kehren und in die Großstadt ziehen: aus beruflichen oder familiären Gründen, oder weil sie zumindest einmal in ihrem Leben eine zweistellige Hausnummer gesehen haben wollen. Wenn Sie zu diesen Menschen zählen, müssen Sie sich über eines im Klaren sein: Im Großstadtdschungel warten unglaubliche Dinge auf Sie. So kann es beispielsweise passieren, dass Sie plötzlich, ganz unverhofft, überraschend, vor einer Ampel stehen. Wenn es Ihre erste Ampel ist, müssen Sie damit erst einmal zurechtkommen. Möglicherweise stehen Sie auch nichtsahnend an einer Ampel und sehen plötzlich einen Briefkasten, auf dem tatsächlich unter «Leerung» Uhrzeiten stehen und nicht Tage. Atmen Sie tief durch, denn glauben Sie mir: Solche Briefkästen sind in der Stadt keine Seltenheit, sondern mittlerweile Standard. Manchmal werden sie sogar abends geleert!
Der Wunderlichkeiten nicht genug, gibt es Straßen, die eigene Namen tragen, Straßen mit Mittelstreifen und Straßen, deren Hausnummern dreistellig sind – zum Teil und jetzt halten Sie sich fest –, mit Buchstaben! In diesem Fall sollten Sie allerdings zunächst wegschauen, um eine zu starke Reizüberflutung zu vermeiden. Mein Vater hat sich diesem visuellen Input erst nach mehreren Besuchen ausgeliefert. Nun besitzt er ein T-Shirt mit der Aufschrift: «Köln – Venloer Straße 1453 – ich war dabei!»
Machen Ihnen solche Herausforderungen nichts aus, und fühlen Sie sich bereit für etwas Neues? Dann steht einem Besuch oder sogar einem Umzug in die Stadt nichts mehr im Wege.
WISSEN: Landflucht
Seit dem Jahr 2007 wohnt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, während 1950 noch 70 % auf dem Land lebten. Nach Prognosen der UNO wird der weltweite Anteil der städtischen Bevölkerung bis 2030 auf über 60 % steigen und im Jahr 2050 rund 70 % erreichen.
Auch in meiner Heimat verlassen immer mehr Menschen unser Dorf. Am besten lässt sich dieser Trend bei der Hüffelsheimer Kirmes beobachten. Dort bildet sich schon nach kurzer Zeit eine immens große Schlange. Jedoch nicht vor dem Kinderkarussell, der Schießbude oder dem Auto-Scooter. Sondern vor dem Schild mit der Aufschrift: «Junger Mann zum Mitreisen gesucht!»
Was den Umzug in die Stadt angeht, ist es enorm wichtig, dass Sie genug Zeit einplanen. Auch für das Ausleben der vielen emotionalen Momente, die im Vorfeld einer solchen Reise in einen neuen Lebensabschnitt nicht zu unterschätzen sind. So müssen Sie zum Beispiel damit rechnen, dass die gesamte Dorfkapelle zum Abschied spielt, der Männer-Gesangsverein «Kein schöner Land» schmettert, der Bürgermeister in seiner Stretchkutsche mit vier Pferden vorfährt, um eine tränenreiche Rede zu halten, sowie Nachbarn und Freunde lang und breit alles Gute für die Zukunft wünschen. Das war jedenfalls bei meinem ersten Umzug der Fall. Und da bin ich nur bei meinen Eltern vom Kinderzimmer im ersten Stock in den Keller gezogen.
Am Tag meines endgültigen Auszugs war meine Mutter sehr traurig und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Geschluchzte Sätze wie «Bub, bleib doch da!», «Du kannst deine Mutter doch nicht alleine lassen!» und «Wer soll im Mai denn jetzt die Bohnenstange stecken?» häuften sich.
Man muss allerdings dazu sagen, dass meine Mutter einfach immer weint – wirklich bei jedem Anlass. Sie hat sogar geheult, als ich mit dreizehn Jahren mein Seepferdchen gemacht habe. Zugegebenermaßen war das auch eine sehr schwere Geburt, denn ich habe es einfach nicht geschafft, den Ring vom Beckenboden heraufzuholen. Ich wollte und konnte einfach nicht so lange die Luft anhalten. Mittlerweile klappt es allerdings ganz gut, was mir in so mancher Bahnhofstoilette zugutekommt. Meine Mutter schafft es sogar, drei Minuten lang nicht zu atmen, was ihr nach Vaters Toilettengang auf jeden Fall zugutekommt. Sie versucht offensichtlich, das Seepferdchen auf dem zweiten Bildungsweg nachzumachen.
So oder so, schließlich musste sich meine Mutter doch mit meinem Auszug abfinden. Ihre Hauptsorge galt jetzt dem Umstand, ob ich eine Jacke anhatte. Das war, sobald ich das Haus verließ, immer das Allerwichtigste. Sollte ich jemals auf dem «Walk of Fame» in Hollywood einen Stern bekommen und das auf allen Sendern der Welt zu sehen sein, wird meine Mutter immer noch zu meinem Vater sagen: «Da, schau! Jetzt hat der Bub schon wieder keine Jacke an!»
Die meisten meiner Freunde indes freuten sich über meinen Auszug, sahen sie doch darin die Chance, mich zu besuchen und abends so richtig auf die Piste gehen und einen draufmachen zu können. Andere Freunde kommentierten den Umzug lediglich wortkarg mit: «Muh».
Doch irgendwann waren alle Sachen verstaut, die Dorfkapelle sturzbesoffen, die Mutter beruhigt und die Einkaufszettel der Nachbarn im Gepäck verstaut. Ebenfalls mit dabei: mein heißgeliebtes Navigationssystem.
TOP 3
Was sagt ein Navigationssystem, wenn es nach Hüffelsheim muss?
3. «Muss ich da wirklich mit?»
2. «Bitte wenden!»
1. «Warum bin ich kein Toaster geworden?!»
TOP 3
Was sagt ein Navigationssystem, wenn es in Hüffelsheim ankommt?
3. «Wo sind wir denn hier?»
2. «Bitte, bitte, bitte wenden!»
1. «Warum bin ich immer noch kein Toaster geworden?!»
Es ist bereits mein zweites Navi. Das erste hat meine Mutter auf dem Gewissen. Sie benutzte häufig mein Auto und fährt leider so schlecht, dass die Stimme irgendwann krächzte: «Ich habe mein Burnout-Syndrom erreicht!» Selbst nach einer aufwendigen Reparatur war es nie wieder dasselbe. Sobald ich es in den Zigarettenanzünder steckte, um es anzuschließen, wurde es so verzweifelt, dass es ausschließlich den Weg zu einem Bahnübergang oder zu einem Fluss anzeigte.
Aber mit meinem neuen Navigationssystem bin ich äußerst zufrieden. Für die Anweisungen habe ich eine Prominenten-Stimme ausgewählt: die des Paten aus dem gleichnamigen Film. Am Anfang war das zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig, denn sobald ein holländisches Fahrzeug vor mir fährt, sagt der Pate: «Lass es wie einen Unfall aussehen!» Aber das ist nichts gegen die Navi-Stimme im Auto meines Vaters: Barack Obama. Meinem Vater gefiel dessen positive Art. Wenn er im Parkverbot parkt, sagt Obama: «Yes, we can!» Und wenn meine Mutter auf der Fahrerseite einsteigt: «We need a change!» Die Fahrkünste meiner Mutter hatten sich wohl unter den Navis rumgesprochen.
Für meine Mutter ist ein Navigationssystem immens wichtig, denn sie hat keinerlei Orientierungssinn, in einer Großstadt schon mal gar nicht. Ich hatte früher mal eine Fototapete von New York an meiner Kinderzimmerwand. Das hat meine Mutter so verwirrt, dass mein Vater sie regelmäßig am Times Square abholen musste – zwischen meinem Schreibtisch und meinem Bett. Meine Mutter könnte auch nie Formel 1 fahren, sie würde es sogar schaffen, auf einem Rundkurs falsch abzubiegen.
Außerhalb ihres Hauses fühlt sie sich so orientierungslos, dass sie ständig fragt: «Ob wir hier richtig sind?» Ich beruhige sie dann immer mit den Worten: «Mutti, warte doch erst einmal ab. Wir sind gerade erst aus der Garage gefahren!» Das ist zuweilen recht nervig. Stellen Sie sich vor, Ihr Flugzeug stürzt mitten in der Sahara ab, alle Passagiere überleben. Sie steigen aus dem Flieger aus, und das Erste, was Sie vernehmen, ist der Satz meiner Mutter: «Ob wir hier richtig sind?» Glauben Sie mir, das wollen Sie in dem Moment nicht hören! Wäre ich unter den Passagieren, würde sie mich sofort auffordern: «Bub, zieh dir eine Jacke an!» Das will ich in der Wüste auf keinen Fall hören.
Wenn Sie mit einem ähnlichen Orientierungssinn gesegnet sind wie meine Mutter oder angesichts zweispuriger Straßen gerne mal in Panik geraten, sollten Sie sich also für Ihre Fahrt in die Stadt unbedingt ein Navigationsgerät besorgen. Und dann: ab auf die Autobahn und herzlich willkommen im Land der unbekannten Nummernschilder!
Ihnen wird bei dem Gedanken sicherlich etwas schwindelig. Das kann natürlich an der...
Erscheint lt. Verlag | 1.2.2012 |
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Illustrationen | Matthias Jung |
Zusatzinfo | Mit 18 s/w Abb. |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Deutschland • Dorf • Großstadtleben • Humor • Knigge • Komiker • Landeier • Landjugend • Stadtbewohner |
ISBN-10 | 3-644-45691-7 / 3644456917 |
ISBN-13 | 978-3-644-45691-4 / 9783644456914 |
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