Die Kinderhexe (eBook)

(Autor)

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2011 | 1. Auflage
384 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-45431-6 (ISBN)
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Hexen müssen brennen - und wenn es Kinder sind. Würzburg zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges: Grausam wütet der Hexenwahn, die Scheiterhaufen lodern höher als je zuvor. Als auch die alte Hebamme Babette sterben muss, schwört ihr Pflegekind Kathi Rache. Zusammen mit einer Freundin gibt sie an, auf einem Hexensabbat Bürger der Stadt gesehen zu haben. Die Nachricht vom Hexenflug der Mädchen verbreitet sich wie ein Lauffeuer, und bald kann niemand mehr seiner Haut sicher sein. Immer mehr Männer und Frauen fallen den tödlichen Bezichtigungen zum Opfer. Und am Ende sehen sich auch die Kinder selbst vom Feuertod bedroht ...

Roman Rausch, 1961 in Mainfranken geboren und aufgewachsen, arbeitete nach dem Studium der Betriebswirtschaft im Medienbereich und als Journalist. Für seine Würzburger Kommissar-Kilian-Krimis wurde er 2002 auf der Leipziger Buchmesse und 2011 mit dem Weintourismuspreis ausgezeichnet. 2015 folgte der Bronzene HOMER für «Die letzte Jüdin von Würzburg». Er lebt als Autor und Schreibcoach in Würzburg und Berlin.

Roman Rausch, 1961 in Mainfranken geboren und aufgewachsen, arbeitete nach dem Studium der Betriebswirtschaft im Medienbereich und als Journalist. Für seine Würzburger Kommissar-Kilian-Krimis wurde er 2002 auf der Leipziger Buchmesse und 2011 mit dem Weintourismuspreis ausgezeichnet. 2015 folgte der Bronzene HOMER für «Die letzte Jüdin von Würzburg». Er lebt als Autor und Schreibcoach in Würzburg und Berlin.

3


Grit hatte behauptet, sie sei bereits sechzehn Jahre alt. In Wirklichkeit war sie aber erst vierzehn. Das hätte gemeinhin keinen Unterschied gemacht, wenn nicht ein angesehener Stadtrat darauf hereingefallen wäre.

Grits Brüste hatten sich im letzten Jahr prächtig entwickelt, ebenso ihre Hüften, die sie mittlerweile vortrefflich zu schwenken verstand. Die Männer schenkten ihr viel Aufmerksamkeit dafür. Das kupferrote Haar reichte ihr bis auf den Rücken, und wann immer sich die Gelegenheit bot, trug sie es offen. Außerdem besaß sie ein verschmitztes Lächeln, das mitunter Begehrlichkeiten weckte. Das kümmerte Grit jedoch nicht. Solange die Kerle für ihre Gesellschaft zahlten, konnten die sich einbilden, was sie mochten.

Valthin, der Wirt des Gasthauses Stachel am Markt, wusste das zu seinem Vorteil zu nutzen. Seitdem er Grit in seine Dienste genommen hatte, waren die Tische in der Gaststube wieder besser besetzt, und der dünne Wein rann leichter die Kehle hinunter. Gerne ließen sich die Kerle von ihr den Wein einschenken – und der Phantasie freien Lauf. Meistens waren es ungehobelte Burschen, die er mit dem Stock disziplinieren musste, wenn sie zu dreist wurden.

Mitunter kam es vor, dass ein Reisender Gefallen an der hübschen Bedienung fand und alle Vorsicht in der fremden Stadt fahrenließ. Wenn Grit ein Geschäft witterte, setzte sie sich zu ihm und hörte aufmerksam zu, woher der Fremde kam, wohin er wollte und ob er alleine reiste. Jenseits der Stadttore, in sicherer Entfernung zu den Landsknechten des Bischofs, sollte sich seine Offenheit rächen. Der Überfall kam überraschend, aber präzise. Grits Komplize wusste, wo und wonach er suchen musste.

An diesem Morgen brannte Grits Herz lichterloh. Sie war zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt. Das spürte sie genau, denn noch nie zuvor hatte sich ein Mann so sehr für sie eingesetzt wie der Stadtrat Christian Dornbusch. Vielleicht hatte er ihr sogar das Leben gerettet, denn mit dem Hexenkommissar Doktor Faltermayer war nicht zu spaßen.

Es war vor drei Nächten gewesen. Faltermayer war mit seinem Kollegen Doktor Dürr und dem Stadtrat Dornbusch im Stachel zu Gast gewesen. Die vornehmen Herren hatten Wichtiges zu besprechen und deshalb in einem Nebenraum Platz genommen. Valthin war ganz aufgeregt wegen des hohen Besuchs, der sich in diesen Zeiten nur selten einstellte. Er schickte nach dem besten Wein, den sein leerer Keller noch hergab, und trug Grit auf, besonders umsichtig mit dem Stadtrat und den Hexenkommissaren zu sein. Sie seien allesamt gottesfürchtige Männer, die es nicht schätzten, wenn sich junge Dinger allzu offenherzig benähmen.

Nach dem zweiten Krug Wein musste sie jedoch feststellen, dass Alkohol bei den hochgestellten Herren die gleiche Wirkung zeigte wie bei allen anderen. Auch sie fanden Gefallen an der jungen, hübschen Grit – mit einer Ausnahme: der Stadtrat Christian Dornbusch. Er war nicht nur jünger als die anderen, sondern auch besser aussehend und zurückhaltender. Die schwarze Robe und der weiße Kragen machten zwar einen würdevollen und distanzierten Eindruck, aber Grit merkte bald, dass sich dahinter doch ein anderer Mensch verbarg. Er wirkte weniger herrisch und prahlend als Faltermayer, dessen Blicke und Anzüglichkeiten ihm sichtlich unangenehm waren.

Grit duldete die Avancen, so wie es Valthin ihr aufgetragen hatte. Das fiel ihr nicht weiter schwer, denn sie beachtete Faltermayer überhaupt nicht. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich ganz auf den jungen Stadtrat. Dieser erwiderte ihre Zuneigung jedoch kein bisschen, er wich den Blicken und dem koketten Lächeln sogar aus.

«Verzeiht, Herr», sprach sie ihn in einem günstigen Moment an. «Gefalle ich Euch nicht?»

Christian Dornbusch zeigte sich überrascht, fast schien es, als erröte er. «Was hast du gesagt?»

«Ich fragte, ob ich Euch unangenehm bin?»

«Wie kommst du darauf?»

«Nun, Ihr beachtet mich nicht.»

Er räusperte sich. «Du irrst. Ich habe dich durchaus gesehen, aber ich frage mich, ob das ein Ort für ein junges, hübsches Mädchen ist.»

«Ich bin kein Mädchen mehr. Ich bin älter, als Ihr denkt.»

«Recht hat sie», fiel ihr Faltermayer ins Wort. «Schaut sie Euch nur an. Sie hat alles, was eine gebärfähige Frau haben sollte.» Dabei klatschte er ihr aufs Hinterteil, wie es die Pferdehändler machten, wenn sie besonders zufrieden mit einem ihrer Gäule waren. Der andere Hexenkommissar, Dürr, lachte verhalten. Er war eine beängstigende Erscheinung – schmal und bleich, dem Tod ähnlich.

Die Bemerkung widerte Christian sichtlich an, es war klar, in welche Richtung sie zielte. Seine Frau Felicitas und er hatten zum dritten Mal eine Fehlgeburt zu beklagen. Die Hausbediensteten fragten sich allmählich, was mit der Herrin nicht stimmte. Sie war eine gesunde junge Frau. Es sprach überhaupt nichts dagegen, dass sie ihrem Mann endlich die Nachkommenschaft sicherte. Folglich musste etwas anderes dahinterstecken.

Eine Magd wollte eine Erklärung kennen. Die junge Herrin nimmt es gar zu streng mit der Sitte. Statt Rosenkranz und Weihwasser sollte sie es einmal mit dem Wein versuchen … oder mit einem Liebhaber.

Doch Wein war in den Augen von Felicitas Teufelszeug, ebenso wie das Vergnügen. Freude empfand sie allein in der Hingabe zu Gott. Christian glaubte zwar auch an die Heilsbotschaft, doch weit weniger verkrampft als Felicitas. Manchmal wünschte er, der Herr führe hernieder und gäbe seiner jungen Frau mehr Gelassenheit. Doch dieser Wunsch ging nicht Erfüllung. Das Einzige, was ihm geschenkt wurde, war ein totes Kind nach dem anderen.

Grit ahnte davon nichts. «Hört nicht auf sie, edler Herr. Sie können mir nicht wehtun. Ich sehe sie nicht einmal.»

Die anmaßende Bemerkung ging dem vornehmen Faltermayer zu weit. «Hüte deine Zunge. Du wärst nicht die Erste, die ihr Schandmaul im Feuer büßt.»

«Weil ich die Wahrheit spreche, Herr?», antwortete sie.

«Weil du ein freches und vorlautes Weibsbild bist. Weißt du nicht, mit wem du sprichst?»

Christian Dornbusch gebot ihr innezuhalten. «Schweig, Kind. Du spielst mit deinem Leben.»

Doch Grit kannte keine Hemmungen. Bisher war immer alles gutgegangen.

«Beim Wein sind alle Männer gleich. Da schert es mich nicht, wenn die Hand, die mich berührt, die eines Bischofs oder die eines Bettlers ist.»

Faltermayer fuhr auf. «Hat man dir den Verstand verhext?» Er schaute sich nach einem Stadtknecht um, der das liederliche Weibsbild festnehmen sollte.

Dornbusch trat ihm entgegen. «Werter Hexenkommissar, beruhigt Euch. Sie ist noch ein Kind, das nicht weiß, was es sagt.»

«Sie hat den Verstand verloren.»

«Daher lasst Gnade walten.»

«Viel zu lange schon treiben diese verrückten Weibsbilder ihr Unwesen in der Stadt. Erst letzte Woche hat eine ihrem Mann das Essen vergiftet. Jetzt liegt sie auf der Streckbank. Würde mich nicht wundern, wenn sie morgen brennt.»

«Nicht so eifrig mit dem Brennen», erwiderte Dürr. «Wir haben nicht mehr so viele Frauen in der Stadt, die es wert wären, geschwängert zu werden. Denkt an morgen, denkt an den Säckel des Bischofs.»

«Schweigt», entgegnete Faltermayer, «solche Reden hört unser gnädiger Herr nicht gerne. Ihr wisst, dass er alles zum Wohle seines Volkes tut. Schließlich waren es die Bürger dieser Stadt, die ihn dazu angehalten haben.»

Die Herren besannen sich. Christian Dornbusch nutzte den Moment und drängte Grit zu gehen. «Verschwinde, schnell, bevor es sich der Hexenkommissar anders überlegt.»

«Begleitet Ihr mich?», fragte sie keck.

Er glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. «Willst du’s drauf ankommen lassen?»

Ohne eine Antwort zuzulassen, schob er sie hinaus und setzte sich wieder.

«Jetzt lasst uns nicht länger lamentieren», sagte Dürr und erhob seinen Becher zum Prost. «Herr im Himmel, gib uns die Einsicht zu erkennen, welches Weibsbild den Tod verdient hat und welches sich besser vorher aus dem Staub hätte machen sollen.»

Sie leerten die Becher in einem Zug, nur Christian Dornbusch nicht. Er hielt den Becher zwar in der Hand, aber mit diesen beiden Hexenjägern wollte er nicht trinken.

«Was ist mit Euch, Dornbusch? Zu fein, mit uns zu trinken?»

Noch immer zögerte er.

In diesem Augenblick spürte Grit, die ihn von der Tür aus beobachtete, wie es um das Seelenheil des jungen Stadtrats bestellt war. Er gehörte nicht zu diesen feinen Herren, trotz des schwarzen Gewands und der weißen Halskrause, die nur die Rechtschaffenen trugen. Er hatte seinen eigenen Kopf, und er war gerade drauf und dran, ihn zu verlieren.

Doch so dumm würde er nicht sein, sagte sie sich. Er würde sich schnell aus der Situation befreien, so wie er es mit ihr gemacht hatte.

Christian Dornbusch erhob sich. «Habt Dank für die Einladung, werte Herren. Doch ich muss nun gehen.»

«Wohin des Wegs?», fragte Faltermayer.

«Mein Eheweib liegt krank zu Bett. Ich versprach ihr, sie nicht lange warten zu lassen.»

Jeder wusste, was damit gemeint war. Die strenge Felicitas achtete darauf, dass ihr Mann dem Alkohol fernblieb. Faltermayer und Dürr konnten sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen.

Grit rief ihm leise zu: «Kommt, werter Herr, bevor Ihr eine Dummheit begeht.»

Sie sah ihn zögern, doch dann kam er zu ihr hinter die Tür.

Sie nahm ihn an der Hand. «Hier entlang», sagte sie und führte ihn in den Hof.

«Was hast du vor?»

Der efeuumrankte Hof des Stachels war mit zwei Fackeln nur spärlich erleuchtet. Die Tische waren bereits abgeräumt und die letzten Zecher auf dem Weg nach Hause. Grit schnappte sich...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2011
Zusatzinfo Mit 2 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Bayern • Dreißigjähriger Krieg • Feuertod • Gerüchte • Hexenverfolgung • Hexenwahn • Kinder • Rache • Scheiterhaufen
ISBN-10 3-644-45431-0 / 3644454310
ISBN-13 978-3-644-45431-6 / 9783644454316
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