Narzissmus - die Wiederkehr (eBook)

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2009 | 1. Auflage
246 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-74751-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Narzissmus - die Wiederkehr -  Hans-Werner Bierhoff,  Michael J Herner
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Egoistische Partner, überhebliche Arbeitskollegen, eitle Medienstars. Menschen, die ausnahmslos von sich selbst überzeugt sind, begegnen uns ständig. Selbstverliebt und egoistisch andere deklassierend stellen sie ihre Person über alles. Mit ihrer Sucht nach Zuwendung und Anerkennung tyrannisieren sie ihr Umfeld, entwickeln realitätsferne Größenphantasien und sind der Meinung, dass sie der 'Stern sind, der alles überstrahlt'.Der bereits in der griechischen Mythologie verwurzelte Mythos vom Narziss ist heute aktuell wie nie zu vor. Anhand von Forschungsbefunden und spannenden Beispielen aus der Praxis zeigt dieses Buch, wie sich die narzisstische Persönlichkeit äußert und wann sie krankhaft ist. Unterhaltsam von herausragenden Wissenschaftlern geschrieben, beleuchtet 'Narzissmus - die Wiederkehr' das zeitlose Phänomen des Narzissmus anhand plastischer Beispiele und gibt wissenschaftlich bewiesene Antworten zum Wie, Warum, aber auch zum Umgang damit. Ein Fragebogen zur Selbsterforschung rundet den Inhalt ab.

Inhaltsverzeichnis 6
Vorwort 10
1 Einleitung 14
2 Narzissmus: Der Dauerbrenner 18
Ich bin ein Superstar! 19
Mythos Narziss 22
Grundlagen des Narzissmus 28
Die Macht der Narzissten 30
Der Machertyp 31
Agentisches Modell des Narzissmus 32
3 Narzissten im Behandlungszimmer 42
Sigmund Freuds « Zur Einführung des Narzissmus» 42
Fallbeispiel 46
Der Überlegenheits-Komplex 50
Der Nobelpreis-Komplex 52
Narzissten in einer gespaltenen Welt 55
Fallbeispiel 61
Die Analyse des Selbst und der Narzissmus 62
Fallbeispiel 67
Fortsetzung des Fallbeispiels 68
Übertragungen: Neuauflage früherer Erlebnisse 70
Narzisstische Persönlichkeitstypen 75
Welche Merkmale machen nun den Narzissmus aus? 77
4 Narzisstische Illusionen und Realitäten 92
Positives Tuning 92
Normaler und pathologischer Narzissmus: ein Ausblick 93
Bedrohtes, klassisch narzisstisches, idealistisches und hypochondrisches Selbst 99
5 Person und Situation: Narzissten in der Interaktion 106
Diagnostisches Standardverfahren 107
Narzissten sind die unverträglichen Extravertierten 114
Es sind wieder einmal die Männer 118
Macht oder Intimität? 120
Fallbeispiel 121
Wer riskant spielt, hat Angst vor der Pleite 122
Wonach strebt das Selbst? 125
Wie Ikarus: Selbstüberschätzung über den Wolken 126
Fallbeispiel 128
Es gibt nichts, was es nicht gibt: Selbsthandicaps und Selbstsabotage 131
Fallbeispiel 132
Der tägliche Kampf um Bewunderung 135
Stolzes Auftreten und leise Ängste 140
Fallbeispiel 144
Was erwarte ich von mir? 146
Wer bin ich wirklich? 147
Was erwarte ich vom anderen? 148
Grandiose Perspektiven, verwundbare Seele 149
6 Die Welt der Schönheit 156
Babyface 159
Was macht den Mann und die Frau attraktiv? 160
Fallbeispiel 162
Was erwarte ich von mir? 165
Wer bin ich wirklich? 167
Was erwarte ich vom anderen? 168
Wer ist die Schönste im ganzen Land? 170
7 Wie es sich anfühlt, einen Narzissten zu lieben 176
Lässt sich Liebe begreifen? 176
Sucht nach Bewunderung und Assoziation mit idealisierten anderen 178
Sechs Farben der Liebe 184
Narzisstische Spiele 187
Die Wirkung von Narzissten: auf den ersten und auf den zweiten Blick 191
Nähe und Bindung? Bitte nicht! 194
Ich brauche viel Platz, oder ich fühle mich eingeengt 197
Rein und raus aus der Liebe 201
Fallbeispiel 203
Was erwarte ich von mir? 205
Wer bin ich wirklich? 205
Was erwarte ich vom anderen? 207
Wer ist der andere wirklich? 207
Abschließender Fallkommentar 208
Die anderen sind für mich da! 209
Komplementärnarzissten 211
Narzisstische Liebe: ein Ausblick 212
8 Ich bin, was ich bin, weil ich mich selbst gefunden habe: Können Narzissten einen konstruktiven Weg im Leben finden? 214
Balance zwischen Eigenverantwortung und sozialer Verantwortung 215
Positive Selbstidentität 217
Anhang 220
Literaturverzeichnis 224
Sachregister 236
Personenregister 244

3  Narzissten im Behandlungszimmer


Ende des 19. Jahrhunderts nahm die wissenschaftliche Diskussion über den Narzissmus ihren Anfang. An der Diskussion war Sigmund Freud schon früh beteiligt: Mit dem 1914 veröffentlichten Werk «Zur Einführung des Narzissmus»43 schenkte er dem Thema große Aufmerksamkeit. Freuds frühe Arbeit hat nachfolgende Arbeiten zum Narzissmus maßgeblich beeinflusst. Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf Freuds Ansatz zu werfen.

Sigmund Freuds «Zur Einführung des Narzissmus»


Um was geht es? Der Nestor der modernen Narzissmusforschung, der New Yorker Psychiater Otto Kernberg, kennzeichnet Freuds Ansatz wie folgt:

«Er erforscht den Narzissmus als eine Phase der psychischen Entwicklung, als einen Kernaspekt des normalen Liebeslebens, als eine zentrale Dynamik mehrerer Arten der Psychopathologie (der Schizophrenie, der Perversion, der Homosexualität, der Hypochondrie), als Regulierung der Selbstachtung, als Ursprung des Ich-Ideals und – über das Ich-Ideal – als einen Aspekt der Massenpsychologie.»44

Das beeindruckt! Schaut man genauer hin, wird deutlich, dass Freud sich hier mit den psychologischen Fundamenten menschlichen Daseins theoretisch befasst hat. Er geht von einer Verschränkung des Narzissmus im Selbst- und Liebespsychologischen, Normal- und Pathopsychologischen sowie im Entwicklungs- und Sozialpsychologischen aus.

Ein paar Teile des «Puzzles» genügen schon für einen ersten Einblick in den Narzissmus: Freud geht auf das Selbstgefühl ein – wie es sich entwickelt und wie es reguliert wird. Sein Verständnis dieser Thematik ist durch den Narziss-Mythos inspiriert: Ähnlich wie es dem in Selbstverliebtheit entbrannten schönen Jüngling im Mythos geht, so geht es nach Freud dem menschlichen Säugling; denn seine ganze Libido (Liebe) sei aufs eigene Ich (Selbst) gerichtet. Freud spricht in diesem Zusammenhang von einem «primären Narzissmus». Das Auftreten des primären Narzissmus wird nach der Phase des Autoerotismus (als früheste Empfindung körperlicher Lust) und vor der Phase der Objektliebe lokalisiert. Primärer Narzissmus ist im kindlichen Erleben durch Allmachtsphantasien und Selbstbezogenheit gekennzeichnet.

Mit fortschreitender Entwicklung des Kindes besetzt die Libido nach Freud Objekte in der Umwelt (zum Beispiel Mutterbrust) – in Analogie zur einfachen Lebensform des Protoplasmas, das seine Pseudopodien ausstreckt –, womit ein schrittweises Zurücknehmen der Libido vom Ich verbunden ist. Dabei stehen Selbstliebe und Objektliebe in enger, aber auch konflikthafter Verbindung zueinander: «Wer liebt, hat sozusagen ein Stück seines Narzissmus eingebüßt und kann es erst durch das Geliebtwerden ersetzt erhalten.»45 Mit anderen Worten: Ist anfänglich das Selbst(wert)gefühl durch den primären Narzissmus bestimmt, so ist es später auch von der erwiderten Liebe des Objekts abhängig.

Doch hat die Libido noch eine andere Option, als sich nur vom Ich aufs Objekt zu verlagern. Ein Teil der ursprünglichen Ich-Libido geht nach Freud nämlich in das sich entwickelnde Ich-Ideal des Kindes über, das sich durch Erziehungs- und Sozialisationseinflüsse bildet. Das Ich-Ideal enthält idealisierte Vorstellungen von kulturellen Normen und Werten.

Die Entstehung des Ich-Ideals, das mit dem Gewissen zusammenhängt, hat in Freuds Narzissmus-Modell weitreichende Konsequenzen. Denn mit dem Ich-Ideal hat der Erwachsene einen «Ersatz für den ver lorenen Narzissmus seiner Kindheit, in der er sein eigenes Ideal war»46 gefunden.

Nun darf man sich das Freudsche Ich-Ideal nicht als einen Baustein im Seelischen vorstellen, der losgelöst von anderem ist. Auch das Ich-Ideal ist an etwas gebunden, nämlich an das Gewissen, von dem es kontrolliert wird. Das Gewissen hat die Aufgabe, «über die Sicherung der narzisstischen Befriedigung aus dem Ich-Ideal zu wachen», wobei es «in dieser Absicht das aktuelle Ich unausgesetzt beobachtet und am Ideal misst.»47 In späteren Darstellungen spricht Freud nicht mehr von dem Gewissen, sondern er verwendet die Bezeichnung «Über-Ich», das mit dem «Ich» und dem «Es» kontrastiert wird.

Zusammenfassend lassen sich drei Einflussfaktoren des Selbstwertgefühls identifizieren:

  1. Einflüsse des primären Narzissmus bzw. seiner Reste, die sich in Allmachtsphantasien äußern,
  2. Erfüllung des Ich-Ideals und
  3. befriedigende Beziehungen mit anderen aufgrund erwiderter Liebe.

Wir können festhalten, dass das Ich-Ideal nur eine Quelle des Selbstwertgefühls ist – noch zwei Quellen müssen nach Freud hinzukommen: Das erwachsene, reife Selbstgefühl wird über ein Ausleben von Allmachtsphantasien, über Befriedigung wegen der Erfüllung des Ich-Ideals und über befriedigende Objektbeziehungen – also von anderen erwiderte Liebe – reguliert.

Diese Einflussfaktoren des Selbstwertgefühls stimmen im Wesentlichen mit empirischen Ergebnissen überein. Die Persönlichkeitsforscher Robert Raskin, Jill Novacek und Robert Hogan führten mehrere Studien über den Zusammenhang zwischen Narzissmus, Selbstwert und defensiver Selbstwertsteigerung durch, auf die wir in dem Persönlichkeitska pitel noch ausführlicher eingehen.48 An dieser Stelle ist wesentlich, dass sie den Selbstwert auf drei Einflussfaktoren zurückführen:

  • unverfälschte Einschätzung des Selbstwerts aufgrund realistischer Selbsteinschätzung
  • Selbstwert, der auf der Anerkennung durch andere beruht und
  • Selbstwert, der der Erfüllung des Ich-Ideals entspricht.49

Die Komponente des Selbstwerts, die auf Anerkennung beruht, wird defensiv, wenn es darum geht, den Verlust von Zuneigung, Liebe und sozialer Anerkennung zu vermeiden. Hingegen dient die Komponente des Selbstwerts, die auf einem vergrößerten Selbst aufgrund von Allmachtsphantasien beruht, dazu, einen Schutz gegen Misserfolg und Versagen aufzubauen. Dann kann es sein, dass die Selbstbewertung, die durch Grandiosität bestimmt wird, einen Abwehrmechanismus gegen erwartete Misserfolge oder gegen Fehlleistungen darstellt.

Wenn der Selbstwert auf einer realistischen Selbstbewertung beruht, kann man von einem gesunden Selbstwert sprechen. Gesunder Narzissmus hängt mit einer gesunden und nicht defensiven Form des Selbstwerts zusammen. Wenn hingegen der Selbstwert durch die Bedürfnisse nach Billigung und Akzeptanz oder durch die Suche nach Schutz gegen Misserfolg und Versagen dominiert wird, ist der Selbstwert defensiv motiviert. Dann handelt es sich um ungesunden Narzissmus. Wir werden an verschiedenen Punkten noch einmal auf diese wichtige Unterscheidung zwischen gesundem und ungesundem Narzissmus zurückkommen. Allgemein lässt sich feststellen: Narzissten suchen nach Beachtung. Ihre Suche nach Aufmerksamkeit ist darauf gerichtet, Bewunderung zu erzielen. Bewunderung verstärkt die wahrgenommene Bedeutung des Narzissten und trägt dadurch zu einer Steigerung seines Selbstwerts bei.

Diese Analyse der Persönlichkeitsforscher stimmt im Wesentlichen mit Freud überein, der die Selbstbewertung als abhängig von primärem Narzissmus, als abhängig von Allmacht und als abhängig davon, dass man von anderen geliebt und gemocht wird, darstellt.50

Die Analyse des Narzissmus führt zu der Annahme, dass das Selbstwertgefühl durch mehrere Einflüsse bedroht werden kann:

  • Einerseits stellt unerwiderte Liebe ein Risiko dar.
  • Andererseits können sich Allmachtsphantasien verselbständigen.
  • Schließlich kann eine Gefahr vom Ich-Ideal ausgehen.

Dieses zuletzt genannte Risiko wird immer dann greifbar, wenn das Ich-Ideal quasi terroristische Züge annimmt. Eine Folge davon kann ein Gefühl der Überforderung und Depression sein. Das wird durch das folgende Fallbeispiel verdeutlicht.

Fallbeispiel


Rainer, ein hagerer Mann in der Mitte des dritten Lebensjahrzehnts und Vater zweier Töchter, war oft im Leben arbeitslos und kam nun wegen Depressionen, die mit starkem Minderwertigkeitsgefühl einhergingen, in Behandlung. Auffallend bei ihm war, dass er immer, wenn er eine Arbeitsstelle hatte, seine Arbeit perfekt verrichten wollte. Dadurch baute er eine zu starke Erwartungshaltung gegenüber sich selbst auf, so dass er am Ende scheitern musste: Er verkrampfte sich so sehr, dass er im Gespräch mit anderen zu stottern begann und bei einfachsten Tätigkeiten viele Flüchtigkeitsfehler machte, was ihn schließlich seinen Job kostete.

Nachdem ihm bewusst wurde, dass sein völlig überzogenes Leistungsideal (Ich-Ideal) viel mit seiner Mutter zu tun hatte, die seinerzeit wie ein «Putzteufel» durchs Kinderzimmer von Rainer lief, konnte er etwas Abstand von seinem...

Erscheint lt. Verlag 10.9.2009
Sprache deutsch
Gewicht 360 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Persönlichkeitsstörungen
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Anerkennung • Egoismus • Mythos • Narziss • Narzissmus • Partner • Persönlichkeit • Selbsterforschung • Selbstverliebtheit • Zuwendung
ISBN-10 3-456-74751-9 / 3456747519
ISBN-13 978-3-456-74751-4 / 9783456747514
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