Wilhelm Tell (eBook)
130 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401811-9 (ISBN)
Friedrich Schiller wurde 1759 in Marbach geboren. Auf Befehl des Herzogs Karl Eugen musste der junge Schiller 1773 in die 'Militär-Pflanzschule' eintreten, wo er ab 1775 Medizin studierte; später wurde er Regimentsmedicus in Stuttgart, das er 1782 nach Arrest und Schreibverbot wegen seines Stückes 'Die Räuber' jedoch fluchtartig verließ. 1789 wurde er zum Professor der Geschichte und Philosophie in Jena ernannt, 1799 ließ er sich endgültig in Weimar nieder. Schiller starb am 9.5.1805 in Weimar.
Friedrich Schiller wurde 1759 in Marbach geboren. Auf Befehl des Herzogs Karl Eugen musste der junge Schiller 1773 in die "Militär-Pflanzschule" eintreten, wo er ab 1775 Medizin studierte; später wurde er Regimentsmedicus in Stuttgart, das er 1782 nach Arrest und Schreibverbot wegen seines Stückes "Die Räuber" jedoch fluchtartig verließ. 1789 wurde er zum Professor der Geschichte und Philosophie in Jena ernannt, 1799 ließ er sich endgültig in Weimar nieder. Schiller starb am 9.5.1805 in Weimar.
Erster Aufzug
Erste Szene
Hohes Felsenufer des Vierwaldstättensees, Schwyz gegenüber. Der See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem Ufer, Fischerknabe fährt sich in einem Kahn. Über den See hinweg sieht man die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwyz im hellen Sonnenschein liegen. Zur Linken des Zuschauers zeigen sich die Spitzen des Haken, mit Wolken umgeben; zur Rechten im fernen Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang aufgeht, hört man den Kuhreihen und das harmonische Geläut der Herdenglocken, welches sich auch bei eröffneter Szene noch eine Zeitlang fortsetzt
FISCHERKNABE (singt im Kahn)
(Melodie des Kuhreihens)
Es lächelt der See, er ladet zum Bade,
Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,
Da hört er ein Klingen,
Wie Flöten so süß,
Wie Stimmen der Engel
Im Paradies.
Und wie er erwachet in seliger Lust,
Da spülen die Wasser ihm um die Brust,
Und es ruft aus den Tiefen:
Lieb Knabe, bist mein!
Ich locke den Schläfer,
Ich zieh ihn herein.
HIRTE (auf dem Berge)
(Variation des Kuhreihens)
Ihr Matten lebt wohl!
Ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden,
Der Sommer ist hin.
Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,
Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.
Ihr Matten lebt wohl!
Ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden,
Der Sommer ist hin.
ALPENJÄGER (erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen)
(Zweite Variation)
Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,
Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,
Er schreitet verwegen
Auf Feldern von Eis,
Da pranget kein Frühling,
Da grünet kein Reis;
Und unter den Füßen ein neblichtes Meer,
Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr,
Durch den Riss nur der Wolken
Erblickt er die Welt,
Tief unter den Wassern
Das grünende Feld.
(Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend)
(Ruodi der Fischer kommt aus der Hütte, Werni der Jäger steigt vom Felsen, Kuoni der Hirte kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter. Seppi, sein Handbube, folgt ihm)
RUODI
Mach hurtig, Jenni. Zieh die Naue ein.
Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,
Der Mythenstein zieht seine Haube an,
Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch,
Der Sturm, ich mein, wird da sein, eh wirs denken.
KUONI
’s kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen
Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.
WERNI
Die Fische springen, und das Wasserhuhn
Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.
KUONI (zum Buben)
Lug, Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen.
SEPPI
Die braune Lisel kenn ich am Geläut.
KUONI
So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.
RUODI
Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.
WERNI
Und schmuckes Vieh – Ists Euer eignes, Landsmann?
KUONI
Bin nit so reich – ’s ist meines gnädgen Herrn,
Des Attinghäusers, und mir zugezählt.
RUODI
Wie schön der Kuh das Band zu Halse steht.
KUONI
Das weiß sie auch, dass sie den Reihen führt,
Und nähm ich ihrs, sie hörte auf zu fressen.
RUODI
Ihr seid nicht klug! Ein unvernünftges Vieh –
WERNI
Ist bald gesagt. Das Tier hat auch Vernunft,
Das wissen wir, die wir die Gemsen jagen,
Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn,
’ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnet
Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.
RUODI (zum Hirten)
Treibt Ihr jetzt heim?
KUONI
Die Alp ist abgeweidet.
WERNI
Glückselge Heimkehr, Senn!
KUONI
Die wünsch ich Euch,
Von Eurer Fahrt kehrt sichs nicht immer wieder.
RUODI
Dort kommt ein Mann in voller Hast gelaufen.
WERNI
Ich kenn ihn, ’s ist der Baumgart von Alzellen.
(Konrad Baumgarten atemlos hereinstürzend)
BAUMGARTEN
Um Gottes willen, Fährmann, Euren Kahn!
RUODI
Nun, nun, was gibts so eilig?
BAUMGARTEN
Bindet los!
Ihr rettet mich vom Tode! Setzt mich über!
KUONI
Landsmann, was habt Ihr?
WERNI
Wer verfolgt Euch denn?
BAUMGARTEN (zum Fischer)
Eilt, eilt, sie sind mir dicht schon an den Fersen!
Des Landvogts Reiter kommen hinter mir,
Ich bin ein Mann des Tods, wenn sie mich greifen.
RUODI
Warum verfolgen Euch die Reisigen?
BAUMGARTEN
Erst rettet mich, und dann steh ich Euch Rede.
WERNI
Ihr seid mit Blut befleckt, was hats gegeben?
BAUMGARTEN
Des Kaisers Burgvogt, der auf Rossberg saß –
KUONI
Der Wolfenschießen? Lässt Euch der verfolgen?
BAUMGARTEN
Der schadet nicht mehr, ich hab ihn erschlagen.
ALLE (fahren zurück)
Gott sei Euch gnädig! Was habt Ihr getan?
BAUMGARTEN
Was jeder freie Mann an meinem Platz!
Mein gutes Hausrecht hab ich ausgeübt
Am Schänder meiner Ehr und meines Weibes.
KUONI
Hat Euch der Burgvogt an der Ehr geschädigt?
BAUMGARTEN
Dass er sein bös Gelüsten nicht vollbracht,
Hat Gott und meine gute Axt verhütet.
WERNI
Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?
KUONI
O, lass uns alles hören, Ihr habt Zeit,
Bis er den Kahn vom Ufer losgebunden.
BAUMGARTEN
Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt
Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes.
»Der Burgvogt lieg in meinem Haus, er hab
Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.
Drauf hab er Ungebührliches von ihr
Verlangt, sie sei entsprungen, mich zu suchen.«
Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war,
Und mit der Axt hab ich ihm’s Bad gesegnet.
WERNI
Ihr tatet wohl, kein Mensch kann Euch drum schelten.
KUONI
Der Wüterich! Der hat nun seinen Lohn!
Hats lang verdient ums Volk von Unterwalden.
BAUMGARTEN
Die Tat ward ruchbar, mir wird nachgesetzt –
Indem wir sprechen – Gott – verrinnt die Zeit –
(Es fängt an zu donnern)
KUONI
Frisch, Fährmann – schaff den Biedermann hinüber.
RUODI
Geht nicht. Ein schweres Ungewitter ist
Im Anzug. Ihr müsst warten.
BAUMGARTEN
Heilger Gott!
Ich kann nicht warten. Jeder Aufschub tötet –
KUONI (zum Fischer)
Greif an mit Gott, dem Nächsten muss man helfen,
Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.
(Brausen und Donnern)
RUODI
Der Föhn ist los, Ihr seht, wie hoch der See geht,
Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.
BAUMGARTEN (umfasst seine Knie)
So helf Euch Gott, wie Ihr Euch mein erbarmet –
WERNI
Es geht ums Leben, sei barmherzig, Fährmann.
KUONI
’s ist ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!
(Wiederholte Donnerschläge)
RUODI
Was? Ich hab auch ein Leben zu verlieren,
Hab Weib und Kind daheim, wie er – Seht hin,
Wies brandet, wie es wogt und Wirbel zieht,
Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe.
– Ich wollte gern den Biedermann erretten,
Doch es ist rein unmöglich, Ihr seht selbst.
BAUMGARTEN (noch auf den Knien)
So muss ich fallen in des Feindes Hand,
Das nahe Rettungsufer im Gesichte!
– Dort...
Erscheint lt. Verlag | 27.10.2011 |
---|---|
Reihe/Serie | Fischer Klassik Plus |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Sachbuch/Ratgeber | |
Schlagworte | Feinde • Freigeister • Freiheit • Herrschaft • Kampf • Leidenschaft • Rebellen • Tyrannen |
ISBN-10 | 3-10-401811-1 / 3104018111 |
ISBN-13 | 978-3-10-401811-9 / 9783104018119 |
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