Der ewige Gärtner (eBook)

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2011 | 1. Auflage
560 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-0181-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der ewige Gärtner -  John le Carré
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Alle Romane von John le Carré jetzt als E-Book! - Justin Quayle, Diplomat im britischen Hochkommissariat in Nairobi und begeisterter Hobbygärtner, führt ein beschauliches Leben - bis zu dem Tag, an dem seine junge Frau Tessa ermordet aufgefunden wird. Justin macht sich auf die Suche nach dem Mörder und entdeckt, dass die rebellische Tessa einem Komplott auf der Spur war, in das nicht nur die mächtige Pharmaindustrie, sondern auch britische Regierungskreise verwickelt zu sein scheinen. Doch erst im Laufe seiner zunehmend brisanten Nachforschungen wird ihm klar, wie wenig er die Frau, die er zu lieben glaubte, wirklich kannte und wie viel er ihr schuldig geblieben ist. Große TV-Doku 'Der Taubentunnel' ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+

John le Carré, 1931 geboren, schrieb über sechs Jahrzehnte lang Romane, die unsere Epoche ausloten. Als Sohn eines Hochstaplers verbrachte er seine Kindheit zwischen Internat und Londoner Unterwelt. Mit 16 ging er an die Universität Bern (Schweiz), später dann nach Oxford. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. Während seiner Dienstzeit veröffentlichte er 1961 seinen Erstlingsroman Schatten von Gestern. Der Spion, der aus der Kälte kam, sein dritter Roman, brachte ihm weltweite Anerkennung ein, die sich durch den Erfolg seiner Trilogie Dame, König, As, Spion, Eine Art Held und Agent in eigener Sache festigte. Nach dem Ende des Kalten Krieges weitete le Carré sein Themenspektrum auf eine internationale Landschaft aus, die den Waffenhandel ebenso umfasste wie den Kampf gegen den Terrorismus. Seine Autobiografie Taubentunnel erschien 2016, Das Vermächtnis der Spione, der abschließende Roman um George Smiley, 2017. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020. Posthum erschien sein Roman Silverview.

John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er war Lehrer in Eton und arbeitete während des Kalten Kriegs kurze Zeit für den britischen Geheimdienst. Seit nunmehr fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.

ZWEITES KAPITEL


Die Woodrows wohnten in einer exklusiven Kolonie von Natursteinhäusern mit bleiverglasten Fenstern im Tudorstil und großen englischen Gärten, die sich über die Hügel des Vorortes Muthaiga erstreckt, nur einen Steinwurf entfernt vom Muthaiga Club und der Residenz des britischen Hochkommissars sowie den Wohnsitzen zahlreicher Botschafter aus Ländern, von denen man wahrscheinlich nie gehört hat, bis man einmal die streng bewachten Alleen entlanggefahren ist und die Namenstafeln neben den Hinweisschildern entdeckt hat, die auf Kisuaheli vor bissigen Hunden warnen. Nach dem Bombenattentat auf die US-Botschaft in Nairobi hatte das Außenministerium die Häuser von allen Mitarbeitern im Dienstrang Woodrows und aufwärts mit massiven Eisentoren ausstatten lassen. Diese wurden rund um die Uhr gewissenhaft bewacht von temperamentvollen Baluhya samt Freunden und Verwandten. Zum Schutz der Gärten hatten dieselben klugen Köpfe Elektrozäune verordnet, die nicht nur mit Stacheldrahtrollen aufgerüstet waren, sondern auch mit leistungsstarken Scheinwerfern, die die ganze Nacht hindurch strahlten. In Muthaiga gibt es eine Hackordnung in Fragen der Sicherheit, wie in vielen anderen Fragen auch. Die bescheidensten Häuser haben Flaschenscherben auf den Mauern, die mittelprächtigen immerhin Stacheldraht. Die Sicherheit des diplomatischen Adels aber ist allein durch Eisentore, elektrische Zäune, Bewegungsmelder und grelle Scheinwerfer zu gewährleisten.

Das Haus der Woodrows war dreigeschossig. Die zwei oberen Stockwerke bildeten den von den Sicherheitsdiensten so genannten sicheren Hafen, der durch ein Stahlfaltgitter auf dem ersten Treppenabsatz geschützt wurde, für das nur die Eltern Woodrow einen Schlüssel besaßen. Und in der Gästesuite im Erdgeschoss – die Woodrows bezeichneten es wegen der Hanglage des Hauses als Untergeschoss – befand sich ein weiteres Gitter zur Gartenseite hin, um den Woodrows Schutz vor der eigenen Dienerschaft zu bieten. Das Untergeschoss hatte zwei Räume, die, streng weiß getüncht und mit Gittern vor den Gartenfenstern, entschieden an ein Gefängnis erinnerten. Gloria hatte sie jedoch in Erwartung ihres Gasts mit Rosen aus dem Garten und einer Leselampe aus Sandys Ankleidezimmer herausgeputzt. Den Fernsehapparat und das Radiogerät der Bediensteten hatte sie dazugestellt; denen tat es sicher gut, mal eine Weile darauf zu verzichten. Zwar war es dadurch noch immer kein Fünf-Sterne-Hotel – wie sie ihrer Busenfreundin Elena, der englischen Gattin eines butterweichen griechischen Beamten bei den Vereinten Nationen, anvertraute –, doch wenigstens würde der arme Mann die Tür hinter sich zumachen können, wenn ihm danach war, und das war doch das Mindeste, einen Verlust zu beklagen hatte, nicht wahr, El, und Gloria selbst war es genauso gegangen, als Mami starb, aber andererseits haben Tessa und Justin eine – nun ja, eine wirklich unkonventionelle Ehe geführt, wenn man es so nennen kann – obwohl ihrer, Glorias, bescheidenen Ansicht nach nicht bezweifelt werden konnte, dass echte Zuneigung im Spiel war, von Justins Seite jedenfalls, was es allerdings von Tessas Seite war – also ganz ehrlich, El, das weiß Gott allein, wir werden es jedenfalls nie erfahren.

Worauf Elena, mehrfach geschieden und weltgewandt – beides im Gegensatz zu Gloria –, bemerkte: »Na, dann nimm mal lieber dich und deinen süßen kleinen Arsch in acht, Liebes. Frisch verwitwete Playboys können nämlich ganz schön scharf sein.«

* * *

Gloria Woodrow war eine jener vorbildlichen Diplomatengattinnen, die entschlossen sind, stets die gute Seite der Dinge zu sehen. Und war einmal keine gute Seite in Sicht, lachte sie herzlich auf und sagte: »Tja, da haben wir’s!« – was das Signal für alle Betroffenen sein sollte, zusammenzuhalten und die Unannehmlichkeiten des Lebens ohne Klage auf sich zu nehmen. Sie war ein loyales Produkt der Privatschulen, die sie besucht hatte und die sie regelmäßig über ihr Fortkommen im Leben auf dem Laufenden hielt. Ebenso begierig verschlang sie jede Neuigkeit über ihre Klassenkameradinnen. Zu jedem Schuljubiläum schickte sie ein humorvolles Glückwunschtelegramm, oder auch, in jüngerer Zeit, eine humorige E-Mail, meistens in Versform, damit nur ja nicht in Vergessenheit geriet, dass sie einst den Lyrikpreis der Schule gewonnen hatte. Sie war auf eine geradlinige Art attraktiv und berühmt für ihre Redseligkeit, zumal in Situationen, in denen es nicht viel zu sagen gab. Und sie hatte diesen eigentümlich eirigen, hässlichen Gang, wie ihn sonst nur die Damen des englischen Hochadels kultivieren.

Dennoch war Gloria Woodrow nicht von Natur aus dumm. An der Universität von Edinburgh hatte man sie vor achtzehn Jahren zu den Begabteren ihres Jahrgangs gezählt, und es hieß, sie hätte, wäre sie nicht so sehr von Woodrow vereinnahmt worden, einen sehr anständigen Abschluss in Politik und Philosophie hinlegen können. In den Jahren darauf freilich hatten Ehe, Mutterschaft und die Unstetigkeit des Diplomatenlebens alle Ambitionen verschüttet, die sie noch gehegt haben mochte. Manchmal schien es zu Woodrows geheimem Kummer so, als hätte sie ihren Verstand bewusst zur Ruhe gebettet, um ihre Rolle als Ehefrau um so perfekter auszufüllen. Gleichzeitig war er ihr dankbar für dieses Opfer und fand es beruhigend, dass sie von seinen geheimen Gedanken nicht die geringste Ahnung zu haben schien und doch bemüht war, sich seinen mutmaßlichen Erwartungen anzupassen. »Wenn ich ein eigenes Leben möchte, sage ich es dir schon«, versicherte sie ihm stets, wenn er sie – in einem Anfall von Schuldbewusstsein oder aus Langeweile – dazu drängte, noch einen akademischen Abschluss zu machen, Jura zu studieren oder Medizin – oder in Gottes Namen wenigstens irgendwas zu lesen. »Wenn du mich nicht so magst, wie ich bin … Das ist natürlich was anderes«, sagte sie dann, seiner konkreten Klage geschickt ins Grundsätzliche ausweichend. »Aber nein, nein, natürlich liebe ich dich so, wie du bist!«, pflegte er zu protestieren und sie gleich darauf leidenschaftlich in die Arme zu nehmen. Und mehr oder weniger glaubte er das auch.

Justin wurde an demselben schwarzen Montag zum geheimen Gefangenen im Untergeschoss, an dem ihm die Nachricht von Tessas Tod überbracht worden war, und zwar zu der Stunde, da die Limousinen auf den Zufahrten der Botschaften ungeduldig zu brummen beginnen, begierig, die Eisentore zu durchbrechen und der nach unerfindlichen Regeln erwählten Tränke des Abends zuzustreben. Ist heute Lumumba-Tag? Merdeka-Tag? Der französische Nationalfeiertag? Egal: Die Landesflagge weht im Garten, die Sprinkler sind abgestellt, der rote Teppich ist ausgerollt, schwarze Diener mit weißen Handschuhen schweben umher, genau wie zu Kolonialzeiten, was wir alle scheinheilig verleugnen. Und im Festzelt des Gastgebers erklingt angemessen patriotische Musik.

Woodrow saß neben Justin in dem schwarzen VW-Transporter. Von der Leichenhalle hatte er ihn zum Polizeipräsidium begleitet und zugesehen, wie Justin in seiner makellosen akademischen Handschrift eine Erklärung über die Identifizierung der Leiche seiner Frau aufsetzte. Woodrow hatte Gloria von der Polizei aus angerufen, um ihr mitzuteilen, dass er, sofern der Verkehr es zuließ, in fünfzehn Minuten mit ihrem ganz besonderen Gast eintreffen werde – »und es darf nicht bekannt werden, wo er ist, Darling, wir müssen alles dafür tun, dass er in Deckung bleiben kann«. Was Gloria allerdings nicht davon abgehalten hatte, noch schnell bei Elena anzurufen, obwohl sie mehrmals wählen musste, bis sie durchkam. Sie wollte rasch das Menü fürs Abendessen besprechen – aß der arme Justin gern Fisch oder verabscheute er ihn? Sie wusste es nicht mehr, aber sie hatte irgendwie das Gefühl, dass er in diesen Fragen etwas heikel war – und mein Gott, Elena, worüber unterhalte ich mich um Himmels willen mit ihm, wenn Sandy ins Büro muss und ich über Stunden alleine bin mit dem armen Mann? Ich meine, alle richtigen Themen sind doch tabu.

»Dir fällt schon was ein, keine Sorge, Darling«, versicherte Elena, und es klang nicht uneingeschränkt freundlich.

Trotz der Eile fand Gloria noch Zeit, Elena einen kurzen Überblick zu verschaffen über die absolut grauenhaften Anrufe der Presse, die sie entgegengenommen hatte. Andere hatte sie gar nicht erst angenommen, sondern sie hatte Juma, ihren Wakamba-Hausdiener, ausrichten lassen, dass Mr und Mrs Woodrow im Augenblick nicht zu sprechen seien – nur war da noch dieser schrecklich gewandte junge Mann vom Telegraph gewesen, mit dem sie sich liebend gern unterhalten hätte, aber Sandy hatte nein gesagt, unter Androhung der Todesstrafe.

»Vielleicht schreibt er dir ja, Darling«, sagte Elena tröstend.

Der VW-Transporter mit den getönten Scheiben rollte in die Auffahrt. Woodrow sprang heraus, um sich zu vergewissern, dass keine Journalisten da waren, und gleich darauf war Gloria der erste Blick auf Justin, den Witwer, vergönnt, den Mann, der innerhalb von sechs Monaten Frau und Baby verloren hatte. Justin, der betrogene Ehemann, der nicht länger betrogen werden würde. Justin, der für seine leichten Maßanzüge und seinen sanften Blick bekannt war. Ihr geheimer, im Untergeschoss zu versteckender Flüchtling, der jetzt, während er mit dem Rücken zum Publikum der Hecktür entstieg, seinen Strohhut abnahm und allen dankte – Livingstone, dem Fahrer, Jackson, dem Leibwächter, und Juma, der wie...

Erscheint lt. Verlag 12.8.2011
Übersetzer Werner Schmitz, Karsten Singelmann
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Afrika • Bestseller • England • Gärtner • Internationale Literatur • Klassiker • Komplott • Konsul • Krimi • Nairobi • Pharmaindustrie • politisch • spannend • Spannung • Taubentunnel • Thriller • Verschwörung
ISBN-10 3-8437-0181-4 / 3843701814
ISBN-13 978-3-8437-0181-5 / 9783843701815
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