Süden und das verkehrte Kind (eBook)

Roman
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2011 | 1. Auflage
192 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-41174-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Süden und das verkehrte Kind -  Friedrich Ani
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Ein kleines Mädchen ist verschwunden und erst spät bemerkt Kommissar Tabor Süden, welches Spiel die Angehörigen mit ihm treiben. Haare: dunkelbraun. Augenfarbe: braun. Größe: 129 Zentimeter. Alter: 6 Jahre. Geschlecht: weiblich. Nastassja Kolb ist verschwunden, und alle Vernehmungen laufen zunächst ins Leere. Bis Tabor Süden begreift, welches Spiel die Familienangehörigen mit ihm treiben und wie Recht sein Freund und Kollege Martin Heuer mit seinen Vermutungen hatte. Doch da ist es schon zu spät: Aus Wut und Verzweiflung greift Süden zu Mitteln, mit denen er sich selbst ins Abseits manövriert. Süden und das verkehrte Kind von Friedrich Ani: die Arni-Krimis im eBook erhältlich!

Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman 'Süden und der Luftgitarrist'. 2011 wurde der Roman 'Süden' mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman 'M', der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.

Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman "Süden und der Luftgitarrist". 2011 wurde der Roman "Süden" mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman "M", der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.

1


Dies, Herr Süden«, sagte der Staatsanwalt, »ist ein Kontaktgespräch. Wir sind allein in diesem Raum, ein übrigens, bei allem Respekt, nicht sehr kommoder Raum; ich wusste nicht, dass Sie Ihre Vernehmungen unter derart beengten Verhältnissen durchführen müssen. Wir sind allein, Herr Süden. Wir haben eine halbe Stunde Zeit. Wenn wir mehr Zeit brauchen, werde ich sehen, was ich tun kann. Nichts wird protokolliert. Im Moment. Herr Süden?«

Dr. Michael Vester betrachtete mein Schweigen. Sein Blick fixierte meinen Mund, als hätte er anderweitige Absichten.

»Ja«, sagte ich dann.

»Ich möchte Sie etwas fragen.« Er hatte die Hände auf dem Tisch übereinander gelegt und klopfte in regelmäßigen Abständen mit dem rechten Daumen auf den linken Handrücken, möglicherweise nicht aus Nervosität oder Ungeduld, es wirkte eher wie ein Tick. »Haben Sie getrunken, diese Nacht?«

»Ja«, sagte ich.

»Wie viel haben Sie getrunken?«, sagte Vester.

»Fünf Bier«, sagte ich.

»Fünf Nulldreigläser?«

»Fünf Flaschen«, sagte ich. Es waren sieben gewesen, aber ich stand nicht unter Eid.

»Das ist sehr viel«, sagte Vester.

Sein Daumen hob und senkte sich, wir sahen uns an, vom einen Ende des rechteckigen Tisches zum anderen, wir waren uns vorher noch nie begegnet, und als er heute Morgen um halb acht vor der Tür meiner Wohnung stand, sagte er als Erstes: »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.« Dann sagte er: »Leider sind die Umstände wenig erfreulich.«

Je länger wir inzwischen in dem kleinen Raum mit dem niedrigen Fenster im zweiten Stock des Dezernats saßen, desto unerfreulicher wurden die Umstände. Und ich war der Grund dafür.

»Wenn es zur Vernehmung kommt«, sagte Vester, »muss ich eine Blutprobe veranlassen. Sie wissen das.«

»Ja«, sagte ich.

Es war nicht meine Absicht, einsilbig oder verstockt aufzutreten, ich konnte nicht anders, die halbe Nacht lang hatte ich gesprochen, nun war ich erschöpft und meine Stimme ein ausgehöhltes Organ. Überhaupt befand ich mich an diesem Morgen in einer Höhle tausend Kilometer unter der Oberfläche des Tages, in einer Finsternis so weit jenseits dieses zehnten April, dass ich mir nicht sicher war, ob es mir je wieder gelingen würde, meine Stimme, meinen Schatten, meine Existenz zurückzuerlangen. Nicht einmal Sonja, deren Nähe mich in den vergangenen Stunden vor dem vollkommenen Absturz bewahrt hatte, reichte jetzt noch für eine bescheidene Rettung. Die Wände der Höhle berührten meinen Körper.

Beinah bildete die Gegenwart des Staatsanwalts eine Art gerichtsverwertbaren Beweis dafür, dass es mich noch gab. Durch ihn hatte ich einen Platz in der Wirklichkeit, solange er, irgendwo am Ende eines Tisches, mir gegenübersaß, stellte ich eine Koordinate in einem geordneten, erprobten System dar, man konnte mich sehen und ansprechen und ausfragen und verurteilen. Doch es fiel mir schwer, mich nicht selbst zu verurteilen und wegzusperren und zu vergessen.

»Hören Sie mir zu?«, fragte Vester.

»Ja«, sagte ich. »Wenn es sein muss.«

»Bitte?«

»Die Blutprobe«, sagte ich.

»Wir werden sehen.«

Der Tisch war leer. Vester hatte seine Aktenmappe auf einen Stuhl gelegt und kein Blatt herausgenommen. Und ich war, als er mich gemeinsam mit Karl Funkel und Volker Thon abholen kam, derart abwesend gewesen, dass ich vergessen hatte, meinen kleinen karierten Block und den Kugelschreiber einzustecken. Das war mir noch nie passiert. Die Utensilien gehörten zu meiner Erscheinung wie die an den Seiten geschnürte Lederhose, das weiße Leinenhemd, die Narbe am Hals und die Kette mit dem blauen Stein und dem Adlermotiv.

Auch hatte ich mich, entgegen meiner Gewohnheit, sofort hingesetzt und war nicht stehen geblieben, hatte mich nicht an die Wand gelehnt, tat, wozu der Staatsanwalt mich aufforderte. Und ich war ihm dankbar.

»Möchten Sie Mineralwasser trinken?«, sagte er.

»Nein«, sagte ich.

»Fühlen Sie sich nüchtern?«

Ich schwieg.

»Sie haben die Nacht in Ihrer Wohnung zusammen mit der Kollegin Feyerabend verbracht«, sagte er.

Ich schwieg.

»Herr Süden.« Er tippte mit dem Daumen auf seine Hand und sah mich an, eine Minute oder länger, und ich erwiderte seinen Blick. »Ich möchte Sie, obwohl es nicht notwendig wäre, weil Sie das Procedere kennen … Sie sind ein erfahrener Kriminalist, und, wie ich weiß, einer unserer erfolgreichsten, und ich muss nochmal sagen, ich freue mich wirklich, Sie persönlich kennen zu lernen, eine andere Situation wäre mir allerdings lieber, Ihnen auch, schätze ich … Sie können immer noch, jetzt sofort, wenn Sie wollen, einen Rechtsbeistand hinzuziehen. Obwohl dies ein Kontaktgespräch ist, worauf ich großen Wert lege. Möchten Sie das? Wollen Sie sich Ihre Entscheidung noch einmal überlegen? Sie erhalten jede Chance, die Ihnen zusteht, ich werde versuchen, Sie nicht anders zu behandeln als jede andere Person in Ihrer Lage.«

Er machte eine Pause, holte Luft, sah zum Fenster, durch das nur spärlich Licht hereinfiel, runzelte die Stirn und senkte für einen Moment den Kopf.

»Das ist das erste Mal, dass ich gegen einen Polizeibeamten ermitteln muss«, sagte Vester. »Ich geb zu, keine einfache Situation. Wie für Sie auch, schätze ich. Wir hatten die Bedenkzeit also beide nötig. Ich für mein Teil habe gestern den ganzen Tag Ihre Akten gelesen, auch nachts noch, statt Bier habe ich schwarzen Tee getrunken, vermutlich die gleiche Menge wie Sie. Was mir aufgefallen ist: Sie sind ein eigenwilliger Beamter, Sie neigen dazu, auszuscheren. Würden Sie diese Einschätzung teilen?«

»Was meinen Sie mit ›ausscheren‹?«

»Aus der Gruppe. Sie scheren aus dem Team aus, aus dem Kollegenkreis, Ihr Kollege Thon hat mir meinen Eindruck bestätigt. Gleichwohl schätzt er Sie außerordentlich, das hat er ausdrücklich betont.«

Er sah mich an und zupfte am Ärmel seines hellblauen, klein karierten Hemdes, dessen Manschetten aus den dunklen Sakkoärmeln hervorstanden. Ich schätzte Dr. Michael Vester auf Ende vierzig und vermutete, dass er bis vor einiger Zeit schlanker gewesen war, da er sich in Abständen an die Wangen fasste und sie drückte und sich mit schnellen unauffälligen Bewegungen über die Hüften strich. Er trug eine teure silberglänzende Armbanduhr und wenn er einen Blick darauf warf, ließ er sich Zeit.

»Hat Torsten Kolb Anzeige erstattet?«, sagte ich.

Er antwortete erst nach einer Weile, während er mich unvermindert anstarrte.

»Wir sitzen hier«, sagte Vester, »weil ich darüber zu beschließen habe, ob wir ein Verfahren einleiten müssen oder nicht. Unabhängig von Herrn Kolb, der sich zu der Sache bis zur Stunde nicht geäußert hat. Es geht hier nicht um die Sache Kolb, jedenfalls nicht in erster Linie, es geht um Sie. Sie sind der Grund, warum Herr Thon keine andere Wahl hatte als mich zu informieren beziehungsweise einfach das zu tun, was er tun muss. Mich und Sie muss die Frage beschäftigen, ob Ihr Verhalten eine Dienstaufsichtsbeschwerde und möglicherweise förmliche Disziplinarmaßnahmen nach sich zieht. Im Augenblick möchte ich mir nur ein Bild von Ihnen machen, ich möchte Ihre Sicht der Vorfälle kennen lernen, und ich versichere Ihnen, was immer in Ihren Akten stehen mag, die Äußerungen mancher Kollegen, Anmerkungen über eigenmächtiges Verhalten und dergleichen, Ihre eigenen Aussagen zu bestimmten Fällen und Personen – das alles werde ich nicht dazu benutzen, ein eventuelles strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Sie zu untermauern. Mit all dem, was ich erwähnt habe, können Sie sich nicht selbst beschuldigen, machen Sie sich darüber keine Sorgen! Ausschließlich Ihr Verhalten vom Montag zählt, Sie sind im Augenblick kein Beschuldigter, ist Ihnen das klar?«

»Natürlich.«

»Gut«, sagte Vester. »Haben Sie zum jetzigen Zeitpunkt den Wunsch, dass Ihr Vorgesetzter Thon oder Dezernatsleiter Funkel an diesem Kontaktgespräch teilnimmt?«

»Nein.«

»Ich versuche, Ihnen Möglichkeiten zu bieten, damit Sie sich wohl fühlen, damit Sie sich entspannen, damit wir vernünftig und schnell zu einer Klärung kommen. Sind Sie sicher, dass Sie dieses Gespräch weiter allein mit mir führen wollen?«

»Ja«, sagte ich.

»Dann weise ich Sie darauf hin, dass ich, wenn ich den Eindruck gewinnen sollte, es wäre notwendig, im Anschluss an dieses Kontaktgespräch eine informatorische Befragung durchführen werde, und zwar in Anwesenheit der Herren Thon und Funkel.« Vester faltete die Hände und holte tief Luft. »Selbstverständlich würde ich nach dieser Befragung eine Aktennotiz erstellen und meine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen dem Tatbefundsbericht hinzufügen. Von unserem jetzigen Gespräch wird es keinerlei Vermerke geben, das hab ich Ihnen bereits erklärt. Auch wenn es Ihnen merkwürdig oder überflüssig erscheint: Ich weise Sie nochmals darauf hin, dass Sie das Recht haben, die Aussage zu verweigern. Ich finde zwar nicht, dass Sie das tun sollten, aber …«

»Ich auch nicht.«

Vester nickte, setzte an, etwas zu sagen, und zögerte.

Das Sirren der Neonröhre an der Decke krönte die Stille.

»Erzählen Sie jetzt!«

Ich schwieg. Ich fror. Mein Herz schlug unterirdisch.

 

Sein Nicken ging über in Kopfschütteln und endete abrupt.

»Das ist alles, was Sie dazu zu sagen haben?«, fragte er. »Das ist Ihre Aussage? Und Sie würden dabei bleiben, wenn es zu einer offiziellen Vernehmung und im schlimmsten Fall zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde käme?«

»Ja«, sagte ich. Dann stand ich auf, ging zur Wand, lehnte mich dagegen und verschränkte die Arme. Ich versuchte,...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2011
Reihe/Serie Ein Fall für Tabor Süden
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Familie • Kind • Krimi • Verschwinden
ISBN-10 3-426-41174-1 / 3426411741
ISBN-13 978-3-426-41174-2 / 9783426411742
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