Die Tochter der Seidenweberin (eBook)

Roman
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2011 | 1. Auflage
560 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-40882-7 (ISBN)
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Köln zu Beginn des 16. Jahrhunderts Die Zunft der Seidmacherinnen wird von einigen vermögenden Frauen beherrscht, die ihre ärmeren Amtskolleginnen ausbeuten und um ihr Brot bringen. Nachdem sich die erfolgreiche Seidenweberin Fygen Lützenkirchen nach dem Tod ihres Mannes aus dem Geschäft zurückgezogen hat, sieht sich ihre Tochter Lisbeth nun allein der schwierigen Aufgabe gegenüber, ihre Weberei gegen die Konkurrenz zu behaupten. Auch aus den eigenen Reihen schlagen ihr Neid und Missgunst entgegen, dennoch macht sie es sich zum Ziel, Anstand und Gerechtigkeit in die Zunft zurückzubringen. Doch der Preis, den sie und ihre Familie dafür zahlen, ist hoch, denn um des eigenen Vorteils willen schrecken ihre Amtsgenossinnen sogar vor Verleumdung und Mord nicht zurück ... Ursula Niehaus hat um die reale Person der Seidmacherin Lisbeth Ime Hofe eine farbige und kenntnisreiche Geschichte gesponnen. Die Tochter der Seidenweberin von Ursula Niehaus: Historischer Roman im eBook erhältlich!

Ursula Niehaus wurde 1965 geboren. Schon früh begeisterte sich die gebürtige Kölnerin fürs Schreiben und für historische Stoffe. Ihr erster Roman DIE SEIDENWEBERIN war ein großer Erfolg. Ursula Niehaus lebt mit Mann und Kind in einem kleinen Winzerstädtchen am Rhein.

Ursula Niehaus wurde 1965 geboren. Schon früh begeisterte sich die gebürtige Kölnerin fürs Schreiben und für historische Stoffe. Ihr erster Roman DIE SEIDENWEBERIN war ein großer Erfolg. Ursula Niehaus lebt mit Mann und Kind in einem kleinen Winzerstädtchen am Rhein.

2.  Kapitel


Ich würde mich in Grund und Boden schämen, so etwas zum Verkauf anzubieten!«, raunte Lisbeth ihrer Freundin Clairgin zu.

Seit jenem lang vergangenen Tag, an dem Clairgin zu ihnen in die Wolkenburg gekommen war, um bei Fygen das Seidenhandwerk zu lernen, verband die beiden Frauen eine enge Freundschaft.

Clairgin van Breitbach stammte aus Xanten. Allein und auf sich gestellt, ohne einen einzigen Verwandten in der Stadt zu haben, war sie, damals zwölfjährig, nach Köln gekommen. Rasch hatte sie sich an die gleichaltrige Lisbeth angeschlossen, und bis auf den heutigen Tag fühlte Lisbeth sich mit Clairgin enger verbunden als mit ihren Schwestern, denn mit ihr teilte sie ihre Liebe für das Seidmachen.

Sosehr sich die beiden Frauen im Äußeren unterscheiden mochten – die dunkle Lisbeth mit ihrem frischen Teint und den wilden Locken, die ihr meist unter der Haube hervorzurutschen drohten, und die blasse, stets adrette Clairgin mit den wasserblauen Augen, der auch jetzt das ordentlich gescheitelte, glatte Blondhaar nicht weiter unter der weißen Haube hervorlugte, als es die Schicklichkeit gebot – so verschieden waren sie auch dem Wesen nach. Mit ihrer stillen, ausgleichenden Art war Clairgin stets der ruhige Gegenpol zu der lebhaften Lisbeth gewesen.

Clairgin war nicht augenfällig schön, doch ihr ovales Gesicht mit den gleichmäßigen Zügen war in einer zurückhaltenden Weise anziehend, und dass Lisbeth die Auffälligere von beiden war, tat der Freundschaft keinen Abbruch. Im gleichen Jahr hatten sie ihre Prüfung vor dem Seidamt abgelegt, und Lisbeth hatte Mertyn noch im selben Jahr geheiratet, Clairgin ihren Mathias im Jahr darauf.

Hätte man die beiden jungen Frauen je gefragt, was sie so zueinander hinzog, so wären sie wohl zu dem Schluss gekommen, dass es neben der Seidenweberei genau jene Gegensätze sein mochten, die sie aneinander schätzten.

»Bitte?«, fragte Clairgin. Sie hatte Lisbeths Flüstern nicht verstanden.

»Ich würde mich in Grund und Boden schämen, so etwas zum Verkauf anzubieten!«, wiederholte Lisbeth ihre Worte nun etwas lauter.

»Tut sie auch«, gab Clairgin zurück und deutete mit dem Kinn auf Irma van Neyll.

Mit gesenktem Kopf, das Gesicht von der Farbe eines Puters und die Hände verlegen in den Stoff ihrer Schürze gekrallt, stand die stämmige Seidmacherin vor den Versammelten.

Grade einmal eine Woche war es her, dass man aus Frankfurt zurückgekehrt war, und kaum, dass man sich wieder eingerichtet und – so man noch welche hatte – die unverkaufte Ware zurück in die Lager getragen hatte, hatten die Zunftvorsitzenden, die beiden Damen und die beiden Herren vom Seidamt, das gemeine Amt einberufen, die allgemeine Meisterversammlung.

Wie in jedem Jahr war die Zunft der kölnischen Seidmacherinnen nahezu geschlossen zur Messe gereist, bot doch die Fastenmesse in Frankfurt die besten Möglichkeiten, ihre Waren an den Mann zu bringen. Zwar verkaufte man einen Großteil der Seide gleich in Köln, wo nicht nur der Bischofshof in seinem Glanz nach dem edlen Tuch verlangte, sondern wo durch den wachsenden Wohlstand der Stadt seidene Stoffe nicht mehr nur für die Allerreichsten erschwinglich waren. Dennoch war der Bedarf auch dieser prachtvollen Stadt nicht groß genug, all die Seide aufzunehmen, welche die regsamen Seidenweberinnen des kölnischen Seidamtes herzustellen vermochten.

In Frankfurt kamen alle zusammen, die im großen Stil zu kaufen und zu verkaufen trachteten. Händler der Hanse aus Nord und Ost, Kaufleute aus Flandern und London und nicht zuletzt die Vertreter der großen Oberdeutschen Handelshäuser, die ihre verzweigten Netze bis in den Mittelmeerraum spannten. Und die Geschäfte gingen gut, denn kölnische Seide hatte einen ganz ausgezeichneten Ruf in der bekannten Welt.

Dieser Ruf, von dem ihr aller Wohl abhing, war es, der die Seidmacherinnen heute hatte zusammenkommen lassen. Denn eine von ihnen hatte diesen Ruf in Gefahr gebracht.

Nicht alle achtunddreißig eingetragenen Meisterinnen, Hauptfrauen der Seidmacherzunft, waren erschienen. Doch jene, die ihr Gewerbe tatsächlich betrieben und nicht nur dem Papier nach Seidmacherin waren, wie Lisbeths Schwestern Agnes und Sophie, hatten sich eingefunden. Bald dreißig Meisterinnen waren es daher, die sich um den langen Tisch im großen Saal des Hauses von Johann Kyndorp drängten, auf den nun zwei Knechte ballenweise Seide luden. Da die Zunft immer noch eines eigenen Zunfthauses ermangelte, war man im Haus des amtierenden Zunftmeisters zusammengekommen.

Prüfend befühlten einige der Frauen die Stoffe, die sich auf dem Tisch stapelten, und ihre Mienen drückten höchstes Missfallen aus. Die Gewebe waren an vielen Stellen fehlerhaft, dort, wo Garn neu angesetzt worden war, hatten sich dicke Knoten gebildet, und die Ränder der Stoffe waren lappig und wellten sich. Das Urteil war längst gefallen. Man war sich einig – diese Seide verdiente den Namen nicht.

Brigitta van Berchem war klein gewachsen, doch niemandem würde je der Fehler unterlaufen, die drahtige Amtsmeisterin mit den markanten Gesichtszügen zu übersehen. Ihre Nase sprang spitz hervor, und tiefe Furchen zogen sich von den Mundwinkeln herab zu einem scharfkantigen Kinn. Und so wandten sich auch jetzt die Blicke aller Anwesenden der energischen Person in den Dreißigern zu, die soeben, flankiert von ihrer Schwester Gunda, nach vorn trat.

Lisbeth stieß Clairgin mit dem Ellbogen an und deutete verstohlen mit dem Kinn auf die Schwestern. »Die Berchem wie gewohnt mit ihrem Schatten«, flüsterte sie.

Clairgin kicherte leise.

Die Nichten von Bürgermeister Johann van Berchem traten immer gemeinsam in Erscheinung. Gunda war das um wenig größere, breitere und um nur weniges jüngere Abbild von Brigitta, doch ihre Gesichtszüge waren etwas weicher. Und sie war immer dort, wo auch Brigitta war, in diesem Fall vor den versammelten Mitgliedern des Seidamtes, obwohl sie gar nicht dem Zunftvorstand angehörte.

Brigitta van Berchem warf einen wachen Blick aus dunklen Augen in die Runde, und das Tuscheln erstarb, als sie Irma eine Schere in die Hand gab. Schweigend, teilweise mit strafender Miene, starrten die Frauen auf die Schuldige, und während zwei von ihren Lehrmädchen den ersten Ballen abwickelten, setzte Irma die Schere an, die Lippen fest zusammengekniffen. Mit einem grässlichen Geräusch fuhren die Klingen in den Stoff, schnitten ihn entzwei, Elle für Elle. Das Werk von Wochen, ja, Monaten ging in Fetzen, glitt über die Tischkante hinab und kringelte sich wie welkes Laub auf den Bodendielen.

Es fiel keine böse Bemerkung, keine Häme troff auf Irma herab. Aber andererseits verspürte auch keine der Anwesenden Mitleid mit der Seidenweberin. Wer so schlechte Seide zu verkaufen suchte, gefährdete den Ruf aller und hatte Strafe verdient.

Ruchbar war die Sache bereits in Frankfurt geworden, als ein rotbezopfter flämischer Händler an Clairgins Stand in den Römerhallen getreten war. Kurz hatte er Clairgins Seide betrachtet, befühlt und dann mit Posaunenstimme ausgerufen: »Ja, das ist kölnische Seide! Nicht solch ein Gelumpe wie dort drüben!« Mit ausgestrecktem Arm hatte der Flame auf den Verkaufsstand von Irma van Neyll gewiesen.

Lisbeth, die ihren Stand gleich neben dem von Clairgin hatte, ein paar andere Seidmacherinnen und darüber hinaus leider auch einige Käufer waren Zeuge dieses Zwischenfalls geworden.

Clairgin hatte die Sache nicht zum Nachteil gereicht, denn das überschwengliche Lob des Seidenhändlers hatte andere Käufer an ihren Stand gelockt und ihr gute Umsätze eingetragen.

Später am Tag, als sich ihnen die Gelegenheit bot, hatten Lisbeth und Clairgin Irmas Seide unauffällig in Augenschein genommen. Sie konnten dem Flamen nur zustimmen: Die Qualität war gänzlich unbefriedigend.

Gleich nach ihrer Rückkehr waren die Damen und Herren vom Seidamt dann ihrer Pflicht nachgekommen und hatten, ganz so, wie es der Zunftbrief vorsah, Irmas Betrieb besichtigt und die von ihr hergestellte Seide näher untersucht. Alles, was nicht den Anforderungen genügt hatte, und das war das meiste, war beschlagnahmt worden, und zur Strafe musste Irma es nun vor den Augen des versammelten Seidamtes eigenhändig zerschneiden.

»Ich bin sicher, Irma wird künftig viel Sorgfalt auf ihre Weberei verwenden«, bemerkte Clairgin, als sich die Versammlung auflöste und sie mit Lisbeth das Haus des Seidenhändlers Kyndorp verließ. Es dunkelte bereits, doch der Abend war milde, und das Versprechen des nahen Frühlings lag schon in der Luft.

»Was sagst du?«, fragte Lisbeth abwesend.

»Ich meine, diese Blamage wirkt mehr als die Geldstrafe, die Irma an die Zunft zu zahlen hat.«

Lisbeth nickte beiläufig. Ihre Gedanken weilten längst nicht mehr bei der säumigen Seidmacherin. Prüfend blickte sie zum Himmel. Eben stieg der volle Mond über die Dächer am Alter Markt. Wenn sie sich beeilte, wäre sie zu Hause, bevor es gänzlich finster wurde. Mertyn würde ihr Fehlen ohnehin nicht auffallen, er pflegte bis spät im Kontor über seinen Büchern zu sitzen.

Flüchtig verabschiedete sie sich von Clairgin, zog ihren Umhang über den Schultern zusammen und wandte sich zum Gehen. Doch zur Verwunderung der Freundin schlug sie nicht den Weg nach Sankt Alban ein, wo die Ime Hofe und andere wohlhabende Seidmacher ihre Häuser hatten, sondern wandte sich nach Norden.

Schnell kroch die Dunkelheit aus den Winkeln, und Lisbeth beschleunigte ihren Schritt, denn obschon die Nachtwächter ihre Runden drehten, waren die Straßen zur Nachtzeit nicht immer sicher. Ein ums andere Mal wandte sie forschend den Kopf, doch die Schatten...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2011
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 16. Jahrhundert • Familiengeschichten Romane • Familiensaga • Frau • Frauenzunft • Fygen Lützenkirchen • Handelsgesellschaft • Historische Romane • Historische Romane Deutschland • Historische Romane Serie • Köln • Lisbeth Lützenkirchen • Mittelalter • Ravensburg • Seidamt • Seide • Seidenweberei • Seidmacherin • Seidmacherzunft • Starke Frauen in der Geschichte • Valencia • Zünfte
ISBN-10 3-426-40882-1 / 3426408821
ISBN-13 978-3-426-40882-7 / 9783426408827
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