Die Sünderin (eBook)

eBook Download: EPUB
2011 | 1. Auflage
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-20641-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Sünderin -  Petra Hammesfahr
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
«Spannend bis zum bitteren Ende.» (Stern) Cora Bender verbringt mit Mann und Sohn einen Sommernachmittag am See. Auf den ersten Blick eine ganz normale Familie. Doch etwas unterscheidet Cora von den anderen jungen Müttern: Sie wird heute nicht nach Hause zurückkehren - sie hat sich entschlossen zu sterben. Als es Abend wird, lebt Cora noch und muss sich wegen Mordes verantworten. Alle stehen vor einem Rätsel. Was hat diese stille, liebenswürdige junge Mutter veranlasst, mit einem Messer blindwütig auf einen Fremden einzustechen? Für die Polizei ist die Beweislage klar. Nur Hauptkommissar Rudolf Grovian sucht nach einem Motiv und deckt einen Alptraum auf. «Meisterlich genau zeichnet Hammesfahr in ihrem beklemmenden, intelligenten Roman die Gedanken einer jungen Frau am Rande des Wahnsinns nach.» (Der Spiegel)

Petra Hammesfahr schrieb mit 17 ihren ersten Roman. Mit ihrem Buch 'Der stille Herr Genardy' kam der große Erfolg. Seitdem schreibt sie einen Bestseller nach dem anderen, u.a. 'Die Sünderin', 'Die Mutter' und 'Erinnerungen an einen Mörder'. Die Autorin lebt in der Nähe von Köln.

Petra Hammesfahr schrieb mit 17 ihren ersten Roman. Mit ihrem Buch "Der stille Herr Genardy" kam der große Erfolg. Seitdem schreibt sie einen Bestseller nach dem anderen, u.a. "Die Sünderin", "Die Mutter" und "Erinnerungen an einen Mörder". Die Autorin lebt in der Nähe von Köln.

1. Kapitel


Es war ein heißer Tag Anfang Juli, als Cora Bender sich entschloss zu sterben. In der Nacht hatte Gereon mit ihr geschlafen. Er schlief regelmäßig am Freitag- und am Samstagabend mit ihr. Sie schaffte es nicht, ihn abzuweisen, wusste zu gut, wie sehr er das brauchte. Und sie liebte Gereon. Es war mehr als Liebe. Es war Dankbarkeit, bedingungslose Ergebenheit, es war etwas Absolutes.

Gereon hatte ihr ermöglicht zu sein, was alle waren – eine normale junge Frau. Deshalb wollte sie, dass er glücklich und zufrieden war. Früher hatte sie es genossen, wenn er zärtlich wurde, seit einem halben Jahr war das vorbei.

Ausgerechnet am Heiligabend war Gereon auf die Idee verfallen, ein Radio ins Schlafzimmer zu stellen. Es sollte eine besonders schöne Nacht werden. Sie waren an dem Heiligabend seit zweieinhalb Jahren verheiratet und seit achtzehn Monaten Eltern eines Sohnes.

Gereon war siebenundzwanzig, Cora Bender vierundzwanzig Jahre alt. Gereon war knapp eins achtzig groß und schlank, er wirkte sportlich und durchtrainiert, obwohl er keinen Sport betrieb, dazu fehlte ihm die Zeit. Sein Haar war von Geburt an weißblond und nur leicht nachgedunkelt. Sein Gesicht war nicht hübsch und nicht hässlich, es war ein Durchschnittsgesicht, wie Gereon Bender insgesamt ein Durchschnittsmensch war.

Auch an Cora Bender gab es rein äußerlich keine Auffälligkeiten, wenn man von einer Narbe an der Stirn und vernarbten Armbeugen absah. Die Kerbe im Kopf sei die Folge eines Unfalls, die knotig vernarbten Armbeugen entstammten einer bösen Entzündung, hervorgerufen durch Injektionsnadeln bei der Behandlung im Krankenhaus, so hatte sie es Gereon erklärt. Sie hatte auch gesagt, dass sie sich an Einzelheiten nicht erinnere. Letzteres war die Wahrheit. Der Arzt hatte damals gesagt, es komme bei schweren Kopfverletzungen häufig zu Gedächtnisausfällen.

Es gab ein Loch in ihrem Leben. Darin verbarg sich ein schmutziges, dunkles Kapitel, das wusste sie, obwohl die eigene Erinnerung daran fehlte. Vor einigen Jahren war sie in unzähligen Nächten immer wieder hineingefallen. Das letzte Mal lag vier Jahre zurück. Zu der Zeit hatte sie Gereon noch nicht gekannt. Und irgendwie hatte sie es damals geschafft, das Loch zu schließen. Dass sie erneut hineinstürzen könnte, damit hatte sie nicht mehr gerechnet, seit sie mit Gereon verheiratet war. Und dann geschah es – ausgerechnet am Heiligabend.

Zuerst war alles in Ordnung, leise Weihnachtsmusik und Gereons Zärtlichkeit, die allmählich drängender und intensiver wurde. Dann rutschte er langsam an ihr hinunter, da wurde es unangenehm. Und als er mit dem Gesicht zwischen ihre Beine tauchte und sie seine Zunge spüren ließ, wurde die Musik laut. Sie hörte den raschen Wirbel eines Schlagzeugs, eine Bassgitarre und die hohen, schrillen Töne einer Orgel – nur für den Bruchteil einer Sekunde, im nächsten Moment war es schon wieder vorbei. Doch dieser kurze Augenblick reichte.

Etwas in ihr brach zusammen – oder auf, wie ein gut verschlossener Tresor, den jemand mit einem Schweißbrenner bearbeitet. Es war ein irreales Gefühl. Als ob sie nicht mehr im eigenen Bett läge. Sie spürte einen harten Untergrund im Rücken und etwas im Mund, als drücke ein besonders dicker Daumen ihr die Zunge nach unten und verursache einen fürchterlichen Würgreiz.

Das Aufbäumen war nur ein Reflex. Sie schlang die Knie um Gereons Nacken und presste die Oberschenkel zu beiden Seiten an seinen Hals. Es fehlte nicht viel, und sie hätte ihm das Genick gebrochen oder ihn erwürgt. Sie bemerkte es nicht einmal, so weit weg war sie in diesem Moment. Erst als Gereon sie keuchend und röchelnd in die Seite kniff und seine Fingernägel tief in das weiche Fleisch ihrer Taille grub, holte der Schmerz sie zurück.

Gereon japste nach Luft. «Bist du bescheuert? Was fällt dir ein?» Er rieb sich das Genick, hustete, betastete seine Kehle und starrte sie kopfschüttelnd an.

Er verstand ihre Reaktion nicht. Auch sie wusste nicht, was da plötzlich so widerlich und abstoßend gewesen war. So grauenhaft, dass sie für eine Sekunde geglaubt hatte, die Zunge des Todes zu fühlen.

«Ich mag das eben nicht», sagte sie und fragte sich, was sie gehört hatte. Die Musik lief noch, sie war leise und weich. Ein Kinderchor sang: «Stille Nacht, heilige Nacht. Gottes Sohn, oh, wie lacht Lieb’ aus deinem göttlichen Mund.» Was sonst an so einem Abend?

Der unverhoffte Angriff hatte Gereon die Lust genommen. Er schaltete das Radio aus, löschte das Licht und zog sich die Decke über die Schulter. Gute Nacht wünschte er ihr nicht, brummte nur: «Dann eben nicht!»

Er schlief rasch ein. Sie hätte später nicht sagen können, ob sie ebenfalls eingeschlafen war. Irgendwann saß sie aufrecht im Bett, schlug mit den Fäusten um sich und schrie: «Aufhören! Loslassen! Lasst mich los! Hört auf, ihr Schweine!» Und dabei zuckten ihr die wüsten Wirbel des Schlagzeugs, die Bassgitarre und schrillen Orgelklänge durch den Kopf.

Gereon erwachte, griff nach ihren Händen, schüttelte sie und schrie ebenfalls. «Cora! Hör auf! Was soll denn der Scheiß?» Sie konnte nicht aufhören und nicht aufwachen. Sie saß in der Dunkelheit und kämpfte verzweifelt gegen etwas, das langsam auf sie zukam, etwas, von dem sie nur wusste, dass es sie um den Verstand brachte.

Erst als Gereon ihr mehrere leichte Schläge gegen die Wangen versetzte, fand sie zu sich. Er wollte wissen, was los sei mit ihr. Ob er ihr irgendwas getan habe. Ihr Kopf war noch nicht klar genug, um ihm auf der Stelle zu antworten. Sie starrte ihn nur an. Nach ein paar Sekunden legte er sich zurück. Sie folgte seinem Beispiel, drehte sich auf die Seite und versuchte sich einzureden, es sei nur ein gewöhnlicher Albtraum gewesen.

Aber in der darauf folgenden Nacht, als Gereon das Versäumte nachholen wollte, geschah es wieder, obwohl diesmal kein Radio im Schlafzimmer stand und er auch keine Anstalten machte, das mit ihr zu tun, was er als höchsten Ausdruck von Liebe empfand. Zuerst kam die Musik, etwas lauter und etwas länger, lange genug, um zu erkennen, dass sie dieses Lied noch nie gehört hatte. Dann fiel sie in das schwarze Loch, aus dem sie schreiend und um sich schlagend hochfuhr. Nicht erwachte – das gelang ihr erst, als Gereon sie schüttelte, gegen ihre Wangen schlug und ihren Namen rief.

In der ersten Januarwoche passierte es zweimal, in der zweiten einmal, da war Gereon am Freitag zu müde. Jedenfalls behauptete er, müde zu sein. Aber am Samstag sagte er: «Allmählich habe ich das Theater satt.» Vielleicht war das auch am Freitag schon der Grund gewesen.

Im März bestand Gereon darauf, dass sie zu einem Arzt ging. «Das ist nicht normal, das musst du zugeben. Da muss man doch endlich was unternehmen. Oder soll das jetzt immer so weitergehen? Dann schlaf ich aber auf der Couch.»

Sie ging nicht zu einem Arzt. Ein Arzt hätte garantiert gefragt, ob sie eine Erklärung für diesen merkwürdigen Albtraum wisse oder zumindest dafür, warum es immer nur dann geschah, wenn Gereon mit ihr geschlafen hatte. Ein Arzt hätte wahrscheinlich begonnen, in dem Loch zu stochern, hätte ihr eingeredet, man müsse sich die Dinge bewusst machen. Ein Arzt hätte nicht verstanden, dass es Dinge gab, die zu grausam waren, um sie sich bewusst zu machen. Sie versuchte es mit einer Apotheke. Man empfahl ihr ein leichtes Schlafmittel. Damit erreichte sie immerhin, dass das Schreien und Um-sich-Schlagen ausblieb und Gereon annahm, es sei nun alles wieder in Ordnung. Das war es nicht.

 

Es wurde mit jedem Wochenende schlimmer. Schon im Mai war die Angst vor dem Freitagabend wie ein Tier, das sie langsam von innen zerfleischte. Der Freitagnachmittag Anfang Juli war die Hölle.

Sie saß im Büro, das nicht mehr war als ein vom übrigen Lagerraum abgeteilter Winkel. Über dem Schreibtisch brannte eine Lampe, und am äußeren Rand des Lichtkegels stand ein Faxgerät, das Datum und Uhrzeit anzeigte.

4. Jul. 16 : 50! Noch zehn Minuten bis zum Feierabend. Noch etwa fünf Stunden, bis Gereon die Hand nach ihr ausstreckte. Am liebsten wäre sie sitzen geblieben bis Montag früh. Solange sie hinter dem Schreibtisch saß, war sie tüchtig und clever, Seele und Motor in der Firma des Schwiegervaters.

Ein Familienbetrieb, nur sie, ihr Schwiegervater, Gereon und ein Angestellter, Manni Weber. Ein Installationsunternehmen, Heizung und Wasser, und ohne sie lief nichts mehr. Sie war stolz auf ihre Position, hatte sich ihren Platz in der Hierarchie hart erkämpfen müssen.

Am Tag nach der Hochzeit hatte ihr Schwiegervater verlangt, dass sie die Büroarbeit übernahm. Und er ließ nichts gelten. «Was heißt hier, ich kann das nicht? Du hast doch Augen im Kopf! Schau in die Bücher, dann lernst du’s. Oder hast du gedacht, du kannst hier auf dem faulen Hintern sitzen?»

Es war nie ihre Art gewesen, auf dem faulen Hintern zu sitzen. Das sagte sie auch. Und der Alte nickte. «Dann haben wir das ja geklärt.»

Bis dahin hatte er sich nach Feierabend selbst um den Papierkram kümmern müssen. Ihre Schwiegermutter konnte gerade das Telefon bedienen. Viel mehr konnte sie anfangs auch nicht.

Es gab nie einen Rat von dem Alten, nie einen Hinweis, wie er es bis dahin gehandhabt hatte. Und sich an den Büchern orientieren – dazu hätten sie ordentlich geführt sein müssen. Manchmal schien es, als weide sich der Alte an ihrer Hilflosigkeit. Nur war sie nicht lange hilflos gewesen.

Sie begriff rasch, worauf es ankam, und biss sich durch. Nichts fiel ihr in den Schoß, sogar um die Bretterwände, die den Bürowinkel vom übrigen Lager abtrennten, musste sie...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2011
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte ABC • Geheimnis • Jessica Biel • Mord • Mutter • Netflix • Serie • The Sinner
ISBN-10 3-644-20641-4 / 3644206414
ISBN-13 978-3-644-20641-0 / 9783644206410
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,6 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99