Die Rache des schönen Geschlechts (eBook)

Commissario Montalbano lernt das Fürchten
eBook Download: EPUB
2010 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-8387-0322-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Rache des schönen Geschlechts -  Andrea Camilleri
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Commissario Montalbano hat es wirklich nicht leicht, denn trotz Fieberschüben und Gebirgskoller ist sein Einfallsreichtum überaus gefragt. Doch zum Glück gibt es immer ein paar Dinge, die seine gute Laune am Leben erhalten: das Meer vor seiner Haustür in Marinella, die Köstlichkeiten in der Trattoria San Calogero und - die Frauen. Was wäre die Welt ohne das schöne Geschlecht, dem sowohl Montalbano als auch der Sizilianer im Allgemeinen und überhaupt alle Männer irgendwie verbunden sind: intelligente Frauen, schöne Frauen - aber vor allem gefährliche Frauen, die auf Rache sinnen... Und Frauen rächen sich nicht irgendwie, sondern auf raffinierte Weise, giftig, mit spitzer Zunge und anderen - garantiert tödlichen - Waffen!

Fieber


Als er aufwachte, wollte er sofort im Kommissariat anrufen und Bescheid geben, dass es keinen Zweck hatte, er konnte einfach nicht ins Büro, nachts hatte ihn die Grippe angefallen wie ein Hund, der gar nicht erst bellt, sondern einem gleich an die Gurgel springt.

Er machte Anstalten aufzustehen, musste sich aber gleich wieder hinsetzen, die Glieder taten ihm weh, die Gelenke knirschten; er versuchte es noch einmal und bewegte sich ganz langsam, gelangte schließlich ans Telefon, streckte die Hand aus, und just in diesem Moment klingelte es.

»Pronti, Dottori? Sind Sie da echt selber dran? Erkennen Sie mich? Ich bin Catarella.«

»Ich hab dich erkannt, Catarè. Was willst du denn?«

»Gar nichts, Dottori.«

»Wieso rufst du dann an?«

»Das ist nämlich so, Dottori. Ich persönlich selber will nichts von Ihnen, aber der Dottori Augello, der will Ihnen was sagen. Was soll ich machen, soll ich ihn durchstellen?«

»Gut, stell ihn durch.«

»Bleiben Sie dran, dann können Sie mit ihm reden.«

Eine halbe Minute verging in vollkommener Stille. Montalbano wurde von heftigem Schüttelfrost gepackt. Ein schlechtes Zeichen. Er schrie in den Hörer.

»Pronto! Pronto! Seid ihr alle tot?«

»Entschuldigen Sie, Dottori, aber der Dottori Augello geht nicht ans Telefon. Wenn Sie ein bisschen Geduld haben, geh ich in sein Zimmer und sag ’s ihm.«

Da meldete Augello sich schon mit keuchender Stimme. »Entschuldige, wenn ich dich störe, Salvo, aber …«

»Nein, Mimì, kein Aber«, sagte Montalbano. »Ich wollte gerade anrufen, dass ich heute zu Hause bleibe, ich schaff ’s nicht. Ich nehme ein Aspirin und leg mich wieder ins Bett. Kümmere dich also selber um die Angelegenheit, wegen der du mich sprechen wolltest. Wiederhören.«

Montalbano legte auf, spielte kurz mit dem Gedanken, den Telefonstecker rauszuziehen, und entschied sich dann dagegen. Er ging in die Küche, schluckte ein Aspirin, fröstelte wieder, dachte darüber nach, schluckte noch eine Tablette, schlüpfte ins Bett und nahm das Buch vom Nachttisch, das er am Abend zuvor mit Vergnügen zu lesen begonnen hatte, Der Kampfhund von Carlo Lucarelli; er schlug es auf und wusste nach den ersten Zeilen, dass das Lesen unmöglich war, er spürte einen eisernen Ring um den Kopf und sah alles ganz verschwommen.

Kriege ich etwa Fieber?, fragte er sich. Mit der Handfläche befühlte er seine Stirn, aber er konnte nicht unterscheiden, ob sie heiß war oder nicht, außerdem hatte er das nie begriffen, es war ja nur eine symbolische Geste, doch aus unerfindlichen Gründen machte er das immer so. Er musste unbedingt richtig Fieber messen. Montalbano richtete sich seitlich auf, öffnete die Schublade des Nachtkästchens und kramte darin herum. Das Thermometer war natürlich nicht da. Wo hatte er es hingetan? Wann hatte er zum letzten Mal Fieber gemessen? Wahrscheinlich vergangenes Jahr im Dezember, das war für ihn der gefährlichste Monat, und nicht der, von dem der Dichter spricht … Welcher Monat war für Eliot der grausamste? Ja, jetzt fiel es ihm wieder ein, April ist der grausamste Monat … Oder war es März? Poetische Exkurse in Ehren, aber wo steckte das verfluchte Fieberthermometer? Montalbano stand auf, ging ins andere Zimmer, sah in jede Schublade, in die Bücherregale, in alle Winkel. Hinter einem ziemlich schiefen Bücherstapel auf einem wackligen Tischchen lugte ein Foto von ihm und Livia hervor. Er betrachtete es und konnte sich nicht erinnern, wo es aufgenommen worden war. Ihre Kleidung ließ auf Sommer schließen. Im Hintergrund war schemenhaft ein Mann in Uniform zu erkennen, aber er sah nicht nach Militär aus, eher wie ein Hotelportier. Oder war es ein Bahnhofsvorsteher? Montalbano ließ das Foto Foto sein und setzte seine Suche fort. Keine Spur von dem Thermometer. Wieder hatte er Schüttelfrost, diesmal stärker als vorher, gefolgt von einem leichten Schwindelgefühl. Er fluchte. Das Thermometer musste unbedingt her. Das Ergebnis der Sucherei war, dass es nach einer Weile im Haus aussah, als hätte eine randalierende Einbrecherbande gewütet. Dann wurde Montalbano plötzlich ruhig: Was kümmerte ihn der Fiebermesser eigentlich? Wenn er wusste, wie hoch sein Fieber war, würde sich sein Zustand auch nicht bessern. Sicher war nur, dass er krank war, basta. Er legte sich wieder ins Bett. Da hörte er, wie ein Schlüssel im Schloss umgedreht wurde, und gleich darauf stieß Adelina, seine Haushaltshilfe, einen schrillen Schrei aus.

»Madonna biniditta! Die Einbrecher waren da!«

Montalbano stand auf und beruhigte die Frau eilends, die ihn während seiner wirren Erklärung aufmerksam musterte.

»Jedenfalls sind Sie krank.«

Montalbano antwortete mit einer Frage, die zugleich eine Bestätigung war.

»Weißt du, wo der Fiebermesser ist?«

»Finden Sie ihn nicht?«

»Wenn ich ihn gefunden hätte, würde ich dich nicht danach fragen.«

Entrüstet pumpte Adelina sich auf.

»Wenn Sie ihn nicht finden und dabei das Zimmer auf den Kopf stellen, dass es aussieht wie nach einem Erdbeben, wie soll ich ihn dann finden?« Beleidigt und empört verzog sie sich in die Küche. Montalbano sah sich schon verloren. Allein weil er davon geredet hatte, kehrte plötzlich die fixe Idee zurück, dass er ein Fieberthermometer bräuchte. Unbedingt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich anzuziehen, in die Apotheke zu fahren und eins zu kaufen. Er ging auf Zehenspitzen, damit Adelina nichts merkte, denn sie hätte bestimmt Ärger gemacht und ihn ans Bett gefesselt, damit er das Haus nicht verlassen konnte. Die erste Apotheke hatte keinen Dienst. Er fuhr weiter ins Zentrum von Vigàta, parkte vor der Farmacia Centrale und wollte aussteigen. Er sank in den Sitz zurück, weil ihn heftiger Schwindel überkam und ihm außerdem leicht übel war. Schließlich raffte er sich auf, betrat die Apotheke und stellte fest, dass er warten musste, denn bei der Grippewelle war anscheinend die halbe Stadt krank.

Als er an der Reihe war und gerade den Mund aufmachen wollte, krachten draußen auf der Straße, doch ganz in der Nähe, zwei Schüsse. Obwohl er vom Fieber ziemlich benommen war, stand der Commissario im Nu vor der Apotheke, und seine Augen waren wie eine Filmkamera, klare Bilder prägten sich ihm ein. Linker Hand raste ein Moped mit zwei Jungen davon, und der Bursche hinter dem Fahrer hielt eine kleine Tasche in der Hand, die er offensichtlich einer alten Frau entrissen hatte, die hingestürzt war und verzweifelt schrie. Auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig ließ sich Signor Saverio Di Manzo, Inhaber des gleichnamigen Reisebüros, gerade von einem Verkehrspolizisten entwaffnen. Signor Di Manzo, bekanntermaßen ein Dummkopf, hatte den Diebstahl bemerkt und auf die Jungen mit dem Moped zwei Schüsse abgegeben. Er hatte sie verfehlt und dafür ein zehnjähriges Mädchen getroffen, das sich heulend auf dem Boden wälzte und sich das rechte Bein hielt. Montalbano ging auf sie zu, doch ein Mann kam ihm zuvor, schob ihn weg und kniete sich neben das Mädchen. Der Commissario kannte ihn, es war ein Obdachloser, der im Jahr zuvor in der Stadt aufgetaucht war, von Almosen lebte und Lampiuni – Laternenpfahl – genannt wurde, vielleicht weil er so groß und dünn war. Lampiuni hatte rasch die Schnur gelöst, die seine Hose hielt, begann sie fest um den Oberschenkel des Mädchens zu wickeln, blickte kurz zum Commissario auf und befahl:

»Halten Sie sie fest.«

Montalbano gehorchte, fasziniert von der Ruhe und den präzisen Bewegungen des Stadtstreichers.

»Haben Sie ein sauberes Taschentuch? Geben Sie es mir und rufen Sie einen Krankenwagen.«

Doch das war nicht nötig, denn der Fahrer eines Autos, das gerade vorbeigekommen war, lud das Mädchen in seinen Wagen, um es nach Montelusa ins Krankenhaus zu fahren. Vier Carabinieri erschienen, und Montalbano verdrückte sich; er setzte sich in seinen Wagen und fuhr schnell zurück nach Marinella.

Kaum hatte er die Haustür geöffnet, baute Adelina sich vor ihm auf.

»Woher kommt das ganze Blut?«

Montalbano sah auf seine Hände und seine Kleider: Sie waren blutverschmiert, das hatte er gar nicht gemerkt.

»Da war … da war ein Unfall, und ich …«

»Sie legen sich auf der Stelle ins Bett, die Kleider bring ich in die Reinigung. Was fällt Ihnen eigentlich ein? Was müssen Sie aus dem Haus gehen, wenn Sie krank sind? Sie wissen doch, dass man von einer verschleppten Grippe eine Lungenentzündung kriegen kann! Und nach einer verschleppten Lungenentzündung kommt der Tod!«

Mit der Litanei »Verschleppte Grippe – verschleppte Lungenentzündung ist gleich sicherer Tod« hatte Adelina ihm schon mindestens zweimal in den Ohren gelegen. Er ging ins Bad, zog sich aus, wusch sich und schlüpfte in sein frisch gemachtes Bett. Keine fünf Minuten später kam Adelina mit einer großen dampfenden Tasse herein.

»Ich hab ein bisschen Hühnerbrühe gekocht, die ist ganz leicht.«

»Ich hab keinen Hunger.«

»Dann stelle ich sie auf den Nachttisch. Ich geh jetzt: Brauchen Sie noch was?«

»Nein, vielen Dank.«

Seine Nase war zwar verstopft, aber der Duft der Brühe wehte ihn...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2010
Reihe/Serie Commissario Montalbano
Übersetzer Christiane von Bechtolsheim
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel La paura di Montalbano
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Camilleri • Carabinieri • cherringham • criminale • Dedektiv • detective • Detektiv • Deutsche Krimis • Ermittler • Ermittlung • Europa • Geheimdienst • Italien • Komissar • Kommisar • Kommissar • Kommissarin • Krimi • Krimi Bestseller • Kriminalgeschichte • Kriminalliteratur • Kriminalpolizei • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • Krimis; Italien; Sizilien; Serienkrimi (Serienermittler) • Krimis und Thriller • Lombardei • Mailand • Mord • Mörder • Mordkommission • Palermo • Polizei • Polizist • Privatdetektiv • Regionalkrimi • Schimanski • Serienkrimi (Serienermittler) • Serienmörder • Sizilien • Spannung • Spannungsroman • Tatort • Thriller • Verbrechen • Verschwörung • verschwunden
ISBN-10 3-8387-0322-7 / 3838703227
ISBN-13 978-3-8387-0322-0 / 9783838703220
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