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Die deutsche Revolution 1989 (eBook)

eBook Download: EPUB
2010 | 1. Auflage
384 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-10281-1 (ISBN)
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Es war die erste gelungene Revolution in Deutschland. Sie begann unter großen Gefahren, doch ihr gewaltloser Verlauf und ihr friedliches Ende, das in Demokratie und Wiedervereinigung mündete, waren ohne Beispiel in der europäischen Geschichte. Wolfgang Schuller, einer der renommiertesten westdeutschen Kenner der DDR, zeichnet das große Panorama dieser einzigartigen Epoche, von den ersten Demonstrationen in der Provinz bis zur staatlichen Vereinigung am 3. Oktober 1990. Auf der Grundlage jahrelanger Recherchen an verschiedensten Schauplätzen und zahlreicher Interviews mit den Protagonisten von damals, von Helmut Kohl über Günter Schabowski bis hin zu vielen bislang unbekannten Teilnehmern, entsteht so das Bild einer Bewegung, die deutlich vielschichtiger war als lange angenommen. Schuller widmet sich dabei neben den großen Ereignissen auch den bisher vernachlässigten Aspekten der sogenannten Wendezeit: Was trieb Millionen von Demonstranten in der Provinz an? Welche Dynamik entwickelte der Aufstand? Wo hätte der Protest in Gewalt umschlagen oder von den staatlichen Repressionsorganen niedergeschlagen werden können? Und wie schätzten die führenden SED-Funktionäre die Lage ein? Das packende Gesamtbild einer außergewöhnlichen Revolution - und zugleich ein glänzend erzähltes Kapitel deutscher Geschichte.

Wolfgang Schuller, geboren 1935, wurde als Jurist ausgebildet und studierte anschließend Altertumswissenschaften. Von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2004 war er Professor für Alte Geschichte, seit 1976 an der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte sind die griechische Antike und die DDR-Geschichte. Er war Mitarbeiter der Enquetekommissionen des Deutschen Bundestags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. «Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts der DDR» (1980), «Griechische Geschichte» (1980), «Kleopatra» (2006), «Das Sichere war nicht sicher. Die erwartete Wiedervereinigung» (2006) sowie «Die Welt der Hetären» (2008).

Wolfgang Schuller, geboren 1935, wurde als Jurist ausgebildet und studierte anschließend Altertumswissenschaften. Von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2004 war er Professor für Alte Geschichte, seit 1976 an der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte sind die griechische Antike und die DDR-Geschichte. Er war Mitarbeiter der Enquetekommissionen des Deutschen Bundestags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. «Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts der DDR» (1980), «Griechische Geschichte» (1980), «Kleopatra» (2006), «Das Sichere war nicht sicher. Die erwartete Wiedervereinigung» (2006) sowie «Die Welt der Hetären» (2008).

Stalins DDR


Nach Deutschlands vollständiger – auch moralischer – Niederlage im Zweiten Weltkrieg fiel es 1945 unter die gemeinsame Verwaltung der vier Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion, die jeweils eigene Besatzungszonen einrichteten. Deutschland östlich der Oder-Neiße-Linie unter Einschluss Stettins kam nach der Vertreibung seiner Bewohner an Polen und zu einem kleinen Teil an die UdSSR; Frankreich stellte das Saargebiet unter einen Sonderstatus. Regiert wurde das besetzte Land durch den Alliierten Kontrollrat, doch förderten die drei Westmächte die Entwicklung ihrer Zonen ganz allmählich im Sinne einer freiheitlichen Demokratie, wie sie sich in West- und Mitteleuropa herausgebildet hatte. Auch Berlin wurde von den Alliierten gemeinsam verwaltet und in vier Sektoren aufgeteilt, die eine ähnliche Entwicklung wie ganz Deutschland nahmen.

Die Sowjetunion ließ zwar zunächst mehrere Parteien und herkömmliche staatliche Strukturen zu, begann jedoch sehr bald, wie in den ost- und ostmitteleuropäischen Staaten, schrittweise das Sowjetsystem einzuführen. Dies musste zwangsläufig zur Trennung von den drei Westzonen führen. Auch wenn sich die UdSSR zunächst die Option eines einheitlichen Deutschland unter ihrem starken Einfluss offenhalten wollte, setzten die Sowjetisierungsmaßnahmen mit Hilfe der deutschen Kommunisten schon bald ein. Die SPD musste sich im April 1946 unter sowjetischem Druck und ohne Mitgliederbefragung mit der KPD vereinigen, die sehr schnell ihr Versprechen der Parität brach und die Sozialistische Einheitspartei (SED) zu einer kommunistischen Partei mit Politbüro und Generalsekretär formte; daher nennt Hermann Weber diese Vereinigung mit Recht eine Zwangs- und Betrugsvereinigung.

Die Besatzungsmacht veranlasste die bürgerlichen Parteien CDU und LDP, sich der SED unterzuordnen. Die einzigen freien Landes- und Kommunalwahlen fanden im Herbst 1946 statt, danach wurden Einheitslisten eingeführt, auf denen die SED und kommunistisch geführte Massenorganisationen wie die Einheitsgewerkschaft FDGB und die Jugendorganisation FDJ eine klare Mehrheit hatten; öffentliche Kritik an ihnen war nicht möglich. So kam im Mai 1949 ein Volkskongress zustande, aus dem sich schließlich am 7. Oktober die provisorische Volkskammer bildete, die eine Verfassung verabschiedete und einen Staat gründete: die Deutsche Demokratische Republik.

Wirtschaft und Gesellschaft wurden in derselben Weise umgestaltet. Auf die Verstaatlichung der Banken im Juli 1945 folgte im September eine Bodenreform, die jeden Grundbesitz ab hundert Hektar vollständig und entschädigungslos enteignete und das Land an Einzelbauern verteilte, die sich später zu Produktionsgenossenschaften nach dem Vorbild der sowjetischen Kolchosen zusammenschließen mussten. Die Enteignungen gingen in großem Stil weiter, sodass ab März 1948 eine Deutsche Wirtschaftskommission die zumeist in Staatseigentum übergegangene Wirtschaft zentral lenken konnte. Im Mai 1948 beschloss die SED einen Zweijahresplan. Die Partei war zur einzig entscheidenden politischen Instanz geworden, die die anderen politischen Kräfte nur aus propagandistischen Gründen duldete. Rasch sollte sich diese Parteidiktatur verfestigen.

Die westdeutsche Währungsreform vom Juni 1948 und die Vorbereitungen zur Gründung eines westdeutschen Staates im Mai 1949 waren vor allem eine Reaktion auf die schrittweise Einführung des staatssozialistischen Systems in der Sowjetzone, hinzu kamen die parallelen Vorgänge im östlichen Europa und der von der UdSSR geförderte Bürgerkrieg in Griechenland. Diese Entwicklung wirkte sich auch auf die gemeinsame Verwaltung Deutschlands durch die Siegermächte aus. Auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 waren noch gemeinsame Institutionen geschaffen worden, es wurden sogar einheitliche deutsche Briefmarken ausgegeben. Die Spannungen nahmen aber so sehr zu, dass die Sowjetunion am 20. März 1948 den Kontrollrat und am 16. Juni desselben Jahres die Berliner Kommandantur verließ – die sie erst 1990 zu einer kurzen Abschlusssitzung wieder betreten sollte.

Wie intensiv die UdSSR die Sowjetisierung ihrer Zone betrieben hatte, die den Zusammenhalt Deutschlands immer unwahrscheinlicher machte, zeigen ihre Maßnahmen zur physischen und geistigen Isolierung der Bevölkerung. Im Sommer 1946 wurden die meisten Grenzübergänge zur britischen und amerikanischen Zone geschlossen, am 18. Juni 1948 verhängte die Sowjetunion eine Blockade über West-Berlin, das bis zu deren Aufhebung im Mai 1949 nur durch die Luft versorgt werden konnte. Zudem wurde das kulturelle und wissenschaftliche Leben immer mehr auf die Sowjetideologie ausgerichtet. Werke von Marx, Engels, Lenin und Stalin erschienen in gewaltiger Auflagenhöhe, ein pathologischer Stalinkult begann. Rundfunk, Zeitungen und Verlage wurden zunehmend unter SED-Kontrolle gestellt – selbst Kirchenzeitungen blieben bis zum Schluss scharf zensiert –, westliche Medien wurden behindert oder ausgeschlossen. In den Schulen war schon 1945 der Russischunterricht eingeführt worden; sie sollten Kindern und Jugendlichen mit besonderer Intensität marxistische Ideen aufoktroyieren – und damit langfristig der gesamten Bevölkerung.

Nach Gründung der DDR setzte sich diese Entwicklung verstärkt fort. Im Februar 1950 entstand das Ministerium für Staatssicherheit, im selben Jahr begann die Justiz systematisch und mit terroristischen Mitteln, vermeintliche und wirkliche Gegner zu verfolgen. Im Mai 1952 beschloss die SED die «planmäßige Errichtung der Grundlagen des Sozialismus» mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen. Noch im selben Monat wurde eine fünf Kilometer breite Sperrzone an der Zonengrenze errichtet, mit nackter Gewalt ging man gegen die evangelische Kirche vor, die Flüchtlingszahlen nach Westdeutschland stiegen an, und weil die Grenze innerhalb Berlins noch verhältnismäßig offen war, flüchteten die meisten über Berlin. Am 5. März 1953 starb der vergottete Stalin – die KPdSU veranlasste die Ost-Berliner Genossen zu einer Mäßigung des Terrors, doch am 17. Juni brach ein Aufstand aus, der nur unter Einsatz der Sowjetarmee unterdrückt werden konnte. Die Diktatur der Partei erholte sich, immer mehr Menschen flohen in den Westen, aber statt die Politik zu ändern, baute die Partei unter Leitung Erich Honeckers am 13. August 1961 in Berlin eine Mauer. Die Zonengrenze wurde ebenfalls immer weiter ausgebaut und tief gestaffelt, mit Minenfeldern, Todesstreifen, scharfen Hunden und Grenztruppen, deren Aufgabe es war, Flüchtlinge zu ergreifen oder zu vernichten. Insgesamt sollte diese Grenze bis 1989 fast eintausend Todesopfer fordern.

 

Wie jede Despotie hatte auch die kommunistische Parteidiktatur ihre inneren Gesetze. Die entscheidenden Herrschaftsmittel waren die Isolation der Bevölkerung von der Außenwelt und das Fehlen von Öffentlichkeit, sodass das politische Bewusstsein der Unterworfenen weitgehend von den Herrschenden geprägt werden konnte. Die äußere Abschottung der Bevölkerung wurde durch das generelle Verbot der Ausreise bewirkt, konkret durchgesetzt durch das Grenzregime. Niemand sollte die Lebensverhältnisse außerhalb der DDR kennenlernen, von denen viele Menschen annahmen, dass sie denen in der Heimat vorzuziehen seien. Welche Wirkung schon ein kurzer Besuch im Westen haben konnte, verdeutlicht ein Eintrag aus dem Tagebuch der Schriftstellerin Brigitte Reimann vom 15. Dezember 1964. Sie durfte – von einem DDR-Funktionär gut betreut – zu einer Lesung in ein West-Berliner Studentenheim fahren und schreibt:

 

Der Kudamm ist einfach Wahnsinn. Man sieht die Häuserwände nicht mehr, sie sind von oben bis unten mit grellen Lichtreklamen bedeckt, eine Orgie von buntem Licht … auf der Fahrbahn ein unabsehbarer Strom von Autos, dollen Schiffen, rollenden Diwans. Heckflossen wie Tragflächen … ich war völlig zerrüttet. Wie kann man da bloß leben, sich über den Damm wagen, als Mensch existieren zwischen Lichtschreien und flachschnäuzigen gefräßigen Stacheltieren. Ich zittere vor Aufregung, war den Tränen nahe – nun ja, Provinz.

 

Zur selben Zeit lebte der Autor dieses Buches in West-Berlin, fuhr mit seinem VW Standard eher entspannt über den Kurfürstendamm, hatte aber durchaus ähnlich starke Empfindungen, wenn er, oft genug, im Ostsektor Berlins unterwegs war, also in der Hauptstadt der DDR: Das, was für Brigitte Reimann die Normalität war, empfand er als grau und trist.

Durch die Abschottung der Bevölkerung von der Außenwelt gelang es den Machthabern, ihre Herrschaft auch nach innen zu sichern. Die fehlende Öffentlichkeit gewährleistete, dass nur die Stimme der Partei zur Geltung kam. Die Einheitslisten wären nicht ganz undemokratisch gewesen, wenn für und wider ihre Annahme hätte Stellung genommen werden können, aber das wurde von vornherein verhindert. Ein freier politischer Diskurs fand nicht statt. Jeder, der eine andere Auffassung vertrat, konnte diese schon deshalb nicht öffentlich machen, weil es keine Zeitung, keinen Sender, keinen Verlag gab, der ihn zu Wort kommen ließ; kein einziger kritischer Leserbrief wurde gedruckt. Die Maßnahmen der Partei wurden geheim vorbereitet und dann – meist in Nacht-und-Nebel-Aktionen wie im Fall des Mauerbaus – ausgeführt.

Das Verschweigen war ein weiteres Herrschaftsmittel. Beispielsweise wurde der Bevölkerung und, was besonders verwerflich ist, den betroffenen Sportlerinnen und Sportlern verschwiegen, dass sie planmäßig und zum Teil mit schweren gesundheitlichen Folgen...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2010
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte DDR • Demokratie • Demonstrationen • Deutschland • Friedensgebet • Friedliche Revolution • Interviews • Wende • Wiedervereinigung
ISBN-10 3-644-10281-3 / 3644102813
ISBN-13 978-3-644-10281-1 / 9783644102811
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