Der Fürst des Nebels (eBook)

Roman
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2010 | 1. Auflage
224 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400648-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Fürst des Nebels -  Carlos Ruiz Zafón
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Carlos Ruiz Zafóns legendärer erster Roman - neu übersetzt und fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite. Ein frühes Meisterstück dieses begnadeten Erzählers. In »Der Fürst des Nebels« fliehen Max und seine Familie vor dem tobenden Krieg. Ein altes Haus am Meer verheißt Frieden und Sicherheit. Doch schon bald legt sich ein dunkler Schatten über den Zufluchtsort, als Max erfährt, dass der Sohn der ehemaligen Bewohner unter mysteriösen Umständen ertrunken ist. Eine geheimnisvolle Macht bedroht nun auch das Leben seiner Familie. Als er mit seinem neuen Freund Roland zum Wrack der Orpheus taucht, kann Max förmlich fühlen, wie etwas Schreckliches in der Tiefe lauert. Gibt es eine Verbindung zum finsteren »Fürst des Nebels«, von dem der Leuchtturmwärter erzählt? Und hat der ihnen wirklich alles gesagt? Als Max erkennt, welch grauenvolle Gefahr wirklich droht, hat sich bereits ein Sturm zusammengebraut: etwas lange Totgeglaubtes erhebt sein Haupt und macht sich auf die Jagd.

Carlos Ruiz Zafón begeisterte mit seinen Barcelona-Romanen um den Friedhof der Vergessenen Bücher ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt. »Der Schatten des Windes«, »Das Spiel des Engels«, »Der Gefangene des Himmels« und »Das Labyrinth der Lichter« waren allesamt internationale Bestseller. Auch »Marina«, der Roman, den er kurz vor den großen Barcelona-Romanen schuf, stand wochenlang auf den Bestsellerlisten. Seine ersten Erfolge feierte Carlos Ruiz Zafón mit den drei phantastischen Schauerromanen »Der Fürst des Nebels«, »Mitternachtspalast« und »Der dunkle Wächter«. Carlos Ruiz Zafón wurde 1964 in Barcelona geboren und starb 2020 in seiner Wahlheimat Los Angeles.

Carlos Ruiz Zafón begeisterte mit seinen Barcelona-Romanen um den Friedhof der Vergessenen Bücher ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt. »Der Schatten des Windes«, »Das Spiel des Engels«, »Der Gefangene des Himmels« und »Das Labyrinth der Lichter« waren allesamt internationale Bestseller. Auch »Marina«, der Roman, den er kurz vor den großen Barcelona-Romanen schuf, stand wochenlang auf den Bestsellerlisten. Seine ersten Erfolge feierte Carlos Ruiz Zafón mit den drei phantastischen Schauerromanen »Der Fürst des Nebels«, »Mitternachtspalast« und »Der dunkle Wächter«. Carlos Ruiz Zafón wurde 1964 in Barcelona geboren und starb 2020 in seiner Wahlheimat Los Angeles. Lisa Grüneisen, 1967 geboren, arbeitet seit ihrem Studium der Romanistik, Germanistik und Geschichte als Übersetzerin. Sie übersetzte unter anderem Bücher von Carlos Ruiz Zafón, Carlos Fuentes, Miguel Delibes, Alberto Manguel und Frida Kahlo.

Kapitel Eins


Nie würde Max jenen Sommer vergessen, in dem er beinahe zufällig die Magie entdeckte. Es war das Jahr 1943, und der Sturm des Krieges riss die Welt unaufhaltsam in den Abgrund. Mitte Juni, an dem Tag, als Max dreizehn wurde, versammelte sein Vater, ein eigenwilliger Uhrmacher und Erfinder von schillernden, oft völlig nutzlosen Dingen, alle Familienmitglieder im Wohnzimmer. Dort teilte er ihnen mit, dass dies der letzte Tag sei, den sie in der Wohnung hoch über den Dächern der Altstadt verbringen würden, die ihr Zuhause gewesen war, solange Max denken konnte. Grabesstille senkte sich über die Familie. Sie sahen einander an und dann den Uhrmacher. Er lächelte, so wie er immer lächelte, wenn er schlechte Neuigkeiten oder eine verrückte Idee hatte.

»Wir ziehen in ein Strandhaus in einem kleinen Dorf an der Küste«, erklärte er. »Wir lassen diese Stadt und den Krieg hinter uns.«

Max schluckte und schüttelte in stillem Protest den Kopf. Die anderen Familienmitglieder folgten seinem Beispiel, aber der Uhrmacher wischte all ihre Bedenken beiseite. Er war auf einer Mission und hatte alles genau ausgearbeitet.

Die Entscheidung stand unumstößlich fest: Am Morgen des folgenden Tages würden sie abreisen. Bis dahin mussten sie ihre liebsten und wertvollsten Dinge packen und sich auf die lange Reise zu ihrem neuen Heim vorbereiten.

Tatsächlich nahm die Familie die Nachricht ohne große Überraschung auf. Eigentlich hatten alle geahnt, dass der gute Maximilian Carver sich schon lange mit dem Gedanken trug, die Stadt zu verlassen und sich einen besseren Ort zum Leben zu suchen. Alle außer Max. Auf ihn hatte die Nachricht den gleichen Effekt wie eine wild gewordene Lokomotive, die durch einen Porzellanladen rast. Wie betäubt starrte er mit offenem Mund vor sich hin. In diesem kurzen Augenblick wurde ihm mit schrecklicher Gewissheit klar, dass seine ganze Welt, seine Freunde aus der Schule, die Jungs aus der Straße und der Eckladen mit den Comics, für immer verschwinden würde. Mit einem Federstrich.

Während die übrigen Familienmitglieder die Versammlung auflösten, um sich mit resignierten Gesichtern ans Packen zu machen, blieb Max reglos sitzen und sah seinen Vater an. Der Uhrmacher beugte sich zu seinem Sohn hinunter und legte ihm die Hände auf die Schultern. In Max’ Blick konnte man lesen wie in einem offenen Buch.

»Jetzt kommt es dir wie das Ende der Welt vor, Max. Aber ich verspreche dir, dort, wo wir hingehen, wird es dir gefallen. Du wirst neue Freunde finden, du wirst sehen.«

»Ist es wegen dem Krieg?«, fragte Max. »Ist das der Grund, warum wir weggehen?«

Ein Schatten der Trauer legte sich über die Augen seines Vaters. All die Tatkraft und Überzeugung, die er in seine Rede gelegt hatte, schienen verschwunden, und Max kam der Gedanke, dass sich sein Vater womöglich am meisten vor dem Umzug fürchtete. Wenn er Vorfreude vorgetäuscht hatte, dann, weil der Umzug das Beste für die Familie war. Sie hatten einfach keine Wahl.

»Es ist schlimm, oder?«, fragte Max.

»Es wird wieder besser werden. Wir werden zurückkehren. Das verspreche ich.«

Maximilian Carver umarmte seinen Sohn, und mit einem geheimnisvollen Lächeln zog er einen Gegenstand aus seiner Jackentasche und legte ihn Max in die Hände. Es war eine glänzende Uhr, die an einer Kette baumelte. Eine Taschenuhr.

»Die habe ich für dich gemacht. Herzlichen Glückwunsch, Max.«

Max ließ die silberne Uhr aufklappen. Die vollen Stunden waren als zu- und abnehmende Monde dargestellt, und die Strahlen einer Sonne, die ihn von der Mitte des Zifferblatts anlächelte, bildeten die Zeiger. In den Deckel war in feingeschwungener Schrift eingraviert: Max’ Zeitmaschine.

Für einen Moment wünschte Max, die neueste Schöpfung seines Vaters könnte tatsächlich die Zeit anhalten. Doch als er aufblickte und durchs Fenster sah, schien es ihm, als würde das Tageslicht schon schwinden und die endlose Stadt mit ihren Turmspitzen, Kuppeln und Schornsteinen, die Netze aus Rauch über den metallischen Himmel webten, hätte bereits zu verblassen begonnen.

Wenn er Jahre später an die Szene zurückdachte, als seine Familie mit den Koffern treppauf und treppab lief und er mit der Taschenuhr seines Vaters in einer Ecke saß, dann wusste er, dass er an diesem Tag für immer aufgehört hatte, ein Kind zu sein.

In der Nacht nach seinem Geburtstag tat Max kein Auge zu. Während die Übrigen schliefen, wartete er darauf, dass dieser unglückselige Morgen anbrach, der den endgültigen Abschied von dem kleinen Universum bedeuten würde, das er sich im Laufe der Jahre geschaffen hatte. Er lag still im Bett, den Blick auf die blauen Schatten gerichtet, die an seiner Zimmerdecke tanzten, als hoffte er, in ihnen ein Orakel zu sehen, das in der Lage wäre, ihm sein weiteres Schicksal vorzuzeichnen. Die lächelnden Monde auf dem Zifferblatt leuchteten in der nächtlichen Dunkelheit. Vielleicht kannten sie die Antwort auf all die Fragen, die Max an diesem Nachmittag zu sammeln begonnen hatte.

Schließlich zeichnete sich das erste Tageslicht am blauen Horizont ab. Max sprang aus dem Bett und ging ins Wohnzimmer. Maximilian Carver saß angezogen in einem Lehnsessel und hielt im Schein einer Petroleumlampe ein Buch in den Händen. Max sah, dass er nicht der Einzige war, der die Nacht schlaflos verbracht hatte. Der Uhrmacher lächelte ihn an und klappte das Buch zu.

»Was liest du da?«, fragte Max und deutete auf den dicken Band.

»Es ist ein Buch über Kopernikus. Weißt du, wer Kopernikus war?«, antwortete der Uhrmacher.

»Ich gehe schließlich zur Schule«, entgegnete Max.

Sein Vater hatte die Angewohnheit, einem Fragen zu stellen, als wäre man auf den Kopf gefallen.

»Und was weißt du über ihn?«

»Er hat entdeckt, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.«

»So ungefähr. Und weißt du, was das bedeutete?«

»Probleme«, gab Max zur Antwort.

Der Uhrmacher grinste und hielt ihm das dicke Buch hin.

»Nimm. Es gehört dir. Lies es.«

Max betrachtete aufmerksam den geheimnisvollen, in Leder gebundenen Band. Er schien unendlich alt zu sein und den Geist einer uralten Seele zu beherbergen, die durch einen jahrhundertealten Fluch an seine Seiten gefesselt war.

»Also dann«, sagte sein Vater abschließend, »wer weckt deine Schwestern?«

Ohne von dem Buch aufzublicken, bedeutete Max ihm mit einer Kopfbewegung, dass er ihm die Ehre überließ, Alicia und Irina, seine fünfzehn und acht Jahre alten Schwestern, aus ihrem Tiefschlaf zu reißen.

Während sein Vater hinausging, um die Familie zu wecken, setzte sich Max in den Lehnsessel, schlug das Buch auf und begann zu lesen. Er verlor sich in den Wörtern und Bildern und vergaß für eine Weile, dass seine Familie im Aufbruch begriffen war. Er reiste zwischen Sternen und Planeten umher, bis er aufsah und seine Mutter entdeckte, die mit Tränen in den Augen neben ihm stand.

»Du und deine Schwestern, ihr wurdet in diesem Haus geboren«, murmelte sie.

»Wir werden zurückkehren«, sagte er und wiederholte die Worte seines Vaters. »Du wirst sehen.«

Seine Mutter lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

»Solange du bei mir bist, ist es mir egal, wohin wir gehen«, sagte sie.

Dasselbe hatte er auch gerade gedacht. Eine halbe Stunde später schritten die Carvers zum letzten Mal über die Türschwelle, einem neuen Leben entgegen. Der Sommer hatte begonnen.

 

Max hatte einmal in einem der Bücher seines Vaters gelesen, dass sich manche Bilder aus der Kindheit wie Fotografien ins Album der Erinnerung einprägten, Szenen, zu denen man immer wieder zurückkehrte, ganz gleich, wie viel Zeit verging. Max verstand den Sinn dieser Worte, als er zum ersten Mal das Meer sah. Sie saßen seit über drei Stunden im Zug, als sich plötzlich bei der Ausfahrt aus einem dunklen Tunnel eine endlose Fläche aus Licht und Helligkeit vor seinen Augen ausbreitete. Das elektrische Blau des Meeres, das unter dem Mittagshimmel glitzerte, brannte sich wie eine übernatürliche Erscheinung in seine Netzhaut. Das aschfarbene Licht, in das die Altstadt stets getränkt war, schien nur noch eine ferne Erinnerung. Max kam es vor, als hätte er die Welt zeitlebens in Schwarzweiß gesehen und mit einem Mal wäre sie zum Leben erwacht, in leuchtenden, kräftigen Farben, die er beinahe berühren konnte. Während der Zug am Meer entlangfuhr, streckte Max den Kopf aus dem Fenster und spürte zum ersten Mal den salzgeschwängerten Wind auf seiner Haut. Er drehte sich zu seinem Vater um, der ihn mit einem geheimnisvollen Lächeln aus seiner Ecke des Zugabteils betrachtete, während er zu einer Frage nickte, die Max gar nicht gestellt hatte. In diesem Moment wusste er, dass es egal war, wohin diese Reise sie führte und in welchem Bahnhof der Zug hielt; von diesem Tag an würde er nie wieder an einem Ort leben, von dem aus er nicht jeden Morgen beim Aufwachen dieses blendende blaue Licht sehen würde, das wie ein magischer, durchsichtiger Dunst in den Himmel aufstieg. Es war ein Versprechen, das er sich selbst gab.

Während Max dem Zug hinterhersah, der aus dem Bahnhof davonfuhr, ließ Maximilian Carver seine Familie ein paar Minuten mit dem Gepäck vor dem Büro des Stationsvorstehers stehen, um mit einem der örtlichen Fuhrunternehmer einen vernünftigen Preis auszuhandeln, zu dem dieser Gepäckstücke, Personen und sonstigen Krimskrams zum endgültigen Ziel bringen sollte. Nachdem Max den Bahnhof und die ersten Häuser gesehen hatte, deren Dächer vorsichtig über die umstehenden Bäume lugten, hatte er den Eindruck, sich in einem winzigen Spielzeugdorf zu befinden, einer Miniaturlandschaft, wie von einem Modelleisenbahnsammler...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2010
Übersetzer Lisa Grüneisen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • All-Age • Bestseller • Familie • Fantasie • Fantasy • Freundschaft • Freundschaft und Liebe • Grusel • Leuchtturm • Liebe • Maximilian Carver • Nebel-Trilogie • Phantasie • Phantasie und Fantasy • Schauerroman • Spannung • Wrack
ISBN-10 3-10-400648-2 / 3104006482
ISBN-13 978-3-10-400648-2 / 9783104006482
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