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Liebestänze (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30063-5 (ISBN)
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Die Liebe in den Zeiten des Techno: Der wahre Roman über die deutsche RAVEolution der 90er-Jahre Im Sommer 1989 zog die erste Loveparade über den Ku'damm, aber der eigentliche Startschuss für den Siegeszug des Techno war der Mauerfall. Auf den Dancefloors der Hauptstadt vereinten sich Ost und West zuerst. Rainer Schmidt erzählt vom Höhepunkt dieser deutschen Kulturrevolution - und von Felix, der sich Hals über Kopf in die Szene stürzt, mitten hinein in die Liebestänze. Deutschland, 1996. Ein neuer Sound lässt die Herzen einer ganzen Generation schneller schlagen. Argwöhnisch beäugt von einer feindseligen Öffentlichkeit, wächst die Rave-Szene unaufhaltsam. Der junge Bankmanager Felix zieht mit seinen Freunden in die Hauptstadt, weil er Teil dieser neuen, euphorischen Welt sein will. Er träumt vom wahren Leben, von Befreiung, Ekstase und Glück auf den Dancefloors, wo bloß eins zählt: tanzen. Widerwillig sitzt er die Zeit im Büro ab, um sich umso heftiger nachts in die Clubs zu stürzen und das Gemeinschaftsgefühl der pumpenden, schwitzenden Masse zu genießen. Hier verliebt er sich in Karla, die als DJ arbeitet und zunächst nichts von ihm wissen will. Felix heftet sich an ihre Fersen und taucht immer tiefer ein in die Parallelwelt zwischen Tresor, E-Werk, WMF, Mayday und Loveparade, stets auf der Suche nach dem noch intensiveren Gefühl, der noch härteren Abfahrt, dem nächsten Höhepunkt - bis er völlig aus seinem alten Leben fällt. Mit seinen besten Freunden, dem »Gröraz«, dem »Größten Raver aller Zeiten«, und dem Romantiker Mike ist er jetzt mittendrin. Er erlebt den Absturz des größenwahnsinnigen »Paten« und die übernatürlichen Kräfte des »Professors«, der einst die Parade mit erfand. Und plötzlich, im Bann der Beats und der Liebe, erkennt Felix, wie er Karla doch noch gewinnen kann. Rainer Schmidt ist ein mitreißender Roman über die glorreichen Techno-Jahre gelungen - so lustig, ehrlich und packend ist das deutsche Nachtleben noch nicht beschrieben worden.

Rainer Schmidt, aufgewachsen in der Nähe von Düsseldorf, verfiel der elektronischen Musik Anfang der 90er-Jahre in Frankfurt und in London, wo er studierte und mehrere Jahre für den BBC World Service arbeitete. Zurück in Deutschland, war er leidenschaftlicher Clubgänger und intimer Kenner der hiesigen Techno-Szene, in deren Mitte er sich lange bewegte. Er arbeitete als Journalist unter anderem für das ZEITmagazin, SPIEGELreporter und zuletzt Vanity Fair. Rainer Schmidt ist heute Autor und lebt in Berlin. Bei Kiepenheuer & Witsch veröffentlichte er 2008 seinen Debütroman »Wie lange noch« (KiWi 1029).

Rainer Schmidt, aufgewachsen in der Nähe von Düsseldorf, verfiel der elektronischen Musik Anfang der 90er-Jahre in Frankfurt und in London, wo er studierte und mehrere Jahre für den BBC World Service arbeitete. Zurück in Deutschland, war er leidenschaftlicher Clubgänger und intimer Kenner der hiesigen Techno-Szene, in deren Mitte er sich lange bewegte. Er arbeitete als Journalist unter anderem für das ZEITmagazin, SPIEGELreporter und zuletzt Vanity Fair. Rainer Schmidt ist heute Autor und lebt in Berlin. Bei Kiepenheuer & Witsch veröffentlichte er 2008 seinen Debütroman »Wie lange noch« (KiWi 1029).

1. Poison


Felix leerte sein Glas in einem Zug, schaute wieder zu der Frau am Ende des Tresens und fragte sich, warum er ausgerechnet sie gerade geheiratet hatte. Er musterte ihre schmalen Hüften, die geraden, schlanken Beine und zierlichen Fesseln, ihr Anblick gefiel ihm. Auch an den großen, dunklen Augen und den kleinen, festen Brüsten, die er unter ihrem Shirt erkennen konnte, war nichts auszusetzen. Aber dennoch. Sie blickte kurz zu ihm herüber, er nickte ihr zu, sie reagierte nicht. Felix zuckte mit den Schultern und bestellte einen neuen Jägermeister. Seine Frau lächelte spöttisch. Der Schnaps brannte scharf im Hals.

Das war eine Zwangshochzeit, dachte er, sie hat mich völlig überrumpelt, meine Schwäche und Euphorie eiskalt ausgenutzt. Dagegen muss man vorgehen können, gleich nach dem Aufstehen werde ich einen Anwalt einschalten und das genau prüfen lassen.

Er hatte nur einen Abend mit seinen Freunden in der alten Heimat Düsseldorf feiern wollen. Einen richtigen Absturz hatten sie geplant, aber doch nicht gleich so einen Lebensabsturz, dachte Felix. Alles war sehr schnell gegangen, er konnte sich nicht einmal mehr richtig an die Zeremonie erinnern, und wo waren nur die Papiere? Auf dem Tresen lag nichts, fahrig tastete er seine Hosentaschen ab, mit einem schnellen Blick kontrollierte er den Boden neben dem Barhocker – sie mussten irgendwo sein, die Dokumente, die sein Schicksal besiegelten.

Wie würde er diese Spontanvermählung bloß den anderen erklären? Er verstand ja nicht einmal selbst, wie es dazu hatte kommen können.

 

Felix fühlte eine Erschütterung, er hörte die schweren, neu einsetzenden Bässe und drehte sich um. Hunderte Arme reckten sich zum DJ, ein Kreischen und Tosen schwappte wellengleich durch den riesigen Raum, er sah leuchtende Gesichter überall, er spürte das aufgeregte Wummern der Herzschläge, und beinahe hätte er sich mitreißen lassen, aber nein, dachte Felix, es gibt keinen Grund mehr, fröhlich zu tanzen, jetzt, da ich an den schwersten Ketten hänge, weil ich mal eben heiraten musste. Aber schön, dass auf meiner Hochzeitsfeier alle Spaß haben, alle – außer mir.

Der Ohlsen stieß ihn an.

»Mund auf!«

Felix tat mechanisch, wie ihm geheißen, er spürte das kleine, raue Ding auf der Zunge, zermalmte es zwischen den Backenzähnen und leerte schnell das angebotene Glas Wasser, weil er den bitteren Geschmack nicht ertragen konnte. »Auf euern Ohlsen ist eben Verlass«, sagte der Freund und lachte hell auf. Der Ohlsen, dem nichts mehr schmeichelte, als wenn man ihn »Gröraz« nannte, den »Größten Raver aller Zeiten«, wie er sich einmal selbst getauft hatte, schlug Felix und Mike auf die Schultern. Wenn der so lacht, dachte Felix und betrachtete fasziniert den riesigen Ohlsenschen Mund und damit sogleich die irren Ohlsenschen Gesichts-Proportionen, sieht er aus wie Jack Nicholson als Joker im Batman-Film.

Die klatschnassen Gesichter der beiden Freunde strahlten ihn an. Sie ahnten nichts. Es war tatsächlich so schnell gegangen, dass selbst sie nichts mitbekommen hatten.

»Mike«, sagte Felix leise, »siehst du das Mädchen dahinten am Tresen?«

»Ja klar, süß, die gefällt dir wohl?«

Mike winkte zu ihr herüber und prostete ihr zu.

Felix fiel ihm in den Arm.

»Nicht, hör auf damit. Ich habe ein Problem.«

»Was denn für ein Problem?«

»Nicht so laut Mike, leise.«

Mike kam noch näher und wiederholte betont flüsternd die Frage:

»Was für ein Problem?«

So lustig fand der Mike seinen eigenen Auftritt, dass er kaum an sich halten konnte. Der erkennt in keinster Weise den wahren Ernst der Lage, dachte Felix, der ahnt noch nicht, in welch fürchterliche Sackgasse ich gelaufen bin.

»Mike, ich habe die eben geheiratet.«

»Was?«

»Ich habe die eben geheiratet, ich weiß auch nicht, wie es passiert ist.«

»Na dann, herzlichen Glückwunsch.«

Mike wollte sich wieder zum Ohlsen drehen, aber Felix hielt ihn fest.

»Mike, bitte, glaub mir, das ist kein Witz. Ich bin das Opfer einer Zwangshochzeit geworden. Ich bin am Ende. Du musst mir helfen.«

Der Freund blickte ihn ernst an.

»Zwangshochzeit, ja?«

»Genau.«

»Mit der da vorne am Tresen, ja?«

»Exakt!«

Endlich nahm Mike ihn ernst, Felix fühlte sich sofort etwas besser.

»Ohlsen!?«

Mike zog den Ohlsen zu sich.

»Ja?!«

»Sag mal, was drückst du Felix eigentlich den ganzen Abend für Sachen rein?«

»Wieso?«

»Weil Felix glaubt, er habe die Maus da vorne gerade geehelicht.«

Der Ohlsen lachte und küsste Felix unvermittelt auf die Stirn. Mike hielt ihn fest.

»Ohlsen, Felix glaubt wirklich, er sei mit der verheiratet.«

»Au weia. Wie wäre es mal mit ein bisschen Wasser zwischendurch?!«

»Mike, ich …!«

»Schon gut, Felix, keine Panik, das kriegen wir alles wieder hin. Wie heißt deine Frau?«

Felix sah, wie ihre Mundwinkel zitterten und sie die Lippen aufeinanderpressten, aber er brauchte die beiden Freunde jetzt, er hatte keine andere Wahl.

»Ich, tja, ich habe es vergessen, keine Ahnung, aber das heißt gar nichts, ich …«

Schon war Mike mit einem Satz bei dem Mädchen, gestikulierte mit Händen und Füßen, zeigte zu ihm herüber. Felix fühlte sich wie einbetoniert auf dem Hocker, sah, wie sie ihn anstarrte, dann lachten sie, Mike und seine Frau hatten Spaß, so viel war klar, jetzt wischte sie kopfschüttelnd mit der flachen Hand fröhlich vor ihrem Gesicht herum, sie hielt ihn für bescheuert, so viel war auch klar. Gerade frischvermählt, schon behandelte sie ihn wie einen Spinner. Da habe ich einen richtigen Volltreffer gelandet, dachte Felix, das kann ja eine lustige Ehe werden. Er wäre gerne auf der Stelle verschwunden, er wusste bloß nicht wie und wohin.

»Entwarnung, Felix«, sagte ein aufgeräumter Mike, »keine Heirat, keine Probleme, sie heißt Yvonne und kennt dich nicht, sie hat noch nie mit dir gesprochen, aber du würdest seit Stunden zu ihr rüberstarren. Eigentlich findet sie dich ganz süß, du hättest sie ruhig ansprechen können, aber du bist ihr vielleicht doch ein bisschen zu drüber.«

Jetzt verleugnet sie mich auch noch, meine eigene Frau, resümierte Felix kurz, es ist nicht zu fassen.

 

Die Schwierigkeiten hatten schon früher am Abend begonnen. Nach seinem letzten Bewerbungsgespräch bei einer Bank auf der Kö hatte er sich mit den alten Freunden in einem Fischrestaurant getroffen, um seine absehbare Wiederkehr aus London zu feiern, wo er seit dem Studium an der Börse arbeitete. Schon da hatte der Ohlsen immer wieder seine Pillen, die er nur »Hostien« nannte, verteilt. Die anderen wollten weitertrinken, aber Mike hatte ihn gedrängt, auf jeden Fall noch mit dem Ohlsen ins Poison am Hauptbahnhof zu kommen.

»Vergiss die anderen«, hatte Mike immer wieder gesagt, »die verstehen rein gar nichts, die haben keine Ahnung«, und Felix musste ihm sofort recht geben. Der Roloff und der Tom, die alten Weggefährten, rümpften nur die Nase, wenn von Techno oder House gesprochen wurde, und das mit so einer Inbrunst und so einem Hass, wie man ja sagen musste, dass Diskussionen darüber sinnlos waren. Sie hatten ihren 80er-Jahre-Punk-Wave-Geschmack konserviert wie die früh vergreisten Alt-68er ihre Rock-Grausamkeiten, dachte Felix, es war zwecklos.

Kurz nach ihrer Ankunft im Poison hatte Felix die anderen beiden verloren und war durch den Club geirrt, immer aufgeregter war er geworden durch die üppigen Ohlsenschen Gaben, für eine kurze Zeit hatte er gar nicht mehr gewusst, wo er überhaupt war, also hatte er einfach getanzt. Immer besser hatte er sich dabei gefühlt, ganz vertraut waren ihm die wiegenden Massen um ihn herum allmählich erschienen, und plötzlich wusste er wieder, wo er war und was das alles zu bedeuten hatte: Das ist natürlich das Bewerbungstanzen der Bank, bei der ich heute war, hatte er begeistert gedacht, nur wer hier mithält, bekommt den Job. Und irgendwo da oben sitzen die Geschäftsführer und beobachten uns, das ist ja toll, dass die so etwas veranstalten. Da musste er lachen und schmiss die Arme noch höher, und was für sagenhafte Frauen sich auch um diese Stelle bewerben, hatte er denken müssen und sich noch mehr gefreut.

Eine tanzte direkt neben ihm, in sich versunken, die Lider halb geschlossen, ihre Bewegungen waren von einer lässigen Ernsthaftigkeit, gar nicht sattsehen konnte er sich an ihrem Körper, der sich elegant an die Töne schmiegte. Ihr blondes Haar lag wie ein goldener Schleier auf ihrem Kopf, und je länger er sie betrachtete, desto stärker spürte er den Zauber der Gemeinsamkeit. Ihre Bewegungen waren harmonisch auf seine abgestimmt, er spürte es genau, es war die hohe Poesie des getrennt Zusammentanzens.

In einer ruhigeren Phase fragte er sie: »Und wann hast du deine Bewerbungsunterlagen eingereicht?«

Sie riss die Augen weit auf und rückte etwas von ihm ab.

Vielleicht hat sie mich nicht richtig verstanden, dachte Felix, und schob seinen Mund noch näher an ihr Ohr: »Vielleicht werden wir ja bald schon Kollegen, ich würde mich freuen!«

Da stieß sie ihn vor die Brust und sagte etwas, das sich anhörte wie: »Was willst du denn?« oder »Wie bist du denn drauf?!«

Verwirrt war er zur Theke geeilt – und gleich in die Zwangshochzeits-Falle gestolpert.

 

»Felix, verstehst du mich? Du bist nicht verheiratet, das ist alles Quatsch, die Frau will nichts von dir, mach dich mal locker und trink endlich mehr Wasser!«

»Bist du dir sicher?«

»Völlig. Du kannst mir...

Erscheint lt. Verlag 24.9.2009
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristik • Clubs • Dancefloor • Deutschland • Freundschaft • Kiepenheuer & Witsch • Kultur-Revolution • Liebe • Liebestanz • Nachtleben • Rave-Szene • Roman • Techno • Techno-Musik • Wie lange noch
ISBN-10 3-462-30063-6 / 3462300636
ISBN-13 978-3-462-30063-5 / 9783462300635
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