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Sturmjahre (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2010 | 1. Auflage
432 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400245-3 (ISBN)
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Samantha hat es schwer im London des Jahres 1860. Der Vater, ein unerbittlicher und bigotter Prediger, verzeiht ihr nicht, dass ihre Mutter bei der Geburt gestorben ist. Ein von der Gesellschaft geächteter Heilkundiger nimmt sie schließlich als Zögling auf. Nach dem Tod des Vaters lernt sie eine der wenigen Ärztinnen kennen. Diese erkennt die Fähigkeiten Samanthas und drängt sie, in New York ein Medizinstudium aufzunehmen. Hier beginnt der dramatische Kampf der jungen Frau in der Männerwelt der Medizin. Mit Energie und ihrem unbändigen Willen setzt sie sich trotz der damals noch ganz selbstverständlichen Dominanz und Arroganz der Männer durch, um Ärztin zu werden. In San Francisco eröffnet Samantha eine Klinik nur für Frauen. Sie will den notleidenden Frauen helfen, indem sie zwielichtigen Arzneimittelhändlern den Kampf ansagt. Obwohl ihr privates Glück immer wieder von Trauer überschattet wird, verhilft sie den Frauen zu einem bis dahin nicht gekannten Selbstbewusstsein.

BARBARA WOOD ist international als Bestsellerautorin bekannt. Allein im deutschsprachigen Raum liegt die Gesamtauflage ihrer Romane weit über 14 Millionen, mit Erfolgen wie ?Rote Sonne, schwarzes Land?, ?Traumzeit?, ?Kristall der Träume? und ?Dieses goldene Land?. 2002 wurde sie für ihren Roman ?Himmelsfeuer? mit dem Corine-Preis ausgezeichnet. Barbara Wood stammt aus England, lebt aber seit langem in den USA in Kalifornien. Literaturpreise: u.a. Corine-Leserpreis 2002

BARBARA WOOD ist international als Bestsellerautorin bekannt. Allein im deutschsprachigen Raum liegt die Gesamtauflage ihrer Romane weit über 14 Millionen, mit Erfolgen wie ›Rote Sonne, schwarzes Land‹, ›Traumzeit‹, ›Kristall der Träume‹ und ›Dieses goldene Land‹. 2002 wurde sie für ihren Roman ›Himmelsfeuer‹ mit dem Corine-Preis ausgezeichnet. Barbara Wood stammt aus England, lebt aber seit langem in den USA in Kalifornien. Literaturpreise: u.a. Corine-Leserpreis 2002

Erster Teil

England, 1860


1


Wohl zum dreißigsten Mal in dieser einen Stunde schrie die Frau laut auf. Ihr Schrei zerriß den feingesponnenen Frieden des Frühlingsabends und drang durch alle Mauern des Hauses. Die Hebamme, eine schwarze Silhouette im trüben Licht, beugte sich über die wimmernde Felicity Hargrave.

»Da stimmt was nicht«, murmelte sie vor sich hin. Sie drückte sich ihre Hand ins Kreuz, richtete sich auf und streckte sich ausgiebig. Dann nahm sie die Flasche mit dem Stärkungsmittel, das sie für Felicity mitgebracht hatte, und nahm einen kräftigen Schluck.

Diese Geburt ließ sich gar nicht gut an, und der Ehemann, der unten saß, war auch keine Hilfe. Man sollte meinen, ein Mann würde seiner leidenden Frau einen Schluck Arznei gönnen, wenn das die Schmerzen linderte. Aber nicht Samuel Hargrave. Der hatte die Anwendung jeglicher Medizin bei der Entbindung ausdrücklich verboten. Jammerschade, wahrhaftig, zumal Mrs.Cadwalladers Köfferchen besser bestückt war als das der meisten Hebammen in London. Sie führte Opium und Belladonna mit sich; Mutterkorn, um die Wehen einzuleiten und die Blutungen zu stillen; ein Sortiment von Kräutern und volkstümlichen Heilmitteln; und dazu eine Flasche starken Wacholderschnaps.

Sie korkte die Flasche wieder zu und stellte sie zu Boden, ehe sie sich wieder vornüber neigte und mit ihren kräftigen Händen über den angeschwollenen Leib strich. »Kommen Sie, Kindchen«, schmeichelte sie. »Kommen Sie, lassen Sie’s los.«

Felicity stöhnte auf und schrie erneut, so markerschütternd, daß Mrs.Cadwallader meinte, man müsse den Schrei bis nach Kent hinunter gehört haben.

Sie richtete sich auf und schnalzte leise mit der Zunge. »Zwanzig Stunden geht das jetzt schon so«, brummte sie. »Und dabei ist es ihr drittes. Da kann was nicht stimmen.« Sie seufzte tief. »Wird wohl nichts anderes übrig bleiben als die Feder.«

Schnaufend hob sie ihr Köfferchen vom Boden auf und nahm eine Feder und ein Fläschchen heraus. Nachdem sie das Fläschchen geöffnet hatte, tauchte sie die Feder ganz in das weiße Niespulver und schob sie dann Felicity tief ins Nasenloch.

»Schön hochziehen, Kindchen. So ist’s gut.«

Mrs.Cadwallader ließ sich zwischen Felicitys gespreizten Beinen wieder auf die Knie sinken und machte sich auf die unvermeidliche Konsequenz ihrer Aktion gefaßt – ein explosives Niesen und die jähe Ausstoßung des Kindes.

Felicity Hargrave stöhnte laut, als die nächste Wehe sich ankündigte. Sie holte einmal tief Atem, hielt einen Moment die Luft an und nieste dann so gewaltsam, daß es ihren Körper in die Höhe schleuderte. Gleichzeitig schoß ein kleines Beinchen aus dem Geburtskanal, den Mrs.Cadwallader eine Stunde zuvor mit Gänseschmalz eingefettet hatte.

Die dicke Hebamme zog die Brauen hoch. »So ist das also. Tja, da kann ich beim besten Willen nichts mehr tun.«

 

Der Mann und die beiden Jungen saßen mit düsteren Gesichtern um den Eßtisch. Ihre Köpfe waren gesenkt, und die Hände hatten sie vor sich gefaltet. Das Geschirr war abgeräumt; nichts stand auf dem Tisch außer der Öllampe, die die drei Gesichter in gelbliches Licht tauchte. Samuel Hargrave, Felicitys Mann, betete; Matthew, der Sechsjährige, starrte mit kohlschwarzen Augen in das Licht der Lampe; James, der Neunjährige, knetete seine Hände und kaute auf der Unterlippe. Immer wieder sah er seinen Vater hilfesuchend an, doch er bekam keinen Beistand.

Samuel Hargrave, in tiefer Zwiesprache mit Gott, hatte die Hände so fest ineinander gekrampft, daß die Knöchel weiß hervortraten. Seit vier Stunden saß er nun schon so, ohne auch nur ein Anzeichen von Ermüdung zu zeigen. Er war so versunken, daß er nicht einmal Mrs.Cadwallader die Treppe herunterkommen hörte.

»Vater«, flüsterte James, voller Angst beim Anblick des ernsten Gesichts der Hebamme.

Samuel hatte Mühe, aus seiner Versunkenheit herauszufinden. Langsam kehrte sein Blick aus transzendenten Bereichen zurück und richtete sich auf die Hebamme.

»Wir schaffen’s nicht, Sir. Das Kind hat Steißlage, noch dazu die schlimmste. Ein Bein unten, das andere oben beim Kopf.«

»Können Sie das Kind nicht drehen?«

»In dem Fall nicht, Sir. Da muß ich mit der ganzen Hand rauf, und das schaff’ ich nicht, weil Ihre arme Frau sich so verkrampft. Sie braucht einen richtigen Arzt, Sir.«

»Nein«, entgegnete Samuel so rasch und entschieden, daß die Hebamme ihn erschreckt ansah. »Ich erlaube nicht, daß ein Mann meine Frau in ihrer Scham sieht.«

Mrs.Cadwallader fixierte ihn mit scharfem Blick. »Wenn Sie verzeihen, Sir, es ist keine Sünde, Ihre Frau von einem Arzt anschauen zu lassen. Das sind anständige Herren, Sir, die interessieren sich überhaupt nicht für so was, wenn Sie verstehen, was ich meine –«

»Kein Arzt, Mrs.Cadwallader.«

Die Hebamme warf sich in die Brust. »Nehmen Sie’s mir nicht übel, Sir, aber zu langem Hin und Her haben wir jetzt keine Zeit. Ihre Frau und das Baby sind in großer Gefahr. Wir müssen uns beeilen, Mr.Hargrave.«

Samuel stand von seinem Stuhl auf. Seine große Gestalt warf lange Schatten. Matthew und James starrten stumm zu ihm auf. Sein Rükken, seit langem schon gekrümmt von der täglichen Arbeit am Schreibpult auf dem Standesamt, wirkte an diesem Abend noch runder, wie von einer schweren Last gebeugt. Samuel zog ein Taschentuch heraus und tupfte sich die Stirn.

Mrs.Cadwallader wartete ungeduldig. Sie mochte Samuel Hargrave nicht – kaum jemand mochte ihn; seine strenge Methodistenfrömmigkeit schreckte fast jeden ab. Die Hebamme war nur Felicitys wegen gekommen.

Samuel sprach, als stünde er auf der Kanzel. »Mrs.Cadwallader, es wäre eine tödliche Demütigung für meine Frau, wenn ein Mann ihr christliches Schamgefühl verletzte. Es ist ebensosehr ihr Wunsch wie der meine –«

»Dann fragen Sie sie doch jetzt mal, Mr.Hargrave, ob sie nicht einen Arzt haben will!«

Samuel sandte einen gequälten Blick zur Zimmerdecke und zuckte zusammen, als von oben ein neuerlicher Schmerzensschrei erklang.

Der neunjährige James starrte mit klopfendem Herzen zu seinem ehrfurchtgebietenden Vater auf, der selbst zu Hause noch den schwarzen Gehrock und das weiße Hemd mit der gestärkten weißen Halsbinde trug. Nie zuvor hatte er seinen Vater unschlüssig gesehen.

Während die Hebamme einen Schritt näher trat und sich breitbeinig, die Hände in die ausladenden Hüften gestemmt, vor Samuel Hargrave hinstellte, glitt James lautlos und unbemerkt von seinem Stuhl.

»Sie können’s mir glauben, Mr.Hargrave. Ihre Frau braucht einen Arzt. Ich weiß einen guten, anständigen Mann in der Tottenham Court Road gleich bei der Great Russell Street. Dr.Stone ist ein Ehrenmann, glauben Sie mir. Ich hab’ oft genug gesehen, wie er –«

»Nein, Mrs.Cadwallader.«

Während die Hebamme Samuel Hargrave mit mühsam unterdrückter Empörung anstarrte, schlich sich James leise in den dunklen Flur hinaus.

»Wirklich, Mr.Hargrave, Ihre Frau braucht Hilfe.«

Samuel senkte den Kopf und funkelte die Hebamme so zornig an, daß diese zurückwich. »Dann würde ich vorschlagen, Mrs.Cadwallader, daß Sie wieder auf Ihren Posten gehen und ihr helfen.« Er wandte sich abrupt ab und zog sich seinen Stuhl heran. »Und ich werde beten.«

Mrs.Cadwallader stapfte wütend die Treppe wieder hinauf, und Samuel senkte den Kopf über seine gefalteten Hände. Niemand merkte, daß James verschwunden war.

Als einige Zeit später die Haustür leise geöffnet wurde, und von einem Hauch feuchter Nachtluft begleitet, der kleine James in den Flur schlüpfte, betete Samuel immer noch. James blieb stocksteif stehen und betrachtete ängstlich das schweißnasse, in sich gekehrte Gesicht seines Vaters.

»Vater«, flüsterte er schließlich.

Samuel hob die schweren Lider und zwinkerte mehrmals, ehe er den Blick auf das ungewöhnlich bleiche Gesicht seines Sohnes richtete. James keuchte, denn er war den ganzen Weg gerannt.

»Vater, ich hab’ Hilfe geholt.«

Samuel zwinkerte wieder. »Was hast du gesagt, James?«

»Ich habe den Doktor geholt. Er kommt gleich.«

Als Samuel begriff, was der Junge getan hatte, vergaß er seine ganze christliche Frömmigkeit und geriet in unfaßbare Wut. Langsam stand er von seinem Stuhl auf.

»Du hast einen Arzt geholt?«

James wich zurück. »Ja, Vater. Du hast doch nicht gewußt, was du tun sollst, und –«

Mit einem Riesensprung kam Samuel hinter dem Tisch hervor. James sah noch die große Hand, die zum Schlag ausholte, dann klatschte ihm diese Hand mit solcher Wucht ins Gesicht, daß ihm Hören und Sehen verging. Er schrie auf, mehr vor Schreck als vor Schmerz, und drückte sofort eine Hand auf sein linkes Ohr. Samuel packte ihn beim Arm, riß die schützende Hand weg und verabreichte ihm noch einen Schlag auf die Kopfseite. Vergeblich versuchte James, seinem Vater zu entkommen, während dieser immer wieder auf ihn einschlug, aber er wurde erst erlöst, als von der Tür her jemand sagte: »Bin ich hier richtig bei der Familie Hargrave?«

James hob den schmerzenden Kopf und sah durch Tränen den Arzt, Dr.Stone, im Flur stehen.

»Wir brauchen keinen Arzt, Sir«, erklärte Samuel kurz.

Die scharfen Augen hinter den Brillengläsern blitzten, als Dr.Stone den Blick auf James’ blutendes Ohr richtete. »Mir scheint, ich bin genau im rechten Moment gekommen.«

Samuel sah zu seinem Sohn hinunter und schien einen Moment lang verwirrt. Dann ließ er den Jungen los, der augenblicklich unter den Tisch kroch, und richtete sich kerzengerade...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2010
Übersetzer Mechtild Sandberg
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Frauenklinik • Frauenrecht • Frauenroman • Heilkunst • Hygiene • Krankenhaus • London • Medizin • Medizinstudium • New York • Prediger • Roman • Samantha Hargrave • San Francisco • Selbstbewußtsein
ISBN-10 3-10-400245-2 / 3104002452
ISBN-13 978-3-10-400245-3 / 9783104002453
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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