Lüge eines Lebens (eBook)
432 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30004-8 (ISBN)
Christian v. Ditfurth, Jahrgang 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor bei Lübeck. Er hat zuletzt die viel beachteten Romane 'Die Mauer steht am Rhein. Deutschland nach dem Sieg des Sozialismus' (1999), 'Der 21. Juli' (2001), 'Der Consul '(2003), 'Das Luxemburg-Komplott' (2005) sowie die Stachelmann-Krimis 'Mann ohne Makel' (2002, KiWi 826, 2004), 'Mit Blindheit geschlagen' (2004, KiWi 924, 2006), 'Schatten des Wahns' (2006, KiWi 1008, 2007) und 'Lüge eines Lebens' (2007, KiWi 1060, 2008) veröffentlicht. Das Hörbuch erscheint im Frühjahr 2009 bei Audiomedia.
Christian v. Ditfurth, Jahrgang 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor bei Lübeck. Er hat zuletzt die viel beachteten Romane "Die Mauer steht am Rhein. Deutschland nach dem Sieg des Sozialismus" (1999), "Der 21. Juli" (2001), "Der Consul "(2003), "Das Luxemburg-Komplott" (2005) sowie die Stachelmann-Krimis "Mann ohne Makel" (2002, KiWi 826, 2004), "Mit Blindheit geschlagen" (2004, KiWi 924, 2006), "Schatten des Wahns" (2006, KiWi 1008, 2007) und "Lüge eines Lebens" (2007, KiWi 1060, 2008) veröffentlicht. Das Hörbuch erscheint im Frühjahr 2009 bei Audiomedia.
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Es splitterte und knallte, dann ein Schrei. Etwas befahl Stachelmann, sich auf den Boden zu werfen. Er schlug hart auf die Knie und zerkratzte sich die Hände auf dem Pflaster. Er hatte geschwitzt in der S-Bahn und gefroren auf dem Weg vom Dammtorbahnhof zur Universität, aber in diesem Augenblick fühlte er nichts. Jetzt verstand er, dass er selbst geschrien hatte. Er lag im Schneematsch auf dem Pflaster des Von-Melle-Parks, ein paar Dutzend Schritte nur entfernt vom Eingang des Philosophenturms. Und jemand hatte geschossen. Auf ihn. Warum, verdammt, bin ich nicht ins Gebäude gerannt, statt mich hinzuwerfen? Jetzt spürte er, wie die Nässe kalt durch seine Hose drang. Er versuchte zum Eingang des Philosophenturms zu kriechen, aber er war wie gelähmt. Arme und Beine gehorchten ihm nicht. Er suchte die Angst in sich, aber da war nichts dergleichen. Da war nur ein Staunen.
Wieder ein Schuss. Es pfiff an seinem Ohr vorbei, ganz nah, laut, kurz. Der Knall wurde hin- und hergeworfen zwischen Philosophenturm, Audimax und dem Gebäude der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Der nächste Schuss. Diesmal hörte Stachelmann ein Splittern, vor ihm staubte es hoch, Steinsplitter flogen ihm ins Gesicht. Menschen schrien durcheinander, Stachelmann hörte den Schrecken und die Angst in den Stimmen.
Dann war die Lähmung weg, und die Angst packte auch ihn. Weg hier, bloß weg. Er hatte keine Deckung, war eine Zielscheibe, wenn der Schütze von oben schoss. Stachelmann kroch zur Eingangstür des Philosophenturms. Neben ihm schlug es ein, der Knall hallte nach. Wieder trafen ihn Splitter im Gesicht, es stach und brannte, er kroch weiter, so schnell er konnte. Stachelmann meinte zu sehen, wie der Unbekannte auf ihn zielte. Jeden Augenblick konnte ihn der Schuss töten. Fast fühlte er schon, wie die Kugel heiß in seinen Rücken eindrang. Schnell, schnell. Die letzten Meter stand er auf, er rannte, schlug einen Haken. Der Schuss traf die Tür, als Stachelmann sie öffnete. Er spürte den Schlag von der Wucht des Geschosses in der Hand, sah das Loch, das die Kugel in die Tür gerissen hatte. Er warf sich ins Gebäude, fiel auf Knie und Ellbogen, stöhnte auf und begriff noch im Rollen, dass er hinter der Mauer unterhalb der Fenster sicher war. Er schmeckte Blut, wischte sich mit der Hand übers Gesicht, die Hand wurde nass und färbte sich rot. Auf der anderen Seite der Tür lagen zwei Studenten. Der eine hatte seinen Kopf unter den Armen begraben, als könnten die ihn gegen Kugeln schützen. Der andere stierte zu Stachelmann.
Stachelmann schaute zur Cafeteria. Menschen lagen auf dem Boden. Seine Augen verharrten bei einer Frau, die ihn anstarrte. So viel Angst hatte er noch nie gesehen. Dann schaute die Frau weg, wie in Zeitlupe.
Warum schoss es nicht mehr?
Er hörte Sirenen. Bald zuckte Blaulicht auf dem Boden und in der Cafeteria. Vor deren Fensterwand stand ein Polizeiauto. Das Licht blinkte auf den Körpern, die in der Cafeteria lagen. Zwei Polizisten öffneten die Eingangstür, sie hatten Pistolen in den Händen.
»Von wo?«, brüllte einer. Als er keine Antwort erhielt, brüllte er noch lauter: »Von wo wird geschossen?«
Stachelmann wollte antworten, öffnete den Mund, bekam aber kein Wort heraus.
»Da«, sagte der Student, der Stachelmann angeglotzt hatte. Er zeigte mit der Hand nach draußen.
Die Polizisten stockten, guckten einen Augenblick ratlos umher, dann stürmten sie wortlos in die Cafeteria. »Scheiße!«, brüllte der eine.
Bald erschien ein Mann im weißen Kittel mit einer schwarzen Tasche, er betrat die Cafeteria, kniete nieder neben der Frau, die Stachelmann angestarrt hatte, fühlte den Puls, holte aus der Tasche eine Spritze und eine Ampulle, brach diese auf, steckte die Nadel der Spritze hinein, zog den Kolben zurück, drückte etwas Flüssigkeit durch die Nadel, desinfizierte die Armbeuge und stach mit der Spritze hinein. Stachelmann folgte jeder Bewegung. Sonst schaute er weg, wenn jemandem eine Spritze gesetzt wurde, sogar im Kino.
Der Polizist, der gebrüllt hatte, zeigte nach draußen und zuckte mit den Achseln. Stachelmann fiel auf, dass niemand mehr schrie. Er kroch in Richtung Cafeteria. Währenddessen linste er hinaus. Überall Polizei, ein Sondereinsatzkommando mit Helmen, Schutzwesten, Maschinenpistolen und Gewehren. Zivilpolizisten. Dann erkannte er Taut, den Leiter der Mordkommission, der seinen mächtigen Körper schon zum Tatort geschleppt hatte. Stachelmann erhob sich, ging zurück zur Tür und trat hinaus. Er hatte Angst, aber seit er Taut gesehen hatte da draußen, konnte er wieder denken. Wenn die vielen Polizisten herumstanden ohne Deckung, dann war das Schießen vorbei. Stachelmann ging mit Gummiknien zu Taut. Der erkannte ihn sofort.
»Herr Dr. Stachelmann, sind Sie verletzt?«
Der blickte an sich hinunter, sah seine verdreckte Kleidung und schüttelte den Kopf. Taut schaute sich hektisch um, entdeckte eine Frau in einem weißen Kittel, schickte einen uniformierten Polizisten zu ihr und wies auf Stachelmann. Die Ärztin eilte zu Taut. Der Hauptkommissar sagte der Ärztin etwas und zeigte wieder auf Stachelmann. Die Ärztin nahm Stachelmann an der Hand und führte ihn zu einem großen Krankenwagen, dessen Hecktüren
geöffnet waren. Daneben weitere Krankenwagen. Sanitäter standen herum. Offenbar waren mehr Krankenwagen herangerast, als gebraucht wurden.
»Setzen Sie sich hinein«, sagte sie freundlich, aber eindringlich. Mit einer Pinzette zupfte sie ihm Steinstückchen aus der Gesichtshaut, zwei Wunden überklebte sie mit Pflaster. Dann fühlte sie den Puls und maß seinen Blutdruck. »Legen Sie sich eine Weile auf die Liege, dann geht es wieder«, sagte sie.
Er tat es und schloss die Augen. In seinem Kopf hallten die Schüsse nach. Er hörte noch einmal die Schreie. Träume ich? Es ist doch unmöglich, dass hier einer wild herumballert. Wir sind doch nicht in Amerika. Aber es war möglich. Kein Zweifel, da hatte jemand geschossen. Auf ihn. Jetzt hörte er es wieder splittern, pfeifen und knallen. Er schaute sich um, als könnte er den Schützen ausfindig machen. Was für einen Grund konnte der haben, auf Stachelmann zu schießen? Ein Amokläufer? Er hob den Kopf und sah, wie Leute ziellos umherliefen. Sie waren überfordert. Das hatten sie noch nicht erlebt. Er setzte sich auf die Liege, ihm schwindelte. Er fixierte das Rücklicht eines Polizeiwagens, bald sah er klarer. Mit den Händen stützte er sich, während er vorsichtig aufstand. Wer hatte geschossen? Und warum? Das musste er begreifen.
Taut stand vor ihm. »Was ist hier los? Wissen Sie etwas?«
»Jemand hat auf mich geschossen.«
»Auf Sie?«
»Ja«, schnauzte Stachelmann. »Auf mich.«
Taut starrte ihn an, dann schaute er sich um. »Können Sie gehen?«
»Lassen Sie ihn«, sagte der Sanitäter.
»Ja«, sagte Stachelmann. Er stand auf, ihm wurde schwindlig, er stützte sich auf die Stoßstange des Krankenwagens.
Der Sanitäter fasste ihn an der Schulter. »Sie müssen sich ausruhen.«
»Nein«, sagte Stachelmann. Der Schwindel ließ nach.
»Haken Sie sich ein«, sagte Taut. Er hielt Stachelmann seinen Arm entgegen.
»Das können Sie nicht machen!«, sagte der Sanitäter energisch.
Stachelmann hakte sich ein und spürte den massigen Körper des Kriminalpolizisten.
»Zeigen Sie mir, wo Sie waren, als die Schüsse fielen.«
Stachelmann guckte sich um, bald hatte er sich orientiert. Er führte Taut zu der Stelle, wo er auf dem Pflaster gelegen hatte. Zwei Einschläge waren mit Kreide markiert. »Hier«, sagte Stachelmann.
Sie näherten sich der Eingangstür des Philosophenturms, Stachelmann brauchte die Stütze, seine Knie waren aus Gummi. Ein paar Schritte vor der Tür wieder ein kleiner Krater, darum ein Kreidekreis. Jemand hatte Schneematsch zur Seite geschoben. Stachelmann erinnerte sich. Er war gerannt, als es neben ihm einschlug....
Erscheint lt. Verlag | 21.9.2009 |
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Reihe/Serie | Stachelmann ermittelt | Stachelmann ermittelt |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 4. Fall • Belletristik • Buchenwaldalles • Christian von Ditfurth • Historiker • Josef Maria Stachelmann • Kiepenheuer & Witsch • Konzentrationslager • Krimi-Reihe • KZ Buchenwald • Lüge • Mord-Attentat • Rufmord-Kampagne • Spannung • Universität • Verbrechen |
ISBN-10 | 3-462-30004-0 / 3462300040 |
ISBN-13 | 978-3-462-30004-8 / 9783462300048 |
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