Spiel des Schicksals (eBook)
240 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400177-7 (ISBN)
BARBARA WOOD ist international als Bestsellerautorin bekannt. Allein im deutschsprachigen Raum liegt die Gesamtauflage ihrer Romane weit über 14 Millionen, mit Erfolgen wie ?Rote Sonne, schwarzes Land?, ?Traumzeit?, ?Kristall der Träume? und ?Dieses goldene Land?. 2002 wurde sie für ihren Roman ?Himmelsfeuer? mit dem Corine-Preis ausgezeichnet. Barbara Wood stammt aus England, lebt aber seit langem in den USA in Kalifornien. Literaturpreise: u.a. Corine-Leserpreis 2002
BARBARA WOOD ist international als Bestsellerautorin bekannt. Allein im deutschsprachigen Raum liegt die Gesamtauflage ihrer Romane weit über 14 Millionen, mit Erfolgen wie ›Rote Sonne, schwarzes Land‹, ›Traumzeit‹, ›Kristall der Träume‹ und ›Dieses goldene Land‹. 2002 wurde sie für ihren Roman ›Himmelsfeuer‹ mit dem Corine-Preis ausgezeichnet. Barbara Wood stammt aus England, lebt aber seit langem in den USA in Kalifornien. Literaturpreise: u.a. Corine-Leserpreis 2002
1
»Da ist ein Anruf für dich! Jenny löst dich ab, damit du ans Telefon gehen kannst.«
Mrs.Cathcart wartete geduldig, während ich Dr.Kellerman eine Arterienklemme reichte. Ohne den Blick vom Operationstisch zu wenden, antwortete ich: »Ich möchte jetzt lieber nicht weggehen. Wer ist am Telefon? Kann ich nicht zurückrufen?«
»Ich glaube nicht, Lydia. Es ist deine Schwester Adele, die aus Rom anruft. Sie sagt, es sei dringend.«
Überrascht hob ich den Kopf und schaute die Oberschwester, meine Vorgesetzte, an. »Italien?« entfuhr es mir. »Sind Sie sicher?«
»Das hat die Telefonistin gesagt. Aus Rom. Ein Ferngespräch und noch dazu dringend. Jenny macht für dich weiter.«
In diesem Augenblick ließ sich Dr.Kellermans barsche Stimme vernehmen: »Schnell!« rief er. »Die Herztätigkeit setzt aus!«
Ich warf einen raschen Blick auf den Kardiographen. Das Gerät registrierte keinen Pulsschlag mehr. Augenblicklich zog sich Mrs.Cathcart zurück und machte Platz für die Leute vom Rettungsteam, die sich, aufgeregt durcheinanderrufend, um den Operationstisch drängten. Von ferne meldete eine gleichgültige Stimme über Lautsprecher: »Code Blue in den OP. Code Blue in den OP. Code Blue in den OP.« Sogleich waren die Gedanken an Adele und Rom wie weggeblasen, und ich wandte mich wieder voll meiner Arbeit zu. Dr.Kellerman war dabei, das Herz des Patienten abzutasten. Ich öffnete rasch sterile Spritzen mit Adrenalin und Natriumbikarbonat. Scheinbar aus dem Nichts wurden die Elektroden des Defibrillators zu mir heraufgereicht, und man vernahm das Geräusch von zerreißendem Stoff. Irgend jemand deckte das Bein des Patienten auf und entblößte einen Knöchel zum Legen eines Einschwemmkatheters. Jemand schrie: »Zurücktreten! Los!« Der Körper auf dem Operationstisch sprang in die Höhe. Die Linie auf dem Bildschirm des Kardiographen blieb gerade. »Wir müssen’s noch mal versuchen. Zweihundert Volt diesmal. Alle Mann zurück! Los!« Noch immer keine Veränderung auf dem Bildschirm. »Noch eine Ampulle Natriumbikarbonat. Lydia, halt die Elektroden. Laß sie nicht los! Habt ihr die Blutgruppe von dem Mann bestimmt und die Kreuzprobe gemacht? Bringt ein paar Blutkonserven her! Und daß ihr mir noch kein Wort zu der Familie sagt! Lydia, die Elektroden! Fertigmachen. Los!«
Alle starrten erwartungsvoll auf das Meßgerät. Man vernahm einen Piepston und gleich darauf einen zweiten. Der dritte Piepston kam verspätet. Die Linie auf dem Bildschirm schwankte und zitterte. »In Ordnung. Noch einmal. Wir müssen das Kammerflimmern abstellen. Los!«
Diesmal wirkte es. Die zweihundert Volt aus dem Defibrillator hatten das Herz wieder zum Schlagen gebracht. Klinisch war der Patient dreieinhalb Minuten lang tot gewesen.
»In Ordnung, das war’s. Ihr könnt gehen.« Dr.Kellermans Stimme klang sicher und beruhigend. »Laßt ein Bett von der Intensivstation kommen. Dieser Patient muß beobachtet werden. Lydia, das Nahtmaterial für die Bauchhöhle bitte.«
Als ich ihm Nadel und Faden in die Hand gab, warf mir Dr.Kellerman ein kurzes Lächeln zu. Sein Blick sagte soviel wie: Der hier war schon ganz nahe dran, Mädchen, aber wir haben’s geschafft!
Langsam verließ die Rettungsmannschaft den OP. Wir blieben wieder allein in Saal zwei zurück und führten die Operation ruhig zu Ende. Doch jetzt war die Stimmung anders, denn wir waren besorgt und dachten an nichts anderes als an den Patienten und sein Leben. Unsere Anspannung ließ erst nach, als er sicher in dem Bett von der Intensivstation lag und über den Flur weggerollt wurde.
Ich betrachtete das Durcheinander um mich her: die Haufen von blutigen Tupfern, die überall verstreut liegenden Instrumente und leeren Spritzen, der sonderbar aussehende Wagen mit den Herzmeßgeräten. Nach einer Operation beeindruckte es mich jedesmal aufs neue, wie sehr der OP einem Schlachtfeld glich, das jetzt verlassen dalag. Und als ich angesichts der lästigen Reinigungsarbeiten, die mir bevorstanden, widerwillig den Kopf schüttelte, schaute Mrs.Cathcart nochmals in den Saal.
»Lydia, mach mal eine Pause. Jenny hat angeboten, für dich sauberzumachen. Geh und erledige deinen Anruf.«
Ich blickte auf. Natürlich, Adele in Rom. Ein dringender Anruf. Das hatte ich völlig vergessen.
Mit einer Hand, die von dem Operationshandschuh ganz verschwitzt war, hielt ich den Hörer ans Ohr, während ich mit der anderen nervös an der Maske zerrte, die mir um den Hals baumelte.
»Hallo?« rief ich in den Hörer.
Die unpersönliche Stimme der Telefonistin ließ sich in der knisternden Leitung vernehmen: »Ich versuche immer noch, die Verbindung wiederherzustellen. Kann ich Sie zurückrufen?«
»Nein, es ist dringend. Ich bleibe am Apparat.«
»Wie Sie wünschen, ich probiere es weiter.«
Ich lauschte. Es klang, als spräche die Telefonistin hinter einer Glasscheibe.
Der Aufenthaltsraum war menschenleer. Nach den hektischen Ereignissen der vergangenen Stunde empfand ich die äußere Ruhe, die sich über alles gelegt hatte, nur als scheinbar. Hinzu kam, daß ich nun ungeduldig wartend am Telefon saß. Ich fragte mich, welche Neuigkeiten mich da wohl erwarteten. Immerhin hatte ich seit über vier Jahren keine Verbindung mehr zu Adele gehabt, und die Oberschwester hatte gesagt, der Anruf sei aus Rom gekommen.
Rückblickend auf das Durcheinander der letzten Stunde, konnte ich jedoch nicht bestimmen, was mich mehr aufgeregt hatte: die Nachricht, daß ich soeben einen Anruf aus Europa von meiner Schwester Adele erhalten habe, oder der Herzstillstand, der sich gleichzeitig auf dem Operationstisch ereignet hatte.
»Einen Moment bitte«, meldete sich die Stimme mit dem italienischen Akzent. Die Telefonistin war zu dem Anschluß durchgekommen, dessen Nummer Adele hinterlassen hatte – ein gewisses Hotel Palazzo Residenziale in Rom –, und ich sollte nun gleich mit meiner Schwester, die schon so lange nichts mehr von sich hatte hören lassen, verbunden werden. Bei all meinen wirren Gedanken an die Operation, an den Herzstillstand und die Strapazen meines Berufs versuchte ich auch herauszufinden, was in aller Welt Adele veranlaßt haben mochte, mich anzurufen und – noch rätselhafter – was nach Adeles Meinung wohl so überaus dringend sein könnte.
Meine Schwester und ich hatten uns vor langer Zeit sehr nahegestanden. Aber das war vor dem plötzlichen tragischen Tod unserer Eltern und unseres Bruders gewesen. Dieser harte Schicksalsschlag – der Tod von geliebten Menschen –, der Familienmitglieder normalerweise enger zusammenrücken läßt, hatte Adele und mich auf merkwürdige Weise auseinandergebracht. Die Jahre der Trauer und der Schmerz hatten uns entfremdet, hatten Menschen aus uns gemacht, die nur noch höflich miteinander umgingen, bis sich unsere Wege vor vier Jahren endgültig trennten. Ich war damals dreiundzwanzig, Adele zweiundzwanzig. Ich stand gerade in der Ausbildung zur Operationsschwester; Adele bildete sich selbst darin aus, Männer zu betören. Am Tag des Abschieds hatte sie etwas unklar davon gesprochen, daß sie reisen wolle, und ich hatte ein wenig von meinen Berufspflichten geredet. Dann waren wir mit einem schlaffen Händedruck auseinandergegangen, so wie man sich nach einem sonntäglichen Verwandtenbesuch voneinander verabschiedet. Und seit diesem Zeitpunkt bis heute morgen hatte ich nichts mehr von meiner Schwester Adele gehört.
»Lyddie? Lyddie, bist du das?«
Beim Klang ihrer Stimme erschien Adele wie ein Geist vor mir.
»Ja, bist du es denn wirklich, Adele? Lieber Himmel!«
»Oh, ich bin ja so froh, daß ich dich erreicht habe. O Lyddie, eine ganz aufregende Sache! Einfach aufregend! Ich kann es gar nicht erwarten, es dir zu erzählen!«
Mit heller, aus weiter Entfernung kommender Stimme plapperte sie schrill und aufgeregt und in jugendlich-übermütiger Weise darauflos. Als ich diesen vertrauten Klang aus dem Telefon hörte, starrte ich ungläubig auf die Wand mir gegenüber. Sie nannte mich Lyddie! Adele nannte mich Lyddie, als hätten wir uns gestern noch gesehen.
»Beruhige dich erst mal«, unterbrach ich sie und fühlte schon ein wenig von ihrer Aufregung auf mich überspringen.
»Was ist passiert? Geht es dir gut?«
»Natürlich! Mir geht es einfach großartig. Ich bin in Rom, Lyddie!«
»Das weiß ich. Ist etwas passiert?«
»Oh, ich bin nicht krank oder so etwas. Aber es ist trotzdem dringend. Lyddie, kannst du nach Rom kommen?«
»Ob ich was …?«
»Hör zu. Ich habe dir etwas geschickt, das alles erklären wird. Es müßte jetzt jeden Tag bei dir eintreffen, denn aus deinen Worten schließe ich, daß du es noch nicht hast. Ich habe es per Luftpost geschickt. Vielleicht hätte ich es als Einschreiben senden sollen. Jetzt bereue ich, daß ich es nicht getan habe. O Lyddie, du mußt einfach kommen, bitte!«
Es lag eine Anspannung, eine Art Panik in ihrer Stimme, die mich aufhorchen ließ. Adele war offenbar über irgend etwas ganz besonders glücklich und aufgeregt. Und doch warnte mich gleichzeitig ein wohlbekannter Instinkt (schließlich war sie ja meine Schwester), daß all dies nicht ganz so war, wie es schien. »Was stimmt denn nicht?«
»Ich kann es dir jetzt nicht sagen. Aber es ist einfach phantastisch. Ich muß es dir persönlich erzählen, nicht am Telefon. Kannst du nach Rom kommen?«
»Natürlich nicht. Sei nicht albern.« Das war typisch Adele, ungestüm und launenhaft. »Ich kann nicht von der Arbeit weg. Jetzt sag mir doch erst mal, was pass …«
»Ach, häng doch deinen doofen Job an den Nagel! Du mußt kommen. Hör zu, Lyddie, ich...
Erscheint lt. Verlag | 8.2.2010 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Ägypten • Brettspiel • Elfenbein • Figur • Frauenroman • Kairo • Krankenhaus • Los Angeles • Luxor • Odyssee • Rom • Roman • Schakal • Schwester • Spannung • Tal der Könige |
ISBN-10 | 3-10-400177-4 / 3104001774 |
ISBN-13 | 978-3-10-400177-7 / 9783104001777 |
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