Sharpes Festung (eBook)

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2009 | 1. Auflage
432 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-8387-0043-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sharpes Festung -  Bernard Cornwell
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Indien, 1803. Richard Sharpes Beförderung zum Offizier erweist sich als zweifelhafte Ehre. Die anderen Offiziere verachten ihn wegen seiner niederen Herkunft. Am größten jedoch ist der Hass seines alten Erzfeindes Obadiah Hakeswill. Als Sharpe einen Verrat Hakeswills aufdeckt, gerät er in einen Hinterhalt und überlebt nur mit knapper Not. Sharpe sinnt auf Rache. Doch der schmierige Hakeswill hat sich in der indischen Bergfestung von Gawilghur verschanzt, die von den britischen Truppen belagert wird. Beim Sturm auf die Festung ist Sharpe ganz vorn mit dabei, um dem Verräter ein für alle Mal das Handwerk zu legen.

KAPITEL 1


Richard Sharpe wollte ein guter Offizier sein. Das wünschte er wirklich aus ganzem Herzen, doch irgendwie war es so schwierig, als versuche er mit einer Zunderbüchse im regengepeitschten Sturmwind Feuer zu machen. Entweder mochten ihn die Männer nicht oder sie ignorierten ihn oder sie waren zu plump vertraulich, während die anderen Offiziere des Bataillons ihn offenkundig nicht akzeptierten. Captain Urquhart hatte eines Abends in dem vergammelten Zelt, das als Offiziersmesse diente, gesagt: Man kann einem lahmen Karrengaul einen Rennsattel auflegen, doch das macht das Tier nicht schnell. Er hatte nicht über Sharpe geredet, nicht direkt, aber all die anderen Offiziere hatten zu ihm geblickt.

Das Bataillon befand sich im Niemandsland. Es war höllisch heiß und kein Windhauch milderte die Gluthitze. Ringsum verdeckten Getreidehalme die Sicht auf alles außer dem Himmel. Irgendwo im Norden donnerte ein Geschütz, und Sharpe hatte keine Ahnung, ob es ein britisches oder eine Kanone des Feindes war.

Ein trockener Graben verlief zwischen den hohen Halmen, und die Männer des Bataillons saßen auf der Böschung des Grabens und warteten auf Befehle. Ein, zwei hatten sich zurückgelegt und schliefen mit weit geöffnetem Mund, während Sergeant Colquhoun in seiner zerfledderten Bibel blätterte. Der Sergeant war kurzsichtig, sodass er die Heilige Schrift dicht unter seine Nase halten musste und Schweißtropfen auf die Seiten fielen. Für gewöhnlich las der Sergeant still, formte die Worte unhörbar mit den Lippen und runzelte die Stirn, wenn er bei einem schwierigen Namen stockte, doch heute drehte er nur langsam die Seiten mit angefeuchtetem Finger um.

»Suchen Sie nach Inspiration, Sergeant?«, fragte Sharpe.

»Nein, Sir«, antwortete Colquhoun. Er sagte es respektvoll, doch irgendwie schaffte er es, zu vermitteln, dass er die Frage unverschämt fand. Er befeuchtete mit der Zungenspitze einen Finger und blätterte die nächste Seite um.

So viel zu unserer Gesprächsbereitschaft, dachte Sharpe.

Irgendwo voraus, jenseits der Pflanzen, die höher ragten als ein Mann, feuerte eine andere Kanone. Der Knall wurde durch die hohen Stängel ringsum gedämpft. Ein Pferd wieherte, doch Sharpe konnte das Tier nicht sehen. Er sah durch die hohen Halme so gut wie nichts.

»Werden Sie uns eine Geschichte vorlesen, Sergeant?«, fragte Corporal McCallum. Er sprach Englisch statt Gälisch, was bedeutete, dass Sharpe es hören sollte.

»Nein, John, das werde ich nicht.«

»Nalos, Sergeant«, sagte McCallum. »Lesen Sie uns eine dieser schmutzigen Geschichten über Titten vor.«

Die Männer lachten und blickten zu Sharpe, um zu sehen, ob er etwas dagegen hatte.

Einer der Schläfer wurde wach und setzte sich ruckartig auf. Er blickte sich verwirrt um, dann murmelte er einen Fluch, schlug nach einer Fliege und legte sich zurück. Die anderen Soldaten der Kompanie ließen ihre Beine zum Schlammbett des Grabens baumeln, das mit grünem Schaum bedeckt war. Eine tote Eidechse lag in einem der Risse in dem getrockneten Schlamm. Sharpe fragte sich, wie sie den Aasfressern entgangen sein mochte.

»Das Gelächter von Narren, John McCallum, ist wie das Prasseln von Feuer unter dem Kochtopf«, sagte Sergeant Colquhoun.

»Fort mit Ihnen, Sergeant!«, erwiderte John McCallum. »Ich habe als kleiner Junge in der Kirche mal alles über eine Frau gehört, deren Titten wie Weintrauben waren.« McCallum drehte sich um, um Sharpe anzuschauen. »Haben Sie jemals Titten wie Weintrauben gesehen, Mister Sharpe?«

»Ihre Mutter habe ich nie kennengelernt, Corporal«, sagte Sharpe.

Die Männer lachten wieder. McCallum blickte finster drein. Sergeant Colquhoun ließ seine Bibel sinken und spähte zum Corporal. »Das Hohelied Salomos, John McCallum«, sagte Colquhoun, »beschreibt den Busen einer Frau als Weintrauben, und ich habe keinen Zweifel, dass es sich auf die Kleidung bezieht, die anständige Frauen im Heiligen Land trugen. Vielleicht hatten ihre Mieder Kugeln von verknoteter Wolle als Verzierung? Ich kann das nicht als eine Sache für Ihre Belustigung sehen.«

Eine weitere Kanone donnerte, und diesmal peitschte eine Kanonenkugel durch die hohen Pflanzen nahe beim Graben. Die Stängel gerieten in heftige Bewegung, und eine Wolke von Staub und kleinen Vögeln stieg in den wolkenlosen Himmel auf. Die Vögel flogen ein paar Sekunden in Panik herum, bevor sie zu ihrem schwankenden Stammplatz zurückkehrten.

»Ich habe eine Frau gekannt, die klumpige Titten hatte«, sagte Private Hollister. Er war ein stoppelbärtiger Hüne, der selten sprach. »Mann, das waren schwere Dinger – wie Kanonenkugeln.« Er runzelte die Stirn in der Erinnerung. »Sie ist gestorben.«

»Dieses Gespräch geziemt sich nicht«, sagte Colquhoun ruhig. Die Männer zuckten mit den Schultern und schwiegen.

Sharpe spielte mit dem Gedanken, den Sergeant über die Weintrauben zu befragen, doch er wusste, dass eine solche Frage nur zu Zoten der Männer führen würde, und als Offizier wollte er nicht riskieren, sich zum Narren zu machen. Trotzdem klang es komisch für ihn. Warum würde jemand sagen, eine Frau hätte Titten wie Weintrauben? Oder wie Kanonenkugeln?

Wieder knallte es in der Ferne, und es kam ihm vor wie Kartätschenfeuer. Er fragte sich, ob die Bastarde mit Kartätschen ausgerüstet waren. Nun, das waren sie natürlich, aber es hatte keinen Sinn, Kartätschen auf einem Getreidefeld zu verschwenden. Was war das überhaupt für ein Getreide? Es kam ihm sonderbar vor, aber Indien war voller Besonderheiten. Es gab nackte Blödmänner, die behaupteten, Heilige zu sein, Schlangenbeschwörer, die Reptilien nach ihrer Pfeife tanzen ließen, Tanzbären, die mit Glöckchen behängt waren, und Schlangenmenschen in Schwulenflitterklamotten – ein verrückter Zirkus. Und die Clowns würden Kartätschen haben. Sie würden auf die Rotröcke warten und die Blechbüchsen laden, die wie Entenschrot aus den Geschützläufen rasten. Die Ladungen werden uns zwischen den Binsen am Graben erwischen, dachte Sharpe, möge der Herr uns gnädig sein.

»Ich habe es gefunden«, sagte Colquhoun ernst.

»Was gefunden?«, wollte Sharps wissen.

»Ich war mir ziemlich sicher, dass die Bibel Hirse erwähnt. Und so ist es. Hesekiel, viertes Kapitel, neunter Vers.« Der Sergeant hielt die Heilige Schrift dicht unter die Augen. Er hatte ein rundes, pickliges Gesicht. »So nimm nun dir Weizen, Gerste, Bohnen, Linsen, Hirsen und Spelt und tue alles in ein Fass und mache dir so viel Brot daraus …«, las er angestrengt vor. Dann schloss er die Bibel, wickelte ein Stück fleckiges Segeltuch darum und verstaute sie in seiner Tasche. »Es gefällt mir, Sir, wenn ich jeden Tag interessante Dinge in der Bibel finden kann. Das mag ich, und ich sehe sie und stelle mir vor, dass mein Herr und Erlöser dieselben Dinge sieht.«

»Aber warum Hirse?«, fragte Sharpe.

»Diese Saaten«, sagte Colquhoun und wies auf die hohen Stängel, von denen sie umgeben waren, »sind Hirse, Sir. Die Eingeborenen nennen sie jowari, doch unsere Bezeichnung ist Hirse.« Er wischte sich mit dem Ärmel Schweiß aus dem Gesicht. Das Rot seines Uniformrocks war zu einem matten Purpurton verblichen. »Dies ist natürlich Rispenhirse, aber ich bezweifle, dass die Heilige Schrift Rispenhirse besonders erwähnt.«

»Hirse, aha«, sagte Sharpe. Die Halme waren neun oder zehn Fuß hoch. »Muss verdammt schwer zu ernten sein«, sagte er.

Colquhoun schwieg. Der Sergeant versuchte immer, Kraftworte oder Flüche zu ignorieren.

»Was ist Spelt?«, fragte McCallum.

»Eine Getreideart im Heiligen Land«, antwortete Colquhoun, der es offensichtlich nicht wusste, sondern nur erriet.

»Klingt für mich wie ’ne Krankheit, die mit Quecksilber behandelt wird.« Ein, zwei Männer kicherten bei dem Hinweis auf Syphilis, doch Colquhoun ging darüber hinweg.

»Baut ihr in Schottland Hirse an?«, fragte Sharpe den Sergeant.

»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Colquhoun nachdenklich, nachdem er ein paar Sekunden überlegt hatte. »Vielleicht im Tiefland. Da pflanzen sie komische Dinge an. Englische Dinge.« Er wandte sich ostentativ ab.

Blöder Hund, dachte Sharpe.

Wo, zur Hölle, war Captain Urquhart? Wo waren die anderen? Das Bataillon war lange vor dem Morgengrauen marschiert, und gegen Mittag hatte es erwartet, das Lager aufzuschlagen, doch dann war ein Gerücht aufgekommen, dass der Feind voraus wartete, und so hatte General Sir Arthur Wellesley befohlen, den Vormarsch fortzusetzen. Das 74. Regiment war in das Hirsefeld vorgedrungen, und zehn Minuten später hatte es den Befehl erhalten, neben dem ausgetrockneten Graben zu halten, während Captain Urquhart vorausritt, um mit dem Bataillonskommandeur zu sprechen.

Es war eine gute Kompanie, und sie brauchte Sharpe nicht. Urquhart führte sie gut, Colquhoun war ein großartiger Sergeant, die Männer waren zufrieden, wie es Soldaten nur sein konnten, und das Letzte, was die Kompanie brauchen konnte, war ein nagelneuer Offizier, ein Engländer, der noch vor zwei Monaten ein Sergeant gewesen war.

Die Männer unterhielten sich auf Gälisch, und Sharpe fragte sich – wie immer –, ob sie über ihn sprachen. Vermutlich nicht. Wahrscheinlicher war, dass sie über die Tanzmädchen von Ferdapoor sprachen, die mehr als Weintrauben hatten, eher verdammt große nackte Fleischmelonen. Es hatte eine Art Festival gegeben, und das Regiment war in eine Richtung marschiert und die halb nackten Mädchen in die entgegengesetzte, wobei Sergeant Colquhoun so rot wie ein nagelneuer Uniformrock geworden war und den Männern »Augen – geradeaus!« befohlen hatte. Was ein sinnloser Befehl gewesen war, denn ein...

Erscheint lt. Verlag 11.8.2009
Reihe/Serie Sharpe-Serie
Übersetzer Joachim Honnef
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel Sharpe's Fortress
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1803 • 18. - 19. Jahrhundert • Abenteuer • Gawilghur • Historical • Historienroman • historisch • Historische Romane • Historischer Roman • Historisches Buch • Indien • Jahrhundert Trilogie • Ken Folett • Ken Follet • Ken Follett • Kreuzzüge • Militärisch • Mittelalter • Rebecca Gable • Richard Sharpe • Rotrock • spannend • Verrat • Warringham
ISBN-10 3-8387-0043-0 / 3838700430
ISBN-13 978-3-8387-0043-4 / 9783838700434
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