Benkos Luftschloss (eBook)
240 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-562-8 (ISBN)
Die Spuren René Benkos sind unübersehbar: Paläste wie das KaDeWe in Berlin oder das Goldene Quartier in Wien, Bauruinen wie der Elbtower in Hamburg oder die Alte Akademie in München, geschlossene Filialen der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Keiner stieg so schnell auf wie der österreichische Unternehmer, und selbst sein Untergang wurde zum Superlativ: Die Pleite seiner Signa-Unternehmensgruppe ist die größte, die Österreich je erlebte.
Margret Hucko und Martin Noé kennen René Benko von vielen Treffen. Sie schilderten seinen Expansionsdrang, sie beschrieben früh die Risiken, und sie waren die ersten Journalisten im Oktober 2023, die die Pleite voraussagten. In diesem Buch entschlüsseln sie seine Methoden und die Gründe für den Zusammenbruch der Signa. Es ist die Geschichte eines ungemein erfolgreichen Blenders. Wer sie gelesen hat, weiß, warum sich Milliardäre, Pensionskassen und Politiker so gerne von ihm überzeugen ließen, wer von ihm profitierte und was nun auf Benko zukommt.
Margret Hucko berichtet seit vielen Jahren über Handelsunternehmen, Automobilkonzerne und Immobilienskandale. Vor allem interessiert sie sich für die Menschen dahinter. Sie arbeitete für die »Financial Times Deutschland« und für den »SPIEGEL«, seit 2018 ist sie Redakteurin des »manager magazins«. Zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen lebt sie in Hamburg.
Martin Noé zählt zu den profiliertesten Wirtschaftsjournalisten Deutschlands. Er war Chefreporter des »Handelsblatts«, Chefredakteur des »manager magazins« und zuletzt Chefkorrespondent beim »manager magazin«. Er lebt mit seiner Frau in Hamburg und hat zwei erwachsene Kinder.
Kapitel 1
Aufstieg aus dem Nichts – der junge Mann wird zum Schillingmillionär
Immer wenn René nach Hause kam, sei es vom Klettern oder aus der Schule, hatte er, ohne es zu wissen, einen Meister vor Augen. Bog er ein in seine Straße im Innsbrucker Arbeiterviertel Pradl, dann stand da in großen Lettern der Name Gumpp. Nicht Forrest Gump, der freundliche Autist aus dem Kino, sondern Christoph Gumpp. Gumpp der Jüngere, das wissen vielleicht Historiker, war einer der Großen seiner Zunft, und das bereits in jungen Jahren. 1633 von Erzherzogin Claudia zum Hofbaumeister ernannt, errichtete er für das Land Tirol etwa die Mariahilfkirche am linken Ufer des Inn.
Vom barocken Prunk des Namensgebers seiner Wohnstraße bekam Benko wenig zu spüren. Pradl, der Stadtteil seiner Kindheit, war bekannt für pragmatischen Wohnungsbau. Viele Unterkünfte kamen selbst Ende der 1970er Jahre noch ohne eigene Toilette oder Badewanne aus. In diesem kleinbürgerlichen, bescheidenen Milieu wuchs René Benko auf, zusammen mit seiner vier Jahre jüngeren Schwester, als Sohn einer Kindergärtnerin und eines Angestellten bei den städtischen Gaswerken, der sein Gehalt mit Fahrradreparaturen aufbesserte.
Sein Sohn hingegen hegte größere Pläne: Schon in jungen Jahren hielt es René nicht am Boden. Als Jugendlicher trainierte er Sportklettern, sein damaliger Trainingsfreund Reini Scherer beschrieb ihn in der Bild als »Freigeist, ein Hippie, der jeden kannte. Er hat Rastalocken bis zum Popo gehabt.« Alte Schulbilder zeigen Benko mit langen Haaren, die Mädels standen auf ihn. Mit 14 Jahren schaffte es René zum Jugendstaatsmeister im Hallenklettern. Erstmalig ging es für ihn nach oben.
Benko, das war offensichtlich, wollte raus aus der Enge des Kleinbürgertums. Vier Jahre nach seinem sportlichen Erfolg zog er zu Hause aus. Die realen Kreisläufe des Geldes interessierten den Burschen mehr als John Maynard Keynes oder sonstiger Unterrichtsstoff, der in der Schule gelehrt wurde. Er glänzte durch Abwesenheit. Wenn er da war, bestach er durch Charme: »Er konnte was, hatte einen Schalk im Nacken, war aber nie frech, sondern charismatisch«, erinnerte sich seine Italienisch-Lehrerin in der Bild.
»Das ist wahrlich so, ich war im letzten Schuljahr, im Maturajahr, so wenig in der Schule, dass ich dann aufgrund der vielen Fehlstunden nicht mehr zur Matura zugelassen wurde«, erzählte er vor etlichen Jahren in einem Interview im Österreichischen Rundfunk. Zum Leidwesen seiner Eltern, insbesondere sein Vater hoffte immer, der Bub würde es einmal besser haben als er.
Benko wird den Kontakt zu seinen Eltern nie abreißen lassen, seine Schwester übernimmt zeitweise sein Vorzimmer. Bei späteren Treffen, etwa im Chalet N in Lech, einem luxuriösen Hideaway, benannt nach Benkos zweiter Ehefrau Nathalie, sitzen die Eltern zusammen mit Geschäftspartnern an einer langen Tafel, »ganz normale Leute«, wie ein langjähriger Signa-Vorstand erzählt. Die Mutter wird vom Sohn geherzt, der Vater fällt als großer Schweiger auf. Man habe mit Renés Vater nicht ins Gespräch kommen können, sagt einer, der bei den Abendessen dabei war. Er hätte fast den Eindruck gehabt, dass der Vater seinem Sohn misstraue.
Früh schon ist Benko vor allem am Geldverdienen interessiert. Statt sich mit gleichaltrigen Halbstarken in Diskotheken oder beim Fußball zu vergnügen, sucht Benko Arbeit und den Kontakt zu einflussreichen, älteren Herren.
Er startet eine Ausbildung beim Finanzvertrieb AWD, da ist er gerade mal 17 Jahre alt. Der AWD des deutschen Aufsteigers Carsten Maschmeyer ist damals eines jener Unternehmen, das jungen Leuten schnelles Geld verspricht, wenn sie Lebensversicherungen an ihr Umfeld verticken. Und eines, bei dem die oberen Chargen stark von den Abschlüssen der Berater unten in der Hierarchie profitieren. Talent hat er. Benko gilt bis heute als Zahlengenie, detailverliebt und arbeitsversessen. Erste Mails verschickte er noch vor 6 Uhr in der Früh, die letzten um Mitternacht. »Freunde«, sagt einer, der ihn lange begleitete, kenne Benko nicht, nur Geschäftspartner.
Als AWD-Mitarbeiter lernt er den lokalen Innsbrucker Immobilienfürsten Johann Zittera kennen, der mit dem Ausbau von Dachböden in zentraler Lage zu Geld gekommen war. Benko überzeugt Zittera mit seinem gewinnenden, souveränen Auftreten. Benko versteht es schon damals, mit seiner bloßen Anwesenheit den Raum zu füllen. Eine Gabe, die ihm auch später beim Akquirieren seiner Investoren helfen wird.
Zittera und der junge Mann kommen ins Geschäft. Benko treibt die Liquidität auf, die Zittera für seine Projekte benötigt. Dafür soll dieser ihm im Gegenzug hin und wieder seinen Ferrari für Geschäftstermine geliehen haben.
Benko, das Kind bodenständiger Eltern, dringt nun in neue Sphären vor. Und lernt, wie viel Marge im Kauf und Verkauf von Immobilien steckt, wenn man es richtig angeht.
Als Zittera um das Jahr 2000 herum sein Business einstellt, startet Benko durch – er macht sich selbstständig. Das erlernte Geschäftsmodell behält er bei – billig kaufen, sanieren, teuer verkaufen. Doch er verfeinert es und erweitert den Ausbau von Dachgeschosswohnungen zu teuren Penthouse-Immobilien um Ärzte- und Gesundheitszentren. So erwirbt Benko früh eine Kaufoption auf die bekannte Tiroler Wellness-Oase »Lanserhof«, als die Besitzer Geld benötigten. Gewinnbringend reicht er diese weiter. Damit schafft er es früh zum Schillingmillionär.
Einer, der für Benkos Karriere wie ein Katalysator wirkt, ist Karl Kovarik, ein schwerreicher Erbe eines Tankstellenimperiums, der den jungen Innsbrucker Geschäftsmann finanziert, nachdem Benko zuvor dem Schwager Kovariks eine Dachgeschosswohnung verkauft hat. Rund 25 Millionen Euro investiert der Tankstellen-König in Benkos erste Firma, die Immofina, 2006 in Signa umbenannt. Benko und Kovarik halten je die Hälfte.
Vielleicht noch wichtiger als sein Geld sind die Kontakte, mit denen der öffentlichkeitsscheue Kovarik Benko versorgt. Er öffnet ihm die Türen bei Banken.
Teure Kleidung, der erste Ferrari, viel Bling-Bling – Benko war angekommen im Club der Neureichen. Da ist es fast eine Fügung des Schicksals, dass er dem ehemaligen Tiroler Volksbankdirektor Helmut Holzmann auffällt.
Holzmann, ein Kümmerer, organisiert Benko ein Gremium älterer Herren, das dem Jüngling beratend zur Seite steht, darunter der frühere Chef der Bremer Landesbank, Peter Haßkamp, der Immobilienexperte Rainer de Backere oder auch der Tiroler Skiweltmeister Harti Weirather, der eine erfolgreiche Sportmarketingagentur betreibt. Sie alle wirken, wie es Haßkamp im manager magazin einmal formulierte, »dämpfend« auf Benkos Lebensstil ein – jedoch wie sich später herausstellen sollte, allenfalls vorübergehend.
Auf das Geschäft hingegen, das ist unbestritten, wirkt sein Netzwerk wie ein Beschleuniger. So sollte es Benko auch in späteren Jahren beibehalten. Benko ist ein Meister darin, sich einflussreiche Freunde zu machen, ist schnell per Du mit allen und blitzgescheit. Bis zum Untergang der Signa liest sich die Liste der Berater und Beiräte wie das Who is Who der österreichischen Polit-Szene und auch der deutschen Unternehmer.
Mit Kovariks Geld kann Benko dann auch die Projekte angehen, für die er später berühmt werden sollte – das erste davon liegt in der Maria-Theresien-Straße seiner Heimatstadt Innsbruck. In ihr reihen sich die Geschäfte internationaler Marken aneinander, hübsche Barockbauten erfreuen das Auge und am Ende schweift der Blick der Passanten auf Alpengipfel.
Inmitten der umtriebigen Fußgängerzone steht das, was René Benko selbst sein »Gesellenstück« nennt: das Kaufhaus Tyrol. Benko, der als Kind die Spielzeugabteilung regelmäßig an der Hand seines Großvaters besuchte, hatte es 2004 überraschend erworben, später gegen Widerstände abreißen und dann neu bauen lassen.
Das Tyrol ist heute ein Shoppingcenter mit mehr als 50 Geschäften, gestaltet durch den Star-Architekten David Chipperfield, in dem Modemarken wie Benetton oder COS, diverse Cafés, Feinkostläden oder Friseure ihren Geschäften nachgehen. Auch Benkos Signa Holding residiert dort, der Eingang befindet sich dezent am Rande des Kaufrausch-Palasts.
Beinahe wäre Benko damals am Tyrol gescheitert, als der Landeshauptmann von Tirol die gesamte Maria-Theresien-Straße unter Denkmalschutz stellen ließ. Zum wichtigsten Helfer und Lobbyisten für das Projekt sei damals Alfred Gusenbauer geworden, erzählte Benko bei einem Treffen der Immobilienwirtschaft 2019 in Berlin. Den SPÖ-Politiker, der 2007 zum Bundeskanzler aufsteigen wird und noch später als Berater und Aufsichtsratschef der Signa mit Millionen überschüttet wird, zählt Benko zu seinen »engen Freunden«.
Gusenbauer verschafft Benko einige Kontakte und wird bis zum Scheitern der Signa deren eifrigster Lobbyist bleiben, Geld jedoch kann er ihm keines geben. Benko braucht neue Finanziers für seinen ständigen Drang nach Wachstum. Nicht immer besitzen die Geldgeber einen tadellosen Ruf. 2009 steigt der griechische Reeder George Economou bei Benko ein, den er auf einer Veranstaltung der HSH Nordbank in Athen kennenlernt. »Real Estate meets Shipping« heißt das Treffen, zu dem neben dem US-Immobiliengiganten Hines auch Benko geladen wird.
Economou und Benko verstehen sich sofort. Es folgen gegenseitige Einladungen. Am Ende gewinnt Benko Economou für seine Interessen, der griechische Reeder investiert in einzelne Signa-Immobilien. Kurz vor seinem Tod hatte Tankstellen-König Kovarik seine Anteile an Benko zurückgegeben. An seine Stelle rückt Economou auf, mit 50 Prozent der Anteile an der Signa Holding...
Erscheint lt. Verlag | 18.8.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Geld / Bank / Börse |
Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management | |
Schlagworte | Betrug • Firmenpleite • Immobilien • Immobilienhandel • Insolvenzskandal • Insolvenzverfahren • Klage • Luxusimmobilien • Milliardär • Pliete • Scheingeschäfte • Skandal • True Crime • Unternehmenspleite • Vermögen • Wirecard • Wirtschaftsprüfer • Wirtschaftsskandal |
ISBN-10 | 3-98609-562-4 / 3986095624 |
ISBN-13 | 978-3-98609-562-8 / 9783986095628 |
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