Mobilität für alle (eBook)

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2022 | 1. Auflage
296 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45039-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mobilität für alle -  Andreas Herrmann,  Johann Jungwirth,  Frank Huber
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Für klimagerechte Mobilität Der Zugang zu Mobilität hat maßgeblichen Einfluss auf den individuellen wirtschaftlichen Erfolg: Wer mobil ist, findet leichter einen Arbeitsplatz, verdient mehr und ist zufriedener. Unser aktuelles Mobilitätsverhalten führt allerdings zu großen Belastungen von Umwelt und Infrastruktur mit negativen Auswirkungen auf unser aller Lebensqualität und Gesundheit. Andreas Herrmann, Johann Jungwirth und Frank Huber zeigen, dass Mobilität sehr wohl klimagerecht und barrierefrei sein kann. An Beispielen aus aller Welt illustrieren sie, wie neue Player auf dem Mobilitätsmarkt mit revolutionären Geschäftsmodellen bereits heute die Mobilität der Zukunft gestalten. Autonomes Fahren zu fördern und Mobilität als bedarfsweise buchbaren Service zu begreifen, sind nur zwei der vorgestellten Bausteine auf dem Weg zu einer nachhaltigen Verkehrswende. »In den vergangenen 150 Jahren haben wir alles dafür getan, um die Schwächen des Fahrers auszugleichen. Wir haben Airbags und Sicherheitsgurte eingebaut, haben das Chassis verbessert und vieles mehr. Im vergangenen Jahrzehnt haben wir das Fahrzeug intelligenter gemacht, um die Fahrer zu unterstützen, damit sie besser sehen und reagieren können. In dieser Dekade werden wir den aufregenden Schritt machen, die Technologie bereitzustellen, welche die Sicherheit im Straßenverkehr wirklich transformieren wird.« Chris Urmson, Mitgründer und CEO von Aurora Innovation, Pittsburgh »Es gibt einen Plan der israelischen Regierung für die neue Mobilität. Das Land soll bis 2030 zu einem weltweit führenden Standort rund um das autonome und vernetzte Fahren und natürlich um Mobility-as-a-Service entwickelt werden.« Anat Bonshtien, Chairman and Director of the Fuel Choices and Smart Mobility Initiative at Israel Prime Minister`s Office, Jerusalem »Mobility-as-a-Service kann entscheidend dazu beitragen, die Verkehrssituation in vielen Megacities zu verbessern. In zahlreichen chinesischen Städten sind bereits Mobility-as-a-Service-Konzepte im Test. Wir befinden uns an der Schwelle zur Umsetzung. Dieses Buch zeigt sehr anschaulich die Idee, Konzepte und Auswirkungen und liefert damit einen wichtigen Beitrag für eine bessere Mobilität - für die Städte, für die Menschen, für die Umwelt.« Prof. Dr. Zheng Han, Chair of Innovation and Entrepreneurship, Sino-German School for Postgraduate Studies (CDHK), School of Economics and Management, Tongji University, Shanghai »Mobility-as-a-Service ist die Chance, unsere Städte neu zu entwerfen. Straßen und Parkplatzflächen können zurückgebaut und anderweitig genutzt werden; etwa für Sport- und Spielareale, für Cafés und Restaurants. Dieses Buch beschreibt zahlreiche Ansätze, um die Städte zukünftig nicht mehr um die Autos, sondern um die Menschen zu bauen.« Gabe Klein ist Mitgründer von Cityfi und ehemaliger Commissioner of the Chicago and Washington, D.C., Departments of Transportation

Prof. Dr. Andreas Herrmann leitet die Forschungsstelle für Customer Insight an der Universität St. Gallen. Als Autor und Ko-Autor hat er bereits 15 Bücher veröffentlicht. Außerdem ist er Gründer zweier Unternehmensberatungen mit Sitz in Mainz und St. Gallen.

Prof. Dr. Andreas Herrmann leitet die Forschungsstelle für Customer Insight an der Universität St. Gallen. Als Autor und Ko-Autor hat er bereits 15 Bücher veröffentlicht. Außerdem ist er Gründer zweier Unternehmensberatungen mit Sitz in Mainz und St. Gallen. Johann Jungwirth ist Ingenieur und Manager in der Automobilindustrie. Nach Stationen u. a. bei Apple und Mercedes-Benz, wo er auch an selbstfahrenden Autos arbeitete, und im Volkswagen Konzern, wo er für die digitale Transformation verantwortlich war, ist Jungwirth heute Vice President von Mobileye. Dort treibt er die autonome Mobilität voran. Prof. Dr. Frank Huber hat den Lehrstuhl für Marketing Analytics an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne, ist Mitgründer einer Unternehmensberatung und Autor mehrerer Bücher zu Marketing und Produktgestaltung.

Kapitel 1
Dürfen wir noch unterwegs sein?


Reisen bildet


»Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.« So legte einst Johann Wolfgang von Goethe den Menschen nahe, aufzubrechen, unterwegs zu sein und nicht zu Hause zu verkommen. Viele Dichter und Denker schrieben ganz ähnlich, allen voran Mark Twain, für den das Reisen fatal ist, wenn Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit aufrechterhalten werden sollen. Reisen, so sein Fazit, erheitert, ermuntert, belebt und fasziniert. Und, ganz wichtig: Reisen macht Menschen glücklich! Gründe genug, um immer wieder Neues zu erkunden, das Weite zu suchen und sich nicht allein mit dem Alten und Nahen zufriedenzugeben. Alle diese Weisheiten und Erkenntnisse lassen sich am besten in dem berühmten Satz von Wilhelm Busch zusammenfassen: »Drum, o Mensch, sei weise, pack die Koffer und verreise.«1

Es gibt wohl nicht viele andere Ratschläge, die so viel Widerhall gefunden haben wie die Aufforderung, zu reisen oder, modern ausgedrückt: unterwegs zu sein. Mobilität hat sich zu einem zentralen Wert in unserer Gesellschaft entwickelt. Vielleicht ist sie sogar Voraussetzung für ein faszinierendes, spannendes, attraktives und erfülltes Leben. Es geht schon lange nicht mehr um den berühmten Tapetenwechsel oder um eine gelegentliche Veränderung des Mittelpunkts im Leben. Mobilität ist der Normalzustand, Stillstand ist die Ausnahme! Nahezu alles, was die Menschen früher an einem bestimmten Ort taten, erleben sie heute unterwegs: arbeiten, ihr Leben reflektieren, im Internet surfen, einkaufen, telefonieren, fernsehen, bei sich sein, ausruhen, womöglich sogar ein wenig wohnen, all das lässt sich überall erledigen.

Trotz der von vielen Individuen geteilten Begeisterung für das Unterwegssein kommt inzwischen die Einsicht auf, dass Mobilität an ihre Grenzen stößt. Die mit dem Reisen verbundenen Schäden für Mensch und Natur sind so gravierend, dass einige eine Rückbesinnung auf Langsamkeit und Beschaulichkeit fordern. Das rast- und ruhelose Mühen scheint vielen übertrieben. Menschen hetzen von einem Ziel zum nächsten ohne erkennbaren Sinn und ohne nachvollziehbaren Zweck. Die Skepsis am unermüdlichen Reisen äußert sich in den Debatten um autofreie Zonen, den Flugverkehr und um zu viele Parkplätze in den Innenstädten. Müssen Menschen wirklich um die halbe Welt reisen, überall vor Ort sein, während in vielen Metropolen die Einwohner regelrecht im Verkehr ersticken?

Hat uns die Coronapandemie nicht etwas völlig anderes gelehrt? Es geht auch ohne Mobilität! Virtuelle Treffen und Reisen via Zoom oder Teams, mit einem Klick in die ganze Welt. Man muss nicht mehr unterwegs sein! Man kann alles von einem Ort aus erledigen. Allerdings gibt es auch eine Kehrseite: Homeoffice, Lagerkoller, das Gefühl, etwas im Leben zu verpassen, vielleicht sogar eingesperrt zu sein und natürlich der Corona-Blues. Ist Mobilität also doch viel mehr, als nur von einem Ort zu einem anderen zu gelangen? Ist das Unterwegssein nicht etwas Schönes, Erhabenes, Bereicherndes, vielleicht sogar Berauschendes per se, unabhängig davon, wohin die Reise geht? Müssen wir unterwegs sein, vielleicht sogar ohne Ziel? Ist das Verharren an einem Ort nicht auch ein persönlicher Stillstand?

Wir erinnern uns: die Autofahrt in den Urlaub nach Italien. Vorfreunde auf Sonne und Strand, trotz Stau und Hitze. Acht Stunden Zeit, sich die 14 Tage in Bibione an der Adria auszumalen. Nicht nur die Familie im Auto, sondern auch die Gedanken und Gefühle gehen auf Reisen. Oder die Fahrt vom Arbeitsplatz nach Hause. Endlich Ruhe, endlich allein, keine Mitarbeitenden, kein Telefon, keine To-dos. Unterwegssein als Flucht vor dem grauen und tristen Alltag, um anderen Vorstellungen und Empfindungen einen Raum zu geben. Oder der Läufer, der das Runner’s High erlebt, ein Zustand, in dem allein die Bewegung und nicht das ins Auge gefasste Ziel ein Glücksgefühl vermittelt. Mihaly Csikszentmihalyi hat dieses Empfinden als »Flow« bezeichnet. Es stellt sich ein, sobald die Herausforderung aus einer Tätigkeit oder in unserem Fall aus einer Bewegung mit den eigenen Fähigkeiten einhergeht.2

Natürlich geht es häufig darum, möglichst schnell, möglichst einfach, möglichst sicher irgendwo anzukommen. Auf dem Weg zum Einkaufen, zum Arbeitsplatz, zum Sport, zur Schule, zu einem Kunden oder Zulieferer, hier geht es um einen effizienten Transport. Nicht die Reise zählt, sondern die schnelle und einfache Ankunft am Zielort. Aber Mobilität ist mehr! Nicht nur der Mensch ist unterwegs, sondern auch seine Ideen, Träume, Wünsche und vieles mehr. Zugegeben nicht auf jeder Reise, aber gelegentlich eben doch. Deshalb herrscht zumeist Freude, das Ziel erreicht zu haben, aber eben auch Leere, bevor man ein neues Ziel ins Visier nimmt. Jeder kennt dieses Gefühl. Es begleitet uns durchs Leben. Offenbar gilt: Einen Ort erreichen zu wollen, treibt uns an, aber wehe, wir haben ihn erreicht!

Das Bedürfnis, unterwegs zu sein, bezieht sich nicht nur auf die körperliche Bewegung von einem Ort zu einem anderen. Vielmehr geht es immer auch um ein Weiterkommen, um ein Fortbewegen, sogar um einen »Fort-Schritt« im übertragenen Sinne. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Die wichtigen, die entscheidenden Reisen in unserem Leben finden dann statt, wenn neben dem Physischen auch das Psychische unterwegs ist. So verstanden ist Mobilität eben beides:3 Der effiziente Transport eines Menschen, aber eben auch das individuelle Fortkommen in einem emotionalen, gedanklichen, vielleicht sogar manchmal auch spirituellen Sinne. Wir lernen daraus: Wer sich mit Mobilität befasst, greift ein bedeutendes Thema auf! Es geht um den effizienten Transport, aber eben auch um den persönlichen »Fort-Schritt«. Beidem wollen wir in diesem Buch gerecht werden.

Gehen wir nochmals zurück: Das Misstrauen gegenüber dem Wunsch, immer unterwegs zu sein, und der wiederkehrende Verweis auf die schädlichen Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt bis hin zum globalen Klimawandel münden häufig in der Forderung nach einer substanziellen Mobilitätswende. Dieser von vielen Menschen geforderte Wandel setzt auf Mäßigung und Verzicht, will eine Rückbesinnung auf Natur und Umwelt und verlangt das Ende von Stress, Hetze und ständiger Bewegung. Es geht um das Besinnliche, das Langsame, das Unaufgeregte, das Gemächliche, das Verwurzelte und das Lokale. Man ist geneigt zu sagen: Es geht um das Gute in einer Zeit des übersteigerten, überhitzten, überhöhten und übertriebenen Unterwegsseins. Man möchte daher den Menschen zurufen: Kommt endlich zur Ruhe, körperlich und seelisch, und ihr habt mehr vom Leben.

Ohne Zweifel ist die Kritik an der heutigen Mobilität, vor allem daran, wie wir sie organisieren, berechtigt und notwendig. Die vielen Unfälle und das damit verbundene Leid, die gravierenden Emissionen und die Auswirkungen auf die Gesundheit, der enorme Platzbedarf für Straßen und Parkplätze, kurzum: Die sozialen Kosten der Mobilität sind in den letzten Jahren sehr stark angestiegen, womöglich sind sie zu hoch. Dies darf aber nicht dazu führen, Mobilität per se zu verurteilen und abschaffen zu wollen. Wie eingangs erwähnt, vermag das Reisen zu bilden, den Horizont zu erweitern, Urteile zu überdenken und die Welt immer wieder aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Hinzu kommt, dass Mobilität viele Menschen in Arbeit und Wohlstand bringt, damit Einkommen und Beschäftigung ermöglicht. Vielleicht ist sie sogar der entscheidende Faktor für eine florierende Wirtschaft und eine stabile Demokratie. Deshalb ist es unerlässlich, die Diskussion um die Mobilität der Zukunft anders, hoffentlich besser, zu führen als bislang. Es geht nicht um das Entweder-oder: Bleib zu Hause oder sei ein Umweltverschmutzer. Wir plädieren für ein Sowohl-als-auch. Lasst die Menschen unterwegs sein, lasst sie reisen, schickt sie hinaus in die Welt. Aber Bitteschön mit einer anderen Mobilität als bislang! Denkt an die Umwelt!

Mobilität wirkt. Das zeigt ein Blick auf die politische Landkarte. Es ist nicht mehr nur das Brot, wie zu Beginn der Französischen Revolution, sondern die schlechte oder teure Mobilität, die Regierungen inzwischen in die Knie zwingt. Denken wir an die Unruhen 2014 in Brasilien oder 2019 in Chile und Ecuador, allesamt wegen einer Preiserhöhung der Bahntickets oder des Benzins. Selbst im Sudan, im...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2022
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
Schlagworte Autoindustrie • Automobil • Autonomes Fahren • Klimafreundlichkeit • Klimawandel • Mobilität als Service • Mobilitätswandel • Mobilitätswende • mobility as a service • Nachhaltigkeit • Verkehrswende • Zukunft der Mobilität
ISBN-10 3-593-45039-9 / 3593450399
ISBN-13 978-3-593-45039-1 / 9783593450391
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