Wettbewerb in Deutschland (eBook)
424 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-6357-0 (ISBN)
Der Autor ist 1983, nach dem Studium von Geschichte und Rechtswissenschaften in Deutschland, in die Schweiz gekommen und schließlich dorthin umgesiedelt. Langjährige Tätigkeiten in Südeuropa und in der grenzüberschreitenden Steuer- und Wirtschaftsberatung haben sein Bild vom Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie geprägt. Sein Beitrag ist ein Plädoyer für Dezentralisierung, ökonomische Unabhängigkeit und Selbstverantwortung der Wirtschaftssubjekte gegenüber einem vermeintlich allwissenden Staat oder einer solchen Europäischen Union. Der Autor nimmt einen überbordenden politischen Einfluss als Ursache für Wohlstandsverluste wahr, der am Ende des Tages gerade diejenigen trifft, die der paternalistische Wohlfahrtsstaat zu schützen vorgibt. Sein besonderes Interesse gilt dem Zusammenhang zur Geldpolitik, die das Gleichgewicht der Märkte gefährlich verzerrt und damit Risiken schafft anstelle solche abzubauen.
1. Steuerwettbewerb
Der weltweite Steuerwettbewerb wird derzeit durch zwei Linien geprägt:
* Einige Staaten versuchen im Rahmen der OECD eine Harmonisierung von Besteuerungsbedingungen, und zwar auf den Ebenen der steuerlichen Bemessungsgrundlagen wie auch der Steuersätze (die steuerliche Bemessungsgrundlage ist der Gewinn, aus dem sich die Steuerschuld errechnet).
* Die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen bauen im Regelfall auf der physischen Präsenz eines Unternehmens im anderen Staat außerhalb seines Sitzstaates auf (Betriebsstätte). Nur soweit eine solche besteht, resultiert daraus eine (Ertrag-)Steuerpflicht im anderen Staat. Nun sind in den vergangenen Jahrzehnten vornehmlich in den USA Unternehmen im Bereich der Digitalwirtschaft entstanden, die Leistungen in anderen Staaten anbieten, ohne dort über Betriebsstätten zu verfügen, und wenn doch, dann bestenfalls in Form von Vertriebsgesellschaften mit bescheidenen steuerlichen Bemessungsgrundlagen. Zahlreiche Staaten wollen deshalb die Steuerpflicht von der physischen Präsenz lösen und an den Vertriebserfolg im Absatzstaat anknüpfen. Gegen eine solche Absicht spricht nicht nur, dass die USA sie verständlicherweise aus fiskalischen Gründen nur wenig goutieren, sondern dass sie gegen die bestehenden Vereinbarungen verstößt und überdies rechtlich und technisch nur schwer umzusetzen ist.
Beide Initiativen erstaunen.
* Mindeststeuersätze: Die Bestimmungsgewalt über das nationale Steuerrecht gehört zu den Kernkompetenzen eines souveränen Staates. Es erstaunt deshalb, dass die einen den anderen in ihre eigentlich unstreitigen Aufgaben hineinzuregieren versuchen. Im Dezember 2017 haben die Finanzminister der Europäischen Union eine Liste von Steueroasen herausgegeben und die steuerliche Wirksamkeit von Vereinbarungen mit in diesen ansässigen Gesellschaften eingeschränkt, und von dieser Liste inzwischen einige Länder wieder gestrichen, nachdem Steuerdumping erfolgreich eingeschränkt werden konnte. Die betreffenden Staaten verdeutlichen damit selbst, dass es Alternativen zu ihren Forderungen auf eine Mindestbemessungsgrundlage und Mindeststeuersätze gibt.
* Aufteilung des Steueraufkommens: Verkehrsteuern, unter ihnen die Umsatzsteuer als eine der weltweit ergiebigsten Steuerarten überhaupt, knüpfen bereits an den Ort des Verbrauchs an, und dies für den privaten Konsum sowie für den unternehmerischen Verbrauch bei fehlender Umsatzsteuerpflicht. Die beabsichtigte Änderung tritt damit in Innenkonkurrenz zu bereits bestehenden Regelungen.
Es ist absehbar, dass Industriestandorte, so auch Deutschland, unter einer Neuverteilung des Steueraufkommens leiden werden. Die Frage ist deshalb auch, ob die Neuverteilung des Steueraufkommens nur für Digitalunternehmen oder auch für die real economy gelten soll. Allein die Abgrenzung zwischen beiden ist nicht trivial. Schließlich ist die fehlende Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Digitalwirtschaft nicht zu übersehen. Notwendigerweise bildet sich diese im Steueraufkommen ab. Die Reaktion darauf kann nur eine Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit sein, nicht aber ein Steuerkartell.
Die EU-Kommission hat mit der Entscheidung des Europäischen Gerichts in Luxembourg vom 15. Juli 2020 eine Niederlage in ihrer Auseinandersetzung mit zwei irischen Tochtergesellschaften eines US-amerikanischen Technologiekonzerns hinnehmen müssen.
Die Richtlinienkompetenz im Ertragsteuerrecht fällt nach dem EU-Vertrag unstreitig in die Kompetenz der Nationalstaaten. Die EU-Kommission versucht, diese über eine extensive Auslegung des Beihilfeverbots nach Art. 107 AEUV an sich zu ziehen. Bewahrheitete sich diese Rechtsauslegung, würde der Standortwettbewerb zwischen den EU-Staaten auf dem Gebiet von Steuern und Abgaben unterbunden. Den kleinen und/oder geographisch in der Peripherie gelegenen Mitgliedsstaaten würden damit die Möglichkeiten zur Industrieansiedlung beschnitten. Dies bedeutete gleichermaßen eine Einschränkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit wie ihrer Selbstverantwortung.
Medien berichten von einer Ertragsteuerbelastung der betroffenen Gesellschaften von weit weniger als 1%. Diese wenden dagegen ein, an ihrem Sitz in Irland nur die mit einem geringen Wertschöpfungspotential behafteten Vertriebsleistungen zu erbringen, weswegen die Bemessungsgrundlage für den genannten Prozentsatz fehlerhaft berechnet sei. Die immateriellen Leistungen von Forschung und Entwicklung sowie die Produktion und die mit dieser verbundenen Haftungsrisiken würden von anderen Gesellschaften mit Sitz im Ausland getragen und unterlägen nach dem bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen deshalb nicht dem irischen Besteuerungsrecht. Das Gericht ist in seiner Entscheidung dem Vorbringen der betreffenden Gesellschaften gefolgt. Die Revision zum Europäischen Gerichtshof ist angekündigt.
Schließlich gerät bei dem genannten Prozentsatz zunehmend in den Hintergrund, dass wirtschaftlich nicht nur die Ertragsteuerbelastungen der Gesellschaften mit Sitz in Irland zu berücksichtigen sind, sondern auch das Lohnsteuer- und Abgabensubstrat aus der Beschäftigung von deren dortigen Mitarbeitern. Dies ist ja auch der offensichtliche Grund, warum die Republik Irland dem Antrag der Europäischen Kommission widerspricht und selbst kein eigenes Besteuerungsrecht erkennen will. Schon eine solche Argumentationslinie ist ein einmaliges Ereignis in der Finanzgerichtsbarkeit.
Zwar ist es richtig, dass – in der Terminologie des deutschen Rechts gesprochen – die Gesellschaften mit Sitz in Irland nicht Steuer- bzw. Abgabenschuldner sind, sondern Steuer- bzw. Abgabenpflichtige, sie also den Abzug und die Abführung der Steuern bzw. Abgaben auf Rechnung Dritter schulden. Auch dies ändert aber nichts daran, dass das Steuer- und Abgabensubstrat wirtschaftlich auf die betreffenden Arbeitgebergesellschaften zurückgeht. Damit haftet der Rechtsauslegung der Europäischen Kommission ein Zug der Aneignung an. Sie möchte ein Steuersubstrat für sich requirieren, ohne dass der Entwicklungs- und Produktionsprozess durch einen Steuerpflichtigen mit Sitz in einem ihrer Mitgliedsstaaten und unter dessen Abnahme- und Gewährleistungsrisiko verwirklicht worden wäre.
Deutschland sollte sich nicht der Illusion hingeben, eine andere US-Regierung werde den Widerstand gegen die Anknüpfung der Besteuerung an den Ort des Verbrauchs und Mindeststeuersätze aufgeben. Menschen gründen und betreiben Unternehmen, um Einkünfte zu erzielen und Kapital zu akkumulieren. Nur im Raumschiff Berlin glaubt man, sie täten dies, um möglichst hohe Steuern und Abgaben zu zahlen. Die Regierungen anderer Staaten sind hingegen nicht so naiv, ihre Wohlstandsmotoren aufzugeben oder ihnen auch nur das Leben schwerzumachen.
Die Initiative auf Anknüpfung der Besteuerung an den Ort des Verbrauchs verfehlt denn auch ihre Wirkung auf die Digitalwirtschaft nicht. Die Karnickel kommen nicht aus dem Bau, wenn der Fuchs schon vor der Tür wartet. Die betroffenen Unternehmen wissen, warum sie ihre Standorte in den USA oder in Asien haben, und kein newcomer wird so dumm sein, unter europäischen Besteuerungsbedingungen in den Markt einzutreten, abgesehen vom fehlenden Finanzierungspotential der Kapitalmärkte.
Es ist deshalb nur folgerichtig, dass die Digitalwirtschaft in Europa über eine Nischenexistenz nicht hinauskommt. Europäische Steuerpolitik verkennt systematisch die spezifischen Bedingungen der Digitalwirtschaft: Sie ist weder auf Rohstoffe und die mit diesen verbundenen Transportwegen und Lagerhaltungen angewiesen, noch auf die geographische Nähe zu Absatzmärkten. Sie kann den Einsatz ihrer Produkte in kleinen Markteinheiten testen, die sich nötigenfalls über Nacht verlagern lassen. Sie ist deshalb ein Paradebeispiel für den Einfluss steuerlicher Rahmenbedingungen, und für ihre häufig jungen und mobilen Mitarbeiter gilt nichts anderes. Sie ist zudem ein Ausgleichselement im Wettbewerb, wie der ökonomische Aufstieg Irlands von der grünen Wiese zeigt. Solange die Steuerpolitik einzelner Länder sich aber wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen verweigert, werden diese abgehängt sein und bleiben, und die Reduzierung ihrer Initiativen auf die Besteuerung am Ort des Verbrauchs zeigt den Realitätsverlust der betroffenen Regierungen, die den Wettbewerb um Innovation und Ideen bereits aufgegeben und innerlich in technologischen Rückstand und ökonomische Abhängigkeit ihrer Völker eingewilligt haben.
Die Weltwirtschaft befindet sich in einem permanenten Anpassungsprozess. Nicht nur Unternehmen kommen und gehen, sondern ganze Branchen und Wertschöpfungsketten. Die aktuelle Entwicklung in den USA verdeutlicht die Bedeutungszunahme der Digitalwirtschaft gegenüber anderen Branchen.1 Die Digitalwirtschaft arbeitet unter der oben angesprochenen Transparenz der Rahmenbedingungen. Staaten, die sich diesen verweigern, schließen sich selbst aus. Das ist der ökonomische Grund, warum die Initiative der Besteuerung am Ort des Verbrauchs so gefährlich ist: Sie wiegt die betroffenen Staaten und ihre Gesellschaften in dem Irrtum, sie könnten ein Steuersubstrat und damit ein Sozialniveau erhalten oder erreichen, ohne dafür eigene Leistungen erbracht zu haben. Die Folge dieser...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Volkswirtschaftslehre |
Schlagworte | Euro. EZB • Ökonomie und Gesellschaft • Recht und Ökonomie • Steuern und Sozialversicherung • Wirtschaft- und Geldpolitik |
ISBN-10 | 3-7526-6357-X / 375266357X |
ISBN-13 | 978-3-7526-6357-0 / 9783752663570 |
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