Dialogische Führung (eBook)

Grundlagen - Praxis - Fallbeispiel: dm-drogerie markt
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2016 | 4. Auflage
136 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-43460-5 (ISBN)

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Dialogische Führung -  Karl-Martin Dietz,  Thomas Kracht
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Mitarbeitern Verantwortung geben, Erfolg ernten Als 'dialogisch' wird eine Führungskultur bezeichnet, in der die Mitarbeiter aus eigener Einsicht und in eigener Verantwortung handeln. Mit einer dialogischen Führung werden Firmen innovativ, zukunftsorientiert und erfolgreich. Am Beispiel des Unternehmens dm-drogerie markt, in dem die Autoren als Berater tätig sind, geben sie Einblick in die Praxis dialogischer Unternehmenskultur. 'Wir machen Tag für Tag sehr gute Erfahrungen mit dialogischer Führung. In diesem Buch stellen die Autoren ihre Beobachtungen und Konzeptionen allen Interessierten zur Verfügung, sodass auch andere Unternehmen sich davon anregen lassen können.' Götz W. Werner, Gründer dm-drogerie markt

Dr. Karl-Martin Dietz und Dr. Thomas Kracht gründeten im Jahr 1978 das Friedrich-von-Hardenberg-Institut für Kulturwissenschaften in Heidelberg, in dessen Rahmen das Buch 'Dialogische Führung' entstanden ist.

Dr. Karl-Martin Dietz und Dr. Thomas Kracht gründeten im Jahr 1978 das Friedrich-von-Hardenberg-Institut für Kulturwissenschaften in Heidelberg, in dessen Rahmen das Buch "Dialogische Führung" entstanden ist.

Inhalt 6
Geleitwort 10
Vorwort zur dritten Auflage 12
Einleitung: Worum es geht 16
Herausforderung Individualität 16
Ziele einer Dialogischen Führung 18
Das Bild vom unfreien Menschen in der Wirtschaft 20
Entwicklung in der Praxis – Ein Beispiel 22
Erster Teil 24
Dialogische Führung in der Unternehmensentwicklung 26
Ein Gespräch mit Götz W. Werner, Erich Harsch, Rainer Kloeters (†), Erika Michel, Anja Reith, Klaus Vogelbacher 26
Anfänge 27
Bingen 1991: Krise und Umschwung 31
Weiterentwicklung nach Bingen 58
Zweiter Teil 68
Praxis: Wie Dialogische Führung leben kann 70
Eine Dialogische Kultur entsteht 70
Elemente einer Dialogischen Führung 74
Dialogkultur im Unternehmen 78
Folgen und Voraussetzungen 86
Dritter Teil 92
Grundlagen: Prozesse und Haltungen des Dialogischen 94
Die Prozesse der Zusammenarbeit 94
Die Grundhaltungen des Dialogischen 103
Vertrauensbildung durch Dialogische Führung 112
Fähigkeitsbildung 115
Vierter Teil 120
Ausblick: Der Individualismus als Sozialprinzip 122
Die Entdeckung des Individuums 122
Selbstverantwortung und Selbstführung statt Hierarchie 125
Anmerkungen 130
Literatur 132
Register 136

Geleitwort Der Erfolg eines Unternehmens steht heute mehr denn je in Zusammenhang mit seiner Führungskultur. Diese Einsicht leitet unser Handeln bei dm-drogerie markt seit langem. Was im Rückblick wie ein konsequent durchgeführter Plan anmuten mag, besteht in Wirklichkeit aus einer Fülle einzelner Wahrnehmungen und Überlegungen. Ob neue Erfahrungen das Bewusstsein auf neue Entwicklungen und Möglichkeiten lenken, ist eine Frage individueller Wachheit. Wenn solche Wachheit von möglichst vielen Mitarbeitern geleistet wird, ist das die Frucht einer entsprechenden Unternehmenskultur. Führung heißt in erster Linie: Bewusstsein wecken mit dem Ziel, möglichst viele Mitarbeiter in eine unternehmerische Disposition zu bringen. Ich werde immer wieder gefragt, inwiefern die Anthroposophie Rudolf Steiners für mich bei der Führung meines Unternehmens eine Rolle spiele. Meine Antwort: Eben dieses zunehmende Wachwerden für andere Menschen, für gesellschaftliche Verhältnisse und für neue Situationen ist die Frucht anthroposophischer Bemühung; darüber hinaus ein Sinn für Entwicklung und Zukunftsgestaltung. Das alles unterliegt dem individuellen Zugriff jedes Einzelnen und bietet so zugleich die Gewähr für größtmögliche Vielfalt. Bei diesen Bemühungen begleiten uns seit 1993 Karl-Martin Dietz und Thomas Kracht vom Hardenberg Institut in Heidelberg durch Beratung, Workshops und regelmäßige Seminare. So ist es auch von unserer Seite willkommen, dass dieses Buch das Dialogische Element der Unternehmenskultur herausarbeitet. Damit ist zugleich die Hoffnung verbunden, dass Dialogische Führung über unser Unternehmen hinaus wirksam werden kann. Karlsruhe, im März 2002 Götz W. Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung dm-drogerie markt Vorwort zur dritten Auflage Dieses Buch gibt einen praxisbezogenen Abriss dessen, was wir seit ca. 15 Jahren im Friedrich von Hardenberg Institut für Kulturwissenschaften, Heidelberg, als 'Dialogische Führung' entwickeln. Diese hat zum Ziel, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der viele Mitarbeiter möglichst eigenständig zum Gelingen des Ganzen beitragen. Das macht ein Unternehmen einerseits innovativ und zukunftsgerichtet, andererseits effektiv. Es ist aber nur die Folge der Bemühung, den einzelnen Menschen wirklich ernst zu nehmen. Der Mitarbeiter gewinnt dadurch ein ganz anderes Verhältnis zu seinem Unternehmen und zu seiner Arbeit, als dies in traditionellen Führungsverhältnissen möglich ist: Er handelt zunehmend aus eigener Einsicht und Entscheidung. Wir leben in einer Zeit der Individualisierung. Der Einzelne wird in einem so früher nicht gekannten Ausmaß für seine Handlungsweisen individuell verantwortlich. Er kann sich immer weniger auf tragfähige Traditionen stützen und muss sein Leben selbst gestalten. Das erfordert den Willen und die Fähigkeiten zur Selbstführung und stellt neue Anforderungen an die Zusammenarbeit. Beiden Seiten dieser Fragestellung widmet sich die Dialogische Unternehmenskultur. Um eine solche Kultur zu verwirklichen, gibt es äußere und innere Voraussetzungen. Sie werden im Buch ausführlich beschrieben, einschließlich der kritischen Grenzen, an die der Versuch gelegentlich stößt. Das Fallbeispiel dm-drogerie markt führt vor Augen, wie solche Voraussetzungen geschaffen und bewusst gemacht werden können. Das Gespräch (Erster Teil) zeigt dies in unmittelbarer Weise für den besonderen Fall. Im zweiten Teil des Buches wird das Gesprächsergebnis kurz zusammengefasst und es werden allgemeinere Gesichtspunkte zu den Voraussetzungen einer solchen Entwicklung dargestellt, wie sie im Zusammenwirken der Verfasser mit vielen Mitarbeitern des Unternehmens herausgearbeitet und formuliert wurden. Weiter über das Entwickelte hinaus weist der Inhalt des dritten Teils. Er enthält Anregungen und nach und nach zu aktualisierende Intentionen, an deren Ausgestaltung und Weiterentwicklung diejenigen teilnehmen können, die sich um eine Dialogische Kultur bemühen. Als das Buch entstand, waren die Verfasser dabei, diese Anregungen im Unternehmen vorzustellen und zu besprechen. Der vierte Teil gibt in knapper Form einen Ausblick auf die kulturgeschichtliche Dimension des Individuellen. Wenn heute gelegentlich von 'Individualismus' die Rede ist, so darf dieser nicht verstanden werden im Sinne eines altgedienten Wirtschaftsliberalismus, sondern als neues Sozialprinzip, wie dies im vierten Teil des Buches angedeutet ist. Ein wesentliches Element individualisierender Führungskultur ist der Dialog. Doch ist nicht jeder sprachliche Austausch ein Dialog. Im Sinne der angestrebten Unternehmenskultur konnten wir auf bestimmte Dimensionen des Dialogischen hinweisen: seine Ich-Qualität, seine Existenzialität und seine soziale Originalität. Der Sinn des von uns gewählten Ausdrucks lässt sich im Blick auf seine wörtliche Bedeutung umreißen: 'Dialog' bezeichnet einen Prozess, durch den der Logos 'durch'-geht. Unter 'Logos' versteht man seit den Anfängen der europäischen Bewusstseinsgeschichte diejenige Kraft, die sowohl in der Welt wirksam ist als auch im Menschen dasjenige darstellt, was man heute als 'Ich' bezeichnet. Wer in diesem Sinne 'Dialogisch' vorgeht, sucht sich also ein eigenständiges Verhältnis zur Welt und zu seinem eigenen Handeln; und er achtet das Ich des anderen Menschen. Wollte man 'Dialog' hier einfach als methodisch geführte Wechselrede verstehen, würde das zu kurz greifen. Dialogische Führung baut auf die Eigenständigkeit jedes einzelnen Menschen. Wenn manchmal eingewandt wird, dass es doch vor allem auf Kooperation ankäme, so ist festzuhalten, dass ja nur Eigenständige kooperieren können. Die anderen können höchstens versuchen, sich gegenseitig zu manipulieren. Wie aufgrund von individueller Eigenständigkeit bis in die einzelne Situation hinein Zusammenarbeit gestaltet werden kann, ist Gegenstand der in diesem Buch beschriebenen Dialogischen Prozesse. Wir haben seit der letzten Auflage dieses Buches viel Gelegenheit gehabt, uns weiter mit den Grundlagen und der Ausgestaltung des 'Dialogischen' auseinanderzusetzen. Wir haben dabei stets erfahren, wie jeder Versuch der begrifflichen Erfassung einer solchen Kultur der Zusammenarbeit aus Individualität ebenso wie die Praxis work in progress ist, keine festzuschreibende 'Lehre', kein scheinbar unveränderbares 'Konzept'. Und so sollte es auch nicht erscheinen. Was festgehalten wird, muss immer wieder neu erkannt, gefasst und entwickelt werden. Heidelberg, im November 2010 Karl-Martin Dietz, Thomas Kracht Einleitung: Worum es geht Man gibt immer den Verhältnissen die Schuld für das, was man ist. Ich glaube nicht an die Verhältnisse. Diejenigen, die in der Welt vorankommen, gehen hin und suchen sich die Verhältnisse, die sie wollen, und wenn sie sie nicht finden können, schaffen sie sie selbst. George Bernard Shaw Herausforderung Individualität Der einzelne Mensch macht immer mehr sein Recht geltend: Er will eigenverantwortlich denken und handeln, er will als Individuum ernst genommen werden. Neben der Bewältigung zunehmender Systemzwänge durch technische und organisatorische Innovationen, durch Globalisierung und anderes ist dies die wichtigste Herausforderung für die Führung in der Gegenwart. Längst sind alte Selbstverständlichkeiten ins Wanken geraten. Traditionelle Vorgaben greifen ebenso wenig wie die 'Pflicht'. Auch der 'Mythos Motivation' hat ausgedient. - Was tritt an diese Stelle? Bei den Versuchen, auf diese Situation mit 'Empowerment' zu antworten, wird jetzt auf 'intrinsische Motivation' gesetzt. Doch dabei beißt sich die Katze in den Schwanz: Wenn es wahr ist, dass sich heute nur jeder selbst motivieren kann, muss der Versuch, diesen Prozess zu manipulieren, auf einen Widerspruch hinauslaufen! Hinter den Konzepten einer 'sanften' oder 'verdeckten' Führung steht nur die altbekannte Klugheitsmoral. Der Versuch der Instrumentalisierung hebt sich hier aber selbst auf: Wenn ich jemanden ernstnehme, weil er mir dann nützt - dann habe ich ihn nicht ernst genommen. Es geht nicht darum, die Augen vor der alltäglichen Notwendigkeit zu verschließen, sich in Illusionen zu wiegen oder die Härten des Geschäfts mit schmückendem Beiwerk verträglicher zu machen, mit 'Humanisierung am Arbeitsplatz' oder Ähnlichem. Es geht zunächst einmal darum, sich der Realität dessen zu stellen, was einem in dem einzelnen Menschen begegnet. Die erste Frage, die sich der Führung heute stellt, lautet somit: Wie kann eine Führung aussehen, die wirklich mit der Individualität des Menschen rechnet? (Es ist kein Einwand dagegen, wenn behauptet wird, diese Selbstständigkeit sei aber bei den meisten noch ein sehr zartes Pflänzchen. Umso wichtiger ist es nämlich, dass man dieses nicht übersieht - es könnte sonst leicht zertrampelt werden. Auch nur der Wunsch nach Selbstständigkeit ist bereits eine Realität, die beachtet werden muss. In ihm liegt der Keim, der sich entwickeln kann, wenn er die richtigen Wachstumsbedingungen findet.) Eine zweite Frage gehört dazu. Alle Entwicklung geschieht durch neue Ideen. Die Grundlage des ökonomischen Wettbewerbs ist der freie Wettbewerb der Ideen. Das passt nicht zur starren Hierarchie alten Stils. So lautet die zweite Frage an die Führung: Wie können wir so miteinander umgehen, dass sich jeweils die beste Idee durchsetzen kann? Mit diesen Fragen steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt: Mit Menschen umgehen heißt, sie als Individuen ernst nehmen zu lernen, die ihre Ziele und Entwicklungen selbst setzen und in Angriff nehmen wollen. Es muss also darum gehen, sich fähig zu machen, andere zu verstehen und sich so zu verhalten, dass diese sich selbst äußern und tätig werden können. Nicht die Zukunft zu verplanen, sondern Gelegenheiten zur freien Äußerung, Tätigkeit und Selbstentwicklung zu geben, heißt hier die Herausforderung. Wenn aber nun jeder macht, was er will, dann haben wir bald kein Unternehmen mehr! Wie können einzelne Entscheider zusammen arbeiten? Wie kommen sie zu ökonomisch sinnvollem Handeln? Wie bleibt das gemeinsame Ganze im Blick? Wer diese Einwände macht, bemerkt, wie das Umdenken in der Führung Vertrauen in den Menschen voraussetzt, und zwar in einem doppelten Sinne: Ich kann dem einzelnen Menschen nicht wirklich vertrauen, wenn ich 'dem Menschen' prinzipiell nichts zutraue - und umgekehrt. Wer führen will, muss von den Menschen mehr erwarten können, als der Augenblick offenbart. Vertrauen ist zunächst eine Vorschussleistung. Wir sagen deshalb sogar richtiger, dass wir Vertrauen schenken. Was aus diesem Geschenk wird, muss das weitere Leben entscheiden: Wird es wachsen oder verkümmern, gar in sein Gegenteil, in Misstrauen umschlagen? Auch die Machtfrage, oft diskret verschwiegen, stellt sich hier. Wer andere entscheiden lässt, hat sie auf seine eigenen Kosten ermächtigt. In diesem Punkt kann sich jeder selbst auf Lippenbekenntnisse prüfen: Wer andere sich selbst bestimmen lässt, kann den Erfolg ihrer Handlungen nur erwarten. Festlegen und herbeizwingen kann er ihn nicht. Das Ernstnehmen der Selbstbestimmung des anderen und dieses Erwarten-Können sind wichtige Voraussetzungen einer modernen Führung. Ziele einer Dialogischen Führung Führung, die mit selbstständigen Menschen rechnet, wird sich Ziele setzen, die den Zielen der einzelnen Menschen nicht widersprechen, sondern sie fördern. Der andere wird nicht einfach verplant und behandelt, sondern als individuelles Gegenüber, als Du wahrgenommen und für das Handeln berücksichtigt. Damit rückt das Gespräch in den Mittelpunkt. Führungs-'Maßnahmen' am Gespräch vorbei wird es in einem solchen Milieu immer weniger geben. Im Gespräch begegnen sich selbstbestimmte Individuen, wenn es seinen Namen wirklich verdienen soll. Denn was ist das Gespräch, der Dialog anderes als eine Form der Kommunikation, die es den Teilnehmern ermöglicht, Selbstbewusstsein zu entwickeln und selbstbewusst handeln zu können? Führung nimmt einen Dialogischen Charakter an. Dialog ist das Hereinholen der Iche (Ich und Du) in den gemeinsamen Gesprächsraum und ebenso ein Hereinholen der Sache (des Themas, der Fragestellung, der Vorgänge usw.). Die Sache wird dadurch zum 'gemeinsamen Dritten' der Dialogpartner. Einige Ziele einer solchen Führung seien hier zunächst in Kurzform vorangestellt. Der einzelne Mitarbeiter wird als individueller Mensch - und nicht nur in seiner Rolle oder Funktion - ernst genommen. Jeder einzelne Mitarbeiter entwickelt ein eigenständiges Verhältnis zur Wirklichkeit des Unternehmens und zu seinem Arbeitsbereich. Das bedeutet, dass aus der Vorgesetztenorientierung (ich mache das, weil der Chef es so will) eine auf Eigenständigkeit beruhende Orientierung wird (ich tue das, weil es sinnvoll oder nötig ist). Wichtigste Führungsaufgabe ist es daher, sich selbst und die anderen in eine Disposition zu bringen, die dieses eigenständige Verhältnis zur Wirklichkeit ermöglicht. Dialogische Führung ist damit zugleich ein Weg von der Fremd- zur Selbstbestimmung. Ihr Ziel ist: Jeder gestaltet und verantwortet seine Arbeit selbst. Die einzelnen Handlungen erfolgen nicht aufgrund irgendeines Druckes durch Vorgesetzte, sondern der gemeinsame Blick auf die Wirklichkeit eröffnet das Feld, auf dem individuelle Handlungen gefragt sind. Eigenständigkeit ist nur möglich, wenn der Einzelne mit allen Hintergründen, Ursachen und Konsequenzen versteht, was im Unternehmen vorgeht, und was er selbst tut. Daraus folgt zum Beispiel auch, dass Dialogische Führungskultur nicht als System eingeführt werden kann ('gilt ab 1. Januar 2017'), sondern dass sie des Willenszugriffs der Einzelnen bedarf. Führung heißt in dieser Hinsicht, Bewusstseinsleistung zu ermöglichen, die eigenständige Einsicht und eigenständigen Zugriff zur Folge hat. Sie ist zugleich Anregung und Ausbildung dazu, nicht nur einzelne Probleme zu lösen, sondern überhaupt Situationen der Unsicherheit selbstständig zu bewältigen, das heißt: Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Dialogische Führung ist in erster Linie Selbstführung. Sie geht davon aus, dass der Einzelne den genannten Herausforderungen gerecht werden und deshalb sich selbst verwandeln will. Dadurch stellen sich neue Verhältnisse in der Zusammenarbeit ein. Indem ich mich selbst verändere, verändert sich auch die Zusammenarbeit - und nicht: damit sich die Zusammenarbeit verändert, muss der Einzelne dies oder jenes mit sich machen. Führung als Selbstführung bedeutet, die Mitarbeiter zu dieser Selbstführung zu ermutigen und sie ihnen zu ermöglichen. Leisten muss sie jeder selbst, wenn und soweit er dies will. In dem Maße, in dem das möglich wird, ändert sich auch der Charakter der Zusammenarbeit. Gemeinschaft entsteht aus dem Zusammenwirken der Einzelnen - Dialogische Führung bewirkt einen Ideen- und Handlungsfluss, der sich in die Zukunft bewegt. Die Beiträge der Einzelnen fließen zusammen und optimieren sich, wenn sie nicht ständig mit Felsen zu kämpfen haben, die in den Fluss hineingeworfen werden. Dialogische Führung regt den gemeinsamen Blick in die Zukunft an. Kontrolle als Führungsinstrument wird also allmählich abgelöst durch die Selbstkontrolle der Beteiligten. Aus dem Vorgesetzten wird mehr und mehr ein Berater. Und die Beratung wird eher von den Betroffenen selbst angefordert, als dass sie ihnen 'aufgedrängt' würde. Die Mitarbeiter suchen die Spiegelung durch den 'Vorgesetzten', weil dadurch ihre Eigenständigkeit an Sicherheit gewinnt. So entsteht auch ein ideenfreundliches Klima (jenseits der Lähmung durch das Gewohnte und diesseits der luftigen Unsicherheit des Ungewohnten) zwischen den zusammenarbeitenden Menschen. Unternehmen existieren dadurch, dass sie innovativ bleiben. Wo kommen die Innovationen her? Wie werden sie gefördert? Wo haben sie ihre Verankerung in der bestehenden Wirklichkeit? Ziel der Dialogischen Führung ist es, durch Vertrauen in die Kraft des Einzelnen das als unversöhnlich Geltende in Einklang zu bringen: die Persönlichkeit der Mitarbeiter und ihre persönliche Entwicklungsfähigkeit einerseits, die Unternehmensziele und deren gemeinsame Entwicklung andererseits; individuelle Ideenfähigkeit und Tatkraft zum einen, das Wohl des Ganzen zum anderen. Der Grund, weshalb dies alles im Folgenden näher beschrieben werden wird, ist ein doppelter. Wie schon erwähnt, deuten immer mehr Zeichen darauf hin, dass die alten Führungsformen nicht länger greifen ein aufrüttelndes Anzeichen dafür, dass sich die Realität ändert: Der Einzelne will wirklich (und nicht nur zum Schein) als solcher wahrgenommen werden. Zum anderen hat sich bereits in jahrelanger Unternehmenspraxis gezeigt, dass Dialogische Führung keine Utopie ist. Das Bild vom unfreien Menschen in der Wirtschaft Dialogische Führung in dem skizzierten Sinne will der veränderten Realität ins Auge sehen: den Einzelnen als Einzelnen ernst nehmen. Dabei darf eine Schwierigkeit nicht unterschätzt werden. Wer nämlich diesen Versuch unternimmt, muss sich selbst zuerst von Vorurteilen befreien, die seine Praxis bestimmen. Die Vorurteile sind umso wirksamer, je weniger sie bemerkt werden. Es sind noch immer die überkommenen Menschenbilder der Vergangenheit, die den Blick auf die Realität verstellen und damit den Weg in die Zukunft blockieren. Beherrschend in der Praxis ist das Bild vom vollständig determinierten Menschen. Der Mensch gilt als festgelegt auf Reaktionsweisen, Triebe, Verhaltensmuster und Denkformen in verschiedener Hinsicht: genetisch, durch seine Triebstruktur, seine frühkindlichen Prägungen oder durch gesellschaftliche Einflüsse. Wer das alles verinnerlicht hat, fühlt sich leiblich, seelisch und geistig gebunden. Er muss sich sagen: Ich bin konditionierbar. Lernen ist konditionieren. Veränderungen am Selbst des Menschen geschehen durch Außenanwendung didaktischer Maßnahmen. Ich bin Subjekt. Dieses kann den Zusammenhang mit einer so genannten 'Wirklichkeit' nicht finden - falls es eine solche überhaupt gibt. Intersubjektivität ist das höchste, was wir im Erkennen erreichen können. Ich bin als Einzelner vereinzelt. Mir steht die Gemeinschaft gegenüber. Ich kann mich der Gemeinschaft unterordnen oder sie zu bestimmen versuchen. Eine andere Möglichkeit bleibt mir nicht. Ich bin meinem Wesen nach genetisch bestimmt, ein Produkt der Evolution. Irgendein eigenständiger Zugriff auf mich selbst ist mir deshalb verwehrt. Wie sehr heute in der Wirtschaft nach diesen Anschauungen tatsächlich gehandelt wird, mag durch zwei Beispiele erläutert werden. Das erste betrifft den Umgang mit den Kunden, das zweite den mit Mitarbeitern. Ein renommiertes Handbuch über 'Konsumentenverhalten' legt folgendes Menschenbild zugrunde: 'Unter der Ideologie vom souveränen und vernünftigen Menschen vergessen wir leicht unsere tierische Abstammung. Wir übersehen gern, dass Teile unseres Zentralnervensystems noch aus dieser tierischen Vergangenheit stammen und unser Verhalten bestimmen. [. . .] Wir sollten uns zu diesen tierischen Verhaltensweisen bekennen und sie nicht durch Spekulationen über unsere menschliche Freiheit und Unabhängigkeit übertünchen. Wir sollten uns nicht schämen, alle noch etwas Tier (sprich: ?Konsumäffchen?) zu sein.'1 Der Konsument als Äffchen - dann muss der Verkäufer nur auf dem Klavier von dessen Triebstruktur spielen. Und das geschieht ja üblicherweise.

Erscheint lt. Verlag 13.10.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
Schlagworte Arbeitnehmer • Arbeitskräfte • Arbeitskräftestruktur • Belegschaft • Besatzung • Beschäftigte • Betriebsangehörige • Betriebsführung • Communication • Dispositiver Faktor • Drogerie • Drogeriemarkt • Drugstore • employees • Erwerbstätige • Führung • Führungskraft • General Management • Geschäftsleitung • Kollege • Kommunikation • Körperpflegemittelfachhandel • Kosmetikfachhandel • Leadership • Leitung • Lohnabhängige • Management • Management-by-Prinzip • Managementtheorie • Mitarbeiter • Mitarbeiterführung • Parfümerie • Personal • Personalbetreuung • Personalführung • Steuerung • Teamführung • Unternehmensführung • Unternehmensleitung • Werktätige • Workforce
ISBN-10 3-593-43460-1 / 3593434601
ISBN-13 978-3-593-43460-5 / 9783593434605
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