Buchführung, 8. Auflage (eBook)
356 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-0145-5 (ISBN)
Prof. Dr. Jörn Littkemann ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensrechnung und Controlling an der FernUniversität in Hagen.
2.Grundlegende Elemente der Buchhaltung
2.1Inventur und Inventar
§ 240 Abs. 1 HGB verpflichtet jeden Kaufmann11 dazu, zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben. Darüber hinaus erweitert § 240 Abs. 2 HGB diese Verpflichtung auf die Aufstellung eines solchen Inventars am Ende eines jeden Geschäftsjahres. Die anfallenden Tätigkeiten zur Erstellung des Inventars, die das körperliche und buchmäßige Erfassen der genannten Wirtschaftsgüter sowie die Anfertigung einer sachlich geordneten Aufstellung an einem bestimmten Stichtag umfassen, nennt man Inventur. Das körperliche Erfassen der Vermögensgegenstände erfolgt dabei in der Regel durch Zählen, Messen, Wiegen und Schätzen. Zur Erfassung der einzelnen Positionen kann man sich hierbei eines vorgefertigten Formulars bedienen (vgl. Abbildung 2–2). Bei den Schulden erfolgt die buchmäßige Erfassung durch die Überprüfung von Vertragsunterlagen.
Grundsätzlich sind folgende Inventurverfahren zu unterscheiden (vgl. Abbildung 2–1).
Abbildung 2–1: Inventurverfahren
Abbildung 2–2: Beispiel eines Formulars zur körperlichen Bestandsaufnahme
Die dargestellten Inventurverfahren unterscheiden sich nach dem Zeitpunkt, an dem die Bestandsaufnahme durchgeführt wird. Mit der Stichtagsinventur, die in § 240 Abs. 1 und 2 HGB geregelt ist, wird die Bestandsaufnahme bezeichnet, die am Bilanzstichtag selbst oder bis zu 10 Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag stattfindet. Während erstere auch klassische Stichtagsinventur genannt wird, wird die zweite Variante als ausgeweitete Stichtagsinventur bezeichnet. Bei der ausgeweiteten Stichtagsinventur ist zu beachten, dass die Stichtagsbezogenheit der Inventur gewährleistet sein muss, d. h. Bestandsveränderungen bis zum Bilanzstichtag bei einer vorgelagerten Inventur und Bestandsveränderungen seit dem Bilanzstichtag bei einer nachgelagerten Inventur müssen Berücksichtigung finden. Die vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur – geregelt in § 241 Abs. 3 HGB – umfasst die Bestandsaufnahme in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten vor dem Bilanzstichtag und bis zu zwei Monaten nach dem Bilanzstichtag in einem besonderen Inventar. Bei diesem Verfahren wird also bewusst auf eine körperliche Bestandsaufnahme am oder um den Bilanzstichtag verzichtet, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die wertmäßige Fortschreibung bzw. Rückrechnung der bei der Inventur ermittelten Werte nach einem Verfahren erfolgt, das den GoB entspricht. Die in § 241 Abs. 2 HGB geregelte permanente Inventur kann ebenfalls losgelöst von der körperlichen Bestandaufnahme am Bilanzstichtag durchgeführt werden, wenn, wie bei der vor- oder nachverlegten Stichtagsinventur, die Fortschreibung bzw. Rückrechnung nach einem Verfahren erfolgt, das den GoB entspricht. Dabei wird in der Regel in der Art vorgegangen, dass das Unternehmen in einzelne Inventurbezirke eingeteilt wird, in denen jeweils einmal im Jahr eine körperliche Bestandsaufnahme zu erfolgen hat.
Der Gesetzgeber hat über die den Inventurprozess vereinfachenden Aspekte der verschiedenen Inventurverfahren hinaus weitere Inventurvereinfachungen vorgesehen (vgl. Abbildung 2–3).
Abbildung 2–3: Inventurvereinfachungen
Bei der Stichprobeninventur, die in § 241 Abs. 1 HGB kodifiziert ist, kann die Aufnahme der Bestände aus Effizienzgründen nach anerkannten mathematisch-statistischen Verfahren erfolgen, wenn diese Verfahren den GoB entsprechen und der Aussagegehalt der Stichprobeninventur im Vergleich zur vollständigen körperlichen Aufnahme gleichwertig ist. Dies ist gegeben, wenn die ermittelten Ergebnisse der Stichprobe hinreichend sichere Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit zulassen. Das Festwertverfahren im Sinne des § 240 Abs. 3 HGB dient der Vereinfachung sowohl der körperlichen als auch der buchmäßigen Bestandsaufnahme. Im Rahmen des Festwertverfahrens ist einem bestimmten Bestand an Vermögensgegenständen (z. B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen) eine Festmenge zu Festpreisen zuzuordnen, wenn Abgänge regelmäßig ersetzt werden, der Gesamtwert der mit einem Festwert bewerteten Vermögensgegenstände für das Unternehmen von geringer Bedeutung ist und der Bestand sich bezüglich Größe, Wert und Zusammensetzung kaum verändert. Darüber hinaus hat alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme stattzufinden. Das Festwertverfahren ist wie die im Folgenden zu beschreibende Gruppenbewertung als Ausnahme vom Grundsatz der Einzelbewertung zu bezeichnen. Die im § 240 Abs. 4 HGB geregelte Gruppenbewertung darf auf gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände und Schulden angewendet werden. Dabei werden sie mit dem gewogenen Durchschnittswert bewertet.
Zur Veranschaulichung wird im Folgenden ein Beispielfall zur Inventur und zum Inventar vorgestellt.
FALL 1
Zur Kfz-Werkstatt Amigo KG gehört auch eine freie Tankstelle. Neben den vier Zapfsäulen, an denen die Kunden ihre Fahrzeuge betanken können, befinden sich auf dem Betriebsgelände eine Autowaschstraße, eine Werkstatt, in der Autos repariert werden können sowie sonstige Anlagen zur Reinigung und Pflege von Autos. Darüber hinaus wurde ein kleines Kassenhäuschen zu einem geräumigen Geschäftslokal ausgebaut, in dem die Kunden diverse Lebensmittel und Waren kaufen können. Hinter dem Ladenlokal befinden sich die Büroräume des Besitzers.
Die Inventur zum Ende des Geschäftsjahres wird am 31.12. durchgeführt (vgl. Abbildung 2–2) und hat folgendes Inventar zum Ergebnis.
Die Inventur und als Ergebnis der Inventur das Inventar stellen die Grundlage zur Erstellung der Bilanz dar. Auf die Grundzüge einer Bilanz soll im folgenden Kapitel näher eingegangen werden.
2.2Bilanz
Aus § 242 Abs. 1 HGB lässt sich die Verpflichtung eines Kaufmanns ableiten, zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Bilanz aufzustellen.12 In der Regel wird die Bilanz in Kontenform erstellt. Charakteristisches Merkmal einer solchen Bilanzgliederung in Form eines Kontos ist die Gegenüberstellung von Vermögenspositionen auf der linken Seite und Schuldenpositionen auf der rechten Seite der Bilanz. Die linke Seite der Bilanz wird auch als Aktivseite der Bilanz bezeichnet. Die einzelnen Positionen auf der Aktivseite werden Aktiva genannt. Entsprechend wird die rechte Seite der Bilanz als Passivseite bezeichnet und enthält die Passiva des...
Erscheint lt. Verlag | 7.4.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft |
ISBN-10 | 3-7412-0145-6 / 3741201456 |
ISBN-13 | 978-3-7412-0145-5 / 9783741201455 |
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