Das faszinierende Spiel der Tiere (eBook)

Warum Elefanten gerne rutschen, Affen Bauchklatscher lieben und was das alles auch für unser Leben bedeutet

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-32110-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das faszinierende Spiel der Tiere -  David Toomey
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Nominiert für das Wissenschaftsbuch des Jahres
Krähen surfen auf Dächern, Delfine laufen in freier Wildbahn auf ihren Hinterflossen, Elefanten rutschen auf ihren Bäuchen im Schlamm und Tintenfische dribbeln mit Bällen. Der gefeierte Wissenschaftsjournalist David Toomey nimmt uns mit auf einen fesselnden Streifzug durch das rätselhafte Dickicht spielender Tiere: von sich neckenden Affen über kitzelige Ratten bis hin zu Hunden mit Fairplay-Gedanken.

Humorvoll, systematisch und mit einem erstaunlichen Blick für das Ungewöhnliche baut dieses Buch die Brücke vom verspielten Zwei- oder Mehrbeiner hin zur menschlichen Verhaltenswissenschaft. So macht zum Beispiel das Spielen in der freien Natur nicht nur Spaß - es ist auch wichtig für die Entwicklung unseres Gehirns und könnte bestimmte Störungen entscheidend positiv beeinflussen.

David Toomey ist Professor für Englisch an der University of Massachusetts, wo er Kurse über das Schreiben und die Geschichte der Wissenschaft unterrichtet. Als Autor widmet er sich den außergewöhnlichsten und skurrilsten Bereichen der Naturwissenschaft. Neben spielenden Tieren beschäftigt er sich u. a. mit Zeitreisen und außerirdischen Lebensformen.

Einführung


Im Winter 2020/21 fühlten sich viele von uns ängstlich, verloren und allein. Wir sprachen mit Bildschirmen, gleichzeitig waren wir es leid, mit Bildschirmen zu sprechen. Es war schwierig, sich eine Zukunft vorzustellen, die nicht nur aus einer langen Abfolge von Tagen besteht. Doch eines Morgens im Januar veröffentlichte der Smithsonian National Zoo in Washington, D. C., Videos von seinen Panda-Kameras. Über Nacht waren bald fünfzehn Zentimeter Schnee gefallen, und die beiden erwachsenen Großen Pandas des Zoos, Mei Xiang und Tian Tian, spielten in diesem Schnee – sie wälzten sich, schlugen Purzelbäume und rutschten langsam einen langen, kurvigen Abhang hinunter. Das Video wurde weit verbreitet. Freunde schickten es an Freunde, Enkel an Großeltern, Hundeliebhaber an Katzenliebhaber. Viele, die sich das Video ansahen, vergaßen die Strapazen dieses schrecklichen Jahres und verspürten für einen Moment eine Welle des Glücks. Das Spiel der Pandas war eine Beruhigung, eine Erinnerung nicht nur an die bloße Normalität (und in jenem Jahr war viel von einer Rückkehr zur Normalität die Rede), sondern ein willkommener Beweis dafür, dass die Welt trotz all ihres Leids immer noch ein Ort für Ausgelassenheit, ja sogar für Freude ist. Die Art und Weise, wie sie spielten – vor allem ein Panda, der kopfüber auf dem Rücken rutschte –, war ein williges Sichüberlassen an die Schwerkraft und den Impuls des Augenblicks, ein Vertrauen darauf, dass am Ende alles gut werden würde. In dieser Hinsicht war es sogar ein Akt des Glaubens, als wir ihn am meisten brauchten.

Tiere im Spiel lösen Staunen, Freude und sogar Ehrfurcht aus. Doch bis vor Kurzem haben Wissenschaftler dem Spiel der Tiere kaum Beachtung geschenkt. Das ist ein merkwürdiges Versäumnis. Das Spiel beim Menschen, insbesondere bei Menschenkindern, ist seit mehr als einem Jahrhundert ein Teilgebiet der Psychologie. Andere menschliche Verhaltensweisen – etwa Paarung, Aufzucht und Fürsorge für die Jungen – wurden durch Untersuchungen zu diesen oder ähnlichen Verhaltensweisen bei anderen Lebewesen beleuchtet. Wir könnten also erwarten, dass die Regale in den Bibliotheken unter der Last von Büchern, Promotionen und Zeitschriftenartikeln, die Tierspiele beschreiben und Theorien dazu aufstellen, ächzen würden. Aber das tun sie nicht. Im Vergleich zu anderen Verhaltensweisen von Tieren ist die Zahl der Studien zum Tierspiel dürftig. Es gibt keine Zeitschrift für Tierspiel, kein Handbuch oder keine Enzyklopädie zum Tierspiel, kein Institut für Tierspiel und keine Hochschule oder Universität mit einer akademischen Abteilung, die sich dessen Erforschung widmet. Und in mehr als 120 Jahren haben sich nur fünf Bücher ausschließlich mit diesem Thema befasst.

Warum ist dieses Thema so vernachlässigt worden?

Wahrscheinlich aus mehreren Gründen. Zum einen ist Spiel schwer zu definieren. Fachleute aus verschiedenen Bereichen, von der Kinderpsychologie bis zur Kulturanthropologie, haben Definitionen angeboten, die von »Spiel liegt aller Kreativität und Innovation zugrunde« über »Spiel ist grausamer Sport, es besteht aus Hänseleien und Wettbewerb« bis hin zu »Spiel ist die Quelle von Ritualen und Mythen, nach denen wir unser Leben gestalten« reichen.[1] Spielen ist manchmal schwer von anderen Verhaltensweisen zu unterscheiden, zum Beispiel vom Auskundschaften oder von der Paarung. Selbst wenn das Spiel gut definiert und identifiziert ist, kann es schwierig sein, es zu beobachten, da die meisten Tiere, die spielen, dies nur einige Minuten pro Tag tun. Ein weiterer Grund, warum Wissenschaftler das Spiel vernachlässigen, liegt weniger darin, welches Verhalten bei Tieren als Spiel gilt, sondern vielmehr darin, welches Verhalten bei Wissenschaftlern als Arbeit gilt. Bis vor Kurzem hielten viele der Ausschüsse und Bewilligungsbehörden, die wissenschaftliche Forschung genehmigen und finanzieren, das Spiel von Tieren einer ernsthaften Untersuchung für unwürdig. Niemand wusste das besser als der verstorbene Jaak Panksepp, ein Pionier in der Erforschung von Tieremotionen. Im Jahr 1990 sagte er in einem Interview, das Spiel sei »ein Thema, das viele immer noch als relativ frivol und unwichtig ansehen«.[2] Der Verhaltensforscher Gordon Burghardt stellt mit sichtlichem Bedauern fest, dass, wenn er anderen Wissenschaftlern von seiner Arbeit über das Spiel der Tiere erzählt, diese oft nur mit »amüsiertem Interesse und einer Geschichte über ein Haustier« reagierten.[3] Selbst diejenigen, die dieses Verhalten erforscht haben, meinen, dass sich die Bemühungen, es zu verstehen, als vergeblich erweisen könnten. Der Philosoph Drew Hyland bezweifelt in seinem 1984 erschienenen Werk The Question of Play, dass das Spiel streng definiert, geschweige denn analysiert werden könne. Robert Fagen bezeichnete in seinem meisterhaften Werk Animal Play Behavior, nachdem er über fast fünfhundert Seiten hinweg den Forschungsstand und die Überlegungen zu diesem Thema untersucht hatte, das Spiel als »eine reine Ästhetik, die sich der Wissenschaft, offen gesagt, entzieht«.[4]

Diese Einstellung hat praktische Konsequenzen gehabt. Wissenschaftler, die davon ausgehen, dass Stiftungen und akademische Gremien die Forschung zum Spiel der Tiere nicht finanzieren werden, richten ihre Forschungspläne dementsprechend nicht danach aus. Diese Stiftungen und akademischen Ausschüsse erhalten keine Anträge für die Erforschung des Spiels bei Tieren und gehen daher davon aus, dass es für Wissenschaftler von geringem Interesse und daher nicht förderungswürdig sei, und bieten entsprechend weniger Förderung in diesem Bereich an. Wissenschaftler, die Doktoranden betreuen, die eine finanzielle Förderung erwarten, raten ihnen, sich ein anderes Dissertationsthema zu suchen. Mit der Zeit erhalten diese Doktoranden Stellen an Hochschulen und Universitäten und geben denselben Rat aus denselben Gründen an ihre eigenen Studenten weiter. Und so geht es immer weiter mit der nächsten Generation von Wissenschaftlern, und auch mit der darauffolgenden. 1980 fasste der bekannte Naturforscher, Entomologe und Autor E. O. Wilson die Herausforderungen bei der Erforschung des Spiels der Tiere zusammen: »Kein anderes Verhaltenskonzept hat sich als undefinierter, schwerer fassbar, umstrittener und sogar unmodischer erwiesen.«[5]

Aber die Dinge ändern sich. In den letzten Jahren hat die Erforschung des Tierspiels durch zwei aufkommende Forschungsbereiche neue Impulse erhalten. Ein Bereich ist die Tierkultur. Kultur und Spiel sind eng miteinander verbunden, und jedes Verständnis der Tierkultur wird wahrscheinlich durch das Verständnis des Tierspiels erleichtert. Ein weiterer Bereich sind die Neurowissenschaften. Neue Techniken und Technologien zur Bildgebung des Gehirns (insbesondere Positronen-Emissions-Tomographie und Magnetresonanztomographie) führen zu einer immer detaillierteren Abbildung der neuronalen Netze. Zu gegebener Zeit könnten sie zeigen, wie das Spiel die Chemie und die Nervenbahnen des Gehirns verändert und wie umgekehrt diese Chemie und diese Nervenbahnen wiederum das Spielen ermöglichen.

Ein Bündel von Rätseln


Junge ausgewachsene Raben tauchen ab und wenden sich um, indem sie einen Flügel einziehen, ihn wieder ausbreiten und sich so umdrehen. Sie überschlagen sich mitten im Flug und jagen sich gegenseitig, indem sie »Sturzflüge« vollführen, sich gegenseitig in die Quere kommen und ausweichen. Ein Großer Tümmler wurde Zeuge, wie seinen Gefährten im Rahmen einer öffentlichen Aquariumvorstellung die aufrechte Bewegung mithilfe der Schwanzflosse beigebracht wurde, und nachdem er in die Wildnis entlassen wurde, setzte er dieses Verhalten unaufgefordert fort. Zum Erstaunen der Forscher übernahmen auch seine wilden Artgenossen diese Technik der aufrechten Fortbewegung. Man hat gesehen, wie Elefanten schlammige Hänge hinunterrutschten, manche auf dem Bauch, manche auf dem Hintern. Man könnte sagen, dass die Raben und Delfine alltägliche Aktivitäten ausschmücken, Reflexe und Fähigkeiten entwickeln oder Balzverhalten zeigen. Aber Rutschen im Schlamm scheint für keinerlei Elefantenbedürfnis relevant zu sein.

All diese Verhaltensweisen gehören zum Spiel und stellen ein Problem dar für die Ethologen, die Wissenschaftler, die das Verhalten von Tieren untersuchen. Da diese Verhaltensweisen Zeit und Energie kosten und gefährlich sein können, gehen die meisten Ethologen davon aus, dass das Spielen einem Tier zum Überleben oder zur Fortpflanzung verhelfen und einen oder mehrere Anpassungsvorteile haben muss, gerade weil es so viele offensichtliche Nachteile hat. Sie sind sich jedoch nicht einig, was diese Vorteile sein könnten.

Die Frage, warum Tiere spielen, lädt zu noch viel mehr ein. Das Thema scheint weniger ein zusammenhängendes Forschungsgebiet als vielmehr ein loses Bündel von Geheimnissen zu sein. Es gibt Fragen der Taxonomie. Welche Tiere spielen? Welche nicht? Es bestehen Definitions- und Identifizierungsprobleme. Was genau ist Spielen? Wie können wir sicher sein, dass es sich bei einem bestimmten Verhalten um Spiel und nicht etwa um Erkundung handelt? Es gibt Fragen zur Rolle des Spiels bei der Entwicklung eines Tieres. Spielen diejenigen, die das tun, in bestimmten Phasen ihres Lebens? Es gibt Fragen zur Vererbung und zur Umwelt. Inwieweit ist Spielen instinktiv? Inwieweit ist es erlernt? Es stellt sich die Frage nach der Beziehung des Spiels zum Gehirn und Nervensystem eines Tieres. Welcher neuronale Mechanismus oder Prozess ermöglicht das Spielen beziehungsweise bringt es zustande? Sind bestimmte Teile des Gehirns...

Erscheint lt. Verlag 21.8.2024
Übersetzer Nikolaus Palézieux
Sprache deutsch
Original-Titel Kingdom of Play
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte 2024 • Abenteuer mit Tieren • Affen • animal • atemberaubend • Bär • Biologie • Das Seelenleben der Tiere • Delfine • Die Weisheit der Wölfe • eBooks • Ed Yong • Elefanten • Elli Radinger • Erstaunlich • Forscher • Forschung • Gefühl • Haustier • Helen Macdonald • Hunde • H wie Habicht • Julia Schnetzer • Katzen • kingdom of play • Kognition • Kuh • my octopus teacher • Natur • Nature writing • natürliche Selektion • Naturwissenschaft • Neuerscheinung • Oktopus • Ozean • Peter Wohlleben • Ratgeber • Science • Spieltrieb • thomas bugnyar • Tierbabys • Tierleben • Tierpsychologie • unterhaltsames sachbuch • Verspielt • Zoologie
ISBN-10 3-641-32110-7 / 3641321107
ISBN-13 978-3-641-32110-9 / 9783641321109
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